Beschluss vom Oberlandesgericht Rostock (Strafsenat) - Ws 119/13

Tenor

Die Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers (§ 473 Abs. 1 StPO) als unbegründet verworfen.

Gründe

I.

1

Der Verurteilte Peter B. wendet sich mit der "sofortigen" Beschwerde im Schriftsatz seiner Verteidigerin vom 18.03.2012, näher ausgeführt mit Schreiben vom 19.03.2013, gegen den Beschluss der 3. Kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Rostock vom 27.02.2013, mit dem diese die nach vollständiger Verbüßung der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren aus dem Urteil des Landgerichts Rostock vom 10.10.2003 - II KLs 48/03 - von Gesetzes wegen eingetretene Führungsaufsicht nach Ablauf der Höchstdauer von fünf Jahren nachträglich gemäß § 68c Abs. 3 Ziff. 2 lit a), § 68d Abs. 1 StGB unbefristet verlängert hat.

2

Die Generalstaatsanwaltschaft hat auf die Verwerfung des Rechtsmittels angetragen. Der Verurteilte hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.

II.

1.

3

Gegen die Entscheidung, die Führungsaufsicht nach § 68c Abs. 3 Ziff. 2 lit a), § 68d Abs. 1 StGB nachträglich unbefristet zu verlängern, ist gemäß § 463 Abs. 2, § 453 Abs. 2 Satz 1 StPO das Rechtsmittel der einfachen Beschwerde gegeben (Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 463 Rdz. 5; MK-Groß, StGB, 2. Aufl., § 68c Rdz. 23 f. und § 68d Rdz. 6; Stree/Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl. § 68d Rdz. 7; LR-Graalmann-Scherer, StPO, 26. Aufl. § 453 Rdz. 5; vgl. auch § 453 Abs. 2 Satz 2, zweite Alternative StPO, wonach gegen die nachträgliche Verlängerung der Bewährungszeit ebenfalls nur die einfache Beschwerde stattfindet). Ein Fall des § 453 Abs. 2 Satz 3 StPO (analog) liegt nicht vor.

4

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten ist deshalb entsprechend § 300 StPO in eine einfache Beschwerde umzudeuten. Dass das Landgericht keine Entscheidung über die Abhilfe getroffen hat, steht dem weiteren Beschwerdeverfahren nicht entgegen (Meyer-Goßner a.a.O., § 306 Rdz. 10 m.w.N.).

2.

5

Nachdem es vorliegend um die nachträgliche Verlängerung der Dauer der Führungsaufsicht geht, unterliegt die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung durch das Beschwerdegericht nicht den Einschränkungen des § 453 Abs. 2 Satz 2, erste Alternative StPO, vielmehr findet über § 463 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 453 Abs. 2 Satz 2, zweite Alternative StPO eine unbeschränkte Überprüfung statt (Paeffgen SK-StPO, 4. Aufl. § 453 Rdz. 21; Meyer-Goßner a.a.O. § 453 Rdz. 11; Graalmann-Scherer a.a.O. Rdz. 39).

3.

6

Die Beschwerde hat bei Anlegung des vorstehend unter Ziffer 2 dargestellten Prüfungsmaßstabs keinen Erfolg.

a)

7

Zunächst steht der Ablauf der Höchstdauer der Führungsaufsicht ihrer erst nachträglich angeordneten - unbefristeten - Verlängerung nicht entgegen, weil der Verurteilte noch vor dem Ende der Fünfjahresfrist (07.02.2013) durch Schreiben der Strafvollstreckungskammer vom 14.01.2013, welches ihm jedenfalls vor dem 23.01.2013 zugegangen sein muss, weil sich seine Verteidigerin daraufhin mit Schreiben vom 23.01.2013 bei Gericht gemeldet hat, von der möglichen Verlängerung der Maßregel auf unbestimmte Dauer erfahren hat und das Verlängerungsverfahren nachfolgend ohne wesentliche Verzögerungen betrieben worden ist (vgl. MK-Groß, StGB, 2. Aufl., § 68c Rdz. 24; Stree/Kinzig a.a.O. § 68d Rdz. 5a; OLG Karlsruhe StRR 2009, 243). Die Senatsentscheidung vom 23.02.2011 (StV 2012, 425) steht dem bei vorliegender Konstellation nicht entgegen.

b)

8

Die Gründe, die die Strafvollstreckungskammer dazu veranlasst haben, die Dauer der Führungsaufsicht auf unbestimmte Dauer zu verlängern, halten rechtlicher Überprüfung stand.

9

Die Grundvoraussetzung des § 68c Abs. 3 Ziff. 2 lit a) StGB (Verurteilung des Beschwerdeführers wegen einer Straftat der in § 181b StGB genannten Art zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren) ist erfüllt. Ferner wird in dem angefochtenen Beschluss dargelegt, dass der Beschwerdeführer zumindest in zwei Fällen gegen Ende der zeitlich befristeten Führungsaufsicht gegen die ihm erteilten Weisungen verstoßen hat, jeglichen Konsum von Alkohol zu unterlassen sowie keinen Kontakt zu Kindern und Jugendlichen aufzunehmen, nicht mit ihnen zu verkehren und sie nicht zu beherbergen. Dass er wegen dieser auch vom Amtsgericht Rostock so festgestellten - vorsätzlichen (!) - Zuwiderhandlungen nicht wegen Straftaten nach § 145a StGB verurteilt worden ist, liegt allein darin begründet, dass das Gericht sich nicht davon zu überzeugen vermochte, dass er auch die damit verbundene Gefährdung des Zwecks der Maßregel zumindest billigend in Kauf genommen hat (vgl. Urteil vom 22.02.2013 - 21 Ds 536/12 -; dort Seite 3 f.). Die Staatsanwaltschaft hat gegen das freisprechende Urteil Berufung eingelegt, über die noch nicht entschieden worden ist.

10

Während eine strafrechtliche Verurteilung wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht auch hinsichtlich der davon ausgehenden Gefährdung des Zwecks der Maßregel zumindest bedingten Vorsatz voraussetzt (Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder a.a.O. § 145a Rdz. 9) verlangt § 68c Abs. 3 Ziff. 2 lit a) StGB für die Verlängerung der Führungsaufsicht lediglich, dass sich aus dem Verstoß gegen Weisungen nach § 68b Abs. 1 StGB konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass eine Gefährdung der Allgemeinheit durch die Begehung weiterer Straftaten zu befürchten ist. Abzustellen ist dabei nicht auf die subjektive Tatseite oder die Sicht des Betroffenen, sondern auf die des für die Verlängerungsentscheidung zuständigen Gerichts.

11

Vorliegend hat die Strafvollstreckungskammer unter Anführung konkreter Tatsachen dargelegt, dass sich der Beschwerdeführer gegen Ende der Führungsaufsicht immer häufiger über die Abstinenzweisung hinweggesetzt und auch wieder vermehrt gegen das Verbot des Umgangs mit Kindern und Jugendlichen verstoßen hat. Beides waren erhebliche konstellative Faktoren bei Begehung der zu seiner Anlassverurteilung durch das Landgericht Rostock wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in drei Fällen und wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in fünf Fällen führenden Taten. Auch der Senat hat sich in seinem Beschluss vom 12.11.2012 - I Ws 301 und 302/12 - hierzu geäußert, in dem er die Rechtmäßigkeit der deswegen erteilten Weisungen für die Führungsaufsicht bestätigt hat. An der dortigen Einschätzung hat sich seither nichts geändert.

12

Die gegenteilige Auffassung der Verteidigung gibt keinen Anlass zu abweichender Beurteilung. Insbesondere verfängt das Argument, der Verurteilte sei alkoholabhängig und deshalb zur Einhaltung des Abstinenzgebots nicht in der Lage, nicht, nachdem feststeht, dass er hierzu nach seiner Haftentlassung durchaus über einen erheblichen Zeitraum fähig gewesen ist. Der Verurteilte kann zwar abstinent leben, er will es ausweislich seiner Erklärungen nur nicht länger. Eine ähnlich gleichgültige Einstellung zeigt er mittlerweile im verbotenen Umgang mit Kindern, wobei sich die Gefahr, dass es wieder zu einschlägigen Straftaten kommen kann, dadurch erhöht hat, dass er mittlerweise wieder über eine eigene Wohnung verfügt und dort u.a. Modelautos sammelt, die für Kinder durchaus einen Anreiz bieten können, sich dorthin zu begeben und sich bei ihm aufzuhalten. Der Senat schließt sich den dazu gemachten Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in deren Zuschrift vom 09.04.2013 an.

c)

13

Der weitere - unbefristete - Vollzug der Maßregel ist auch nicht unverhältnismäßig (§ 68b Abs. 3 StGB).

14

Die bei einem Rückfall zu besorgenden Straftaten und die damit verbundenen Gefahren für die Allgemeinheit sind ganz erheblich. Die Führungsaufsicht ist die einzig verbleibende strafrechtliche Möglichkeit, den Verurteilten weiterhin unter Aufsicht und Kontrolle zu halten. Der von der Verteidigung gezogene Vergleich mit der Sicherungsverwahrung geht schon deshalb fehl, weil die Führungsaufsicht es dem Beschwerdeführer ermöglicht, in Freiheit zu bleiben, so lange er sich an die ihm erteilten Weisungen hält. Diese sind für ihn mit keinen unzumutbaren Einschränkungen verbunden. Im Übrigen hat es der Betroffene selbst in der Hand, durch künftiges, nachhaltig weisungskonformes Verhalten die Voraussetzungen für eine Beendigung der Führungsaufsicht zu schaffen (§ 68d Abs. 1 StGB). Schließlich wird in zweijährigen Abständen die weitere Notwendigkeit der unbefristeten Führungsaufsicht auch von Amts wegen zu überprüfen sein (§ 68e Abs. 3 Ziff. 2 StGB).

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