Beschluss vom Oberlandesgericht Naumburg (1. Strafsenat) - 1 Ws 144/10
Tenor
Die Beschwerde des Betroffenen gegen die Entscheidung der Vorsitzenden der 4. Strafkammer – Strafvollstreckungskammer – des Landgerichts Stendal vom 26. Januar 2010 wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
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Der Betroffene ist seit dem 27. September 2004 – zunächst vorläufig gemäß § 126 a StPO – im Landeskrankenhaus für Forensische Psychiatrie U., seit dem 04. Oktober 2007 in dessen Außenstelle L., untergebracht.
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Im Rahmen der in der Vergangenheit durchgeführten Überprüfungsverfahren zur Erforderlichkeit einer weiteren Unterbringung ordnete die Kammer dem Betroffenen unter Berücksichtigung dessen jeweiliger Anträge verschiedene Verteidiger als Pflichtverteidiger bei. Zuletzt wurde dem Betroffenen am 04. Dezember 2008 Rechtsanwältin H. beigeordnet.
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Durch Beschluss vom 20. März 2009, rechtskräftig seit 02. April 2009, wurde die Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
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Mit Schreiben vom 14. Juli 2009 zeigte Rechtsanwalt B. unter Beifügung einer Vollmacht die Vertretung des Betroffenen an und beantragte seine Beiordnung als Pflichtverteidiger. Nach Hinweis des Gerichts, dass der Antrag erst im Rahmen des weiteren Prüfungsverfahrens berücksichtigt werden könne, wiederholte Rechtsanwalt B. mit Schreiben vom 07. Januar 2010 den Beiordnungsantrag.
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Durch Beschluss vom 26. Januar 2010 wies die Vorsitzende der 4. Strafkammer des Landgerichts Stendal den Antrag des Betroffenen auf Beiordnung von nunmehr Rechtsanwalt B. unter Aufhebung der Bestellung der bisherigen Pflichtverteidigerin, Rechtsanwältin H., zurück.
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Der hiergegen mit Schriftsatz des Rechtsanwalts B. vom 09. Februar 2010 erhobenen Beschwerde des Betroffenen hat die Kammer nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
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Die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg hat mit Zuschrift vom 18. März 2010 beantragt, auf die Beschwerde des Betroffenen den Beschluss der Vorsitzenden der 4. Strafkammer – Strafvollstreckungskammer – des Landgerichts Stendal vom 26. Januar 2010 aufzuheben und Rechtsanwalt B. aus Bg. als Pflichtverteidiger für das aktuelle Überprüfungsverfahren beizuordnen.
II.
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Die Beschwerde ist gemäß § 304 Abs. 1 StPO zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die Entscheidung der Vorsitzenden der 4. Strafkammer des Landgerichts Stendal entspricht der Sach- und Rechtslage.
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Der Senat hält an seiner Auffassung fest, dass sich die Verteidigerbestellung im Vollstreckungsverfahren, jedenfalls bei Vollzug einer Maßregel gemäß § 63 StGB, auf das gesamte Verfahren erstreckt (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Mai 2005 – 1 Ws 250/05 -; Beschluss vom 08. September 2005 – 1 Ws 510/05 - ; zuletzt Beschluss vom 20. November 2009 – 1 Ws 750/09 - ; so auch Meyer-Goßner, StPO, 52. Auflage, § 140 Rn.33a; OLG Stuttgart, Beschluss vom 23. Mai 2000 – 2 Ws 96/2000 - ; OLG Hamm, Beschluss vom 10. Mai 2002 – 2 Ws 99/02 -).
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Soweit in der Rechtsprechung die Auffassung vertreten wird, die Beiordnung eines Verteidigers im Vollstreckungsverfahren gelte nur für den jeweiligen Vollstreckungsabschnitt (vgl. KG, Beschluss vom 03. August 2001 – 5 Ws 380/01; OLG Schleswig, SchlHA 1989,105; OLG Frankfurt, NStZ-RR 2003,252; OLG München, Beschluss vom 09. März 2007 – 3 Ws 94/07 -), stimmt der Senat dem in dieser Allgemeinheit nicht zu.
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Für diese Auffassung spricht zwar, dass die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage im Laufe eines Vollstreckungsverfahrens variieren kann, weswegen in manchen Verfahrensabschnitten die Mitwirkung eines Verteidigers erforderlich und geboten sein mag, während in anderen eine eigenständige Interessenwahrnehmung durch den Verurteilten ausreichend erscheint. Dies mag für den Bereich des Vollzuges von Freiheitsstrafen gelten.
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Für die Vollstreckung einer Maßregel gemäß § 63 StGB ist demgegenüber zu beachten, dass in Verfahren, in denen es um die Fortsetzung, Aussetzung oder Beendigung der Unterbringung einer geistig erkrankten Person geht, die Beiordnung eines Verteidigers notwendig ist (vgl. EGMR vom 12.Mai 1992, StV 1993,88).
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Diese Anforderung hat der Gesetzgeber in § 463 Abs. 3 S. 5 StPO erfüllt, indem er für alle von Verfahren nach § 67 d Abs. 2 und 3 StGB Betroffene die notwendige Verteidigung eingeführt hat. Aus dieser Vorschrift geht allerdings nur hervor, dass die Verteidigerbestellung in den genannten Fällen erforderlich ist, soweit der Verurteilte noch keinen Verteidiger hat. Eine Beschränkung der Verteidigerbestellung dahingehend, dass diese nur für den jeweiligen Verfahrensabschnitt gelten soll, lässt sich aus § 463 Abs. 3 S. 5 StPO nicht entnehmen.
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Soweit in der Rechtsprechung der Obergerichte, die eine Verteidigerbestellung im Vollstreckungsverfahren auf den jeweiligen Abschnitt beschränkt haben wollen, darauf verwiesen wird, dass nur dies zu einem angemessenen Ergebnis auch bei der Gebührenfestsetzung führe, da bei einer kostenrechtlichen Zugrundelegung einer einheitlichen Bestellung des Pflichtverteidigers für das gesamte Verfahren zweifelhaft sei, wann der Rechtszug beendet ist und ab wann der Verteidiger die volle Gebühr liquidieren dürfe (so KG, Beschluss vom 03. August 2001 – 5 Ws 380/01), kommt diesem Argument nach Änderung der kostenrechtlichen Regelungen auch für das Vollstreckungsverfahren keine Bedeutung mehr zu. Auch bei einer Verteidigerbestellung für das gesamte Vollstreckungsverfahren kann der Verteidiger nach § 15 RVG für die jeweiligen Angelegenheiten die in Teil 4 Abschnitt 2 VV 4200 – 4207 geregelten Gebührentatbestände geltend machen, mithin jeweils die Verfahrensgebühr gemäß VV 4202/4203 und die Auslagen gemäß VV 7002 ff.(vgl. auch Madert in Gerold/Schmidt RVG VV 4200 Rn. 14; OLG Schleswig, Beschluss vom 06. Januar 2004 – 1 Ws 443/04).
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Für die einheitliche Verteidigerbestellung im Verfahren der Vollstreckung einer Maßregel gemäß § 63 StGB spricht demgegenüber, dass gerade aufgrund der Erkrankung des Verurteilten ein besonderes Bedürfnis für ihn besteht, von einer Person seines Vertrauens vertreten zu werden, weswegen eine Kontinuität der Verteidigerbestellung in diesen Fällen zu bevorzugen ist. Unter Berücksichtigung dessen, dass der Maßregelvollzug in der Regel von längerer Dauer ist, erscheint es auch sinnvoll, dass der Verurteilte von einem ihm bereits bekannten Verteidiger vertreten wird, da dieser den Untergebrachten länger begleitet hat und somit auch etwaige Therapiefortschritte des Verurteilten besser einschätzen kann.
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Wenn die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage oder die Unfähigkeit des Betroffenen, seine Rechte wahrzunehmen, die Bestellung eines Verteidigers in entsprechender Anwendung von § 140 Abs.2 StPO gebietet, was bei Maßnahmen der Vollstreckung im Rahmen des Maßregelvollzuges regelmäßig der Fall ist, liegt es im Ermessen des Vorsitzenden, einen Pflichtverteidiger zu bestimmen (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Februar 2010, 1 Ws 88/10).
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Im vorliegenden Fall hat die Vorsitzende ihr Ermessen in nicht zu beanstandender Weise dahingehend ausgeübt, dass sie am 04. Dezember 2008 Frau Rechtsanwältin H. als Verteidigerin bestellt hat.
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Der Senat hält auch insoweit an seiner Rechtsprechung fest, dass grundsätzlich die Auswechslung eines Pflichtverteidigers nicht allein deshalb in Frage kommt, weil der Mandant dies so wünscht, sondern nur dann, wenn dieser darlegt und glaubhaft macht oder sonst ersichtlich ist, dass hierfür ein wichtiger Grund vorliegt. Unter letzterem sind Umstände zu verstehen, die den Zweck der Pflichtverteidigung – dem Verurteilten einen geeigneten Beistand zu sichern und den ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten – ernsthaft gefährden. Hierunter fällt neben groben Pflichtverletzungen, insbesondere eine endgültige und nachhaltige Erschütterung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Verurteilten und dem bestellten Pflichtverteidiger, was aber vom Standpunkt eines vernünftigen und verständigen Verurteilten aus zu beurteilen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 17. November 2008 – 1 Ws 628/08; Meyer-Goßner, StPO, 52. Auflage, § 143 Rn.3).
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Derartige Gründe für eine Entpflichtung von Rechtsanwältin H. sind, wie die Vorsitzende in ihrer Entscheidung festgestellt hat, weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich geworden. Solche Gründe sind auch in der vom Senat eingeholten Stellungnahme der Rechtsanwältin H. nicht zu Tage getreten.
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Nach alldem ist das Vorliegen eines wichtigen Grundes für eine Entpflichtung der bisherigen Verteidigerin nicht gegeben.
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Der Grundsatz des fairen Verfahrens und die daraus resultierende Fürsorgepflicht des Gerichts gebietet vorliegend auch nicht die Auswechslung des Pflichtverteidigers, denn hiernach ist die Auswechslung eines Pflichtverteidigers bei Fehlen eines wichtigen Grundes nur dann geboten, wenn der bisher beigeordnete notwendige Verteidiger mit einer Entbindung von der Pflichtverteidigung einverstanden ist und durch die Beiordnung des neuen Verteidigers keine Verfahrensverzögerung noch Mehrkosten für die Staatskasse verursacht werden (Senat, Beschluss vom 17. November 2008 – 1 Ws 628/08).
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Hier ist bereits nicht ersichtlich, dass Rechtsanwältin H. ihr Einverständnis mit einer Entbindung von ihrer Bestellung erklärt hätte. Eine Verfahrensverzögerung ist bereits eingetreten, weil das Gericht den zum 10. März 2010 bestimmten Anhörungstermin – offenbar im Hinblick auf das laufende Beschwerdeverfahren – aufgehoben hat.
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Schließlich ist zu beachten, dass Frau Rechtsanwältin H. anders als Rechtsanwalt B. am Gerichtsort kanzleiansässig ist und auch unter Berücksichtigung, dass die Kanzlei B. näher zur Außenstelle L. gelegen ist, wohl doch, wenn auch ggf. geringe – Mehrkosten für die Staatskasse entstehen würden.
III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 S.1 StPO analog.
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