Beschluss vom Oberlandesgericht Naumburg (1. Senat für Familiensachen) - 3 WF 189/14 (VKH)

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Dessau-Roßlau vom 19. Juni 2014, erlassen am 20. Juni 2014, Az.: 3 F 266/14 VKH 2, abgeändert und der Antragsgegnerin für die Rechtsverteidigung in erster Instanz ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin S. H. aus D. zu ihrer Vertretung bewilligt.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Die Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Die gemäß §§ 76 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Dessau-Roßlau vom 19. Juni 2014 ist in der Sache begründet, denn das Amtsgericht hat der Antragsgegnerin zu Unrecht die begehrte Verfahrenskostenhilfe für die Rechtsverteidigung im erstinstanzlichen Eilverfahren betreffend die elterliche Sorge für die minderjährigen Kinder Lana und Laia W. deshalb versagt, weil diese sich nicht hinreichend zu ihrer Bedürftigkeit erklärt habe.

2

Dem Amtsgericht ist zwar insoweit beizupflichten, dass der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe regelmäßig bei Abschluss des Verfahrens vollständig vorliegen muss, d.h. also auch mit der nach § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO in Verb. mit § 76 FamFG geforderten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst entsprechender Belege, und dass auch die gerichtliche Beauflagung zu ergänzenden Angaben, deren Glaubhaftmachung oder eidesstattliche Versicherung pp. nach § 118 Abs. 2 ZPO in Verb. mit § 76 FamFG regelmäßig bereits das Vorliegen einer Erklärung nach § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO verlangt. Auch besteht grundsätzlich keine allgemeine Verpflichtung des Gerichts zur Verschaffung von Verfahrenskostenhilfe und eine sich etwaig hieraus ergebende Pflicht zur Erteilung von Hinweisen im Hinblick auf noch fehlende Unterlagen und Hinweise zur Vervollständigung des Verfahrenskostenhilfeantrags, da dies gegen die Verpflichtung des Gerichts zur Unparteilichkeit verstieße (vgl. LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.04.2012, Az.: 12 Ta 28/11, Rdnr. 12, zitiert nach juris). Indes lässt das Amtsgericht bei seiner Betrachtung die Besonderheiten des Entscheidungsfalles außer Betracht, die hier nach Ansicht des Senates ausnahmsweise entsprechend § 139 Abs. 1 ZPO einen richterlichen Hinweis auf die noch fehlende Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nebst Belegen erfordert und damit zu einer rechtzeitigen Einreichung der fehlenden Erklärung nebst Belegen geführt hätte.

3

So wurde die beglaubigte Antragsschrift des Antragstellers vom 23.04.2014 (Bd. I, Bl. 139 ff. d.A.), mit welcher dieser beantragt hatte, ihm im Wege der einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung über das Hauptsacheverfahren vorläufig das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die gemeinsamen Töchter gerichtlich zu übertragen, der Antragsgegnerin nebst der Terminsladung zum 12.05.2014 erst am 02.05.2014 mit einer beglaubigten Abschrift (Bd. II, Bl. 5 Rs. d.A.) und deren Verfahrensbevollmächtigten mit einfacher Abschrift der Antragsschrift erst am 05.05.2014 zugestellt. Ungeachtet der Frage, ob nicht hier auch von der wirksamen Bevollmächtigung der im Hauptsacheverfahren mit der Vertretung der Antragsgegnerin betrauten Verfahrensbevollmächtigten für das einstweilige Anordnungsverfahren ausgegangen werden musste und demzufolge hier an letztere hätte ausschließlich nach § 15 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 FamFG in Verb. mit § 172 Abs. 1 ZPO hätte die Zustellung erfolgen müssen (vgl. Bd. I, Bl 165 d. A.), ist jedenfalls zu bemerken, dass sich die Antragsgegnerin - nach ihren auch vom Amtsgericht nicht in Zweifel gezogenen Beschwerdeausführungen - jedenfalls am 05.05.2014 bis unmittelbar vor dem Termin und der Entscheidung des Amtsgerichts am 12.05.2014 im Urlaub befand und demzufolge nach ihrem laienhaften Verständnis wohl zu Recht - auch für das Amtsgericht erkennbar - davon ausgegangen sein dürfte, mit der Bevollmächtigung ihrer Verfahrensbevollmächtigten im bisherigen Hauptsacheverfahren insgesamt alles Notwendige zu ihrer rechtlichen Vertretung in der gerichtlichen Sorgerechtsangelegenheit veranlasst zu haben. Da - wie dem weiteren Beschwerdevorbringen entnommen werden kann - die Antragsgegnerin infolge ihres Urlaubsaufenthaltes erst kurz vor dem Termin zur Erörterung und Anhörung zurückgekehrt ist und bis zu diesem Zeitpunkt auch nicht mehr für ihre Bevollmächtigte erreichbar war - konnte mithin das Amtsgericht nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass die Antragsgegnerin zeitlich noch in der Lage war, die fehlende, umfängliche Erklärung nebst den erforderlichen Belegen noch vor dem Termin am 12.05.2014 bei Gericht einzureichen. Unabhängig von der dem Gericht am Terminstag vermutlich unbekannten zeitweisen Urlaubsabwesenheit der Antragsgegnerin bot jedenfalls auch die Kürze der Zeit zwischen der Zustellung der Terminsladung und dem Termin für das Gericht, noch zumal die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin in ihrer Antragserwiderung die Nachreichung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse expressis verbis angekündigt hatte, aufgrund dieser Besonderheit hier Anlass, sich spätestens im Termin nach dem Verbleib der notwendigen Erklärung nebst Belegen zu erkundigen.

4

Da das Amtsgericht selbst angibt, es habe für den Fall der Beibringung der fehlenden Erklärung seinen Termin unterbrechen wollen, hätte es hier auch ohne Schwierigkeiten und ohne Verletzung seiner Verpflichtung zur Unparteilichkeit einen entsprechenden Hinweis analog § 139 Abs. 1 ZPO erteilen können und müssen. Es muss aber davon ausgegangen werden, dass in diesem Falle die anwaltlich vertretene Antragsgegnerin die fehlende formularmäßige Erklärung zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen noch rechtzeitig, also vor der verfahrens- und instanzbeendenden Entscheidung abgegeben hätte.

5

Soweit demnach die Verfahrenskostenhilfe versagende amtsgerichtliche Entscheidung letztlich auf diesem Verfahrensmangel beruht, war sie abzuändern und der nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen gemäß den §§ 76 FamFG, 114, 115 ZPO bedürftigen Antragsgegnerin auch für das einstweilige Anordnungsverfahren vor dem Amtsgericht Dessau-Roßlau ratenfreie Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen.

6

Nach alledem hatte die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin Erfolg.

II.

7

Die Kostenentscheidung beruht auf § 1 FamGKG, Nr. 1912 des KV der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 FamGKG und §§ 76 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO.

III.

8

Die Rechtsbeschwerde gegen die Senatsentscheidung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür nach § 574 ZPO nicht vorliegen.


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