Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 19 W 111/21 (Wx)

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Maulbronn vom 10.09.2021, Az. MAU079 GRG 908/2021, aufgehoben. Das Grundbuchamt wird angewiesen, den Eintragungsantrag nicht aus den Gründen der Zwischenverfügung zurückzuweisen.

Gründe

 
I.
Der Gläubiger - ein Insolvenzverwalter - wendet sich gegen eine Zwischenverfügung, mit der die Eintragung einer Sicherungszwangshypothek von der Angabe seines Geburtsdatums oder seines Wohnortes abhängig gemacht wird.
Der Gläubiger ist Insolvenzverwalter. Am 20. August 2021 beantragte er - wobei er im Rubrum die Parteibezeichnung „A. H. als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn H. P., (…)“ verwendete -, eine Sicherungszwangshypothek am Miteigentumsanteil an dem im Rubrum näher bezeichneten Grundstück wegen einer Forderung von EUR 41.867,47 einzutragen.
Das Grundbuchamt erließ daraufhin eine Zwischenverfügung, in der es die Eintragung davon abhängig machte, dass entweder das Geburtsdatum oder der Wohnort des Antragstellers angegeben wird; das entsprechende Erfordernis ergebe sich aus dem Wortlaut des § 15 Absatz 1 Nr. 1 GBV.
Mit Schreiben vom 27. September 2021 nahm der Gläubiger auf die Zwischenverfügung Bezug und vertrat die Auffassung, dass zur Erreichung des Zwecks des § 15 GBV die Angabe des Wohnorts nicht zwingend erforderlich sei. Der Zweck des § 15 GBV, Auskunft über die Berechtigungsverhältnisse zu geben, werde auch dadurch gewährleistet, dass anstatt dem Wohnort der Ort der Kanzlei des Insolvenzverwalters angegeben wird. Dies sei vorliegend sogar sinnvoll, da auch in dem Insolvenzeröffnungsbeschluss, seiner Bestallungsurkunde und dem zugrunde liegenden Titel der Ort der Kanzlei angegeben sei. Den Beteiligten, so auch der Grundstückseigentümerin, sei der Wohnort des Insolvenzverwalters gar nicht bekannt. Eine eindeutige Zuordnung, auch gegenüber Dritten, erfolge über den Kanzleiort. Dies entspreche auch der Handhabung in anderen Rechtsbereichen, etwa im Prozess- und Steuerrecht. Auf Anfrage des Grundbuchamts teilte der Antragsteller telefonisch mit, dass sein Schreiben als Beschwerde ausgelegt werden solle. Seinen Wohnort wolle er auf keinen Fall im Grundbuch eingetragen wissen; zu seinem Geburtsdatum äußere er sich nicht.
Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Abweichungen von den Grundsätzen des § 15 GBV sehe das Gesetz nicht vor. Da die Kanzlei nicht Gläubiger der Sicherungshypothek ist, könne auch nicht deren Kanzleiort im Grundbuch eingetragen werden. Im Übrigen sei es dem Antragssteller zumutbar, sein Geburtsdatum anzugeben.
II.
Die nach § 71 GBO in Verbindung mit § 11 Absatz 1 RPflG zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Das Grundbuchamt kann die begehrte Eintragung nicht davon abhängig machen, dass der Insolvenzverwalter seinen Wohnort oder sein Geburtsdatum angibt.
A.
Das Grundbuchamt hat das Schreiben des Gläubigers vom 27. September 2021 zutreffend als Beschwerdeschrift ausgelegt. Zwar enthält dieses weder das Wort „Beschwerde“ noch die ausdrückliche Erklärung, dass gegen die Zwischenverfügung ein Rechtsmittel eingelegt werde. Dass die Entscheidung zur Überprüfung gestellt werden sollte, ergibt sich aber mit hinreichender Deutlichkeit aus der Bezugnahme auf diese und der Weiterverfolgung der Ansicht, dass die Angabe von Wohnort oder Geburtsdatum nicht notwendig sei. Das Auslegungsergebnis wird durch die telefonische Mitteilung des Gläubigers vom 14. Oktober 2021 - die als solche mangels Formeinhaltung allerdings nicht als Beschwerde angesehen werden kann - zusätzlich gestützt.
B.
Bei Beteiligung von Insolvenzverwaltern als Gläubigern steht § 15 Absatz 1 GBV der Eintragung des Kanzleisitzes anstelle des Wohnortes nicht entgegen.
1. Allerdings steht die Systematik des § 15 Absatz 1 GBV einer Auslegung entgegen, die es generell ermöglichen würde, anstelle des Wohnsitzes den Kanzlei- oder Geschäftssitz einer freiberuflich oder gewerblich handelnden Person anzugeben. Dass die Norm (nur) juristischen Personen, Handels- und Partnerschaftsgesellschaften die Angabe ihres Sitzes vorschreibt (§ 15 Absatz 1 b) GBV), zeigt im Umkehrschluss, dass dies nicht für natürliche Personen gilt.
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2. Mit diesem Befund kann es indes nicht sein Bewenden haben. Der Annahme des Grundbuchamtes, das Gesetz lasse Ausnahmen von der Verpflichtung zur Wohnortangabe bei fehlendem Geburtsdatum nicht zu, steht die Formulierung des Gesetzes entgegen, wonach der Wohnort eingetragen werden „soll“. Als Soll-Vorschrift gilt eine gesetzliche Bestimmung, die ein bestimmtes Tun oder Unterlassen zwar für den Regelfall, aber nicht zwingend vorschreibt (Weber, Rechtswörterbuch, 6. Edition, Stichwort „Soll-Vorschrift“).
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Eine vom Regelfall abweichende Handhabung ist hier gerechtfertigt.
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a) Die Bezeichnung des Berechtigten - hier des Gläubigers einer Sicherungszwangshypothek - im Grundbuch soll diesen so genau kennzeichnen, dass nach Möglichkeit jeder Zweifel über seine Person und jede Verwechselung ausgeschlossen ist und hierdurch die Klarheit des Grundbuchs erhalten wird (BayObLGZ 1981, 391, 393; Schöner/Stöber, 16. Auflage, Rn. 229).
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b) Diesem Zweck kann auch genügt werden, indem der Kanzleisitz des Gläubigers eingetragen wird, etwa ergänzt um die Berufsbezeichnung „Rechtsanwalt“ oder die klarstellende Angabe „Kanzleisitz“ vor der Ortsangabe. Jedenfalls mit solchen Zusätzen ist die Auffindbarkeit und Unterscheidbarkeit des Gläubigers in jeder Weise gewährleistet. Anders als bei privaten Gläubigern könnte mit solchen Angaben sogar mit Hilfe eines allgemein und ohne Nachweis eines berechtigten Interesses zugänglichen Verzeichnisses (Rechtsanwaltsverzeichnis nach § 31 Absatz 2 BRAO) die genaue Anschrift des Insolvenzverwalters ohne weiteres ermittelt werden. Dass § 15 Absatz 1 GBV die Angabe weiterer Identifikationsmerkmale - wie etwa des Berufs oder des Zusatzes „Kanzleisitz“ - nicht ausdrücklich nennt, steht ihrer Eintragungsfähigkeit nicht entgegen. Das zeigt schon der Umstand, dass es beispielsweise bei einem Berechtigten mit einem häufig vorkommenden Namen in einer Großstadt erforderlich sein kann, zusätzliche Identifikationsmerkmale einzufügen (Schöner/Stöber, 16. Auflage, Rn. 229, Fn. 695).
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c) Es ist auch nachvollziehbar, dass der Insolvenzverwalter die Angabe seines Geburtsdatums und seines Wohnortes im Grundbuch vermeiden möchte. Die Angaben im Grundbuch sind - wenn auch nur bei Nachweis eines berechtigten Interesses - einem im Voraus nicht bestimmbaren Kreis von Personen zugänglich; insbesondere wird der Insolvenzschuldner in vielen Fällen Einsicht in die Eintragung erlangen können. Da es zu den Aufgaben des Insolvenzverwalters gehört, Insolvenzschuldnern nachteilige und ihre Lebensführung möglicherweise erheblich belastende Entscheidungen zu treffen, erscheint es ohne weiteres nachvollziehbar, dass er ein Bekanntwerden von Geburtsdatum und/oder Wohnanschrift vermeiden möchte. Derartige Angaben sind nämlich geeignet, Belästigungen des Insolvenzverwalters und Übergriffe in dessen privaten Bereich deutlich zu erleichtern. Das müsste der Insolvenzverwalter als Ausfluss seines Berufes hinnehmen, wenn eine andere Möglichkeit zur unterscheidungskräftigen Bezeichnung nicht bestünde. Das ist aber hier aus den oben näher ausgeführten Gründen nicht der Fall.
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d) Für die vom Gläubiger begehrte Ausnahme spricht ferner der Umstand, dass ein Insolvenzverwalter in dem seinem Eintragungsantrag zugrunde liegenden Titel mit seiner Kanzleianschrift bezeichnet zu werden pflegt. Dem Interesse an Klarheit und Übersichtlichkeit ist daher sogar besser gedient, wenn im Grundbuch derjenige Ort verlautbart wird, der als Sitz des Gläubigers auch im zugrunde liegenden Titel angegeben ist.
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3. Die Entscheidungen der Oberlandesgerichte München (FGPrax 2012, 154) und Jena (NZI 2020, 1015) stehen nicht entgegen. Deren tragende Gründe befassen sich lediglich mit der Frage, ob ein das verwaltete Vermögen kennzeichnender Zusatz in das Grundbuch einzutragen ist. Es bedarf daher auch keiner Vertiefung, ob die gegen diese Rechtsprechung in einem Teil des Schrifttums geäußerte Kritik (Schneider NZI 2020, 1016; Keller in: Keller/Munzig, KEHE Grundbuchrecht, § 15, Rn. 6; Staudinger/Wolfsteiner [2019], BGB § 1115, Rn. 28) stichhaltig ist.
III.
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1. Gerichtskosten für die erfolgreiche Beschwerde werden nach § 25 Absatz 1 GNotKG nicht erhoben. Eine Entscheidung, die notwendigen Auslagen des (einzigen) Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen, kommt im Grundbuchbeschwerdeverfahren auch nicht bei Erfolg des Rechtsmittels in Betracht (BeckOK FamFG/Weber, 43. Edition, § 81 Rn. 4, beck-online).
18 
2. Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Absatz 2 Satz 1 GBO) liegen nicht vor.

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