Beschluss vom Oberlandesgericht Nürnberg - 3 W 2064/18

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 08.10.2018, Az. 11 O 6394/18, wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Beschwerdewert beträgt 5.500,00 €.

Gründe

I.

1. Der Antragsteller betreibt eine „Praxis für ganzheitliche Physiotherapie“.

Der Antragsgegner stellte sich am 21.06.2018 beim Antragsteller zur Behandlung vor.

Daraufhin veröffentlichte der Antragsgegner im Juli 2018 eine Rezension auf „Google“, in der er den Antragsteller mit einem von fünf Sternen bewertete. Zur Begründung machte er u.a. folgende unzutreffenden Ausführungen:

„Für die 117,00 € die er verlangt, hat er zudem versucht, mich von Gott zu überzeugen… Zudem hat er mir Melantonin mitgegeben (natürlich zusätzliche Bezahlung) die mir absolut nicht gut getan haben“ (Anlage ASt 1).

Nachdem der Antragsteller Anfang August 2018 von der Bewertung Kenntnis erlangte, mahnte er den Antragsgegner mit Schreiben vom 13.08.2018 ab (Anlage ASt 2).

Daraufhin rief ein Anrufer, der sich als Bruder des Antragsgegners ausgab, Ende August in der Praxis des Antragstellers an und einigte sich mit diesem darauf, dass der Antragsgegner die Bewertung vollständig löscht, die entworfene strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt und Schadenersatz in Höhe von 200,00 € bezahlt.

2. Mit Anwaltsschriftsatz vom 05.10.2018, eingegangen bei Gericht am 10.10.2018, begehrte der Antragsteller beim Landgericht Nürnberg-Fürth den Erlass einer einstweiligen Verfügung in Bezug auf die streitgegenständlichen Bewertungen des Antragstellers und seiner Praxis.

Das Landgericht wies diesen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Beschluss vom 08.10.2018 zurück. Zur Begründung führte es aus, dass der Antragsteller keinen Verfügungsgrund glaubhaft gemacht habe, da er länger als vier Wochen nach Kenntniserlangung von der Rechtsverletzung zugewartet habe.

Gegen diesen, seinem Prozessbevollmächtigen am 12.05.2018 zugestellten, Beschluss wendete sich der Antragsteller in seiner sofortigen Beschwerde vom 17.10.2018, eingegangen bei Gericht am 18.10.2018. Darin beantragt er unter Abänderung des Beschlusses vom 08.10.2018:

I. Der Antragsgegner hat es zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß zu behaupten, der Antragsteller habe

a) im Rahmen einer Behandlung versucht, den Antragsgegner „von Gott zu überzeugen“, b) für den am 21.06.2018 stattgefundenen Termin oder etwaig mitgegebene Medikamente eine Vergütung gefordert und erhalten zu haben.

II.

Den Antragsgegnern wird angedroht, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die in Ziffer I ausgesprochene Verpflichtung ein Ordnungsgeld bis zu EUR 250.000,- und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten festgesetzt werden kann.

III.

Die vom Antragsgegner auf „Google“ veröffentlichte Rezension der Praxis des Antragstellers dahingehend abzuändern, dass diese die unter Ziffer I. beschriebenen Behauptungen nicht mehr enthält.

Mit Beschluss vom 22.10.2018 half das Landgericht der sofortigen Beschwerde nicht ab.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die Schriftsätze des Antragstellers nebst Anlagen, wegen des Inhalts der Beschlüsse auf die Entscheidungen des Landgerichts Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 567 Abs. 1 Nr. 2, 569 ZPO). Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht Nürnberg-Fürth den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Es fehlt an der Darlegung eines Verfügungsgrundes.

1. Folgender Rechtsrahmen ist für den Senat streitentscheidend:

a) Ein Verfügungsgrund gemäß §§ 935, 940 ZPO besteht in der objektiv begründeten Besorgnis, durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes werde die Verwirklichung des Rechts des Gläubigers vereitelt oder wesentlich erschwert, so dass er aufgrund einer besonderen Dringlichkeit bis zur Entscheidung in der Hauptsache einer einstweiligen Sicherung seines Anspruchs bedarf (OLG Köln, Urteil vom 08. März 2012 - I-15 U 193/11, Rn. 8). Dabei darf man die Wiederholungsgefahr als Voraussetzung des Verfügungsanspruchs nicht mit dem Verfügungsgrund, also der Dringlichkeit wegen drohender Nachteile, gleichsetzen (OLG Dresden, Urteil vom 7. April 2005 - 9 U 263/05).

Ein Verfügungsgrund ist festzustellen, wenn das Begehren des Verfügungsklägers dringlich ist und ihm nicht zugemutet werden kann, den Weg des Hauptsacheverfahrens einzuschlagen und in diesem auf den Erlass eines Vollstreckungstitels zu warten. Im Rahmen der Interessenabwägung ist eine Folgenabschätzung vorzunehmen. Das Interesse des Verfügungsklägers muss die Nachteile eines Zuwartens bis zur Hauptsacheentscheidung so überwiegen, dass der Eingriff in die Sphäre des Verfügungsbeklagten auf Grund eines bloß summarischen Verfahrens gerechtfertigt ist. Dabei ist insbesondere zu fragen, welche Folgen beim Antragsteller aus der Rechtsverletzung bis zum Erlass einer Entscheidung in der Hauptsache erwachsen, ob diese Nachteile nachträglich angemessen kompensiert werden können und wann mit einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu rechnen ist (OLG Nürnberg, Beschluss vom 12. Juni 2018 - 3 W 1013/18; Voß, in Cepl/Voß, Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, 1. Aufl. 2015, § 940 ZPO Rn. 62).

b) Der Verfügungsgrund fehlt wegen Selbstwiderlegung, wenn die Antragstellerpartei nach Eintritt der Gefährdung mit einem Antrag zuwartet oder das Verfahren nicht zügig betreibt und damit durch ihr Verhalten selbst zu erkennen gegeben hat, dass es ihr nicht eilig ist. Die Grundsätze sind im Wettbewerbsrecht entwickelt worden, enthalten aber einen verallgemeinerungsfähigen Ausschlussgedanken hinsichtlich des Verfügungsgrundes, der in anderen Rechtsgebieten ebenfalls Gültigkeit besitzt (Drescher, in MüKoZPO, 5. Aufl. 2016, § 935 ZPO Rn. 18).

Im Wettbewerbsrecht ist anerkannt, dass es an der zeitlichen Dringlichkeit fehlt, wenn der Antragsteller eine bestimmte Frist zugewartet hat, obwohl er den Wettbewerbsverstoß und die Person des Verantwortlichen kennt oder grob fahrlässig nicht kennt. Dies kann zwar nicht ohne Weiteres auf andere Rechtsgebiete übertragen werden, weshalb die Frage, wie lange der Antragsteller bei einer behaupteten Verletzung seines Persönlichkeitsrechts zuwarten darf, von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängt (OLG München, Beschluss vom 17. Juli 2018 - 18 W 858/18, Rn. 51). Dennoch kann eine Regelfrist als Richtwert für die Dringlichkeit in Pressesachen oder bei sonstigen Verletzungen des Persönlichkeitsrechts ebenfalls herangezogen werden, auch wenn sie eine Einzelfallwürdigung (unter Berücksichtigung der Art des Verstoßes, der Erforderlichkeit von Ermittlungen oder der Reaktion des Gegners auf eine Abmahnung) nicht überflüssig macht, sondern vielmehr nur einen Orientierungsrahmen setzt. Denn Regelfristen erleichtern die Rechtsanwendung und Berechenbarkeit gerichtlicher Entscheidungen (Burkhard, in Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. 2018, 12. Kapitel Rn. 144a). Bei einem Überschreiten dieser Frist obliegt es dann dem Antragsteller, triftige Gründe für das Zuwarten vorzubringen.

Nach ständiger Rechtsprechung des OLG Nürnberg ist im Wettbewerbsrecht regelmäßig ein Zuwarten von mehr als 1 Monat dringlichkeitsschädlich (OLG Nürnberg, Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 ZPO vom 7. November 2017 - 3 U 1206/17). Auch in Pressesachen wird überwiegend davon ausgegangen, dass bei einem Zuwarten von mehr als einem Monat nach Kenntnis von der Verletzungshandlung die Eilbedürftigkeit in der Regel nicht mehr gegeben ist (Burkhard, a.a.O., 12. Kapitel Rn. 144a unter Bezugnahme auf OLG Koblenz, 10. Januar 2013 - 4 W 680/12; OLG Karlsruhe, 14. Januar 2015 - 6 U 156/14; OLG Köln - 15 W 69/14; KG, 2. November 2015 - 10 W 33/15). Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an.

2. Unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Maßstabs ist ein Verfügungsgrund im vorliegenden Fall weder dargetan noch glaubhaft gemacht. Denn der Antragsteller erlangte bereits Anfang August 2018 von der streitgegenständlichen Bewertung Kenntnis. Dennoch ging der Anwaltsschriftsatz vom 05.10.2018, mit dem der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Verfügung begehrt, erst am 10.10.2018 beim Landgericht Nürnberg-Fürth ein.

Unter Berücksichtigung der hier maßgeblichen Umstände des Einzelfalls ist das Abwarten einer Frist von zwei Monaten als dringlichkeitsschädlich anzusehen. Es handelt sich hier nicht um einen Fall, in dem der Gegner seinen Sitz im Ausland hat und der höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfragen zum Gegenstand hat (Abgrenzung zu OLG München, Beschluss vom 17. Juli 2018 - 18 W 858/18, Rn. 53). Folgerichtig hat der Antragsteller den Antragsgegner auch bereits mit Anwaltsschreiben vom 13.08.2018 abgemahnt.

Der Vortrag des Antragstellers, wonach jemand - der sich als Bruder des Antragsgegners ausgegeben habe - in seiner Praxis angerufen und sich mit ihm darauf geeinigt habe, dass der Antragsgegner die Bewertung vollständig lösche, die entworfene strafbewehrte Unterlassungserklärung abgebe und Schadenersatz in Höhe von 200,00 € zahle, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Zwar kann aus dem Umstand von Vergleichsverhandlungen grundsätzlich nicht darauf geschlossen werden, dass es dem Verletzten mit der Verfolgung des Unterlassungsanspruchs nicht so eilig sei, wenn die Vergleichsverhandlungen in einer die Eilbedürftigkeit berücksichtigenden Weise zügig geführt werden (OLG Düsseldorf, Urteil vom 21. April 1998 - 20 U 155/97, Rn. 7). Daran fehlt es jedoch im vorliegenden Fall. Es entspricht nicht den Anforderungen an ein zügiges Betreiben des Verfahrens, wenn der Antragsteller nach einem Telefonat mit einem ihm unbekannten Anrufer über einen Monat lang abwartet, ob die telefonisch zugesagte Unterlassungserklärung abgegeben wird.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Der Beschwerdewert entspricht dem erstinstanzlich festgesetzten Wert.

Dem Antragsgegner ist - entgegen § 922 Abs. 3 ZPO - der Beschluss formlos mitzuteilen, da er den Nichtabhilfebeschluss des Erstgericht erhalten und damit Kenntnis von dem Verfahren hat (vgl. Drescher, in MüKoZPO, 5. Aufl. 2016, § 922 ZPO Rn. 13).

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