Beschluss vom Oberlandesgericht Rostock (Senat für Landwirtschaftssachen) - 14 W 4/11
Tenor
I.
Auf die Beschwerden der Beteiligten zu 5) und 6) sowie auf die Anschlussbeschwerde des Beteiligten zu 1) bis 4) wird der Beschluss des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - Stralsund vom 27. August 2010, Az. 61 Lw 5/09, abgeändert:
Der Bescheid des damaligen Amtes für Landwirtschaft … vom 17.06.2009 über die Mitteilung der Erklärung über die Ausübung des Vorkaufsrechts wird aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass
a) das Vorkaufsrecht nicht wirksam ausgeübt ist;
b) der am 16.10.2008 von der Notarin … in … zur … beurkundete Erbteilsübertragungsvertrag betreffend den ungeteilten Nachlass nach …, geb. am …, verstorben am …, und nach …, geb. am …, verstorben am …, bestehend aus dem im Grundbuch von … Blatt … eingetragenen Grundbesitz in der Gemarkung …, Flurstück … der Flur … sowie Flurstücke … und … der Flur …, keiner Genehmigung nach dem Grundstückverkehrsgesetz bedarf.
II.
Die gerichtlichen Kosten des Verfahrens der I. und II. Instanz und die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller im Beschwerdeverfahrens haben die Beteiligten zu 5. und 6. je zur Hälfte zu tragen. Außergerichtliche Kosten des Verfahrens der I. Instanz werden nicht erstattet.
III.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 37.000 Euro.
IV.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
- 1
I.:
- 2
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beteiligte zu 5) - die … - das Vorkaufsrecht nach dem Reichssiedlungsgesetz wirksam ausgeübt hat.
- 3
Der Beteiligte zu 1) ist von Beruf Notar und unterhält nach eigenen Angaben einen Forstbetrieb mit einer Waldfläche von 90 ha (Bl. 42 d. A.). Ferner hat der Beteiligte zu 1) gegenüber dem Präsidenten des Landgerichts … angegeben, dass er auf ca. 3 ha etwa 1 Dutzend Schafe halte und dort als Naturschutzmaßnahme Hecken und Bäume gepflanzt habe (Bl. 72 d. A.). Der Beteiligte zu 1) hat seit 2001 zahlreiche landwirtschaftliche Flächen gekauft, die Kaufverträge hat das damalige Amt für Landwirtschaft genehmigt (Bl. 36 d. A.).
- 4
Die Beteiligten zu 2) bis 4) sind Erben nach … (Bl. 80 d. VA). Letztere waren Eigentümer der streitgegenständlichen Fläche sowie eines weiteren Hausgrundstücks in der Gemarkung … .
- 5
Am 22.07.2008 schloss der Beteiligte zu 1) mit den Beteiligten zu 2) bis 4) einen Grundstückskaufvertrag über landwirtschaftlich genutzte Flächen (Bl. 2 d. VA). Kaufgegenstand war eine Gesamtfläche von ca. 6,9 ha in der Gemarkung …, davon entfallen auf das Flurstück … der Flur … ha, auf das Flurstück … der Flur … ca. … ha und auf das Flurstück … der Flur … ca. … ha (Bl. 3 d. VA). Nachdem das damalige Amt dem Beteiligten zu 1) durch Zwischenbescheid vom 25.08.2008 mitgeteilt hatte, dass der Vertrag dem Siedlungsunternehmen zwecks Ausübung des Vorkaufsrechts vorgelegt werden sollte (Bl. 14 d. VA), nahm er den Antrag auf Genehmigung vom 28.07.2008 (Bl. 1 d. VA) durch Schreiben vom 14.10.2008 (Bl. 65 d. VA) zurück.
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Zwei Tage später am 16.10.2008 schloss der Beteiligte zu 1) mit den Beteiligten zu 2) bis 4) den streitgegenständlichen Erbteilübertragungsvertrag (Bl. 77 d. VA). Darin hoben sie im Teil A den Kaufvertrag vom 22.07.2008 auf. Im Teil B "Erbauseinandersetzung/Erbteilskaufvertrag" regelten die Beteiligten zu 2) bis 4) die Erbauseinandersetzung dahingehend, dass ihnen das Hausgrundstück (Flurstück … der Flur … der Gemarkung … ) zu je 1/3 Miteigentum zugewiesen wurde. Die Beteiligten zu 2) und 3) räumten dem Beteiligten zu 4) ein lebenslängliches Wohnrecht ein. Damit bestand der ungeteilte Nachlass nur noch aus dem Grundeigentum, welches Gegenstand des aufgehobenen Kaufvertrages war. Sodann übertrugen die Beteiligten zu 2) bis 4) ihre Erbteile an den Beteiligten zu 1).
- 7
Den Erbteilsübertragungsvertrag haben die Beteiligten zu 1) bis 4) nicht dem damaligen Amt für Landwirtschaft zur Genehmigung vorgelegt. Letzteres hat durch die Anzeige von Landpachtverträgen, die den Beteiligten zu 1) als Verpächter auswiesen, von dem Vorgang Kenntnis erhalten. Mit Bescheid vom 17.06.2009 hat das damalige Amt für Landwirtschaft den Beteiligten zu 1) bis 4) über die Notarin mitgeteilt, dass die Beteiligte zu 5) durch Erklärung vom 17.06.2009 das Vorkaufsrecht nach § 4 Reichssiedlungsgesetz für den Erbteilübertragungsvertrag ausgeübt hat (Bl. 160 VA). Mit Schreiben vom 15.06.2009 hat die Genehmigungsbehörde das Grundbuchamt um Eintragung eines Widerspruchs im Grundbuch ersucht (Bl. 93 VA). Mit Schreiben vom 6.07.2009 hat der Beteiligte zu 1) eine Genehmigung nach "§§ 6, 5 GrdstVG" beantragt (Bl. 134 VA).
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Wegen des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und der Gründe wird auf den angefochtenen Beschluss verwiesen.
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Das StALU rügt mit seiner mittlerweile zurückgenommenen sofortigen Beschwerde, dass das Landwirtschaftsgericht zu Unrecht von einer Nichtigkeit des angegriffenen Bescheides ausgegangen sei. Auf das Genehmigungsverfahren finde allein das Grundstückverkehrsgesetz und nicht das Verwaltungsverfahrensgesetz Anwendung. Der angeblich fehlende Antrag könne schon deshalb nicht die Nichtigkeit des Bescheides begründen, weil die Beteiligten zu 1) bis 4) mit dem Erbteilsübertragungsvertrag ein Umgehungsgeschäft abgeschlossen hätten. Ferner sei der Mangel jedenfalls nicht offenkundig. Nicht einmal das Landwirtschaftsgericht sei in der Anhörung von einer Nichtigkeit des Bescheides ausgegangen. Ohnehin ergebe sich aus § 45 VwVG M-V, dass ein fehlender Antrag keine Nichtigkeit zur Folge habe. Unabhängig davon habe der Beteiligte zu 1) mit Schreiben vom 06.07.2009 nachträglich einen Antrag auf Genehmigung gestellt, was einen etwaigen Verfahrensfehler geheilt habe. Entgegen der Auslegung des Landwirtschaftsgerichts habe der Beteiligte zu 1) am 6.07.2009 nicht nur ein Negativattest begehrt, sondern zumindest hilfsweise eine Genehmigung nach dem GrdStVG beantragt. Immerhin habe das fragliche Schreiben ausdrücklich auf § 6 GrdStVG Bezug genommen. Darin sei jedoch die Genehmigung nach dem GrdStVG und nicht die Erteilung eines Negativattests geregelt. Ohnehin entspreche es notarieller Praxis, neben der Erteilung eines Negativattests vorsorglich auch die Erteilung der Genehmigung nach dem GrdStVG zu beantragen.
- 10
Die rein formale Betrachtungsweise des Landwirtschaftsgerichts werde dem Anliegen des GrdStVG nicht gerecht, die Agrarstruktur zu fördern. Dem Landwirtschaftsgericht sei darin beizupflichten, dass es sich bei dem Erbteilsübertragungsvertrag um ein Umgehungsgeschäft handele. So habe die Notarin in einer Urkunde die Aufhebung des Kaufvertrages und den Abschluss des Erbteilsübertragungsvertrags beurkundet. Kaufgegenstand und -preis hätten keine Änderung erfahren. Bei verständiger Würdigung stelle sich der Erbteilsübertragungs- als gewöhnlicher Kaufvertrag dar. Er sei daher nach der Rechtsprechung des BGH auch so zu behandeln. Der angefochtene Beschluss begünstige Umgehungsgeschäfte. Jedenfalls sei die Kostenentscheidung falsch. Ohnehin sei das Amt für Landwirtschaft oder auch das StALU kein Beteiligter i.S.d. Landwirtschaftsverfahrensgesetzes, dem das Gericht außergerichtliche Kosten auferlegen könne.
- 11
Die Beteiligten zu 5. und 6. schließen sich den Ausführungen des StALU an und beantragen,
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unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses die Einwendungen der Beteiligten zu 1) bis 4) gegen die Ausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts zurückzuweisen;
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für den Fall der Zurückweisung der Beschwerde
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die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
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Der Beteiligten zu 1) bis 4) beantragen,
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1. die Beschwerde zurückzuweisen;
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2. den "begleitenden Beschluss vom 27.08.2010 hinsichtlich des Ersuchens auf Widerspruchseintragung in das Grundbuch" aufzuheben.
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Sie verteidigen den angefochtenen Beschluss. Selbstverständlich sei das damalige Amt für Landwirtschaft am Verfahren beteiligt. Sollte sich das nicht so verhalten, fehlte es ohnehin an der Beschwerdebefugnis des Amtes. Von Anfang an habe er - der Beteiligte zu 1) - den fehlenden Antrag auf Genehmigung gerügt. Daher habe er ausschließlich ein Negativattest beantragt. Eine notarielle Praxis, hilfsweise die Genehmigung nach dem GrdStVG zu beantragen, existiere nicht. Ohnehin habe er keine Veranlassung gesehen, den Verfahrensfehler des Amtes für Landwirtschaft, von dem er profitiere, zu heilen. Mit dem beantragten Negativbescheid habe er allein den Amtswiderspruch beseitigen wollen, den das Grundbuchamt auf Ersuchen des Amtes für Landwirtschaft eingetragen habe. Nach richtiger Auffassung führe der fehlende Antrag zur Nichtigkeit des angefochtenen Bescheides, eine Heilung des Mangels sei ausgeschlossen. Das ergebe sich schon aus den §§ 111, 180, 182 Abs. 3 BGB.
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Zu Unrecht laste ihm die Beteiligte zu 5) den Abschluss eines Umgehungsgeschäftes an. Dagegen spreche schon, dass die Verfahrensparteien in dem fraglichen Vertrag die fehlende Genehmigung des Kaufvertrages ausdrücklich erwähnt hätten. Die Landgesellschaft forciere aus Gewinnmaximierungsgründen den Landerwerb, ein Zweck, der von dem Anliegen des GrdStVG, die Agrarstruktur zu verbessern, nicht gedeckt sei. Mithin sei der Erbteilübertragungsantrag genehmigungsfrei, daher sei der Beschluss vom 27.08.2010, der ein Ersuchen auf Eintragung eines Widerspruchs ins Grundbuch enthalte, aufzuheben.
- 20
Das StALU hat seine sofortige Beschwerde zurückgenommen.
- 21
II.:
1.
- 22
Die Zulässigkeit der Beschwerden richtet sich gem. Artikel 111 FGG-RG nach altem Recht, weil der Antrag auf gerichtliche Entscheidung vor dem 01.09.2009, nämlich am 30.06.2009, bei dem Landwirtschaftsgericht eingegangen ist (Bl. 1 d. A.). Die sofortigen Beschwerden der Beteiligten zu 5. und 6. sind zulässig. Die Zulässigkeit der Anschlussbeschwerde des Beteiligten zu 1. ergibt sich aus § 22 Abs. 2 Satz 1 LwVG a.F.
2.
- 23
Die sofortigen Beschwerden der Beteiligten zu 5. und 6 haben nur insoweit Erfolg, als der angefochtene Bescheid nicht nichtig ist und der Beteiligte zu 1. seine außergerichtlichen erstinstanzlichen Kosten selbst tragen muss. Die Anschlussbeschwerde des Beteiligten zu 1. ist dagegen begründet.
- 24
a) Zutreffend ist das Landwirtschaftsgericht davon ausgegangen, dass es sachlich zuständig war. Gemäß § 10 Satz 1 RSG entscheidet das Landwirtschaftsgericht über die Einwendungen des Antragstellers gegen die Ausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts. Unschädlich ist in diesem Zusammenhang, dass die Beteiligten u.a. auch über die Nichtigkeit des angegriffenen Bescheides streiten. Auch darüber hat das Landwirtschaftsgericht im Verfahren gem. § 10 Satz 1 RSG zu befinden (OVG Greifswald, Beschluss vom 22.05.1995, Az. 1 O 41/95, Agrarrecht 1996, 200, 201).
- 25
b) Entgegen der Auffassung des Landwirtschaftsgerichts ist der angegriffene Bescheid über die Ausübung des Vorkaufsrechts nicht gem. § 44 Abs. 1 VwVfG M-V nichtig. Da die Tatbestände des § 44 Abs. 2 VwVfG M-V nicht erfüllt sind, kommt allein eine Nichtigkeit aufgrund der Generalklausel des § 44 Abs. 1 VwVG M-V in Betracht. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.
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aa) Dem Landwirtschaftsgericht ist zunächst darin zuzustimmen, dass dem Amt ein Verfahrensfehler unterlaufen ist. Die Ausübung des Vorkaufsrechts setzt einen Antrag des Verkäufers oder Käufers voraus. Das ergibt sich aus § 4 Abs. 1 RSG i.V.m. § 3 Abs. 1 GrdStVG. Die Versagung einer nicht beantragten Genehmigung ist schon denklogisch ausgeschlossen. Das Amt hat das Verfahren ohne Antrag eingeleitet. Der Antrag vom 22.07.2008 auf Genehmigung des Grundstückkaufvertrages war zurückgenommen und damit gegenstandslos.
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bb) Zu Recht weist das StALU darauf hin, dass das Fehlen eines Antrages allein einen Verwaltungsakt nicht nichtig macht. Das folgt schon aus § 45 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG M-V, wonach die Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 VwVfG M-V nichtig macht, unbeachtlich ist, wenn der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird. Diese Norm machte keinen Sinn, wenn das Fehlen des Antrages ohnehin die Nichtigkeit begründete. Ohne Erfolg verweist der Beteiligte zu 1) darauf, dass die nachträgliche Genehmigung einseitiger Rechtsgeschäfte wie der Ausübung des Vorkaufsrechts gemäß § 182 Abs. 3 BGB nicht möglich sei. Er übersieht, dass sich die Wirksamkeit privatrechtsgestaltender Verwaltungsakte nicht nach dem BGB, sondern nach den einschlägigen Verwaltungsverfahrensgesetzen richtet (Pldt./Ellenberger, BGB, 70. Auflg. § 182 Rz 6 für die Genehmigung).
- 28
Der Senat übersieht nicht, dass in besonderen Ausnahmefällen dennoch eine Nichtigkeit in Betracht kommt. So soll ein Verwaltungsakt ohne Antrag nichtig sein, wenn er nicht ausreichend konkretisiert ist oder wenn auf die Mitwirkung des Betroffenen nicht verzichtet werden kann, weil sein Status betroffen ist (Knack/Henneke/Ritgen, VwVfG, 9. Aufl., § 44 Rdz. 17). So liegt es hier nicht, insbesondere beeinträchtigt das eingeleitete Verfahren nach dem GrdStVG nicht eine gesicherte Rechtsposition der Beteiligten zu 1) bis 4) (a.A. ohne Begründung Netz, Grundstücksverkehrsgesetz, 5. Auflg., S. 831). Zu Recht weist das StALU darauf hin, dass die Beteiligten zu 1) bis 4) für den mittlerweile aufgehobenen Kaufvertrag eine Genehmigung beantragt hatten und mit dem Abschluss des Erbteilübertragungsvertrages das Genehmigungsverfahren offensichtlich vermeiden wollten. Eine gesicherter Rechtsposition können die Vertragsparteien daraus nicht herleiten. Ohne Erfolg gibt der Beteiligte zu 1) zu bedenken, dass die Vertragsparteien in Teil A § 1 Nr. 4 des Vertrages vom 16.10.2008 ausdrücklich auf die fehlende Genehmigung des Kaufvertrages hingewiesen haben. Denn die Vertragsparteien haben den Erbschaftskauf nicht zur Genehmigung vorgelegt, womit deutlich wird, dass sie ein Genehmigungsverfahren nicht wünschten. Abschließend ist festzuhalten, dass das Fehlen eines Antrages kein offensichtlicher Fehler i.S.d. § 44 Abs. 1 VwVfG M-V ist.
- 29
cc) Dem Antragsteller zu 1) ist zuzugeben, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts ohne den erforderlichen Antrag rechtsfehlerhaft ist (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Aufl., § 45 Rdz. 15). Das ist jedoch unschädlich, weil dieser Verfahrensfehler gem. § 45 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG M-V geheilt ist. Danach tritt eine Heilung des Verfahrensfehlers ein, wenn der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird. So liegt es hier. So hat der Beteiligte zu 1) mit Schreiben vom 06.07.2009 ausgeführt: "... im Übrigen sehe ich der hiermit beantragten Genehmigung nach §§ 6, 5 GrdStVG zur anliegenden Urkunde entgegen" (Bl. 134 VA). Damit hat der Beteiligte zu 1) ausdrücklich eine Genehmigung gemäß § 2 GrdStVG beantragt ("... hiermit beantragte Genehmigung ..."). Bei einem Negativattest gemäß § 5 GrdStVG handelt es sich um keine Genehmigung. Dagegen regelt § 6 GrdStVG die näheren Modalitäten des Genehmigungsverfahrens nach § 2 GrdStVG.
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c) Nach Auffassung des Senats unterfällt der streitgegenständliche Erbteilsübertragungsvertrag nicht dem Vorkaufsrecht des Siedlungsunternehmens i.S.v. § 4 Abs. 1 RSG. Wird ein landwirtschaftliches Grundstück oder Moor - oder Ödland, das in landwirtschaftliche Kultur gebracht werden kann, in einer Größe von 2 ha aufwärts durch Kaufvertrag veräußert, so hat das gemeinnützige Siedlungsunternehmen, in dessen Bezirk die Hofstelle des Betriebes liegt, gem. § 4 Abs. 1 RSG das Vorkaufsrecht, wenn die Veräußerung einer Genehmigung nach dem GrdstVG bedarf und die Genehmigung nach § 9 des GrdstVG zu versagen wäre. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben.
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aa) Die Veräußerung der Erbteile bedarf nicht der Genehmigung nach dem GrdstVG. Gemäß § 2 Abs. 1 GrdStVG ist nur die rechtsgeschäftliche Veräußerung eines Grundstücks und der schuldrechtliche Vertrag hierüber genehmigungspflichtig. So liegt es hier nicht. Verkauft ist hier lediglich der Erbteil und nicht das einzelne zum Nachlass gehörende Grundstück (vgl. BGH, Urteil vom 14.11.1969, Az. V ZR 115/66, WM 1970, 321 Rdz. 11 <zitiert nach juris>).
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(1) Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 GrdStVG steht jedoch die Veräußerung eines Erbteils an einen anderen als an einen Miterben der Veräußerung eines Grundstücks gleich, wenn der Nachlass im Wesentlichen aus einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb besteht. So verhält es sich hier jedoch nicht. Zum Nachlass gehört nicht ein Betrieb, sondern nur einzelne landwirtschaftliche Grundstücke. In diesem Fall ist die Erbteilsübertragung nicht gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 GrdStVG genehmigungspflichtig (Netz, a.a.O., Seite 281).
- 33
(2) Den Beschwerdeführern ist zuzugeben, dass die Beteiligten zu 1) bis 4) mit dem Abschluss des Erbteilsübertragungsvertrages ein Genehmigungsverfahren nach dem GrdStVG vermeiden wollten. Jedoch liegt kein unzulässiges Umgehungsgeschäft vor, welches eine Genehmigungspflicht begründete. Nicht jede Vereinbarung, durch die anstelle eines Kaufvertrages ein anderes, besonders ausgestaltetes und die Genehmigungspflichtigkeit nicht auslösendes Rechtsverhältnis begründet wird, stellt bereits ein unzulässiges Umgehungsgeschäft dar (BGH, Urteil vom 11.12.1963, Az. V ZR 41/62, NJW 1964, 540 Rdz. 7 für die Umgehung des Vorkaufsrechts). Auch eine auf eine Vermeidung des Genehmigungsverfahrens gerichtete Absicht der Vertragsparteien rechtfertigt nicht in jedem Fall die Annahme, es liege ein unzulässiges Umgehungsgeschäft vor (BGH, Urteil vom 14.11.1969, Az. V ZR 115/66, WM 1970, 321 Rdz. 18 a.E. <zitiert nach juris>). Denn den Teilnehmern am Rechtsverkehr ist es grundsätzlich nicht verwehrt, von den Möglichkeiten, die ihnen die Rechtsordnung bietet, Gebrauch zu machen (BGH, Urteil vom 11.12.1963, Az. V ZR 41/62, NJW 1964, 540 Rz 7). Zu Recht weist der Beteiligte zu 1) darauf hin, dass der Gesetzgeber die Frage, wann ein Erbteilsübertragungsvertrag als Umgehungsgeschäft genehmigungspflichtig ist, abschließend in § 2 Abs. 2 Nr. 2 GrdStVG geregelt hat. Eine Ausdehnung dieser Vorschrift auf Erbteilungsübertragungen, zu deren Nachlass lediglich ein landwirtschaftliches Grundstück zählt, missachtete den erklärten Willen des Gesetzgebers. So hat der Gesetzgeber in dem hier einschlägigen schriftlichen Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Bundestagdrucksache 3/2635, Seite 5) ausgeführt:
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"Durch Übernahme einzelner oder aller Erbteile kann sich ein Dritter das wirtschaftliche Eigentum an einem Grundstück ohne Grundbucheintragung verschaffen. Um dadurch mögliche Umgehungsgeschäfte zu verhindern, wird auch die Übertragung von Erbanteilen für genehmigungsbedürftig erklärt, aber auf die Fälle beschränkt, in denen ein land- oder forstwirtschaftlicher Betrieb den wesentlichen Teil des Nachlasses bildet. Gehören nur einzelne Grundstücke zum Nachlass oder bildet der Betrieb nicht den wesentlichen Teil des Nachlasses, so kann auf die Überwachung verzichtet werden, da es in vielen Fällen zu einer empfindlichen und nach dem Zweck des Gesetzes nicht gebotenen Beeinträchtigung der Interessen einer Erbengemeinschaft führen könnte, wenn auch hier die Erbteilsübertragung von einer behördlichen Genehmigung abhängig wäre."
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Der Gesetzgeber hat mithin die Umgehungsgefahr bei Erbteilsübertragungen erkannt und ausdrücklich zugunsten der Erbengemeinschaft auf eine Kontrolle nach dem GrdStVG für den Fall verzichtet, dass nur landwirtschaftliche Grundstücke zum Nachlass zählen. Er hat mithin selbst den Weg zur genehmigungsfreien Erbteilsübertragung geebnet, indem er nur die Übertragung von Erbteilen an einem landwirtschaftlichen Betrieb für genehmigungsbedürftig erachtet hat (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 9.08.1962, Az. 6 Wb 15/61, RdL 1962, 289, 290). Der Senat sieht sich durch den erklärten gesetzgeberischen Willen daran gehindert, hier ein genehmigungspflichtiges Umgehungsgeschäft anzunehmen. Immerhin greift das GrdStVG in das Recht der beteiligten Verkäufer aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ein. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 GG werden Inhalt und Schranken durch die Gesetze und nicht durch die Rechtsprechung bestimmt.
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Ohne Erfolg berufen sich die Beschwerdeführer auf den Beschluss des BGH vom 3.05.1957, Az. V BLw 2/57 (RdL 1957, 173). Der BGH hat in dieser Entscheidung einen Pachtvertrag, den die Vertragsparteien anstelle eines zuvor nicht genehmigten Grundstückskaufs abgeschlossen hatten, als nach Art. IV KRG Nr. 45 genehmigungspflichtigen Grundstücksveräußerungsvertrag behandelt (BGH a.a.O., 176). Die Laufzeit des Pachtvertrages betrug 35 Jahre, der im voraus für die gesamte Pachtzeit zu entrichtende Pachtzins entsprach dem Kaufpreis (BGH a.a.O., 174). Diese Entscheidung ist nicht einschlägig. Denn der Gesetzgeber hat bei Pacht- anders als bei Erbteilsübertragungsverträgen (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 GrdStVG) keine konkrete Bestimmung getroffen, in welchen Fällen von einem Umgehungsgeschäft auszugehen ist. Mangels ausdrücklich erklärten gesetzgeberischen Willens war auf den Zweck des Gesetzes abzustellen (BGH a.a.O., 176). Anders liegt es hier, weil ein ausdrücklich erklärter gesetzgeberischer Wille des Gesetzgebers vorliegt, den der Senat zu respektieren hat (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 11.06.1958, 1 BvL 149/52, NJW 1958, 1227 Rz 22 <zitiert nach juris>).
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Der Senat übersieht nicht, dass eine solche Auslegung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 GrdStVG dem Ziel des GrdstVG, eine ungesunde Verteilung des Grund und Bodens zu verhindern, zuwiderlaufen kann. Nach Kenntnis des Senats bildet zumindest in den neuen Bundesländern die Veräußerung von landwirtschaftlichen Betrieben die Ausnahme. Dagegen treten häufig Erbengemeinschaften als Veräußerer auf. Jedoch ist aus den oben genannten Gründen der Gesetzgeber und nicht die Rechtsprechung berufen, einer etwaigen Missbrauchsgefahr zu begegnen.
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bb) Selbst wenn der Erbteilsübertragungsvertrag genehmigungspflichtig wäre, hätte die Beteiligte zu 5) ihr Vorkaufsrecht nicht wirksam ausgeübt. Es fehlt jedenfalls an einem Kaufvertrag i.S.v. § 4 Abs. 1 RSG. Nach richtiger Auffassung unterliegen Erbteilsübertragungsverträge grundsätzlich nicht dem Vorkaufsrecht (Netz, a.a.O., S. 916 unter Bezugnahme auf BGH WM 1970, 1073, der sich jedoch mit dem Vorkaufsrecht nach § 24 BBauG a.F. befasst). Mit der Aufgabe eines gemeinnützigen Siedlungsunternehmens, Land zu beschaffen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 RSG), lässt sich nach Auffassung des Senats nicht vereinbaren, dass der Erbteilskäufer vollumfänglich in die vermögensrechtliche Stellung der Erben am Nachlass einrückt (Pldt./Weidlich, BGB, 70. Auflg., § 2033 Rz 6). Das Siedlungsunternehmen liefe daher Gefahr, Eigentümer von Nachlassgegenständen zu werden, die sich mit seinem gesetzlichen Auftrag nicht vereinbaren lässt. Der Auftrag ist zumindest bei der Ausübung des Vorkaufrechts eng begrenzt, wie der wirtschaftliche Grundstücksbegriff des § 4 RSG zeigt. Befinden sich auf dem gekauften Grundstück nicht nur landwirtschaftliche Flächen, sondern auch Waldstücke, scheidet in der Regel die Ausübung des Vorkaufsrechts aus, wenn der forstwirtschaftlich genutzte Teil einer isolierten Nutzung zugänglich ist, etwa weil eine Zuwegung existiert (BGH, Beschluss vom 29.11.1996, Az. BLw 10/96, WM 1997, 678 Rdz. 9 <zitiert nach juris>). Zu bedenken ist ferner, dass der Erbteilskäufer gemäß § 2382 Abs. 1 Satz 1 BGB gegenüber den Nachlassgläubigern haftet. Auch der Erbteilskauf ist ein Erbschaftskauf i.S.v. §§ 2382, 2371 BGB (Pldt./Weidlich, a.a.O., § 2371 Rz 1). Ohne Erfolg hat der Vertreter des StaLU in der Anhörung vor dem Senat darauf verwiesen, dass vorliegend der Nachlass nur aus dem landwirtschaftlich genutzten Grundstück besteht. Das wird sich häufig in der Kürze der für die Entscheidung über die Ausübung des Vorkaufsrechts zur Verfügung stehenden Zeit nicht feststellen lassen.
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Anders als bei der Genehmigungsbedürftigkeit nach § 2 GrdStVG (s.o. Ziff. 2 c) aa) (2)) vermag der Senat ein tatsächliches Bedürfnis für ein Vorkaufsrecht des Siedlungsunternehmens bei der Erbteilsübertragung nicht zu erkennen. Sollte die Erbteilsübertragung entgegen der Ansicht des Senats genehmigungsbedürftig sein, kann sich die Genehmigungsbehörde darauf beschränken, die beantragte Genehmigung zu versagen (arg. e. § 9 Abs. 5 GrdStVG). Legen die Vertragsparteien den Erbteilsübertragungsvertrag -wie zunächst hier - nicht zur Genehmigung vor, besteht die Möglichkeit, einen Widerspruch im Grundbuch eintragen (§ 7 Abs. 2 Satz 1 GrdstVG) zu lassen und ggfs. die Berichtigung des Grundbuchs (§ 7 Abs. 3 GrdstVG) zu betreiben. Der Ausübung eines Vorkaufsrechts ohne Antrag und Anhörung der Beteiligten bedarf es demnach nicht.
3.
- 40
Die Genehmigungsbedürftigkeit des Erbteilsübertragungsvertrages sowie das Bestehen des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts ist bislang - soweit ersichtlich - nicht höchstrichterlich geklärt, wenn der Nachlass nicht aus einem landwirtschaftlichen Betrieb besteht und die Beteiligten die Rechtsform des Erbteilsübertragungsvertrages wählen, um ein Genehmigungsverfahren zu vermeiden. Der Senat hat daher gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 LwVG a.F. die Rechtsbeschwerde zugelassen.
4.
- 41
Die Entscheidung über die Gerichtskosten und die Erstattung außergerichtlicher Kosten in zweiter Instanz folgen aus §§ 44, 45 Abs. 1 Satz 2 LwVG. Auch der Beteiligte zu 6. ist Beteiligter i.S.v. § 45 Abs. 1 Satz 1 LwVG, wie sich aus § 32 Abs. 2 Satz 3 LwVG ergibt (BGH, BEschluss vom 10.03.1955, Az. V BLw 14/55, MDR 1955, 605, 606). Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten in erster Instanz gem. § 45 Abs. 1 Satz 1 LwVG ist nicht angezeigt. Der Umstand, dass der Senat die Rechtsbeschwerde zugelassen hat, zeigt, dass kein grobes Verschulden der Beteiligten zu 5. anzunehmen ist.
5.
- 42
Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf §§ 36, 37 LwVG.
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