Beschluss vom Oberlandesgericht Koblenz (Vergabesenat) - 1 Verg 3/10


Tenor

Der Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung seiner sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer Rheinland-Pfalz vom 12. Mai 2010 wird abgelehnt.

Gründe

I.

1

1. Das Land Rheinland-Pfalz plant, baut und unterhält Bundesautobahnen und sonstige Bundesstraßen des Fernverkehrs auf dem Landesgebiet im Auftrag des Bundes (Art. 90 Abs. 2 GG). Bei der Durchführung dieser Aufgaben bedient es sich des Landesbetriebs Mobilität Rheinland-Pfalz (LBM), der dem rheinland-pfälzischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau zugeordnet ist. Der LBM tritt bei der Vergabe öffentlicher Aufträge auf dem Gebiet des Straßenbaus als Vergabestelle auf. Auftraggeber – und damit Beteiligter des Vergabeverfahrens – ist allerdings das Land (siehe auch OLG Düsseldorf v. 25.11.2009 - VII-Verg 27/09 - juris Rn. 44 zur vergleichbaren Rechtslage in NRW).

2

Im Zusammenhang mit bevorstehenden Bauarbeiten an der BAB A 62 Trier-Pirmasens schrieb der LBM Ende Dezember 2009 EU-weit Verkehrsicherungsmaßnahmen an der Baustelle im Streckenabschnitt zwischen den Anschlussstellen Birkenfeld und Freisen aus. Der Auftragnehmer soll u.a. transportable Schutzeinrichtigen in einer Gesamtlänge von ca. 26.000 m aufstellen. Dabei handelt es sich um Fahrzeugrückhaltesysteme, die im Baustellenbereich ein Abkommen von der Fahrbahn verhindern sollen.

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In der Bekanntmachung wurden keine Eignungsnachweise bezeichnet. Der Ablauf der Angebotsfrist wurde auf den 24. Februar 2010, 10:30 Uhr bestimmt.

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In der Leistungsbeschreibung heißt es unter 3.1.1 u.a.:

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„Absperrschranken, Leitbaken, Leitkegel, Absperrtafeln, Aufstellvorrichtungen, vorübergehende Markierungen, Warnleuchten, Leitelemente und transportable Schutzeinrichtungen müssen den gültigen "Technischen Lieferbedingungen" entsprechen.

6

Für die Aufstellvorrichtungen sind spätestens zum Einweisungstermin die Standsicherheitsklassen nachzuweisen. Außerdem sind sämtliche erforderlichen Prüfzeugnisse bis zum Einweisungstermin vorzulegen."

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Zu den Technischen Lieferbedingungen, auf die unter 5.1 der Leistungsbeschreibung Bezug genommen wird und die Anforderungen im Sinne des § 9 Nr. 5 VOB/A in Verbindung mit dem Anhang TS (Technische Spezifikationen) definieren, gehört die TL-Transportable Schutzeinrichtungen 97. Bestandteil dieses Regelungswerks ist die DIN EN 1317, aus der sich material- und bauartunabhängige funktionale Anforderungen insbesondere an die Durchbruchsicherheit und Verformbarkeit von Rückhaltesystemen aller Art an Straßen ergeben. Die DIN EN 1317 ist für transportable Schutzeinrichtungen, die im Baustellenbereich eingesetzt werden, nicht abschließend. Weitergehende Anforderungen etwa an die konstruktive Beschaffenheit (wie Mindesthöhe und maximale Breite) oder die Ausstattung mit Reflektoren ergeben sich aus der TL-Transportable Schutzeinrichtungen 97.

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Gemäß der TL-Transportable Schutzeinrichtungen 97 dürfen im Baustellenbereich nur Rückhaltesysteme eingesetzt werden, die eine bauartbezogene Eignungsprüfung bestanden haben, welche sowohl eine Prüfung der passiven Sicherheit nach DIN EN 1317-2 als auch die Erfüllung der weitergehenden Anforderungen aus dieser Technischen Lieferbedingungen beinhaltet.

9

Nach dem Wortlaut der Regelung kann der Eignungsnachweis nur mit einem umfangreichen „Prüfzeugnis aufgrund einer Eignungsprüfung der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt)“ geführt werden. Dies entspricht allerdings nicht mehr der Praxis, seit die BASt vor einigen Jahren dazu übergegangen ist, eine „Liste nach TL-Transportable Schutzeinrichtungen“ zu erstellen – und über ihre Website publik zu machen –, in der alle als geeignet bewerteten Schutzeinrichtungen aufgenommen werden. Eine Eignungsprüfung, die vollständig von der BASt durchgeführt wurde, ist nicht Voraussetzung für die Aufnahme eines Systems in die sog. Freigabeliste. Zum einen werden auch Produkte aus anderen EU- und EWR-Staaten gelistet, die aufgrund der im Herstellerstaat durchgeführten Prüfungen als gleichwertig angesehen werden können. Zum anderen führt die BASt (so gut wie) keine eigenen Prüfungen nach DIN EN 1317 mehr durch, sondern macht die Prüfberichte anderer anerkannter Prüfinstitute – wie der TÜV SÜD Automotive GmbH – zur Grundlage ihrer Entscheidung. An die Stelle des in der Vergangenheit üblichen umfangreichen „BASt-Zeugnisses“ ist eine Kurzbestätigung in Verbindung mit der Aufnahme in die Freigabeliste getreten (siehe z.B. http://www.mobile-schutzwaende.de/deutsch/pdf/Bast_STGW_Quadro_T3-W3.pdf ).

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Vor diesem Hintergrund heißt es in der Leistungsbeschreibung unter der Überschrift „ Eignungsprüfungen “ (3.12.1b):

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"Transportable Schutzeinrichtungen

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Generell sind nach TL-Transportable Schutzeinrichtungen Pkt. 3.1 nur BASt zugelassene Systeme zu verwenden und müssen in der BAST Freigabeliste aufgeführt sein. Von Systemen, die nicht in der Freigabeliste enthalten [sind], ist bei Angebotsabgabe der komplette BAST-Prüfbericht (keine Kurzfassungen) vorzulegen. Innerhalb eines Einsatzbereiches gemäß Bild 2 der ZTV-SA dürfen nur bauartgleiche Schutzsystemen von einem Hersteller verwendet werden.

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Werden transportable Schutzeinrichtungen von verschiedenen Herstellern zwischen zwei Einsatzbereichen … verwendet, so sind bei Angebotsabgabe statistische Berechnungen incl. Detailzeichnungen oder Prüfzeugnisse von den Übergangselementen vorzulegen. … Weist der AN keine Prüfung bei der Angebotsabgabe nach, so dürfen nur Schutzeinrichtungen gleicher Hersteller verwendet werden.“

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2. Der Beschwerdeführer will das System „M. I 12/50“ eines unbekannten Herstellers verwenden. Zum Nachweis der Einsatztauglichkeit fügte er seinem Angebot eine „ Kurzbestätigung “ der TÜV SÜD Automotive GmbH vom 4. Februar 2010 mit der Testnummer Y98.02.K01 bei, wonach dieses System am 25. Januar 2010 nach DIN EN 1317 - 2 getestet wurde und alle Anforderungen dieser Norm erfüllt. In dieser Kurzbestätigung wird wegen der Einzelheiten auf einen noch zu erstellenden „ offiziellen Prüfbericht “ Bezug genommen.

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Über einen Antrag des Herstellers auf Aufnahme des Systems „M. I 12/50“ in die „Liste nach TL-Transportable Schutzeinrichtungen“ hat die BASt noch nicht entschieden. Wann dieser Antrag gestellt wurde, ist unbekannt.

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Mit Schreiben vom 1. März 2010 teilte die Vergabestelle dem Beschwerdeführer mit, sein Angebot könne nicht berücksichtigt werden, weil die angebotene transportable Schutzeinrichtung nicht in der BASt-Liste geführt und auch kein Prüfbericht vorgelegt worden sei. Außerdem äußerte sie nicht näher dargelegte Zweifel an der Eignung des Beschwerdeführers.

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Der Beschwerdeführer reagierte darauf mit einem Faxschreiben ohne Datum, das am 4. März 2010 bei der Vergabestelle einging. Darin rügte er die Forderung nach Aufnahme der Schutzeinrichtung in eine Freigabeliste als einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot und vertrat die Auffassung, bereits die Existenz einer derartigen Liste sei ein Verstoß gegen § 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB. Die alternative Forderung nach Vorlage eines BASt-Prüfberichts bereits mit dem Angebot sei unverhältnismäßig. Die Übereinstimmung des Produkts mit den einschlägigen EU-Normen sei bereits nachgewiesen; ein BASt-Prüfbericht in Langfassung sei beantragt und werde in Kürze vorliegen. Er habe jedoch keinen Einfluss darauf, wann die BASt gedenke, diesen fertig zu stellen. Deshalb sei eine Vorlage bis zu einem späteren Zeitpunkt vor der Auftragsvergabe ausreichend.

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Weiter heißt es in dem vom Beschwerdeführer unterzeichneten Schreiben:

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Das gilt übrigens unabhängig davon, dass, wie Sie vielleicht einwenden wollen, dieser Umstand bisher nicht gerügt wurde. Denn zum einen mussten wir fest damit rechnen, dass die BASt, die übrigens rechtlich dem Auftraggeber (Bundesrepublik Deutschland) zuzurechnen ist, die Langversion rechtzeitig ausstellt. Zum anderen steht es Ihnen nicht zu, sich durch rechtswidrige Vorgaben eigene Ausschlussgründe zu schaffen. Solche müssen nicht gerügt werden .“

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Die Vergabestelle gab dem Beschwerdeführer daraufhin Gelegenheit, einen BASt-Prüfbericht bis zum 12. März 2010 nachzureichen.

21

Der Beschwerdeführer legte sodann zwei auf den 10. März 2010 datierte und nicht unterzeichnete Prüfberichte der TÜV SÜD Automotive GmbH mit den Testnummern Y98.01.J08 und Y98.02.J08 vor, die sich mit Anfahrversuchen befassen, die am 13. August 2009 mit dem Rückhaltesystem „M. I 12/50“ durchgeführt worden waren.

22

In einer beigefügten Kopie einer E-Mail vom 12. März 2010 bestätigte ein BASt-Mitarbeiter einem Herrn W., dass die Entwürfe der TÜV-Prüfberichte mit den Testnummern Y98.01.J08 und Y98.02.J08 „ heute “ eingereicht worden seien, verbunden mit dem Hinweis, eine abschließende Beurteilung sei wegen der knappen Zeit noch nicht möglich.

23

Mit Schreiben vom 17. März 2010 teilte die Vergabestelle dem Beschwerdeführer mit, sie halte an dem Angebotsausschluss fest, weil nach wie vor die Einsatztauglichkeit des angebotenen Rückhaltesystems nicht nachgewiesen sei. Die Zweifel an der persönlichen Eignung wurden damit gegründet, dass der Beschwerdeführer nach vorliegenden Erkenntnissen bisher bei Verkehrsicherungsmaßnahmen nur als Nachunternehmer für die Teilleistungen Markierungsarbeiten und Aufstellen von Verkehrschildern tätig gewesen sei. Außerdem übersteige die Angebotssumme von rund 2,1 Mio. € die bisherigen Jahresumsätze um mehr als das Doppelte.

24

Mit Schreiben vom 24. März 2010 beanstandete der Beschwerdeführer, einen kompletten BASt-Prüfbericht könne nur ein Unternehmen vorlegen, der sein Produkt auch vollständig bei der BASt prüfen lasse. Die Prüfung nach DIN EN 1317 dürfe aber auch von einem anderen anerkannten Institut wie der TÜV SÜD Automotive GmbH vorgenommen werden. Deshalb sei es unzulässig, Unternehmen auszuschließen, die ihre Produkte nicht der BASt vorgestellt hätten. Hinsichtlich der geäußerten Zweifel an seiner Eignung führte er aus, zum einem sei die Annahme falsch, er habe noch nie transportable Schutzeinrichtungen ausgebaut, zum anderen gebe es auch keinen Grund zum Ausschluss eines Newcomers.

25

3. Da die Vergabestelle an ihrer Entscheidung festhielt, reichte der Beschwerdeführer am 1. April 2010 einen Nachprüfungsantrag ein.

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Er ließ u.a. vortragen, bis zum Zugang des Schreibens der Vergabestelle vom 1. März 2010 sei er davon ausgegangen, dass die Forderung nach Eintragung in die Freigabeliste bzw. nach einem BASt-Prüfbericht sich nur auf solche Systeme bezogen habe, die tatsächlich auch von der BASt geprüft wurden. Deshalb habe er angenommen, dass die von dem jeweils beauftragten Prüfinstitut erstellten Prüfberichte vorzulegen seien. Außerdem sei es nach den Vergabeunterlagen ausreichend, wenn erforderliche Prüfzeugnisse bis zum Einweisungstermin vorgelegt werden.

27

4. Mit Beschluss vom 12. Mai 2010 hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen: Die Rüge der Benachteiligung durch die Beschränkung auf von der BASt zugelassene bzw. geprüfte Schutzeinrichtungen sei gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert, weil sich die Annahme eines Vergaberechtsverstoßes aufgedrängt habe. Die Vorlage eines Prüfberichts eines anderen Instituts als der BASt sei ersichtlich nicht zugelassen gewesen. Aus Sicht eines durchschnittlichen Bieters liege darin eine Benachteiligung von Unternehmen, deren Produkt nicht durch die BASt, sondern durch ein anderes Institut geprüft wurden.

28

Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde, die er mit einem Eilantrag nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB verbunden hat.

II.

29

Der Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung ist in Anwendung des § 118 Abs. 2 GWB abzulehnen.

30

1. Die Erfolgaussichten des Rechtsmittels sind derzeit als eher schlecht einzuschätzen.

31

a) Vorab ist festzustellen, dass die Vergabestelle von der Bekanntmachung von Eignungsnachweisen und damit auch von der indirekten Bekanntgabe eines Mindestanforderungsprofils für die Eignung im Sinne des § 97 Abs. 4 Satz 1 GWB abgesehen hatte, weshalb sie die Eignung des Beschwerdeführers nicht mit der Begründung verneinen darf, er habe noch keine Erfahrungen mit dem Aufstellen von Rückhaltesystemen. Auch der bisher relativ geringe Umsatz rechtfertigt nicht den Schluss auf fehlende Leistungsfähigkeit (BGH v. 24.05.2005 - X ZR 243/02 - VergabeR 2005, 754).

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b) Die Beschwerde wird aber voraussichtlich ohne Erfolg bleiben, weil, soweit der Vergabestelle ein Vergaberechtsverstoß unterlaufen ist, entweder Rügepräklusion eingetreten ist oder der Beschwerdeführer durch den Fehler nicht benachteiligt wurde.

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aa) Der Vergaberechtsverstoß ergibt sich allerdings nicht schon allein daraus, dass die Vergabestelle Anforderungen an das transportable Rückhaltesystem gestellt hat, die von der DIN EN 1317 nicht umfasst sind. Auch der öffentliche Auftraggeber ist Kunde. Als solcher bestimmt er allein, was angeschafft wird und wie die Leistung beschaffen sein soll. Er muss grundsätzlich nur darauf achten, dass seine Wahl nicht mit dem Gebot der produktneutralen Ausschreibung kollidiert.

34

Es versteht sich von selbst, dass bei Sicherungsmaßnahmen auf Autobahnbaustellen nur Rückhaltesysteme zum Einsatz kommen dürfen, die mit Blick auf Stabilität, Standsicherheit u.ä. für den vorgesehenen Zweck geeignet sind. Deshalb darf der Auftraggeber vorgeben, dass das vom Bieter vorgesehene Produkt (standardisierte) technische Bauarteigenschaften (technische Spezifikationen) aufweist, die sich aus einem Regelungswerk wie der TL-Transportable Schutzeinrichtungen 97 ergeben.

35

Bei der TL- Transportable Schutzeinrichtungen 97 handelt es sich um eine nationale technische Spezifikation im Sinne des § 9 Nr. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. e) VOB/A. Zwar bestimmt § 9 Nr. 6 Abs. 1 Satz 1 VOB/A einen Anwendungsvorrang von nationalen Normen, mit denen europäische Normen umgesetzt wurden. Die hier in Frage kommende DIN EN 1317-2 betrifft aber nur Teilaspekte der technischen Anforderungen an transportable Rückhaltesysteme; sie ist zudem Bestandteil der TL- Transportable Schutzeinrichtungen 97. Der Senat hält es deshalb grundsätzlich für zulässig, wenn ein öffentlicher Auftraggeber verlangt, dass nur Rückhaltesysteme angeboten werden, die dieser nationalen technischen Spezifikation entsprechen.

36

Notwendig ist aber der Hinweis, dass auch gleichwertige Produkte angeboten werden können (§ 9 Nr. 1 Abs. 6 Satz 2 VOB/A). Das erkennbare Fehlen dieses Hinweises wurde von dem Beschwerdeführer jedoch bis heute nicht beanstandet.

37

bb) Da der Auftraggeber in der Regel nicht in der Lage ist selbst zu prüfen, welches Produkt den Anforderungen der TL- Transportable Schutzeinrichtungen 97 genügt, ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass er vom Bieter verlangt, die Eignung darzulegen und zu beweisen.

38

Die Umsetzung dieses an sich zulässigen Verlangens ist der Vergabestelle aber in konkreten Fall – auch vor dem Hintergrund der geänderten Begutachtungspraxis der BASt – nicht in vergaberechtskonformer Weise gelungen.

39

Es wäre zwar unbedenklich, die Aufnahme in die „Liste nach TL-Transportable Schutzeinrichtungen“ als Beweismittel zuzulassen, weil die produktbezogene Präqualifikation durch die BASt dem Auftraggeber die Einzelprüfung und dem Bieter die Vorlage vom Prüfberichten o.ä. mit jedem Angebot erspart.

40

Durchgreifenden Bedenken begegnet aber die Vorgabe, dass ausschließlich ein von der BASt geprüftes Produkt verwendet werden darf, zumal es das Alternativbeweismittel des BASt-Prüfberichts in Langfassung nicht mehr zu geben scheint.

41

dd) Insoweit hält der Senat allerdings die Auffassung der Vergabekammer, es sei Rügepräklusion nach § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB eingetreten, nach einer vorläufigen Beurteilung für tragfähig. Das Vorbringen im Nachprüfungsverfahren, der Beschwerdeführer sei davon ausgegangen, dass die Forderung nach Eintragung in die Freigabeliste bzw. nach einem BASt-Prüfbericht sich nur auf solche Systeme bezogen habe, die tatsächlich von der BASt geprüft wurden, ist schon deshalb nicht glaubhaft, weil es nicht mit dem Inhalt des am 4. März 2010 bei der Vergabestelle eingegangenen Schreibens des Beschwerdeführers zu vereinbaren ist.

42

Folge der Rügepräklusion ist, dass der Beschwerdeführer nicht mehr mit der Beanstandung durchdringen kann, ihm sei die Möglichkeit abgeschnitten, die Einsatztauglichkeit des von ihm angebotenen Systems auf andere Weise zu erbringen.

43

Soweit der Beschwerdeführers unter Hinweis auf eine Entscheidung der Vergabekammer Düsseldorf vom 21. Januar 2009 (VK - 43/2008 L) die Senatsrechtsprechung zu den Auswirkungen einer Rügepräklusion (Beschl. v. 03.04.2008 - 1 Verg 1/08) in Zweifel zieht, ist anzumerken, dass der zugrundeliegende Fall der VK Düsseldorf überhaupt keine Veranlassung bot, sich mit dieser Frage zu befassen. Sie hat nämlich übersehen, dass der Auftraggeber die Vorlage von bieterbezogenen Eignungsnachweisen zwar verlangen darf (§ 8 Nr. 3 VOB/A), aber nicht verlangen muss. Lässt er die entsprechenden Zeilen in dem Bekanntmachungsformular unausgefüllt, liegt überhaupt kein Vergaberechtsverstoß vor, der irgendwelche Auswirkungen nach sich ziehen könnte. Ein solcher kommt erst in Betracht, wenn er später einen Bieter mit der Begründung ausschließt, dieser habe geforderte Nachweise nicht vorgelegt.

44

Die Anwendbarkeit des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB setzt keine vorherige Rechtsbehelfsbelehrung voraus, da keine Rechtsmitteleinlegungsfrist im Sinne des Anhangs VII A – Bekanntmachung Nr. 24 zur VKR bestimmt wird (siehe auch OLG München v. 04.04.2008 - Verg 4/08 - VergabeR 2008, 665 zu § 107 Abs. 3 Satz 2 a.F. GWB)

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ee) Unabhängig von der Frage der Rügepräklusion spricht nach Aktenlage derzeit alles dafür, dass es dem Beschwerdeführer auch bei einer anderen Formulierung der Leistungsbeschreibung nicht gelungen wäre, die Eignung des Systems „M. I 12/50“ mit Angebotsabgabe nachzuweisen, so dass es an einem Schaden im Sinne des § 107 Abs. 1 Satz 2 GWB fehlt.

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Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers, der dies als „Fachkraft für Verkehrssicherung“ eigentlich besser wissen müsste, reicht der Nachweis einer erfolgreichen Prüfung nach DIN EN 1317-2 gerade nicht aus, weil damit nur einer von mehreren Teilaspekten der geforderten Einsatztauglichkeit zu belegen war. Es ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass der Beschwerdeführer – oder der Hersteller des Systems – über Dokumente verfügt oder hätte verfügen können, mit denen die Beweisführung zu vervollständigen gewesen wäre. Es scheint vielmehr so zu sein, dass es sich bei dem System „Meton I 12/50“ um eine im Stadium der Eignungsprüfung befindliche Neuentwicklung handelt, für die die vorliegende Ausschreibung einfach zu früh kam.

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Dies gälte im Übrigen auch dann, wenn man der gegenüber der Vergabestelle vertretenen Auffassung des Beschwerdeführers folgte, der Nachweis könne noch bis unmittelbar vor der Entscheidung über die Auftragsvergabe geführt werden. Die Entscheidung, den Auftrag an die Beigeladene zu vergeben, wurde am 18. März 2010 bekanntgegeben.

48

Dass es ausreichend sein könnte, die Eignung des Rückhaltesystems erst bei der Einweisung, also erst nach der Auftragsvergabe nachzuweisen, kann nicht ernsthaft in Erwägung gezogen werden. Aus der Leistungsbeschreibung ergibt sich eindeutig, dass insoweit der Nachweis mit dem Angebot zu führen war.

49

2. Die Auftraggeberin hat schlüssig ein berechtigtes Interesse der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens dargelegt. Danach ist die Fahrbahndecke der BAB A 62 im Streckenabschnitt Birkenfeld - Freisen so marode, dass schon ein Fahrstreifen gesperrt werden musste. Der „Hauptauftrag“ mit einer Nettoauftragssumme von ca. 10 Mio. € wurde bereits am 31. März 2010 vergeben (siehe TED - 2010/S 69-102445). Mit den Arbeiten muss unverzüglich begonnen werden. Dies sieht wohl auch der Antragsteller so. In einem Schreiben an die Beigeladene vom 27. April 2010 weist er nämlich darauf hin, die Projektausführung müsse „ kurzfristig erfolgen “.

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3. Ob der Antragsteller, wie die Beigeladene vorträgt, den Nachprüfungsantrag in der rechtsmissbräuchlichen Absicht eingelegt hat, die Beigeladene zu einer Zusammenarbeit mit ihm zu veranlassen, wird, falls noch erforderlich, im weiteren Verlauf des Verfahrens zu prüfen sei. Der Senat weist bereits jetzt darauf hin, dass das Schreiben an die Beigeladene vom 27. April 2010 – vor dem Hintergrund der Probleme hinsichtlich des Nachweises der Eignung des Systems „M. I 12/50“ – durchaus den Eindruck erwecken könnte, es sei dem Beschwerdeführer bereits bei der Einreichung des Nachprüfungsantrages nicht mehr darum gegangen, selbst den Auftrag zu erhalten.

51

4. Die Vergabestelle wird um Mitteilung gebeten, ob/wann der Zuschlag erteilt wurde. Der Antragsteller wird gebeten, binnen zwei Wochen mitzuteilen, ob das Beschwerdeverfahren fortgesetzt werden soll.

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