Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht (5. Zivilsenat) - 5 W 26/13

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 28. Juni 2013 werden der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 13. Juni 2013 sowie der Nichtabhilfebeschluss vom 16. Juli 2013 aufgehoben.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen – entsprechend der außergerichtlichen Einigung der Parteien – der Kläger 35 % und die Beklagte 65 %.

Gerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 10.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Parteien haben sich außergerichtlich verglichen und vereinbart, dass der Kläger von den Kosten des Rechtsstreits 35 % und die Beklagte 65 % trägt. Sodann hat der Kläger die Klage, wie der Vergleich vereinbart, zurückgenommen.

2

Das Landgericht hat daraufhin zwar antragsgemäß den Streitwert des Verfahrens auf 623.083,79 € festgelegt, im Übrigen jedoch den Antrag des Klägers vom 29. April 2013 auf Erlass einer Kostengrundentscheidung nach § 269 Abs. 4 ZPO mangels Rechtsschutzbedürfnisses zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers.

3

Der Kläger trägt vor, dass auch entsprechende Parallelverfahren bundesweit auf entsprechende Weise mit der Beklagten beendet wurden, in denen jeweils antragsgemäß eine entsprechende Kostengrundentscheidung ergangen ist. In einigen Fällen seien nämlich nachfolgende Kostenfestsetzungsanträge als unzulässig beanstandet worden, weil keine Kostengrundentscheidung vorlag. Die Rechtsauffassung des Landgerichts verkompliziere unnötig die bereits vergleichsweise beigelegten Gerichtsverfahren. Die Entscheidung diene nicht der Schaffung von Rechtsfrieden.

4

Die Kammer hat gleichwohl der Beschwerde nicht abgeholfen, da es ihrer Auffassung nach an einer rechtlichen Grundlage für die beantragte Kostengrundentscheidung fehle.

II.

5

Die sofortige Beschwerde des Klägers ist gemäß §§ 269 Abs. 5, 567 ZPO zulässig und sachlich auch begründet.

6

Das Landgericht hat zu Unrecht den Antrag des Klägers auf Erlass einer Kostengrundentscheidung nach § 269 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 ZPO als unzulässig zurückgewiesen.

7

Nach einer Klagrücknahme hat im Grundsatz gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2, Hs. 1 ZPO der Kläger allein die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Aufgrund der unstreitigen außergerichtlichen Einigung der Parteien auf eine Kostenquote hat die Kammer zu Recht ausgeführt, dass hier die Ausnahmeregelung des § 269 Abs. 3, Satz 2, Hs. 2 ZPO erfüllt ist, weil sich eine (teilweise) Kostenlast der Beklagten „aus einem anderen Grund“ ergibt.

8

Anlass für die Ausnahmeregelung war die Neufassung des § 93 d ZPO durch das Kindesunterhaltsgesetz vom 6. April 1998 (BGBl. I, Seite 66; vgl. BGH, IV ZB 6/05, Beschluss vom 06.07.2005, NJW-RR 2005, 1662-1664, zitiert auch in juris Rn. 6, m.w.N.). Durch das ZPO-Reformgesetz vom 27. Juli 2001 (BGBl. I, Seite 1887) ist § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO nur redaktionell angepasst worden. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zum ZPO-Reformgesetz sollte klargestellt werden, dass dem Kläger die Kosten dann nicht auferlegt werden können, wenn einer der schon bisher von der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmefälle vorliegt (BGH, a.a.O. unter Hinweis auf BT-Drucksache 14/4722 S. 80). Dazu gehört insbesondere auch eine von § 269 Abs. 3, Satz 2, Hs.1 ZPO abweichende Regelung der prozessualen Kostenlast in einem gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich (vgl. BGH, Beschluss vom 24.06.2004, VII ZB 4/04, FamRZ 2004, 1552 Rn. 1; BGH Beschluss vom 06.07.2005, a.a.O., zitiert auch in juris Rd. 7).

9

Nach § 269 Abs. 4 ZPO entscheidet das Gericht über die Kostentragungspflicht nach § 269 Abs. 3, S. 2 ZPO durch Beschluss auf Antrag des Klägers oder des Beklagten. Die Regelung der Kostenlast in einem außergerichtlichen Vergleich nimmt dem Kostenantrag nicht das Rechtsschutzinteresse und macht ihn folglich nicht unzulässig (Münchener Kommentar - Becker-Eberhard, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 269 Rd. 72).

10

Die Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO ist zwar von einem Automatismus geprägt und verbietet grundsätzlich die Prüfung materiell rechtlicher Anspruchsgrundlagen (vgl. Stein/Jonas-Roth, ZPO, 22. Aufl., § 269 Rd. 51 m.w.N.). Die Abweichung von der Kostentragungspflicht des Klägers durch Berücksichtigung gesetzlich geregelter oder von der Rechtsprechung anerkannter Ausnahmefälle zu Lasten des Beklagten bedeutet jedoch nicht, dass im Rahmen des § 269 Abs. 4 ZPO bei der Kostengrundentscheidung nach Klagrücknahme eine bestehende materiell rechtliche Kostenerstattungspflicht (z.B. aufgrund eines außergerichtlichen Vergleichs) generell nicht berücksichtigt werden darf. Vielmehr ist auf Antrag des Klägers (im Fall einer – teilweisen – materiell rechtlichen Erstattungspflicht des Beklagten aus einem außergerichtlichen Vergleich) eine Kostengrundentscheidung nach §§ 269 Abs. 3, Satz 2, Hs.2 und Abs. 4 ZPO zu erlassen. Im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren entscheidet der Rechtspfleger (§§ 103 ff. ZPO, 21 RPflG) nämlich auf Grundlage der richterlichen Kostengrundentscheidung nach § 269 Abs. 3, Satz 2, Hs.2 ZPO. Würde es an einem entsprechenden Beschluss nach § 269 Abs. 4 ZPO fehlen, müsste der Rechtspfleger im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren bei einer Klagrücknahme nämlich von dem Grundsatz der alleinigen Kostentragungspflicht des Klägers ausgehen (vgl. Stein/Jonas-Roth, ZPO, a.a.O., § 269 Rd. 60).

11

Die von der Kammer zitierten Entscheidungen zum Fehlen eines entsprechenden Rechtsschutzbedürfnisses (OLG München, Urteil vom 23.06.1975, Az. 10 W 1114/75, VersR 1976, 395; KG Berlin, Urteil vom 14.06.1993, 12 W 3057/93, VersR 1994, 1491) betreffen einen anderen Sachverhalt. Dort ging es jeweils nach einem außergerichtlichen Vergleich um Anträge des Beklagten auf Kostentragung durch den Kläger gemäß § 269 Abs. 3, Satz 2, Hs.1 ZPO (wonach der Kläger im Grundsatz alle Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat). Ein solcher Antrag wäre wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig, weil sich der Beklagte schuldrechtlich (in Form eines außergerichtlichen Vergleichs) unstreitig verpflichtet hat, die Kosten (teilweise) zu tragen. Nur in einem solchen Fall besteht für eine gerichtliche Kostengrundentscheidung nach § 269 Abs. 4 ZPO kein Raum.

12

Zu Recht weist der Kläger im Übrigen darauf hin, dass die beantragte Kostengrundentscheidung der Rechtsklarheit dient und die Durchsetzung der vertraglich vereinbarten Kostenverteilung im nachfolgenden Kostenfestsetzungsverfahren vereinfacht. Die sofortige Beschwerde ist damit begründet.

13

Gerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren (KV 1810) werden gemäß § 21 GKG nicht erhoben.

14

Der Streitwert entspricht dem Wert des geschätzten Kostenerstattungsanspruchs des Klägers im ersten Rechtszug.


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