Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht (5. Senat für Familiensachen) - 15 WF 358/13

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden den Antragstellern jeweils zu ½ auferlegt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens jeweils zu ½ .

Der Beschwerdewert wird auf bis zu 1.200,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Anfechtung der getroffenen Kostenentscheidung.

2

Mit Antragsschrift vom 03. Mai 2013 haben die minderjährigen Antragsteller, vertreten durch den Kindesvater beantragt, ihre Mutter, die Antragsgegnerin, im Wege einer einstweiligen Anordnung zur Zahlung monatlichen Unterhalts von jeweils 200,00 Euro ab Mai 2013 zu verpflichten.

3

Die Kindeseltern waren miteinander verheiratet und sind geschieden. Aus der Ehe sind die Antragsteller hervorgegangen. Die Antragsteller lebten zunächst bei der Antragsgegnerin und Kindesmutter und wurden durch diese versorgt und betreut. Der Antragsteller zu 1.) ist im November 2012 und der Antragsteller zu 2.) im April 2013 zum Kindesvater gezogen.

4

Mit Schreiben vom 19. Dezember 2012 hat die Antragsgegnerin dem Kindesvater mitgeteilt, dass sie nicht leistungsfähig ist. Sie erzielte lediglich ein monatliches Nettoeinkommen von 400,00 Euro. Selbst im Fall einer Vollzeittätigkeit erzielte sie kein ausreichendes Einkommen, um Kindesunterhalt für den Antragsteller zu 1.) leisten zu können. Mit Schreiben vom 27. März 2013 hat die Antragsgegnerin ihre Zustimmung zum Wechsel des Antragstellers zu 2.) in den Haushalt des Kindesvaters erklärt und darauf hingewiesen, dass sie krankheitsbedingt nicht in der Lage ist, vollschichtig zu arbeiten. Sie wird in absehbarer Zeit nicht in der Lage sein, Kindesunterhalt zu leisten.

5

Nach Zustellung der Antragsschrift hat die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 28. Mai 2013 zum einen ein ärztliches Attest vom 18. März 2013 der Fachärztin für Allgemeinmedizin M. aus Bad B. vorgelegt, wonach die Antragsgegnerin an einer depressiven Phase akut erkrankt ist, und zum anderen eine Bescheinigung der S. Kliniken vom 22. Mai 2013, wonach sich die Antragsgegnerin vom 14. Mai 2013 bis voraussichtlich 10. Juni 2013 in stationärer Behandlung befinden werde. Mit Schreiben vom 02. Juli 2013 hat die Antragsgegnerin für den Zeitraum 24. Juni bis 05. Juli 2013 eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt und eine weitere Bescheinigung, wonach sich die Antragsgegnerin bis zum 23. Juni 2013 in stationärer Behandlung befinden wird. Weiter hat sie ein ärztliches Attest vom 04. Juli 2013 eingereicht, wonach sie weiterhin arbeitsunfähig ist und der Zeitpunkt der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nicht abgesehen werden kann.

6

Die Antragsgegnerin hat behauptet, sie leide bereits seit langem an Depressionen und sei seit dem 18. März 2013 erkrankt. Beides sei dem Kindesvater bekannt gewesen.

7

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 10. Juni 2013 haben die Bevollmächtigten der Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt und wechselseitig Kostenanträge gestellt.

8

Mit Beschluss vom 16. Juli 2013 hat das Familiengericht der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens auferlegt.

9

Zur Begründung hat das Familiengericht ausgeführt, es habe billigem Ermessen entsprochen, der Antragsgegnerin die Kosten aufzuerlegen, denn sie habe durch ihr vorgerichtliches Auskunftsverhalten Anlass zur Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens gegeben. Zwar habe sie sich vorprozessual auf ihre Leistungsunfähigkeit infolge einer Erkrankung berufen, diese Angaben aber gegenüber den Antragstellern nicht belegt. Hätte die Antragsgegnerin detailliert zu ihrem Gesundheitszustand vorgetragen, wäre das Verfahren vermieden worden.

10

Gegen den am 23. Juli 2013 zugestellten Beschluss hat die anwaltlich vertretene Antragsgegnerin am 25. Juli 2013 sofortige Beschwerde eingelegt. Sie rügt, das Gericht habe die Wertung aus § 243 Abs. 1 Ziffer 2 FamFG nicht berücksichtigt. Eine außergerichtliche Aufforderung der Antragsteller an sie, Auskunft zu ihrem Einkommen und Vorlage von Belegen zu erteilen, sei nicht erfolgt. Vielmehr hätten die Antragsteller ohne Aufforderung die Krankheit zu belegen, sogleich gerichtliche Maßnahmen eingeleitet. Die Erkrankung der Antragsgegnerin sei den Antragstellern bereits mit Schreiben vom 27. März 2013 mitgeteilt worden.

11

Sie beantragt,

12

den Beschluss des Amtsgerichts N. vom 16. Juli 2013 abzuändern und den Antragstellern die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

13

Die Antragsteller verteidigen die angefochtene Entscheidung und beantragen,

14

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

15

Das Familiengericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 07. Oktober 2013 nicht abgeholfen und die Sache dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

1.

16

Das Rechtsmittel ist als sofortige Beschwerde nach § 567 ZPO statthaft.

17

In Ehesachen und Familienstreitsachen bestimmt sich die Anfechtbarkeit einer isolierten Kostenentscheidung nach den Vorschriften der ZPO, § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG. Grundsätzlich ist die isolierte Kostenentscheidung danach unanfechtbar, § 99 Abs. 1 ZPO. Anders verhält es sich bei der Antragsrücknahme, § 269 Abs. 5 ZPO, der Erledigung der Hauptsache durch eine aufgrund eines Anerkenntnisses ausgesprochenen Verpflichtung, § 99 Abs. 2 ZPO, oder im Falle übereinstimmender Erledigungserklärungen, § 91 a Abs. 2 ZPO. In diesen Fällen ist die sofortige Beschwerde nach §§ 567 ff. ZPO gegeben (vgl. BGH, Beschluss vom 28. September 2011 – XII ZB 2/11 – FamRZ 2011, 1933 Tz. 13 ff.).

18

Im Hinblick auf diese höchstrichterliche Entscheidung hat der Senat bereits damals dahin beraten, seine Rechtsprechung aufzugeben, die in diesen Fällen die Beschwerde nach § 58 FamFG als das statthafte Rechtsmittel angesehen hat (vgl. Senat, Beschluss vom 04. August 2011 – 15 UF 113/11 – Tz. 30 zitiert nach juris).

19

Die sofortige Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig.

2.

20

Das Rechtsmittel ist begründet und führt zur Abänderung der vom Familiengericht getroffenen Kostenentscheidung.

2.1.

21

Das Familiengericht hat seine Kostenentscheidung auf §§ 243 FamFG, 91 a ZPO gestützt. In Unterhaltssachen im Sinne der §§ 112 Nr. 1, 231 Abs. 1 FamFG ersetzt die Kostenvorschrift des § 243 FamFG als lex specialis die Vorschriften über die Verteilung der Kosten nach der ZPO (vgl. BGH, a.a.O. Tz. 23).

22

Gemäß § 243 Satz 1 FamFG entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen über die Verteilung der Kosten des Verfahrens auf die Beteiligten. Im Gegensatz zu den Kostenregelungen der §§ 91 ff. ZPO eröffnet § 243 FamFG einen Ermessensspielraum (vgl. OLG Hamm, FamRZ 2012, 1829 Tz. 18; OLG Celle, FamRB 2012, 281 Tz. 11; FamRZ 2012, 1324; wohl auch OLG Brandenburg, Beschluss vom 26. April 2012 – 3 WF 35/12 Tz. 7 zitiert nach juris). Dabei können alle Umstände des Einzelfalles Berücksichtigung finden. In § 243 Satz 2 Nr. 1 bis 4 FamFG sind jedoch Kriterien aufgeführt, die insbesondere zu berücksichtigen sind (Klein in: Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG, 3. Aufl., § 243 FamFG Rn. 2; OLG Hamm, a.a.O.).

23

Beruht die Kostenentscheidung auf billigem Ermessen, erfolgt die Überprüfung in der Beschwerdeinstanz darauf, ob das Familiengericht von dem ihm eingeräumten Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht hat. Daher ist das Beschwerdegericht grundsätzlich nicht berechtigt, ein vom erstinstanzlichen Gericht fehlerfrei ausgeübtes Ermessen durch eine eigene Ermessensentscheidung zu ersetzen (OLG Hamm, a.a.O.). Daraus folgt, dass das Beschwerdegericht die angefochtene isolierte Kostenentscheidung lediglich auf Ermessensfehler überprüft.

2.2.

24

Auf dieser Grundlage ist die Kostenentscheidung zu Lasten der Antragsgegnerin zu beanstanden und durch den Senat abzuändern.

25

Der Begründung der angefochtenen Kostenentscheidung ist eine Einzelfallabwägung im Sinne von § 243 FamFG nicht zweifelsfrei zu entnehmen. Soweit das erstinstanzliche Gericht sein Ermessen nicht umfänglich ausgeübt hat, liegt ein Ermessensfehler in Form eines Ermessensfehlgebrauchs vor. In diesem Fall hat der Senat die Ermessensentscheidung zu treffen.

26

Die in § 243 Satz 2 Nrn. 3 und 4 FamFG genannten Kriterien sind vorliegend offensichtlich nicht einschlägig.

27

Die Vorschrift des § 243 Satz 2 Nr. 2 FamFG führt nicht zu einer für die Antragsteller günstigen Kostenentscheidung. Nach dieser Bestimmung ist der Umstand, dass ein Beteiligter vor Beginn des Verfahrens einer Aufforderung des Gegners zur Erteilung der Auskunft und der Vorlage von Belegen über das Einkommen nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist, soweit er hierzu verpflichtet ist, im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen. Sanktioniert wird die Verletzung der Auskunftspflicht im vorgerichtlichen Verhalten. Materiell-rechtlich geschuldete, jedoch unterlassene bzw. nicht vollständig erfüllte Auskunfts- und Belegvorlagepflichten führen zur Kostenstrafe (Klein in: Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG, 3. Aufl., § 243 FamFG Rn. 6). Voraussetzung für die Eröffnung des Anwendungsbereichs ist zum einen die Aufforderung zur Mitwirkung und zum anderen die Ursächlichkeit der unzureichenden Erfüllung des Auskunftsverlangens im späteren Prozess. Dass die Antragsteller die Antragsgegnerin vorprozessual zur Auskunft über ihre Einkünfte aufgefordert haben, ist nicht dargelegt noch sonst ersichtlich. Die Antragsgegnerin teilte ihre geringfügigen Einkünfte sowie ihre Erkrankung ohne Aufforderung mit. Die Antragsgegnerin war jedenfalls nicht verpflichtet, den Antragstellern ungefragt ihren jeweiligen aktuellen Gesundheitszustand von sich aus mitzuteilen. Daher hat sich in dem Prozess für die Antragsteller einzig das selbstgesetzte Risiko einer unzureichenden Information über die Leistungsfähigkeit der Antragsgegnerin verwirklicht.

28

Weitere Billigkeitsgesichtspunkte sind nicht ersichtlich, sodass die Kostenentscheidung nach dem Verhältnis von voraussichtlichem Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten zu treffen ist, § 243 Satz 2 Nr. 1 FamFG.

29

Ein tatsächliches Obsiegen und Unterliegen kann in Ermangelung einer Sachentscheidung nicht Maßstab für die Kostenentscheidung sein. Vielmehr ist die Rechtslage unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der übereinstimmenden Erledigungserklärung summarisch zu würdigen (vgl. OLG Köln, FamRZ 2013, 1059 Tz. 3).

30

Dies führt Kostentragung der Antragsteller.

31

Die Antragsteller haben in dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Zum Zeitpunkt der übereinstimmenden Erledigungserklärung hatte die Antragsgegnerin jedoch ihre Leistungsunfähigkeit zur Erfüllung des begehrten Kindesunterhalts ebenfalls glaubhaft gemacht. Die fehlende Leistungsfähigkeit als Einrede des Unterhaltsschuldners führt zum Entfallen des Anspruchs. Der Unterhaltsanspruch als dauerhafte Geldrente entfällt jedoch nur solange, wie sich der Unterhaltsschuldner erfolgreich auf seine fehlende Leistungsfähigkeit berufen kann. Da die Leistungsunfähigkeit der Antragsgegnerin jedoch bereits zum Beginn des begehrten Unterhaltszeitraums bestand und nicht zuverlässig abzusehen war, zu welchem Zeitpunkt die Antragsgegnerin wieder arbeitsfähig ist, wäre der Antrag vom 03. Mai 2013 zurückzuweisen gewesen.

3.

32

Die Kostenentscheidung folgt ebenfalls aus § 243 FamFG (vgl. Klein in: Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG, 3. Aufl., § 243 FamFG Rn. 18), wobei die Haftung nach Kopfteilen gemäß § 100 Abs. 1 ZPO auszusprechen ist. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens ist nach dem Kosteninteresse zu bestimmen und folgt aus §§ 40, 42 Abs. 1 FamGKG.


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