Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 2 Rb 35 Ss 87/22

Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Emmendingen vom 9.11.2021 im Rechtsfolgenausspruch dahin abgeändert, dass der Betroffene zu der Geldbuße von 250 EUR verurteilt wird.

2. Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird verworfen.

3. Der Betroffene trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, jedoch wird die Beschwerdegebühr um ein Drittel ermäßigt und dem Betroffenen ist ein Drittel der ihm hieraus erwachsenen notwendigen Auslagen aus der Staatskasse zu ersetzen.

Gründe

 
I.
Das Amtsgericht Emmendingen verurteilte den Betroffenen wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 13 Abs. 2 Nr. 9 CoronaVO - Betreibens einer Schankwirtschaft - zu der Geldbuße von 500 EUR.
Nach den getroffenen Feststellungen hatte er am 11.12.2020 als Betreiber eines Gasthauses in X. Glühwein „to go“ an eine nicht feststehende Zahl von Personen verkauft. Gegen 22:45 Uhr hielten sich ca. 15 bis 20 Personen im öffentlichen Raum vor der Gaststätte auf und konsumierten aus Pappbechern den verkauften Glühwein. Diesen Personen wurde auch der Zutritt zu den Toiletten im Gaststättengebäude gestattet.
§ 13 CoronaVO hatte - soweit er für die vorliegende Entscheidung von Bedeutung ist - zur Tatzeit folgenden Wortlaut:
Ferner wird der Betrieb folgender Einrichtungen für den Publikumsverkehr untersagt:
[...] das Gastgewerbe, insbesondere Schank- und Speisewirtschaften, einschließlich [...] gastgewerbliche Einrichtungen im Sinne des § 25 Absatz 2 Gaststättengesetz, mit Ausnahme gastgewerblicher Einrichtungen und Leistungen im Sinne des § 25 Absatz 1 Gaststättengesetz, des Außer-Haus-Verkaufs sowie von Abhol- und Lieferdiensten [...].
Mit der form- und fristgerecht eingelegten und mit der Sachrüge begründeten Rechtsbeschwerde wird die Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil beanstandet und die Auffassung vertreten, dass die Personenansammlung vor der Gaststätte nicht in den Verantwortungsbereich des Betroffenen falle und daher nicht den Tatbestand verwirkliche.
Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe hat mit Antragsschrift vom 18.2.2022 beantragt die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen. Von der Möglichkeit hierzu und zu einem rechtlichen Hinweis des Senats Stellung zu nehmen, hat der Betroffene keinen Gebrauch gemacht.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen ist sie unbegründet.
1. Der Schuldspruch hält rechtsbeschwerderechtlicher Überprüfung stand.
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Zur Begründung kann zunächst auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft, insbesondere auch zur Verfassungsmäßigkeit des coronabedingten Betriebsverbots von Gaststätten, Bezug genommen werden.
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Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 13 Abs. 2 Nr. 9 CoronaVO.
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a) Die mit der Rechtsbeschwerdebegründung vorgebrachten Angriffe gegen die Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil erschöpfen sich in dem rechtsbeschwerderechtlich unbehelflichen Versuch, die Würdigung des Beweisergebnisses durch eine eigene zu ersetzen, ohne Rechtsfehler aufzuzeigen.
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b) Entgegen der in der Rechtsbeschwerdebegründung vorgenommenen Bewertung hat der Betroffene mit seinem Verhalten gegen das in § 13 Abs. 2 Nr. 9 CoronaVO aufgestellte Betriebsverbot verstoßen.
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1) Mit den in § 13 Abs. 2 Nr. 9 CoronaVO (i.d.F.v. 30.11.2020) verwendeten Begriffen werden - wie schon die ausdrückliche Anknüpfung an § 25 Gaststättengesetz (GastG) belegt - gaststättenrechtliche Begrifflichkeiten übernommen, weshalb zur Auslegung auf die dazu ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann. Danach ist es - auch unter Berücksichtigung des Schutzzweckes, engere Kontakte zur Ausbreitung der Infektion zu verhindern (vgl. dazu die Begründung zur CoronaVO vom 30.11.2020 S. 1 ff.) - eindeutig, dass durch das Verbot des Betriebs eines Gastgewerbes mit Ausnahme des Außer-Haus-Verkaufs und von Abholdiensten die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle gemeint ist. Dementsprechend ist in der Begründung zur Coronaverordnung vom 30.11.2020 (dort S. 34 f.) ausgeführt: „Das Ansteckungsrisiko, das von jeder Zusammenkunft einer Vielzahl von Personen ausgeht, lässt sich auch für den Betrieb von Einrichtungen des Gastgewerbes feststellen. Die Schließung dieser Einrichtungen begrenzt solche physischen Kontaktmöglichkeiten und verhindert, dass sich viele untereinander nicht bekannte Menschen über einen längeren Zeitraum auf begrenztem Raum aufhalten um zu essen, zu trinken und sich zu unterhalten, was mit einer hohen Infektionsgefahr einhergeht. Das lediglich mit einem kurzen Aufenthalt von zudem deutlich weniger Menschen im Restaurant verbundene Abholen der Speisen bleibt gestattet. Auch Restaurants oder Bars in Hotel- und Beherbergungsbetrieben dürfen Speisen und Getränke im Außer-Haus-Verkauf anbieten. Der regelmäßig nur kurze Aufenthalt dient nicht der Kommunikation, durch die erhöhte Aerosol-Belastungen entstehen, sondern alleine zu dem Zweck, zubereitete Speisen oder Getränke abzuholen.“
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Maßgeblich ist daher nicht, ob der Verzehr an einem Platz stattfindet, über den der Wirt verfügungsberechtigt ist. Vielmehr genügt bereits, dass der Verzehr in einem vor allem räumlichen, aber auch zeitlichen Zusammenhang zur Abgabe steht (BVerwG GewA 1956, 117; OVG Münster GewA 1984, 306; KG, Beschluss vom 19.6.1997 - 2 Ss 168/97, juris; OLG Hamburg, Beschluss vom 29.3.2012 - 3 Ss 40/11 OWi, juris; Ambs/Dr. Lutz in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 228. Erg.Lfg, § 1 GastG Rn. 17).
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2) Bei der festgestellten Abgabe von Glühwein in Pappbechern und der Gestattung des Zutritts zu den Toiletten teilt der Senat die Bewertung des Amtsgerichts, dass diese Voraussetzungen vorliegend erfüllt waren.
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2. Hingegen war das zur Ahndung des Verstoßes gebotene Bußgeld gegenüber dem vom Amtsgericht festgesetzten Betrag um die Hälfte zu reduzieren.
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Die Bußgeldbemessung im angefochtenen Urteil lässt schon nicht erkennen, ob bei der Bestimmung des Bußgeldrahmens die Vorschrift des § 17 Abs. 2 OWiG Berücksichtigung gefunden hat. Vor allem ist aber unberücksichtigt geblieben, dass zur Ahndung von Verstößen gegen die Bestimmungen der Coronaverordnung Bußgeldkataloge erlassen wurden (zu deren Bedeutung für die Bußgeldbemessung OLG Karlsruhe - Senat -, Beschluss vom 21.12.2021 - 2 Rb 37 Ss 423/21, juris m.w.N.). Der zur Tatzeit geltende Katalog sah zwar für den fahrlässigen (Erst-) Verstoß unter Halbierung der bei vorsätzlicher Begehung geltenden Sätze einen Rahmen von 500 bis 7.500 EUR und einen Regelsatz von 1.000 EUR vor, dies wurde aber bereits in dem für die Zeit ab 17.12.2020 geltenden Bußgeldkatalog auf einen Rahmen zwischen 125 und 2.500 EUR und einen Regelsatz von 250 EUR abgemildert, was auch bei späteren Änderungen beibehalten wurde. Im Hinblick auf den in § 4 Abs. 3 OWiG kodifizierten Rechtsgedanken (Günstigkeitsprinzip) führt dies vorliegend, da im Übrigen auf der Grundlage der im amtsgerichtlichen Urteil getroffenen Feststellungen eine eigene Sachentscheidung des Senats gemäß § 79 Abs. 6 OWiG möglich ist, zur Festsetzung eines Bußgeldes in Höhe des niedrigeren Regelsatzes.
III.
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Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 4 StPO.

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