Beschluss vom Oberlandesgericht Naumburg (2. Zivilsenat) - 2 Wx 9/14

Tenor

Die weitere Beschwerde des Bezirksrevisors bei dem Amtsgericht Magdeburg gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 28.08.2013 wird zurückgewiesen.

Das Verfahren der weiteren Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

A.

1

Die Betroffene leidet seit mindestens 1986 an einer bipolar-affektiven Störung. Seit dem Jahre 1999 besteht für sie eine Betreuung, die nach dem (Verlängerungs- und Erweiterungs-)Beschluss des Amtsgerichts Magdeburg vom 14.06.2006 die Aufgabenkreise Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge, Wohnungsangelegenheiten und Regelung von Behördenangelegenheiten umfasst. Als spätester Zeitpunkt für eine Aufhebung oder weiterer Verlängerung der Betreuung war in dem Beschluss vom 14.06.2006 der 13.06.2013 bestimmt.

2

Mit formularmäßigem Schreiben vom 26.02.2013 bat das Amtsgericht die Institutsambulanz des Universitätsklinikums... (Beteiligte zu 2.), die Betroffene persönlich anzuhören und ein „ärztliches Zeugnis“ zu den folgenden Fragen zu erstatten:

3

a) Liegen bei der Betroffenen eine psychische Krankheit, eine geistige oder seelische oder eine körperliche Behinderung vor ?

4

b) Welche konkreten Angelegenheiten kann die Betroffene deshalb ggf. nicht selbst besorgen ?

5

c) Welche Behandlungs- und Rehabilitationsmöglichkeiten bestehen ?

6

d) Wie lange werden die Krankheit oder Behinderung und das daraus folgende Unvermögen zur Besorgung der bezeichneten Angelegenheiten voraussichtlich fortbestehen ?

7

e) Welche anderen Hilfsmöglichkeiten würden eine Betreuung ganz oder teilweise entbehrlich machen ?

8

f) Ist es möglich, sich mit der Betroffenen zu verständigen ?

9

g) Sind von einer persönlichen Anhörung der Betroffenen durch das Gericht erhebliche Nachteile für die Gesundheit zu befürchten ?

10

Kann diese Besorgnis ggf. durch Ihre Anwesenheit oder die des Hausarztes oder einer anderen Person ausgeräumt werden ?

11

h) Ist es zur Vermeidung erheblicher Nachteile für die Gesundheit der Betroffenen erforderlich, bei der Bekanntmachung der Entscheidungsgründe an sie besondere Umstände zu beachten oder von der Bekanntmachung der Gründe ganz abzusehen ?

12

i) Haben Sie bei der Untersuchung Fixierungsmaßnahmen vorgefunden ? Gegebenenfalls welche ?

13

Halten sie diese für entbehrlich oder für notwendig, letzterenfalls aus welchem Grunde ?

14

j) Kann die Betroffene – ggfs. in Begleitung – zu einer Anhörung im Gericht erscheinen ?

15

k) Ist die Betroffene in der Lage, ihren Willen frei und unbeeinflusst von der vorliegenden Beeinträchtigung zu bilden und nach den gewonnenen Erkenntnissen zu handeln ?

16

Der in der psychiatrischen Institutsambulanz des Universitätsklinikums tätige Oberarzt Dr. med. Dr. med. univ. U. M. erstattete daraufhin unter dem Datum des 30.03.2013 ein als solches bezeichnetes „fachpsychiatrisches Gutachten“, das insgesamt knapp sieben Seiten umfasste und mit der Empfehlung, die Betreuung in dem bisherigen Umfange fortzuführen, endete. Im Anschluss an eine - mehrfach verschobene - Anhörung der Betroffenen hat das Amtsgericht die Betreuung, bei im Wesentlichen unveränderten Aufgabenkreisen, inzwischen um bis zu sieben Jahre verlängert.

17

In seiner ursprünglichen Liquidation vom 30.03.2013 stellte der Sachverständige dem Amtsgericht „für das psychiatrische Gutachten“ insgesamt 249, - EUR in Rechnung. Der Betrag setzte sich aus 4,0 Std. à 60, - EUR und einer Schreibgebühr von weiteren 9, - EUR zusammen, wobei der Sachverständige den Stundensatz der damaligen Honorargruppe M 2 der Anl. 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG entnahm.

18

Das Amtsgericht hat in seinem Beschluss vom 03.07.2013 die Vergütung des Sachverständigen „für die Anfertigung des ärztlichen Zeugnisses vom 30.03.2013“ auf insgesamt 172, - EUR festgesetzt und im Übrigen den Vergütungsantrag vom 30.03.2013 zurückgewiesen; zugleich hat es die Beschwerde zugelassen. Die vom Amtsgericht festgesetzte Vergütung errechnet sich aus einem Pauschalbetrag von 38, - EUR für die Erstellung eines ärztlichen Zeugnisses gemäß § 10 Abs. 1 i.V.m. Anlage 2 Nr. 202 JVEG; 2,5 Std. à 50, - EUR zusätzlich erforderliche Zeit gemäß § 10 Abs. 3 JVEG nach Honorargruppe M 1; und 9, - EUR Ersatz für besondere Aufwendungen gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 JVEG.

19

Gegen den erstinstanzlichen Vergütungsfestsetzungsbeschluss hat der Sachverständige mit Schreiben vom 10.07.2013, eingegangen beim Amtsgericht am 12.07.2013, Beschwerde eingelegt. Er hat auf seine – bereits vor der Beschlussfassung eingereichte – korrigierte Liquidation vom 13.06.2013 verwiesen, deren Betrag er mit der Beschwerde weiterverfolgt hat. Nach dieser Liquidation macht der Sachverständige noch 4 Std. à 50, - EUR (Stundensatz nach Honorargruppe M 1) sowie eine Schreibgebühr von 9, - EUR, insgesamt 209, - EUR geltend. Das Amtsgericht hat der Beschwerde in seinem Beschluss vom 12.08.2013 nicht abgeholfen.

20

Mit Beschluss vom 28.08.2013 hat das Landgericht der Beschwerde des Sachverständigen stattgegeben und, unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts vom 03.07.2013, die Vergütung des Sachverständigen für die Anfertigung des fachpsychiatrischen Gutachtens vom 30.03.2013 auf 209, - EUR festgesetzt; die weitere Beschwerde ist vom Landgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen worden.

21

Der Sachverständige sei zwar – so das Beschwerdegericht in der Begründung seiner Entscheidung – vom Amtsgericht mit der Erstattung eines „ärztlichen Zeugnisses“ beauftragt worden. Welche Vergütung ein Sachverständiger für eine solche Leistung verlangen könne, sei jedoch nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt. Die von dem Sachverständigen vorliegend erbrachte Leistung entspreche einer Honorierung gemäß der Honorargruppe M 1 der Anl. 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG und nicht lediglich dem Tatbestand der Nr. 202 der Anl. 2 zu § 9 Abs. 1 – richtig: § 10 Abs. 1 – JVEG. Bei der Auslegung des erteilten Auftrages und als Konsequenz daraus bei der Bemessung einer angemessenen Vergütung sei auch der dem Sachverständigen unterbreitete umfangreiche Fragenkatalog zu berücksichtigen. Denn danach habe der Sachverständige nicht allein einen psychopathologischen Befund oder solche nach persönlicher Untersuchung getroffenen Feststellungen mitzuteilen, vielmehr werde von ihm auch eine diagnostische Einschätzung, vgl. Buchstabe d) des Anforderungsschreibens, abverlangt. Dieser Fragenkatalog sei nahezu identisch mit den nach § 280 Abs. 2 FamFG zu beachtenden Kriterien, mit denen sich ein Sachverständiger bei der Erstattung eines Gutachtens zur Einrichtung einer Betreuung zu befassen habe. Damit lasse das Anforderungsschreiben vom 26.02.2013 eine deutliche Nähe zu einem Gutachtenauftrag nach Maßgabe von § 280 FamFG erkennen, auch wenn von dem Sachverständigen nur eine verkürzte Darstellung erwartet worden sei. Den so auszulegenden Auftrag habe der Sachverständige auch erfüllt. Seine Ausführungen enthielten neben den erforderlichen Angaben zum Sachverhalt und zur Vorgeschichte sowie den erhobenen Untersuchungsergebnissen insgesamt eine fachkundige Stellungnahme zu sämtlichen nach dem Anforderungsschreiben für die gerichtliche Entscheidung erheblichen Gesichtspunkten.

22

Gegen den Beschluss des Landgerichts vom 28.08.2013 hat der Bezirksrevisor bei dem Amtsgericht Magdeburg namens der Landeskasse mit Schriftsatz vom 29.11.2013, eingegangen beim Landgericht am 23.12.2013, weitere Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, den Beschluss aufzuheben und die Vergütung des Sachverständigen entsprechend dem Beschluss des Amtsgerichts Magdeburg vom 03.07.2013 in einer Gesamthöhe von 172, - EUR festzusetzen. Die Vergütung des Sachverständigen bemesse sich für den vorliegenden Fall – so der Bezirksrevisor – nach dem Tatbestand der Nr. 202 der Anl. 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG; darüber hinaus sei ein Anspruch für den zusätzlichen Zeitaufwand gemäß § 10 Abs. 2 - richtig: § 10 Abs. 3 – JVEG zuzusprechen. In seiner Auftragserteilung habe das Gericht ausdrücklich und unmissverständlich lediglich ein ärztliches Zeugnis gemäß § 295 FamFG und kein Gutachten gefordert, entsprechend bemesse sich auch der Vergütungsanspruch des Sachverständigen. Die Fragestellung des Amtsgerichts habe ausschließlich auf eine kurze gutachterliche Äußerung in Form eines Zeugnisses als Formbogengutachten abgezielt. Mit den Fragen sei beabsichtigt gewesen, eine Stellungnahme zu den Ursachen und dem Befund abzugeben, ohne diese ausführlich zu begründen und sich mit der wissenschaftlichen Lehrmeinung auseinanderzusetzen, wie es bei einem Gutachten durchaus erforderlich gewesen wäre. Schließlich sei auch nicht ersichtlich, warum im Rahmen der Erstellung des Zeugnisses eine kurze gutachterliche Äußerung nicht auch eine prognostische Einschätzung mit umfassen könne.

23

Das Landgericht hat der weiteren Beschwerde in seinem Beschluss vom 24.01.2014 nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

B.

24

Die – vom Landgericht zugelassene – weitere Beschwerde ist gemäß § 4 Abs. 5 S. 1 JVEG statthaft, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

25

I. Der Beschluss des Landgerichts leidet nicht an einem Verfahrensmangel, der den Senat dazu veranlassen müsste, die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Allerdings hat die Kammer des Landgerichts in der vollen Besetzung mit drei Richtern über die (Erst-)Beschwerde entschieden, obgleich das Beschwerdegericht nach § 4 Abs. 7 S. 1, 2. Halbs. JVEG - wenn die angefochtene Entscheidung, wie hier (Amtsgericht), von einem Einzelrichter erlassen wurde - grundsätzlich durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter zu entscheiden gehabt hätte. Eine ausdrückliche Beschlussfassung zur Übertragung des Verfahrens auf die Kammer (s. § 4 Abs. 7 S. 2 JVEG) hat nicht stattgefunden. Im vorliegenden Fall ist jedoch die Annahme einer zumindest konkludenten Übertragung gerechtfertigt, weil der Einzelrichter selbst die Fertigung des Kammerbeschlusses verfügt und an dessen Zustandekommen mitgewirkt hat (vgl. OVG Koblenz, Beschluss v. 07.11.2011 – Az.: 6 A 10282/11 -, NJW 2012, 1530 f.; Hartmann, Kostengesetze, 44. Aufl., § 66 GKG, Rdn. 45, jeweils zu der gleichlautenden Vorschrift des § 66 Abs. 6 S. 2 GKG).

26

II. In der Sache hat das Landgericht dem Sachverständigen (Beteiligter zu 2.) auf seinen Antrag zu Recht eine Vergütung in Höhe von 209, - EUR nach § 9 Abs. 1 S. 1 u. 2 JVEG i.V.m. der Honorargruppe M 1 der Anlage 1 zuerkannt.

27

1. Auf den Vergütungsanspruch findet das Justizvergütungs- und –entschädigungsgesetz, und zwar in der bis zum 31.07.2013 geltenden Fassung (JVEG a.F.), Anwendung. Der Auftrag des Amtsgerichts zur Erstattung eines ärztlichen Zeugnisses war allerdings, ausweislich des Schreibens vom 26.02.2013, nicht an eine natürliche Person, sondern an das Universitätsklinikum ... als Anstalt öffentlichen Rechts - und zwar an die innerhalb des Klinikums fachlich zuständige Einrichtung (Institutsambulanz) - gerichtet. Nach § 1 Abs. 2 S. 1 JVEG gilt das Justizvergütungs- und –entschädigungsgesetz jedoch auch dann, wenn Behörden oder sonstige öffentliche Stellen zu Sachverständigenleistungen herangezogen werden. Soweit der Oberarzt Dr. Dr. U. M. das fachpsychiatrische Gutachten vom 30.03.2013 erstellt, die Vergütung nach § 2 Abs. 1 JVEG geltend gemacht, Beschwerde gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts vom 03.07.2013 eingelegt und weitere Stellungnahmen in dem jetzigen Verfahren abgegeben hat, hat er im Zweifel für das Universitätsklinikum gehandelt. Dafür spricht vor allem die durchgängige Verwendung von Briefbögen der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie durch den Oberarzt. Der Senat hat dementsprechend auch eine Klarstellung in der Bezeichnung der Beteiligten zu 2. im Rubrum des vorliegenden Beschlusses vorgenommen.

28

2. Nach der gesetzlichen Umschreibung in der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG sind Leistungen eines Sachverständigen der Honorargruppe M 1 zuzuordnen - und damit nach dem jeweiligen Zeitaufwand zu honorieren -, wenn „Gegenstand medizinischer und psychologischer Gutachten“ „einfache gutachtliche Beurteilungen, insbesondere . . . zur Verlängerung einer Betreuung“ sind.

29

3. Eine Vergütung nach § 9 Abs. 1 JVEG kommt aber nur dann in Betracht, wenn die Leistungen des Sachverständigen nicht mit einer der in der Anlage 2 zu § 10 JVEG geregelten Festgebühren abzugelten sind.

30

a) § 10 JVEG stellt gegenüber den Tatbeständen des § 9 JVEG eine Spezialvorschrift dar und ist deshalb nach der gesetzlichen Systematik vorrangig zu prüfen (Binz in Binz/ Dörndorfer/ Petzold/ Zimmermann, GKG u.a., 3. Aufl., § 10 JVEG, Rdn. 1; Hartmann, a.a.O., § 10 JVEG, Rdn. 1).

31

b) Entsprechend Nr. 202 der Anl. 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG gilt ein fester Vergütungssatz für ein „Zeugnis über einen ärztlichen Befund mit von der heranziehenden Stelle geforderter kurzer gutachterlicher Äußerung oder Formbogengutachten, wenn sich die Fragen auf Vorgeschichte, Angaben und Befund beschränken und nur ein kurzes Gutachten erfordern“. Ist die Leistung der vorgenannten Art „außergewöhnlich umfangreich“, ergibt sich aus Nr. 203 der Anlage 2 ein erweiterter Vergütungsrahmen.

32

c) Maßgebend für die Zuordnung ist der jeweilige konkrete Auftrag des Gerichts, wie er von dem Sachverständigen unter Würdigung aller ihm bekannten Umstände verstanden werden durfte (LG Kassel, Beschluss v. 05.06.2012 – Az.: 3 T 194/12 -, FamRZ 2012, 1974 f.; Binz in Binz/ Dörndorfer/ Petzold/ Zimmermann, GKG u.a., a.a.O., JVEG § 10 Anl. 2, Rdn.9 a.E.; Meyer/ Höver/ Bach/ Oberlack, JVEG, 26. Aufl., § 10, Rdn. 19; Giers in Schneider/ Volpert/ Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, § 10, Rdn. 5). Denn bereits seinem Wortlaut nach stellt der Tatbestand der Nr. 202 der Anl. 2 auf die Anforderung und die Fragen der heranziehenden Stelle, hier also des Betreuungsgerichts, ab. Außerdem kann das Gericht dem Sachverständige, der seiner Leitung untersteht, für Art und Umfang der Tätigkeit ohnehin Weisungen erteilen (vgl. § 30 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 404 a Abs. 1 ZPO).

33

d) Gelangt das Gericht im Einzelfall zu der Auffassung, dass dem Sachverständigen - nur - ein Pauschalhonorar nach Nr. 202 der Anl. 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG zusteht, so kann es einem besonderen Umfang der Leistungen, etwa einem zusätzlichen Zeitaufwand des Sachverständigen, durch eine Erhöhung des Pauschalhonorars anhand der Nr. 203 Rechnung tragen. Hingegen scheidet die Zuerkennung einer zusätzlichen Vergütung nach § 10 Abs. 3 JVEG, wie sie vom Amtsgericht bei seiner Abrechnung vorgenommen worden ist, aus. Denn mit der pauschalen Vergütung der in Anl. 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG aufgeführten Tatbestände ist auch bereits der durch die Verrichtung selbst erforderliche Zeitaufwand erfasst und abgegolten (Hartmann, a.a.O., § 10 JVEG, Rdn. 23; Meyer/ Höver/ Bach/ Oberlack, a.a.O., § 10, Rdn. 7).

34

4. Der vom Sachverständigen übernommene Auftrag umfasst im Zweifel alle Leistungen, die erforderlich sind, um den gesetzlichen und höchstrichterlichen Anforderungen an die Schaffung einer ausreichenden Entscheidungsgrundlage zu genügen. Insofern gestatten die gesetzlichen Vorschriften, in Verbindung mit ihrer Auslegung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung, wesentliche Rückschlüsse auf die vergütungsrechtliche Einordnung der jeweiligen Tätigkeit des Sachverständigen.

35

a) Vor der Bestellung eines Betreuers (oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts) hat nach § 280 Abs. 1 FamFG eine förmliche Beweisaufnahme durch Einholung eines Gutachtens über die Notwendigkeit der Maßnahme stattzufinden; hiervon ausgenommen sind lediglich die Bestellung des Betreuers auf eigenen Antrag des Betreuten und die Bestellung eines sog. Kontrollbetreuers (vgl. § 281 FamFG).

36

aa) Im Hinblick auf den erheblichen Eingriff in die Freiheitsrechte, der mit einer Betreuerbestellung verbunden ist, erfordert die Anordnung und Aufrechterhaltung einer Betreuung eine sorgfältige Sachverhaltsaufklärung zu den medizinischen Voraussetzungen einer Betreuerbestellung (BGH, Beschluss v. 21.11.2012 – Az.: XII ZB 114/12 -, FamRZ 2013, 287 f.). Nach § 280 Abs. 3 FamFG hat sich das Gutachten auf das Krankheitsbild einschließlich der Krankheitsentwicklung (Nr. 1), die durchgeführten Untersuchungen und die diesen zugrunde gelegten Forschungserkenntnisse (Nr. 2), den körperlichen und psychiatrischen Zustand des Betroffenen (Nr. 3), den Umfang des Aufgabenkreises (Nr. 4.) und die voraussichtliche Dauer der Maßnahme (Nr. 5) zu erstrecken. Diese Anforderungen an den Inhalt des Sachverständigengutachtens sollen gewährleisten, dass das Gericht seiner Pflicht, das Gutachten auf seine wissenschaftliche Begründung, seine innere Logik und seine Schlüssigkeit hin zu überprüfen, nachkommen kann. Das Gutachten muss daher Art und Ausmaß der Erkrankung im Einzelnen anhand der Vorgeschichte, der durchgeführten Untersuchungen und der sonstigen Erkenntnisse darstellen und wissenschaftlich begründen. Nur dann ist das Gericht in der Lage, das Gutachten zu überprüfen und sich eine eigene Meinung von der Richtigkeit der vom Sachverständigen gezogenen Schlussfolgerungen zu bilden (BGH, Beschluss v. 09.11.2011 – Az.: XII ZB 286/11 -, FamRZ 2012, 104 ff., Rdn. 16; BGH, Beschluss v. 19.01.2011 – Az.: XII ZB 256/10 -, FamRZ 2011, 637 f., Rdn. 12).

37

bb) Ein Sachverständiger, der diesen Anforderungen Rechnung tragen will, muss in einer Darstellungstiefe Stellung nehmen, die der Qualität eines medizinischen Sachverständigengutachtens entspricht (LG Kassel, Beschluss v. 05.06.2012, a.a.O., juris Rdn. 12). Denn ein Gutachten ist gerade die fachkundige Ermittlung und Zusammenfassung medizinischer Tatsachen und deren Bewertung in Bezug auf eine medizinische Fragestellung. Es setzt voraus, dass der Sachverständige die Tatsachengrundlage sowie die angewendeten allgemeinen Erfahrungssätze mitteilt und die Schlussfolgerungen darlegt, die zu seinem Ergebnis geführt haben (LG Bochum, Beschluss v. 28.09.2006 – Az.: 1 AR 10/06 -, juris Rdn. 15). Die Stellungnahme eines medizinischen Sachverständigen dazu, ob für den Betroffenen ein Betreuer zu bestellen ist, ist daher nicht nach Nr. 202 der Anl. 2 zu § 9 JVEG, sondern unter Zugrundelegung einer der Honorargruppen M – hier der Honorargruppe M 2 - der Anl. 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG zu vergüten (Giers in Schneider/ Volpert/ Fölsch, Kostenrecht, a.a.O., § 10 JVEG, Rdn. 5: „in der Regel“; ferner LG Magdeburg, Beschluss v. 29.11.2004 – Az.: 3 T 847/04 -, JurBüro 2005, 434; Binz in Binz/ Dörndorfer/ Petzold/ Zimmermann, § 9 JVEG, Rdn. 10, Hartmann, a.a.O., § 9 JVEG, Rdn. 37).

38

b) Handelt es sich – wie im vorliegenden Fall - um eine Verlängerung der Bestellung eines Betreuers (oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts), gelten nach § 295 Abs. 1 FamFG die Vorschriften über die erstmalige Anordnung dieser Maßnahme entsprechend (Satz 1). Von der erneuten Einholung eines Gutachtens kann jedoch abgesehen werden, wenn sich aus der persönlichen Anhörung des Betroffenen und einem ärztlichen Zeugnis ergibt, dass sich der Umfang der Betreuungsbedürftigkeit offensichtlich nicht verringert hat (Satz 2).

39

aa) Weder im Aufhebungsverfahren nach § 294 FamFG noch im Verfahren zur Verlängerung der Betreuung gemäß § 295 Abs. 1 S. 2 FamFG ist die Einholung eines Sachverständigengutachtens obligatorisch. Wenn aber ein Sachverständigengutachten eingeholt wird und das Gericht seine Entscheidung darauf stützt, so muss dieses den formalen Anforderungen des § 280 FamFG genügen (so ausdrücklich BGH, Beschluss v. 09.11.2011, a.a.O., Rdn. 16). In diesem Fall richtet sich die Vergütung des Gutachtens, entsprechend den vorstehenden Ausführungen zur Honorierung eines Gutachtens gemäß § 280 FamFG vor der Bestellung eines Betreuers (unter Ziff. 3. a) bb)), nach den Honorargruppen M – hier der Honorargruppe M 1 - der Anl. 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG.

40

bb) Anstelle der erneuten Einholung eines Sachverständigengutachtens genügt nach § 295 Abs. 1 S. 2 FamFG auch die Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses, wenn sich aus diesem ärztlichen Zeugnis – und der persönlichen Anhörung des Betroffenen – der offensichtlich unveränderte Betreuungsbedarf ergibt.

41

(1) Das ärztliche Zeugnis im Sinne des § 295 Abs. 1 S. 2 FamFG, das inhaltlich den Anforderungen des ärztlichen Zeugnisses gemäß § 281 FamFG entspricht, muss eine fachliche Stellungnahme zu sämtlichen für die Entscheidung erheblichen Gesichtspunkten, wenn auch in verkürzter Form, enthalten. Dazu gehören jedenfalls knappe Angaben zum Sachverhalt, zur Vorgeschichte, zu den Untersuchungsergebnissen sowie zur medizinischen Beurteilung der Erkrankung des Betroffenen und der daraus folgenden Beeinträchtigung seiner Lebensbewältigungskompetenz (so Budde in Keidel, FamFG, 18. Aufl., § 295, Rdn. 2 u. § 281, Rdn. 1; Schmidt-Recla in MünchKomm, FamFG, 2. Aufl., § 281 Rdn. 3 und § 295, Rdn. 2 FN 13, jeweils im Anschluss an OLG Hamm, Beschluss v. 13.07.1999 – Az.: 15 W 145/99 -, FamRZ 2000, 494 ff., zur Vorgängerbestimmung des § 69 i Abs. 6 S. 2 FGG). Da das ärztliche Zeugnis an die Stelle des Gutachtens tritt, muss es dieses funktional ersetzen können (Fröschle in Prütting/ Helms, FamFG, 3. Aufl., § 295, Rdn. 9, und § 281, Rdn. 13).

42

(2) Der Begriff „ärztliches Zeugnis“ in § 295 Abs. 1 S. 2 bzw. in § 281 FamFG ist infolgedessen nicht gleichbedeutend mit dem – auch Aufträge aus ganz anderen medizinischen Bereichen umfassenden - Begriff „Zeugnis über einen ärztlichen Befund“ im Sinne des vergütungsrechtlichen Tatbestands der Nr. 202 der Anl. 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG. Das ergibt sich bereits daraus, dass das vom Gericht nach §§ 295 Abs. 1 S. 2, 281 FamFG einzuholende Zeugnis zwar von seiner Darstellungstiefe und Begründung geringer ausfallen kann als ein Gutachten, dass es aber, um funktional die Aufgaben eines Gutachtens erfüllen zu können, inhaltlich zu sämtlichen für die Entscheidung – hier über die Verlängerung der Betreuung - erheblichen Gesichtspunkten Stellung nehmen muss (Budde in Keidel, a.a.O., § 281, Rdn. 1; Schmidt-Reckla in MünchKomm, a.a.O., § 281, Rdn. 2); das gilt auch für eine prognostische Aussage zu der weiteren Krankheitsentwicklung. Hingegen kommt eine Abgeltung der Leistungen des Sachverständigen mit einer Pauschale nach Nr. 202 der Anl. 3 zu § 10 Abs. 1 JVEG nur dann in Betracht, wenn der Auftrag sich auch inhaltlich auf Teile eines Gutachtens (Nr. 202 wörtlich: „Vorgeschichte, Angaben und Befund“) beschränkt, nämlich regelmäßig die Diagnose, evtl. ergänzt durch die Wiedergabe einzelner Befundtatsachen (s. LG Bochum, Beschluss v. 28.09.2006, a.a.O., Rdn. 16; Giers in Schneider/ Volpert/ Fölsch, a.a.O., § 10 JVEG, Rdn. 7).

43

(3) Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass ein nach §§ 295 Abs. 1 S. 2, 281 FamFG erteiltes ärztliches Zeugnis - aufgrund der umfassenden Fragestellungen des zugrunde liegenden Auftrages – regelmäßig nicht mehr mit der Pauschalvergütung gemäß Nr. 202 zu § 10 Abs. 1 JVEG abgegolten werden kann; die Abrechnung der Sachverständigenleistungen hat vielmehr nach den Honorargruppen M der Anl. 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG zu erfolgen. Die Zuerkennung der - in der Regel höheren - Vergütung nach § 9 Abs. 1 JVEG erscheint vor allem auch deshalb gerechtfertigt, weil die Entscheidung über eine Verlängerung der Betreuung gewöhnlich erst mehrere Jahre nach der Anordnung der Maßnahme (vgl. § 295 Abs. 2 FamFG: „spätestens sieben Jahre nach der Anordnung“) ansteht und das ursprünglich erstattete Gutachten zu diesem Zeitpunkt nur noch eine begrenzte Aussagekraft im Hinblick auf das aktuelle Vorliegen der Voraussetzungen für eine (weitere) Betreuung besitzt. Der Sachverständige muss sich deshalb auch dann, wenn von ihm nur ein ärztliches Zeugnis verlangt wird, ein umfassendes Bild über die zwischenzeitliche Entwicklung des Betroffenen machen, um verantwortlich beurteilen zu können, ob die Einschränkung der Freiheitsrechte nach wie vor erforderlich ist. Ein verminderter Aufwand für die Begutachtung und die die daraus folgende Beantwortung des Fragenkatalogs schlägt sich gegebenenfalls in einer geringeren Anzahl zu vergütender Stunden nieder.

44

(4) Ausnahmsweise kann auch das ärztliche Zeugnis, das ein Sachverständiger im Hinblick auf die Verlängerung der Betreuung (oder des Einwilligungsvorbehalts) gemäß § 295 Abs. 1 S. 2 FamFG erstattet, den Tatbestand des Pauschalhonorars nach Nr. 202 der Anl. 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG erfüllen. Das ist dann der Fall, wenn der Sachverständige auf eine von ihm kurz zuvor vorgenommene – und deshalb noch aktuelle – schriftliche Begutachtung zurückgreifen kann und deren Ergebnisse allenfalls um die Klärung einzelner zusätzlicher Fragen ergänzen muss. Zwar erfüllt auch ein solches Zeugnis in dem vorbeschriebenen Sinne die Funktion eines vom Gericht ansonsten einzuholenden Gutachtens. Der Sache nach verkörpern aber in diesem Fall nur Teile des ärztlichen Zeugnisses eine eigenständige Leistung des Sachverständigen, und der Sachverständige sieht sich auch nicht (mehr) mit der Aufgabe konfrontiert, die Entwicklung des Betroffenen seit der vorangegangenen Anordnung der Betreuungsmaßnahme umfassend nachvollziehen zu müssen. Seine Tätigkeit kann dann den in Nr. 202 der Anl. 2 zu § 9 Abs. 1 JVEG beschriebenen Leistungen entsprechen.

45

5. Ausgehend von den vorstehenden Grundsätzen, steht dem Sachverständigen im vorliegenden Fall die geltend gemachte Vergütung nach Stundensätzen und der Honorargruppe M 1 gemäß Anl. 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG zu; eine pauschale Honorierung der Leistungen des Sachverständigen nach Nr. 202 der Anl. 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG, wie sie der Bezirksrevisor befürwortet, ist nicht gerechtfertigt.

46

a) Das ärztliche Zeugnis, das vom Amtsgericht gemäß § 295 Abs. 1 S. 2 FamFG bei dem Sachverständigen in Auftrag gegeben wurde, diente der Vorbereitung der Entscheidung über die Verlängerung der Betreuung der Betroffenen und sollte insofern funktional ein Gutachten nach § 295 Abs. 1 S. 1 FamFG ersetzen. Dementsprechend stimmten die (formularmäßigen) Fragen an den Sachverständigen – richtigerweise – mit denjenigen überein, die Gegenstand eines Formulars für den Erlass eines förmlichen Beweisbeschlusses gemäß § 280 Abs. 1 FamFG sind. Damit ging der dem Sachverständigen erteilte Auftrag über die Beantwortung einer nur begrenzten Fragestellung, wie sie mit dem Tatbestand der Nr. 202 der Anl. 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG abgegolten werden soll, hinaus.

47

b) Dass das Amtsgericht, ausweislich seines Auftragsschreibens vom 26.02.2013, den Sachverständigen um die Erstattung eines ärztlichen Zeugnisses – also nicht um die Erstellung eines Gutachtens – gebeten hat, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Denn das gemäß §§ 281, 295 Abs. 1 S. 2 FamFG einzuholende ärztliche Zeugnis ist nicht gleichbedeutend mit einem „Zeugnis über einen ärztlichen Befund“ im vergütungsrechtlichen Sinne der Nr. 202 der Anl. 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG. Vielmehr bestimmt sich die Honorierung des Sachverständigen nach § 9 Abs. 1 JVEG und damit nach dem tatsächlichen (Zeit-)Aufwand für die Erstattung des ärztlichen Zeugnisses.

48

c) Auch der Umstand, dass die Betroffene regelmäßig alle sechs bis acht Wochen die Institutsambulanz der Universitätsklinik aufgesucht und auf diese Weise Kontakt zu dem Sachverständigen als behandelnden Arzt gehalten hat, ändert nichts an der - hier streitigen – vergütungsrechtlichen Einordnung der Tätigkeit des Sachverständigen für das Gericht. Der Umfang der Fragen, die für eine Entscheidung über die Verlängerung der Betreuung zu beantworten waren, wurde dadurch nicht geringer. Anders verhielte es sich nur dann, wenn der Sachverständige zeitnah vor dem gerichtlichen Auftrag - aus anderen Gründen - eine (schriftliche) Begutachtung erstellt gehabt hätte und diese Ausarbeitung zum überwiegenden Teil auch zum Gegenstand des von ihm nunmehr angeforderten ärztlichen Zeugnisses hätte machen können; das ist jedoch nicht der Fall gewesen. Die Erleichterung, die sich infolge der regelmäßigen psychologischen Behandlung der Betroffenen für den Sachverständigen im Hinblick auf die Erstattung des ärztlichen Zeugnisses ergab, hat allenfalls Einfluss auf den von dem Sachverständigen abgerechneten Stundenaufwand gehabt.

49

d) Im Rahmen der Anl. 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG sind die Leistungen des Sachverständigen der Honorargruppe M 1 zuzuordnen. Das Gesetz führt für jede der Honorargruppen verschiedene Regelbeispiele an (vgl. Binz in Binz/ Dörndorfer/ Petzold/ Zimmermann, GKG u.a., § 9 JVEG, Rdn. 4), in der Honorargruppe M 1 unter anderem auch den Fall einfacher gutachterlicher Beurteilungen zur Verlängerung einer Betreuung. Anhaltspunkte für eine von dem Regelbeispiel abweichende Eingruppierung der Gutachtertätigkeit sind im vorliegenden Fall weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der Stundensatz in der Honorargruppe 1 betrug nach der bis zum 31.07.2013 geltenden Fassung des JVEG 50, - EUR, die Vergütung für eine Tätigkeit des Sachverständigen von vier Stunden also 200, - EUR.

C.

50

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde beruht auf § 4 Abs. 8 JVEG.


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