Urteil vom Oberlandesgericht Naumburg (1. Zivilsenat) - 1 U 32/13

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 30.1.2013 verkündete Urteil des Landgerichts Stendal (21 O 211/11) wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger stürzte am 18.1.2010 auf dem Weg nach Hause auf einem Fußweg. Er wurde noch am selben Abend zur Beklagten verbracht, wo eine Röntgenuntersuchung den Befund Unterschenkelfraktur links erbrachte. Es wurde von den behandelnden Ärzten eine operative Versorgung der Fraktur beschlossen und dies wurde dem Kläger dann so mitgeteilt. Es fand ein Aufklärungsgespräch statt, das der Zeuge S. führte (dazu: Dokumentation Aufklärung in der Krankenakte). Am 19.1.2010 wurde die Marknagelung operativ durchgeführt. Im Operationsbericht heißt es: Es wird nun der Nagel proximal dynamisch von medialseitig in typischer Weise verriegelt … . Der Kläger wurde am 22.1.2010 aus der stationären Behandlung entlassen. Wegen anhaltender Schmerzen stellte er sich am 21.5.2010 in der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie in M. vor. In der Folge der dabei gemachten Untersuchungen behauptet der Kläger, dass es infolge der Operation bei der Beklagten zu einer Verkürzung des linken Beines gekommen sei, die bei ihm erhebliche Schmerzen und Bewegungseinschränkungen verursache. Der Kläger hat zunächst behauptet, dass der Eingriff vom 19.1.2010 nicht lege artis durchgeführt worden sei. Nach Vorlage des Sachverständigengutachtens rügt er weiter einen Aufklärungsmangel. Die von den Ärzten der Beklagten gewählte Operationsmethode sei verfehlt gewesen. Zwar habe eine Indikation zur Markraumvernagelung bestanden, der Marknagel hätte aber nicht sofort dynamisch verriegelt werden dürfen, sondern es hätte zunächst eine statische Verriegelung erfolgen müssen, die bei Bedarf nach etwa 8 Wochen hätte dynamisiert werden können. Die eingetretene Beinverkürzung sei eine direkte Folge der gewählten dynamischen Verriegelung. Hätte man ihn über die Alternative dynamische/statische Verriegelung aufgeklärt, hätte er sich nicht für die Variante entschieden, bei der die Gefahr einer Beinverkürzung bestanden habe.

2

Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 2 BGB abgesehen.

3

Das Landgericht hat ein schriftliches Sachverständigengutachten von Dr. F. eingeholt (Bl. 91ff. I), das dieser zunächst schriftlich ergänzt (Bl. 128ff. I) und sodann im Termin vom 12.12.2010 mündlich erläutert hat (Bl. 179ff. I). In diesem Termin hat das Landgericht auch die behandelnden Ärzte als Zeugen gehört.

4

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ein Behandlungsfehler nicht angenommen werden könne (wird ausgeführt). Ein Aufklärungsmangel liege nicht vor, weil es keine echte Behandlungsalternative zur operativen Versorgung des Bruches gegeben habe.

5

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der Berufung, mit der er seine erstinstanzlichen Klageanträge weiterverfolgt. Die Begründung des Landgerichts zum fehlenden Behandlungsfehler nimmt er hin. Er wiederholt indes seinen Vortrag zum Aufklärungsmangel.

6

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

7

Der nicht nachgelassene Schriftsatz des Klägers vom 08.08.2013 wurde zur Kenntnis genommen. Er fasst die Argumentation des Klägers abschließend zusammen.

II.

8

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

9

Zwar liegt der Fokus des Berufungsvorbringens des Klägers auf der Frage, ob ein Aufklärungsmangel vorliegt. Nach dem Ergebnis der ergänzenden Anhörung des Sachverständigen Dr. F. kann der Kläger aber bereits nicht beweisen, dass die von ihm geklagten (und bei seiner informatorischen Anhörung durch den Senat wiederholten) Beschwerden überhaupt dem streitgegenständlichen Behandlungsgeschehen zuzuordnen sind und nicht auf der Verletzung selbst beruhen. Der Sachverständige hat bei seiner Anhörung seinen Standpunkt bekräftigt, den er bereits gegenüber dem Landgericht eingenommen hat, dass eine Verkürzung des Beins um (~) 1 cm (wobei eine gewisse Verkürzung bei der dynamischen Verriegelung eingriffsimmanent immer eintritt) medizinisch irrelevant ist. Die Beinverkürzung ist nach den Bekundungen des Sachverständigen nicht geeignet, die vom Kläger geklagten Beschwerden zu erklären. Zwar sei nicht auszuschließen, dass beim Kläger die vorgetragenen Beschwerden subjektiv bestehen. Da es sich aber bei der Unterschenkelfraktur um eine schwere Verletzung handele, könne diese Verletzung an sich zu den geklagten Beschwerden führen, ohne auf dem Behandlungsgeschehen zu beruhen. Die (dynamische) Markraumnagelungsmethode stelle bei geraden oder - wie vorliegend - leicht schrägen Brüchen die Methode der Wahl dar. Die dynamische und die statische Variante (die bei Trümmerbrüchen zur Anwendung kommen muss, nicht aber bei schrägen oder geraden Brüchen) unterscheiden sich letztlich im Wesentlichen nur im Zeitfaktor. Bei der statischen Variante wird zunächst abgewartet, ob sich an der Bruchstelle neuer Kallus bildet. Ist dies bei einer Kontrolle nach 8 bis 9 Wochen (ausreichend) der Fall, ist die Behandlung beendet. Ist dies indes nicht der Fall, muss nachträglich dynamisiert werden, um das Zusammenwachsen der Bruchenden zu befördern, was bei der dynamischen Variante eher (im Sinne des Zeitfaktors) geschieht. Ein Behandlungsfehler lässt sich damit nicht feststellen. Ob letztlich ein Aufklärungsmangel vorliegt (nach Ansicht des Sachverständigen wohl ja, weil über die Details statisch oder dynamisch mit dem Patienten gesprochen werden muss), kann aber nach dem Beweisergebnis dahinstehen.

10

Die Aufklärungspflichtverletzung selbst stellt keinen Haftungstatbestand dar. Der Schaden darf bei - unterstellter Wahl für die Alternative - höchst wahrscheinlich nicht eintreten (OLG Naumburg, Urteil vom 10.06.2003 - 1 U 4/02 - [z.B. NJW-RR 2004, 315, 316]; zitiert nach juris [R. 44]; ebenso zuletzt Senat Urteil vom 8.11.2012 - 1 U 62/12 -). Insoweit hat der Sachverständige zwar erklärt, dass bei der statischen Verriegelung eine Beinverkürzung grundsätzlich nicht eintritt (aber verbunden mit dem Risiko der Notwendigkeit eines weiteren Eingriffs zur späteren Dynamisierung, bei dem dann wiederum die Verkürzung eintreten würde). Wenn aber - wie ausgeführt - bereits nicht festgestellt werden kann, dass die geklagten Beschwerden überhaupt auf dem Behandlungsgeschehen und nicht auf der Verletzung selbst beruhen, muss es an der Kausalität zwischen dem - zugunsten des Klägers unterstellten - Aufklärungsmangel und dem eingetretenen Schaden fehlen.

11

Die Berufung ist daher zurückzuweisen.

12

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

13

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

14

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen von § 543 ZPO nicht vorliegen.

15

Streitwert:

16

- Schmerzensgeld:

5.000, -- Euro

- Feststellungsantrag:    

2.000, -- Euro

17

Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind nur bei der Kostenquote, nicht aber beim Streitwert zu berücksichtigen.


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