Beschluss vom Oberlandesgericht Naumburg (1. Zivilsenat) - 1 W 46/12

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Magdeburg vom 13. Juni 2012 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe

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Der Kläger verlangt vom Beklagten im Urkundenprozess die Zahlung von 90.000,00 EUR. Hierzu beruft er sich auf eine privatschriftliche Urkunde vom 1. Oktober 2010, die vom Beklagten stammt und von ihm unterschrieben wurde. Dieses selbständige Anerkenntnis habe der Beklagte dem Kläger angeboten, nachdem der aus verschiedenen Darlehen geschuldete Betrag die bestätigte Summe erreicht hätte.

2

Der Beklagte bestreitet, den Betrag von 90.000,00 EUR in die Urkunde aufgenommen zu haben. Zu keinem Zeitpunkt seien ihm vom Kläger 90.000,00 EUR übergeben worden. Dies werde bereits durch seinen bescheidenen Lebensstil belegt. Der Beklagte sei die Verbindlichkeit daher ohne rechtlichen Grund eingegangen. Außerdem liege dem Ganzen Sittenwidrigkeit zugrunde. Der Kläger habe dem kranken Beklagten kein Anerkenntnis in dieser Höhe abverlangen dürfen und trage widersprüchlich vor. Den zunächst erhobenen Einwand fehlender Geschäftsfähigkeit hat der Beklagte wieder fallen lassen.

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Für seine Rechtsverteidigung sucht der Beklagte um Prozesskostenhilfe nach. Das Landgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 13. Juni 2012 zurückgewiesen. Gegen diese, seinem Prozessbevollmächtigten am 18. Juni 2012 zugestellte Entscheidung wendet sich der Beklagte mit der am 20. Juni 2012 eingegangenen sofortigen Beschwerde, der das Landgericht nicht abgeholfen hat, und wiederholt sein bisheriges Vorbringen.

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Das zulässige und gemäß § 568 Satz 1 ZPO vom Einzelrichter des Beschwerdegerichts zu entscheidende Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg. Im Ergebnis hat das Landgericht dem Beklagten zu Recht Prozesskostenhilfe versagt, weil es der Rechtsverteidigung an der hinreichenden Erfolgsaussicht im Sinne von § 114 Satz 1 ZPO fehlt.

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Durchgreifenden Bedenken unterliegt allerdings die Auffassung der Kammer, es komme für die Erheblichkeit des Klageleugnens darauf an, inwieweit der Beklagte im Urkundenprozess statthafte Einwendungen erhebt (vgl. §§ 592 Satz 1, 595 Abs. 2, 598 ZPO). Will sich der Beklagte das Nachverfahren offen halten, muss er dem geltend gemachten Anspruch schon im Vorbehaltsverfahren widersprechen (§§ 599 Abs. 1, 600 Abs. 1 ZPO), was zu seiner Rechtsverteidigung gehört und wozu er ggf. anwaltlichen Beistand benötigt. Nachverfahren und Vorbehaltsverfahren gehören zum einheitlichen Urkundenprozess, weshalb dem Beklagten für das gesamte Verfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist, selbst wenn seine Verteidigung erst im Nachverfahren Erfolg verspricht (OLG Saarbrücken NJW-RR 2002, 1584; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17. Dezember 2009, 4 W 83/09 - BeckRS 210, 20101; Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 119 Rdn. 17; Kratz, in: BeckOK-ZPO, Stand: 15. April 2012, § 592 Rdn. 7).

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Richtig hat das Landgericht dann aber ausgeführt, dass der Beklagte für sein Vorbringen keinen Beweis antritt, womit voraussichtlich auch das Nachverfahren nicht zur Abweisung der Klage führt (§§ 600 Abs. 2, 302 Abs. 4 Satz 2 ZPO). Die Erklärung, dem Kläger Geld zu schulden und es bis zum 31. Dezember 2010 zurückzuzahlen, stammt unstreitig vom Beklagten (§§ 416, 439 Abs. 1, Abs. 2 ZPO). Erklärungsinhalt sind damit auch die dort erwähnten 90.000,00 EUR. Steht die Echtheit der Namensunterschrift fest, so hat die über der Unterschrift stehende Schrift die Vermutung der Echtheit für sich (§ 440 Abs. 2 ZPO). Die formelle Beweiskraft der Urkunde schließt den Begebungsakt ein (BGH NJW-RR 2006, 847, 848 m.w.N.). Der Beklagte muss das Gegenteil, insbesondere die Unechtheit, beweisen (§ 292 Satz 1 ZPO; vgl. BGH NJW 1988, 2741; NJW-RR 1989, 1323 f.). Beweis ist nicht angetreten.

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Das gilt auch für seine dem materiell-rechtlichen Gehalt der urkundlich belegten Erklärung (vgl. §§ 780 Satz 1, 781 Satz 1, 371 Satz 1 BGB) entgegen gestellten Einwände der Sittenwidrigkeit und ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 138 Abs. 1, 812 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 821 BGB). Für beides ist der Beklagte darlegungs- und beweispflichtig (BGH NJW-RR 1992, 1214, 1216; 2009, 544, 546; 1142, 1144; Wendehorst, in: BeckOK-BGB, Stand: 1. März 2011, § 812 Rdn. 272).

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Insoweit lässt aber bereits der Sachvortrag des Beklagten keine Nichtigkeit des Anerkenntnisses oder eine ungerechtfertigte Bereicherung des Klägers (vgl. hierzu BGH NJW 2000, 2501, 2502; 2005, 2991, 2993; OLG Rostock OLG-NL 2005, 241, 242; OLG Jena, Urteil vom 25. Juni 2008, 4 U 820/06 - BeckRS 2009, 03881) erkennen. Voraussetzung wäre stets, dass der Kläger etwas erlangte, das ihm die Rechtsordnung nicht zubilligte, weil er hierauf keinen Anspruch hatte. Wie sich aus § 371 BGB ergibt, ist die Ausstellung eines Schuldscheins für sich nicht zu beanstanden. Etwas anderes ließe sich nur dann erwägen, wenn es tatsächlich keine Darlehensbeziehungen zwischen den Parteien oder hieraus keine Rückzahlungsverpflichtung in Höhe von 90.000,00 EUR gegeben hätte. Dazu trägt der Beklagte bisher nichts vor. Auf der Hand, wie beispielsweise im Falle von außergewöhnlichen Vorteilen, wie anerkannten exorbitant hohen Bewirtungskosten (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 71. Aufl., § 138 Rdn. 53 m.w.N.), liegt das nicht. Ein bescheidener familiärer Lebenszuschnitt belegt dergleichen ebenso wenig, da das Geld auch anderweitig ausgegeben worden sein kann. Solange nicht einmal der Beklagte offenbart, was der Begebung der Urkunde vom 1. Oktober 2010 zugrunde liegt und wie es dazu kam, kann es auch keine Rolle spielen, dass der Kläger möglicherweise verpflichtet wäre, substantiiert zu bestreiten oder im Rahmen einer sekundären Darlegungslast näher zu den einzelnen Darlehen und ihrer Höhe vorzutragen.

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Die Auslagenentscheidung folgt aus § 127 Abs. 4 ZPO.


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