Urteil vom Oberlandesgericht Koblenz (12. Zivilsenat) - 12 U 18/08
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Koblenz vom 30. November 2007 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
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Der Kläger bezieht von der Beklagten, einem regionalen Gasversorgungsunternehmen, aufgrund eines Vertrags vom 4. Juli 1996 Erdgas (Bl. 8 GA). Er wendet sich gegen von der Beklagten jeweils zum 1. Juli 2005, 1. Januar 2006, 1. Mai 2006 und 15. Oktober 2006 vorgenommene Erhöhungen des Gaspreises. Wegen der Darstellung des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung (Bl. 288 ff. GA) Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).
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Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die in Frage stehenden Preisanpassungen einer Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB standhielten. Ein Vergleich mit den Gaspreisen anderer Gasversorgungsunternehmen zeige, dass die Beklagte in dem fraglichen Zeitraum mit zu den günstigsten Anbietern gehört habe. Zudem habe sie hinreichend dargelegt, dass die Gaspreiserhöhungen nur auf gestiegenen Bezugskosten ihres Vorlieferanten beruht hätten.
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Dagegen richtet sich die zulässige Berufung des Klägers, mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt. Wegen des Wortlauts der im Berufungsverfahren gestellten Anträge wird auf Bl. 317, 399 GA Bezug genommen.
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Der Kläger wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und rügt im Wesentlichen, dass das Landgericht, ohne dass die Beklagte ihren von ihm bestrittenen Vortrag anhand von Unterlagen belegt und konkretisiert habe und ohne darüber Beweis zu erheben, davon ausgegangen sei, dass das Vorbringen der Beklagten zutreffe.
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Die Beklagte beantragt unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens die Zurückweisung der Berufung.
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Der Senat hat mit Verfügung vom 22. Juni 2009 (Bl. 349 ff. GA) von der Beklagten eine weitere Konkretisierung ihres Vorbringens sowie die Vorlage weiterer Unterlagen angefordert. Außerdem wurde gemäß dem Beweisbeschluss vom 30. November 2009 (Bl. 377 ff. GA) Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 1. März 2010 Bezug genommen.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die von ihnen zu den Akten gereichten Schriftsätze und Unterlagen verwiesen.
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Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Nach der Durchführung der Beweisaufnahme ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die vom Kläger zur Überprüfung gestellten Erhöhungen des Gasbezugspreises nicht unbillig sind (§ 315 BGB).
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Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung bereits ausführlich dargelegt, in welchem Rahmen eine Billigkeitsprüfung nach § 315 Abs. 3 BGB möglich ist (S. 6 und 7 des Urteils, Bl. 293, 294 GA). Der Senat sieht allerdings im Unterschied zum Landgericht die Voraussetzungen für einen Vergleich der Gaspreise anderer Gasversorgungsunternehmen und der Beklagten nicht als gegeben an. Nach der nach dem erstinstanzlichen Urteil ergangenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19. November 2008 (abgedruckt in NJW 2009, 502 ff.) können die Gaspreise verschiedener Unternehmen nur dann im Rahmen der Billigkeitsprüfung nach § 315 BGB berücksichtigt werden, wenn eine Vergleichbarkeit der Unternehmen, insbesondere der Räume, in denen diese ihre Leistungen anbieten, mit dem von der Beklagten versorgten Gebiet gegeben ist. Hierzu hat die Beklagte keine Angaben gemacht. Sie nennt zwar in ihrem auf den Hinweis des Senats eingereichten Schriftsatz vom 31. August 2009 (Bl. 359, 360 GA) die Preise verschiedener Gasversorgungsunternehmen mit Sitz in Rheinland-Pfalz, nicht aber wie die von ihnen belieferten Gebiete strukturiert sind.. Allein die Ähnlichkeit des errechneten Quotienten aus Netzlänge und Absatzmenge reicht für die Darlegung einer ähnlichen Strukturierung nicht aus. Gegen eine Vergleichbarkeit der aufgeführten Unternehmen und der Beklagten spricht zudem, dass die anderen Gasversorger einen wesentlich geringeren Erdgasabsatz und ein kleineres Leitungsnetz als die Beklagte aufweisen.
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Der Senat ist nach der Beweisaufnahme aber davon überzeugt, dass die Beklagte in den Erhöhungen zum 1. Juli 2005 und im Jahr 2006 lediglich die gestiegenen Gasbezugskosten an ihre Kunden weitergegeben hat. Zur Überprüfung stehen - wie der Bundesgerichtshof bereits in BGHZ 172, 315 entschieden hat - nur die Preiserhöhungen, denen der Kläger widersprochen hat. Vorherige Erhöhungen gelten als von den Parteien vereinbart, nachdem der Kläger sie unbeanstandet hingenommen und weiterhin Gas bezogen hat (BGH in NJW 2009, 502 ff. Tz. 16). Gegen die der Beklagten vertraglich eingeräumte Befugnis, Preise auf der Grundlage von § 4 AVBGasV anzupassen, bestehen keine Bedenken und werden vom Kläger auch nicht geltend gemacht.
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Der Zeuge A… hat in seiner Vernehmung beim Senat bestätigt, dass die Beklagte in den Jahren 2005 und 2006 nur von der E… AG beliefert wurde. In dem von der Beklagten vorgelegten Vertrag mit der R… AG/E… AG vom 28. Mai 1996 (Anlage BBkl 3, Nachtragsvertrag Anlage BBkl 5) ist eine Jahresmenge von 7,5 Milliarden kWh angegeben, die die Klägerin ausschließlich von dieser Lieferantin beziehen musste. Diese Jahresmenge wurde nach den Angaben des Zeugen nie überschritten. Da die Klägerin zur Abnahme dieser Bezugsmenge verpflichtet war, war ein Wechsel zu einem günstigeren Anbieter nicht möglich. Außerdem hat der Zeuge A… dargelegt, dass es in der Zeit 2005/2006 keinen anderen Anbieter gab, der über die entsprechenden Leitungen bis zu den Anschlussstellen des Netzes der Beklagten verfügte, um das von dieser benötigte L-Gas und H-Gas zu liefern. Nur ein potentieller Lieferant, nämlich W...-Gas wäre bereit gewesen, Leitungen bis zum Gebiet der Beklagten zu legen; da W...-Gas aber nur H-Gas liefern konnte, was aber nur 8 % des Anteils am Gas bei der Klägerin ausmachte, kam ein Wechsel zu diesem Anbieter nicht in Betracht. Aus der Aussage des Zeugen A…, an deren Richtigkeit zu zweifeln der Senat keinen Anlass hat, folgt, dass für die Beklagte auch nach der Auflösung ihres Vertrags mit der E… AG, nur diese auf Grund der tatsächlichen Gegebenheiten als Lieferantin in Betracht kam. Ein Wechsel zu einem günstigeren Anbieter war nicht möglich.
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Die Beklagte hat bei den Preiserhöhungen 2005/2006 im Wesentlichen die Bezugskostenänderungen ihrer Lieferantin weitergegeben. Der Zeuge A… hat in seiner Vernehmung ausführlich dargelegt, wie die Beklagte ihre Preise kalkuliert und gestiegene Bezugskosten an ihre Kunden weitergibt. Dabei haben Preiserhöhungen ihrer Vorlieferantin nicht zur Folge, dass die Beklagte die Gaspreise bei ihren Kunden direkt anpasst, vielmehr wird auch die in näherer Zukunft erwartete Preisentwicklung schon berücksichtigt. Der Zeuge hat dies nachvollziehbar damit begründet, dass jede Preiserhöhung für die Beklagte mit hohen Kosten verbunden ist, da sie ihre Kunden davon informieren und die Anpassung bekannt machen muss. Deshalb versucht sie, längerfristig zu planen. Nicht jede Erhöhung ihrer Bezugskosten führt daher zu einer sofortigen Weitergabe an ihre Kunden. Bei dieser Art der Preisanpassung wird auch eine durch die verzögerte Weitergabe der gestiegenen Bezugskosten eingetretene Unterdeckung berücksichtigt, z.B. wenn eine größere Gasmenge noch zu den niedrigeren Preisen an die Kunden geliefert wurde, die Beklagte aber schon den höheren Preis an E… zahlen musste. Diese Kalkulation der Beklagten ist nicht zu beanstanden; ihr ist insoweit ein gewisser unternehmerischer Entscheidungsspielraum zuzubilligen, den sie in den Grenzen der Billigkeit (§ 315 BGB) ausschöpfen durfte (vgl. BGH in NJW 2007, 2540 ff. Tz. 25; Steenbuck in MDR 2003, 122 ff.). Im Rahmen der Billigkeitsprüfung nach § 315 BGB kann nicht jede Erhöhung bis ins Einzelne überprüft werden; nur eine unangemessene Benachteiligung des Kunden soll damit verhindert werden. Dabei behält der Unternehmer aber immer noch einen gewissen unternehmerischen Freiraum, soweit Preiserhöhungen nicht dazu genutzt werden, den Gewinn zu erhöhen. Aus der von der Beklagten vorgelegten Anlage B 26, deren Richtigkeit der Zeuge A… bestätigt hat, folgt, dass die Beklagte trotz der Preiserhöhungen in den Jahren 2005/2006 keinen höheren Gewinn erzielt, sondern eine Unterdeckung in Höhe von 4.551.439,03 € erwirtschaftet hat.
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Der Zeuge L… von der W… Gesellschaft hat ausgesagt, dass ihm bei der Abfassung der Bescheinigungen vom 9. August 2006 und 11. Oktober 2006 alle darin aufgeführten Unterlagen vorlagen und er die Bescheinigungen (Anlage B 27 a, 27 b) nach Prüfung dieser Unterlagen erstellt hat und so zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Gasbezugskostensteigerungen der Vorlieferantin ursächlich für die von der Beklagten an ihre Kunden weitergegebenen Preiserhöhungen waren. Der Senat ist überzeugt davon, dass der Zeuge seine Angaben in den beiden Bescheinigungen aufgrund einer sorgfältigen Überprüfung aller wesentlichen Unterlagen getätigt hat und hat an dem Ergebnis, wie es sich in den Bescheinigungen widerspiegelt, ebenso keinen Zweifel wie an der Richtigkeit seiner Aussage beim Senat.
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Die Beklagte konnte die Bezugskostensteigerungen nicht durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen auffangen. Hierzu hat der Zeuge S…, der Leiter des Finanz- und Rechnungswesens der Beklagten, Angaben gemacht. Er hat die von der Beklagten im Schriftsatz vom 14. September 2007 (Bl. 269 GA) aufgeführten Beträge für Material- und Personalaufwand, Abschreibungen und sonstige betriebliche Aufwendungen für die Jahre 2004 bis 2006 als zutreffend bestätigt. Danach waren die Kosten im Jahr 2005 für Abschreibungen und sonstige betriebliche Aufwendungen zwar niedriger als im Vorjahr. Da letztlich aber im Zeitraum 2004 bis 2006 eine Unterdeckung für die Beklagte verblieben ist (vgl. Anlage B 26) kann daraus nicht auf eine unbillige Preisanpassung geschlossen werden. Ein Unternehmer kann eine Preisanpassung in Form einer Erhöhung nämlich auch vornehmen, um eine größere Minderung seines Gewinns zu vermeiden (vgl. BGH in NJW 2009, 502 ff. Tz. 25).
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Der Senat geht aufgrund der Aussagen der Zeugen A… und L… davon aus, dass die Beklagte die Rechnungen ihrer Vorlieferantin E… AG beglichen hat.
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Die im Vertrag zwischen der Beklagten und E… vereinbarte Koppelung der Gaspreise an die Preisentwicklung beim Heizöl stand nicht zur Überprüfung des Senats, da sich eine entsprechende Klausel im Vertrag der Parteien nicht wiederfindet (BGH in NJW 2007, 2540 ff Tz. 27).
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Insgesamt hat die Beweisaufnahme daher ergeben, dass die vom Kläger zur Überprüfung gestellten Preiserhöhungen in den Jahren 2005/2006 nicht unangemessen oder unbillig waren, da sie auf der Weitergabe von gestiegenen Bezugskosten beruhten und nicht durch Einsparungen in anderen Bereichen aufgefangen werden konnten.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Gründe, die Revision zuzulassen liegen nicht vor.
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Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 1.022 €.
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Referenzen
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