Beschluss vom Oberlandesgericht Naumburg (2. Strafsenat) - 2 Ss 155/13, 2 Ws 71/13

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss des Landgerichts Magdeburg vom 26. September 2013 aufgehoben.

2. Dem Angeklagten wird Wiedereinsetzung in den Stand vor Versäumung der Berufungshauptverhandlung gewährt.

3. Damit ist das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 03. September 2013 gegenstandslos.

4. Die Revision des Angeklagten ist erledigt.

5. Die Landeskasse trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe

I.

1

Das Amtsgericht Wernigerode hatte den Angeklagten am 28. Januar 2013 wegen Diebstahls und vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zur Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und eine Sperre für die Fahrerlaubnis verhängt. Dagegen legte der Angeklagte Berufung ein, eine erste Berufungsverhandlung fand am 16. Juli 2013 statt. Da weitere Beweiserhebungen erforderlich waren, wurde die Hauptverhandlung ausgesetzt, der Vorsitzende bestimmte neuen Termin zur Hauptverhandlung auf den 03. September 2013, 11.00 Uhr.

2

Im Protokoll ist hierzu vermerkt:

3

„Alle Prozessbeteiligten, mit Ausnahme der Schöffen, gelten zum neuen Termin als geladen.“

4

Eine schriftliche Ladung zum Hauptverhandlungstermin vom 03. September 2013 erhielt der Angeklagte nicht.

5

Zur Hauptverhandlung am 03. September 2013 erschien der Angeklagte nicht, Gründe hierfür waren dem Gericht nicht bekannt. Daraufhin verwarf die Kammer die Berufung des Angeklagten mit Urteil vom selben Tage gemäß § 329 Abs. 1 StPO.

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Gegen dieses am 09. September 2013 zugestellte Urteil beantragte der Angeklagte rechtzeitig Wiedereinsetzung in den Stand vor Versäumung der Berufungshauptverhandlung. Er meint zum einen, er habe die Hauptverhandlung unverschuldet versäumt, weil er sich durch Konsum illegaler Drogen in einen Zustand der Verhandlungsunfähigkeit versetzt habe, ohne, dass er diese Folge hätte voraussehen können.

7

Im Übrigen beanstandet er, dass er zum Termin vom 03. September 2013 nicht ordnungsgemäß geladen worden sei, was einer Verwerfung der Berufung ebenfalls entgegen gestanden habe.

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Außerdem hat der Angeklagte gegen das Urteil rechtzeitig Revision eingelegt und diese nach Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe durch seinen Verteidiger begründen lassen.

9

Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag des Angeklagten durch Beschluss vom 26. September 2013 als unbegründet verworfen.

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Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingelegte sofortige Beschwerde des Angeklagten vom 15. Oktober 2013.

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Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

12

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

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Dem Angeklagten ist Wiedereinsetzung in den Stand vor Versäumung der Berufungshauptverhandlung zu gewähren.

14

Zuzustimmen ist dem Landgericht allerdings, dass der Angeklagte die Folgen des Drogenmissbrauchs verschuldet hat. Er hat die Einnahme der unberechenbaren Droge Crystal zwei Tage vor der Hauptverhandlung gesteigert. Auch wenn der Drogenmissbrauch in der Vergangenheit beim Angeklagten nicht zu übergroßer Müdigkeit geführt hatte, konnte er sich nicht darauf verlassen, dass dem immer so sein werde. Im Übrigen hat er seine Bekannte damit beauftragt, ihn rechtzeitig vor dem Hauptverhandlungstermin zu wecken, obwohl er vorhersehen konnte, dass diese bei Feststellung seines Drogenkonsums verärgert und deswegen nicht mehr bereit sein werde, den Weckauftrag zu erfüllen.

15

Der Wiedereinsetzungsantrag hat allerdings Erfolg, weil der Angeklagte zur (zweiten) Berufungshauptverhandlung nicht ordnungsgemäß geladen worden war. Eine Verwerfung der Berufung bei Ausbleiben des Angeklagten nach § 329 Abs. 1 StPO ist nur zulässig, wenn er ordnungsgemäß geladen worden ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Auflage, Rdn. 9 zu § 329). Den Ladungsmangel kann der Angeklagte sowohl mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung als auch mit der Revision geltend machen (OLG Düsseldorf, MDR 1987, 868 f.). Hier lässt sich schon nicht feststellen, dass der Angeklagte zur Hauptverhandlung vom 03. September 2013 überhaupt geladen worden ist. Im Protokoll steht nämlich nicht, dass er geladen wurde, sondern lediglich, dass die Prozessbeteiligten „als geladen gelten“. Was das bedeutet, erschließt sich dem Senat nicht.

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Allerdings könnte damit gemeint sein, dass die Beteiligten mündlich geladen wurden. Eine mündliche Ladung zum neuen Hauptverhandlungstermin nach Aussetzung der Hauptverhandlung verfehlt indes die in § 216 Abs. 1 S. 1 StPO für Ladungen vorgesehene Schriftform, eine mündliche Ladung des erschienenen Angeklagten ist daher nur ausreichend, wenn die Hauptverhandlung nicht ausgesetzt, sondern nur unterbrochen wird. Ebenso war der Angeklagte schriftlich auf die Folgen des unentschuldigten Ausbleibens hinzuweisen, hier auf die Rechtsfolgen des § 329 Abs. 1 StPO (vergl. Meyer-Goßner, Rdn. 3 zu § 323). Die insoweit in der Ladung zum ersten Hauptverhandlungstermin enthaltenen schriftlichen Hinweise reichen nicht aus, nicht einmal ein schriftlicher Hinweis auf die früheren Belehrungen hätte den Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Ladung genügt (OLG Koblenz, NJW 1981, S. 2074).

17

Wird der Angeklagte nach Aussetzung des Verfahrens zur zweiten Berufungshauptverhandlung nicht schriftlich geladen oder wird in der Ladung nicht ausdrücklich auf die Folgen des Ausbleibens hingewiesen, führt jeder dieser beiden Fehler für sich bereits zur Unanwendbarkeit des § 329 Abs. 1 StPO (OLG Düsseldorf a.a.O., Meyer-Goßner, Rdn. 9, 10 zu § 329).

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Damit durfte die Berufung des Angeklagten nicht gemäß § 329 Abs. 1 StPO verworfen werden, wegen der Ladungsmängel ist ihm Wiedereinsetzung in den Stand vor Versäumung der Berufungshauptverhandlung zu gewähren. Infolge der Wiedereinsetzung ist das Verwerfungsurteil des Landgerichts gegenstandslos (Meyer-Goßner, Rdn. 44 zu § 329).

19

Ebenso hat sich die Revision des Angeklagten erledigt.


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