Beschluss vom Oberlandesgericht Koblenz (Senat für Bußgeldsachen) - 1 SsBs 107/09
Tenor
1. Der Betroffene wird unter Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts Bad Kreuznach vom 06. Juli 2009 freigesprochen.
2. Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen.
Gründe
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1. Das Amtsgericht Bad Kreuznach hat den Betroffenen am 06. Juli 2009 wegen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen § 3 der Rechtsverordnung über die Festsetzung eines Wasserschutzgebietes zugunsten der Verbandsgemeinde R1... in den Gemarkungen R2..., G..., W... i.V.m. § 41 Abs. 1 Nr. 2 Wasserhaushaltsgesetz (WEG) zu einer Geldbuße in Höhe von 1.000,00 EUR kostenpflichtig verurteilt und unter anderem folgende Feststellungen getroffen
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„Die Verbandsgemeinde - Verbandsgemeindewerke - R1... unterhält in der Gemarkung R2..., Flur 6, Fl.st. 233, einen Tiefbrunnen zur Trinkwassergewinnung bzw. -versorgung. Circa 70 % der Bevölkerung der Ortsgemeinde R2... werden heute durch die Verbandsgemeindewerke R1... aus diesem Tiefbrunnen mit Trinkwasser versorgt. Zum Schutz dieser Gewinnungsanlage wurde durch Rechtsverordnung vom 09.05.1990 durch die Obere Wasserbehörde ein Wasserschutzgebiet festgesetzt. Seit mindestens Juni 2007 hält der Betroffene in der Gemarkung G..., auf einer Weide an dem Radweg zwischen R2... und G... in der dortigen Wasserschutzzone II, Flur 23, Fl.st. 42, 43, 44 und 23/2, zeitweise bis zu 10 Pferde. Auch wenn der Betroffene die Tiere häufiger umsetzte, wurde - jedenfalls zeitweise - die Grasnarbe großflächig zerstört. Darüber hinaus wurden im August 2008 Fäkalhaufenablagerungen innerhalb der Wasserschutzzone II festgestellt.
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Der Betroffene wurde bereits mit Bescheid vom 19.12.2007 durch die Verbandsgemeindeverwaltung R1... auf diesen Missstand hingewiesen und die Einstellung der Tierhaltung angeordnet. Durch weiteren Bescheid der Verbandsgemeindeverwaltung R1... vom 20.08.2008 wurde erneut die Einstellung der Tierhaltung als auch die Beseitigung der Fäkalhaufenablagerungen angeordnet. Beide Bescheide erlangten Bestandskraft. Der Beseitigungsanordnung ist der Betroffene nachgekommen.“
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(…)
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Dabei kann dahinstehen, ob der Betroffene in der Wasserschutzzone II ausschließlich Pferde oder auch Kleintiere gehalten hat. Bereits aufgrund der eigenen Einlassung des Betroffenen sowie der Bekundungen der Zeugen V... und O... und der von den Zeugen gefertigten Lichtbildern steht fest, dass durch die Pferdehaltung die Grasnarbe zeitweilig großflächig zerstört worden ist, so dass der Betroffene unzulässige Intensivbeweidung vorgenommen hat. § 3 der Verordnung untersagt in der engeren Schutzzone (Zone II) insbesondere unter dem Buchstaben “m“ Intensivbeweidung. Eine solche liegt unzweifelhaft dann vor, wenn durch die Tierhaltung - unabhängig von Tierart und Anzahl der Tiere - eine großflächige Zerstörung der Grasnarbe erfolgt.
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Der Betroffene hat auch vorsätzlich gehandelt, da er mehrfach insbesondere durch die Bescheide vom 19.12.2007 und 20.08.2008 darauf hingewiesen wurde, dass in der Wasserschutzzone II Intensivbeweidung unzulässig ist.
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Gemäß § 8 der RVO über die Festsetzung eines Wasserschutzgebietes i.V.m. § 41 Abs. 1 Nr. 2 WHG können Verstöße gegen § 3 der Verordnung mit einer Geldbuße bis zu 50.000,00 EUR geahndet werden. Eine Geldbuße in Höhe von 1.000,00 EUR erschien angemessen und ausreichend. Sie ist im untersten Bereich des Bußgeldrahmens angesiedelt und trägt insbesondere dem Umstand Rechnung, dass der Betroffene die Intensivbeweidung über einen längeren Zeitraum, nämlich seit mindestens Juni 2007 bis zum heutigen Tag betreibt.“
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2. Auf die zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist dieser unter Aufhebung des angefochtenen Urteils auf Kosten der Staatskasse (§§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 StPO) freizusprechen.
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a) Nach § 41 Abs. 1 Nr. 2 WHG handelt ordnungswidrig, wer einer „Rechtsverordnung nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 WHG (d.h. einer solchen über das Verbot, in einem festgesetzten Wasserschutzgebiet bestimmte Handlungen vorzunehmen) zuwiderhandelt, die für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist“.
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§ 3 der Rechtsverordnung der Bezirksregierung Koblenz vom 09. Mai 1990 über die Festsetzung eines Wasserschutzgebietes zugunsten der Verbandsgemeinde R1... in den Gemarkungen R2..., G... und W… zählt sodann diverse Handlungen auf, die in den einzelnen Zonen I bis III des – konkret abgegrenzten – Wasserschutzgebietes verboten sind.
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Hierzu gehört nach § 3 Abs. 2 lit. m) der Verordnung auch eine „Intensivbeweidung“.
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§ 8 der Verordnung bestimmt sodann in zulässiger Weise, dass „Zuwiderhandlungen gegen die Anordnungen in § 3 (die doppelte Anführung des §§-Zeichens ist ersichtlich ein Redaktionsversehen) gem. § 41 Abs. 1 Nr. 2 WHG mit einer Geldbuße bis 100.000,00 DM (jetzt: 50.000,00 €, vgl. § 41 Abs. 2 WHG) geahndet werden können“.
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b) Der Betroffene war unter Aufhebung des angefochtenen Urteils freizusprechen, weil der – in der Rechtsverordnung nicht näher definierte – Begriff der „Intensivbeweidung“ nicht [mehr]dem Gebot der Gesetzesbestimmtheit genügt.
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aa) Zwar ergibt sich aus einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Koblenz vom 02. Dezember 1985 (Az.: 10 C 26/85 in NVwZ 1987, 243 ff.) – welches den Begriff der „Intensivbeweidung“ als ausreichend bestimmt qualifiziert – eine Begriffsbestimmung. Danach ist unter „Intensivbeweidung“ eine Beweidung zu verstehen, die die oberen Bodenschichten in ähnlich intensiver Form wie „Pferche“ ständig beansprucht, ohne dass der belebten Bodenzone Erholungsphasen bleiben, im Ergebnis eine Beweidung „rund ums Jahr“.
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bb) Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte ist der Begriff der „Intensivbeweidung“ allerdings in verschiedenen Rechtsverordnungen im Bundesgebiet teils über das Ergebnis der Beweidung, teils über den Tierbestand konkretisiert worden, beispielhaft durch folgende Formulierungen:
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- „Intensivbeweidung ist eine großflächige Zerstörung der Grasnarbe durch überproportionale Beweidungsintensität.“ (§ 2 Abs. 15 der Wasserschutzgebietsverordnung Ennepetalsperre vom 03. April 2002, Bezirksregierung Arnsberg),
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- „Intensivbeweidung im Sinne dieser Verordnung ist die Beweidung oder Viehhaltung in Pferchen ab vier Großeinheiten pro Hektar und Weideperiode (März bis November).“ (§ 2 Abs. 8 der Wasserschutzgebietsverordnung Flehe vom 05. Juli 1999, Bezirksregierung Düsseldorf),
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- „Intensivbeweidung ist eine Bewirtschaftungsform, bei der mehr als 3 Großvieheinheiten je ha nutzbarer Weidefläche (ohne überbaute Bereiche, Freiflächen, Straßen und Wege, Gewässer und Gewässerrandstreifen) gehalten werden.“ (Anlage 2 zur Wasserschutzgebietsverordnung Aachen-Schmithof vom 21. April 1998, Bezirksregierung Köln).
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cc) In Rheinland-Pfalz hat die Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd in der Rechtsverordnung „Wasserschutzgebiet Pfälzische Mittelrheingruppe“ vom 11. April 2001 den Begriff „Intensivbeweidung“ nicht mehr angeführt, sondern in § 4 Abs. 3 Nr. 11 einen
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„Tierbesatz, der zur Zerstörung der Grasnarbe führt“,
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verboten.
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Auch die Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord in Koblenz benutzt den Begriff „Intensivbeweidung“ in der Rechtsverordnung zum Wasserschutzgebiet Sauerthal, Ransel, Verbandsgemeinde Loreley vom 30. Juli 2009 nicht. Unter § 3 Abs. 3, 26.10 ist folgende Handlung untersagt:
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„Tierbesatz, insbesondere Beweidung, ausgenommen im Zeitraum der Hauptvegetation von Mai bis Oktober. Die Nutzung der Besatz- bzw. Weideflächen darf nur so erfolgen, dass die Grasnarbe nicht nachhaltig geschädigt wird. Nachhaltig geschädigt ist die Grasnarbe dann, wenn sie in der jeweiligen Vegetationsperiode nur durch Neuaussaat wiederhergestellt werden kann.“
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Daraus folgt, dass die Behörden, die im Zuge der Verwaltungsreform an die Stelle der früheren Bezirksregierungen traten, den früher benutzten Begriff „Intensivbeweidung“ nicht mehr für hinreichend konkret halten.
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dd) Gemäß Art. 103 Abs 2 GG muss der Gesetzgeber die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen (BVerfG, 22.10.1980, 2 BvR 1172/79, BVerfGE 55, 144 <152>). Zum einen soll hierdurch der Normadressat geschützt werden, indem er vorhersehen können soll, welches Verhalten mit Strafe bedroht ist (BVerfG, 05.07.1983, 2 BvR 200/81, BVerfGE 64, 389 <393 f>). Zum anderen soll sichergestellt werden, dass der Gesetzgeber selbst abstrakt-generell über die Strafbarkeit entscheidet (BVerfG, 06.05.1987, 2 BvL 11/85, BVerfGE 75, 329 <341>). Gleiches gilt für Bußgeldtatbestände (BVerfG, 18.09.2008, 2 BvR 1817/08 in juris).
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ee) Unter Beachtung dieser Grundsätze und mit Blick auf die oben aufgezeigte Entwicklung sowie das Fehlen einer einheitlichen Begriffsbestimmung wird der in der Rechtsverordnung der Bezirksregierung Koblenz vom 09. Mai 1990 allein verwendete Begriff der „Intensivbeweidung“ dem Bestimmtheitsgebot nicht mehr gerecht.
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Dies hat die Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts Bad Kreuznach vom 06. Juli 2009 und den Freispruch des Betroffenen zur Folge, ohne das es auf die im Aufhebungsantrag der Generalstaatsanwaltschaft vom 29. Dezember 2009 zutreffend dargelegten Rechtsfehler in den Feststellungen und der Beweiswürdigung der angefochtenen Entscheidung ankommt.
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