Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht (3. Zivilsenat) - 3 Wx 27/14

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des Amtsgerichts Rendsburg vom 2. April 2014 wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beteiligte zu 1.

Kostenerstattung findet nicht statt.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 300.000,00 €.

Gründe

I.

1

Die Beteiligte zu 1. wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Entscheidung des Nachlassgerichts, ihren Antrag auf Bestellung eines Nachlasspflegers zurückzuweisen.

2

Die 1937 geborene Erblasserin ist am … 2012 in A. unverheiratet und kinderlos verstorben.

3

Die Beteiligte zu 1. teilte dem Amtsgericht am 15. November 2012 telefonisch mit, es sei unbekannt, ob ein Testament vorhanden sei, jedenfalls hinterlasse die Erblasserin, bei der es sich um ihre Cousine (mütterliche Verwandtschaftslinie) handele, ein Hausgrundstück in A. Die Beteiligte zu 4., eine weitere Cousine der Erblasserin (väterliche Verwandtschaftslinie) beauftragte die Erben-Ermittlung … GmbH mit der Ermittlung der Erben nach der Erblasserin. In der Folgezeit meldeten sich weitere Cousinen und Cousins der Erblasserin bei dem Amtsgericht.

4

Das Finanzamt … teilte dem Amtsgericht unter dem 28. Mai 2013 mit, nach Aktenlage sei am Todestag der Erblasserin ein Bankguthaben von 217.637 € vorhanden gewesen.

5

Die Beteiligte zu 1. fragte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 10. September 2013 bei dem Amtsgericht an, ob eine Nachlasspflegschaft eingerichtet worden sei. Sie selbst sei nach der gesetzlichen Erbfolge, die auf der Basis der vorliegenden Informationen zur Anwendung gelange, Miterbin geworden. Ein Sicherungsbedürfnis bestehe grundsätzlich, weil Grundbesitz im Nachlass vorhanden sei. Allerdings werde das Gericht einstweilen gebeten, noch keine Nachlasspflegschaft einzurichten, wenn eine solche noch nicht eingerichtet worden sei. Das Amtsgericht teilte auf dieses Schreiben unter dem 17. September 2013 mit, dass keine Nachlasspflegschaft eingerichtet worden sei, da zumindest eine Erbin, nämlich die Beteiligte zu 1., bekannt sei.

6

Unter dem 1. Oktober 2013 beantragte die Beteiligte zu 1. sodann die Einrichtung der Nachlasspflegschaft zum Zweck der Erbenermittlung und der Sicherung des Nachlasses. Sie selbst habe nämlich - so ihre Begründung - keinerlei Zugriff auf den Nachlass der Erblasserin. Von dem Grundbesitz der Erblasserin wisse sie nur aus einem Anschreiben der Stadt A.. Zwischenzeitlich sei sie mehrfach von der Erbenermittlung … GmbH angeschrieben worden die auf eine Vergütungsvereinbarung dränge. Es sei jedoch bekannt, dass ein durch das Gericht bestellter Nachlasspfleger im Rahmen seiner Tätigkeit niedrigere Vergütungsansprüche gegen den Nachlass begründen werde, die insofern den Erbteil des jeweiligen Miterben weitgehend unangetastet lassen würden. Deshalb sei die Beauftragung einer Erbenermittlungsgesellschaft, die 33,33 % des auf den jeweiligen Erben entfallenden Erbteils verlange, verfrüht. Letztlich sei bis zum heutigen Tage die exakte Zusammensetzung der Erbengemeinschaft unbekannt geblieben und diese deshalb nicht handlungsfähig, weshalb zum Zweck der Sicherung des Nachlasses ein Nachlasspfleger zu bestellen sei.

7

Die Rechtspflegerin des Amtsgerichts teilte der Beteiligten zu 1. unter dem 25. Oktober 2013 mit, dass kein Bedürfnis für die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft bestehe, weil mehrere - dort aufgeführte - Personen als Erben nach der Erblasserin in Betracht kommen würden und einer der Erbinnen auch bereits eine Erbenermittlungs-GmbH beauftragt habe. Auch die unvollständige Erbengemeinschaft könne dafür sorgen, das Grundvermögen zu sichern und zu verwalten.

8

Unter dem 21. Februar 2014 meldete sich eine von der Erben-Ermittlungs-… GmbH beauftragte Rechtsanwältin in Untervollmacht für die Beteiligten zu 3., 4. und 5. Sie beantragte zur Sicherung des Nachlasses, insbesondere der in den Nachlass gefallenen Immobilie, einen Nachlasspfleger zu bestellen. Sie führte an, es sei bereits dreimal versucht worden, in das betreffende Haus einzubrechen. Alle Fenster im Kellergeschoss seien eingeschlagen bzw. zerbrochen und es sei sogar einmal versucht worden, ein Feuer zu legen. Zudem seien laufende Kosten und Rechnungen für die Immobilie zu zahlen. Bevor durch Erteilung eines Erbscheins die Erbfolge nicht geklärt und eine funktionierende Erbengemeinschaft nicht hergestellt sei, hätten die Mandanten aber keine Möglichkeit, den Nachlass zu sichern. Auf dem Konto der Erblasserin solle sich indes ein nicht unerheblicher Betrag befinden, so dass Zahlungen von dem Konto beglichen werden könnten. Es müsse auch aufgeklärt werden, welche Kontobewegungen es seit dem Erbfall gebe und ob hier Rückforderungsansprüche bestünden. Alle von der Rechtsanwältin nicht vertretenen potenziellen Erben seien über die Beantragung der Bestellung eines Nachlasspflegers informiert worden.

9

Mit Anwaltsschreiben vom 28. Februar 2014 beantragte auch die Beteiligte zu 1. erneut unter Hinweis auf den Einbruch in den Grundbesitz A….. der Erblasserin die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft.

10

Nach einem Telefonat der Rechtspflegerin bei dem Amtsgericht mit der Rechtsanwältin der Beteiligten zu 3. bis 5. korrigierte diese ihren Antrag dahingehend, zu prüfen, ob die Einrichtung einer Nachlassverwaltung in Betracht komme. Auch die Beteiligte zu 1. beantragte unter dem 27. März 2014 hilfsweise die Bestellung eines Nachlassverwalters.

11

Mit einem am 31. März 2014 eingegangenen Anwaltsschreiben legte die Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 3. bis 5. eine von der genannten Erben-Ermittlung-… GmbH gefertigte Stammtafel vor, mit der Bemerkung, daraus würde sich die Erbfolge gemäß dem derzeitigen Ermittlungsstand ergeben. Die danach in Betracht kommenden zehn Erben (3. Ordnung) werden in dem genannten Anwaltsschreiben mit Adresse und Erbquote genannt. In dem Anwaltsschreiben ist weiter ausgeführt, zur endgültigen Dokumentation der Erbfolge würden noch 15 konkret bezeichnete Personenstandsurkunden benötigt, die bislang noch nicht zu beschaffen gewesen seien. Allerdings sei ein kooperatives Zusammenwirken der Miterben nicht möglich, wie bereits dargelegt worden sei (die Rechtsanwältin hatte gemäß einem Telefonvermerk des Amtsgerichts vom 19. März 2014 dort mitgeteilt, die Erben seien untereinander sehr misstrauisch und es erlaube keiner dem anderen etwas zu unternehmen).

12

Mit Beschluss vom 2. April 2014 wies das Amtsgericht die Anträge auf Einrichtung einer Nachlasspflegschaft zurück. Es verwies darauf, dass Voraussetzung für die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft zum einen sei, dass die Erben unbekannt seien und zum anderen das Vorhandensein eines sicherungswürdigen Nachlasses. Der Erbe gelte als bekannt, wenn für sein Erbrecht ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit vorliege. Hier seien die Erben bekannt und hätten sich ohne Weiteres selbständig um den Grundbesitz kümmern können, sei es in der Form einer Bevollmächtigung oder aber dem Abschluss einer entsprechenden Versicherung. Dies hätte auch jeder eigenständig für sich unternehmen können, ohne dass es der Zustimmung von Miterben bedurft hätte. Ein Sicherungsbedürfnis fehle dann, wenn die Sicherung auf einfachere Weise zu erlangen sei. Auch das liege hier vor. Ein Nachlasspfleger hätte im Übrigen die Einbrüche nicht verhindern können.

13

Mit einem am 10. April 2014 bei dem Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz hat die Beteiligte zu 1. gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt und sie auf einen neuen Sachverhalt, nämlich einen akuten Wassereinbruch in dem Gebäude A….. sowie deswegen drohender Einsturzgefahr und Beschädigung der Gebäudesubstanz, gestützt. Beigefügt waren Fotos, die belegen sollen, dass es zu einem solchen aktuellen Wassereinbruch gekommen ist und die Erdgeschosswohnung feuchtigkeitsbedingt von Schimmel befallen sei. Auch verfüge keiner der Nachbarn über einen Schlüssel zum Haus. Von einem Unbekannten sei offenbar das Haustürschloss ausgetauscht worden.

14

Mit Beschluss vom 11. April 2014 hat das Amtsgericht dieser Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht vorgelegt.

15

Mit Verfügung vom 17. April 2014 hat der Senat sämtliche nach Aktenstand möglichen Erben bzw. - soweit bekannt - deren Verfahrensbevollmächtigte angeschrieben und Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 14. Mai 2014 gegeben.

16

Mit Schriftsatz vom 13. Mai 2014 hat sich die Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 3. bis 5. gemeldet und mitgeteilt, zwischenzeitlich habe ein Sachbearbeiter der bestehenden Wohngebäudeversicherung - der …- das Haus in Augenschein genommen. Nach seinen Feststellungen schimmele es seit mehreren Wochen vor sich hin und müsse umgehend Abhilfe geschaffen werden, wenn nicht ein großer Schaden entstehen solle. Eine Gefahr gehe auch davon aus, dass das Haus unter Strom stehe und deshalb dringend ein Elektriker in das Haus müsse. Eine schriftliche Stellungnahme des Sachbearbeiters der … werde umgehend nachgereicht (noch nicht vorgelegt). Weil eine konforme Erbengemeinschaft bislang nicht habe hergestellt werden können, bestehe keine Möglichkeit, die Immobilie abzusichern. Hinzu komme, dass die notwendigen durchzuführenden Maßnahmen mit Kosten verbunden seien, Bargeldvermögen zwar im Nachlass vorhanden sei, dies sich jedoch auf einem Sparbuch oder Girokonto befinde und die Erben darüber nicht verfügen könnten, weil die Banken bekanntermaßen einen Erbschein erforderten. Die Beantragung des Erbscheins werde indes noch einige Zeit in Anspruch nehmen, weil die notwendigen Personenstandsurkunden teilweise nicht mehr zu beschaffen seien. Insofern bestehe dringender Handlungsbedarf.

17

Mit einem am 26. Mai 2014 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schreiben haben sich die Beteiligten zu 1. und 2. - gemeinsam anwaltlich vertreten - erneut gemeldet und ausgeführt, der Annahme des Nachlassgerichts in der angegriffenen Entscheidung, die Erben seien bekannt, könne nicht beigepflichtet werden. Es sei nicht richtig, dass in einem Falle, wo auf Basis der gesetzlichen Erbordnung teilweise potenzielle Erbprätendenten bekannt seien, dass Kriterium des Bekanntseins der Erben erfüllt sei. Diese Auffassung verkenne, dass es sich bei der Erbengemeinschaft um eine Personenmehrheit handele, die gesamthänderisch miteinander verbunden sei und grundsätzlich um handeln zu können zunächst einmal der Konstituierung bedürfe. Dies sei derzeit unmöglich, da die Gesamtzusammensetzung der Erbengemeinschaft noch nicht ermittelt worden sei. Im Hinblick auf die Sicherungsbedürftigkeit des Hauses werde beantragt, das Nachlassgericht Rendsburg anzuweisen, über den Nachlass der Erblasserin eine Nachlasspflegschaft anzuordnen und einen Nachlasspfleger zum Zweck der Sicherung des Nachlasses sowie der Erbenermittlung zu bestellen.

II.

18

Die Beschwerde ist nach den §§ 58 ff FamFG zulässig, insbesondere fristgerecht eingereicht worden. Über sie kann der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden (vgl. dazu Beschluss des Senats vom 14.01.2010, 3 Wx 92/09, FamRZ 2010, 1178 ff; zustimmend Kammergericht, Beschluss vom 29.06.2010, 1 W 161/10, bei juris Rn. 10 ff).

19

Die Beschwerde hat in der Sache aber keinen Erfolg, denn das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag auf Einrichtung einer Nachlasspflegschaft zu Recht und mit zutreffender Argumentation zurückgewiesen, weil die nach dem Gesetz insoweit geforderten Voraussetzungen nicht vorliegen.

20

Nach § 1960 Abs. 1 Satz 1 BGB hat das Nachlassgericht bis zur Annahme der Erbschaft für die Sicherung des Nachlasses zu sorgen, soweit ein Bedürfnis besteht. Das Gleiche gilt nach Satz 2 dieser Vorschrift, wenn der Erbe unbekannt oder wenn ungewiss ist, ob er die Erbschaft angenommen hat. Voraussetzung für die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft ist mithin einerseits, dass der Erbe unbekannt ist (bzw. seine Annahme der Erbschaft ungewiss) und andererseits, dass ein Sicherungsbedürfnis besteht.

21

Das Amtsgericht ist bereits davon ausgegangen, dass die Erben im vorliegenden Fall nicht unbekannt sind. Das ist zutreffend.

22

Die Frage, ob der Erbe unbekannt ist und ob ein Fürsorgebedürfnis besteht, ist vom Standpunkt des Nachlassgerichts bzw. im Beschwerdeverfahren vom Standpunkt des Beschwerdegerichts im Zeitpunkt seiner Entscheidung zu beurteilen. Es ist anerkannt, dass ein Erbe bereits dann nicht mehr unbekannt ist, wenn jedenfalls eine hohe Wahrscheinlichkeit für seine Erbenstellung spricht. Eine letzte Gewissheit ist nicht erforderlich. Insbesondere ist nicht erforderlich, dass bereits ein Erbschein erteilt ist. Es ist nicht einmal erforderlich, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines Erbscheins gegeben sind oder die Erbquoten sicher feststehen (OLG Frankfurt ZEV 2012, 417 ff bei juris Rn. 23; OLG München NJW-RR 2006, 80 ff bei juris Rn. 18; OLG Düsseldorf ZEV 1995, 111 f bei juris Rn. 54; Staudinger/Marotzke, BGB, Neubearb. 2008, § 1960 Rn. 10; Leipold in MüKo-BGB, 6. Auflage 2013, § 1960 Rn. 11; Zimmermann, FGPrax 2004, 198, 199).

23

Der Bundesgerichtshof hat jüngst formuliert, dass ein Erbe dann unbekannt im Sinne des § 1960 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB sei, wenn der Tatrichter sich nicht ohne umfängliche Ermittlungen davon überzeugen könne, wer von mehreren in Betracht kommenden Personen Erbe geworden sei. Ungewissheit über die Person des Erben - so der BGH - liege u.a. vor, wenn konkrete Zweifel an der Gültigkeit einer letztwilligen Verfügung bestehen würden oder auch bei einem nicht offensichtlich unbegründeten Streit mehrerer Erbprätendenten über die Erbfolge (FamRZ 2012, 1869 ff bei juris Rn. 13). Dementsprechend haben Gerichte in der Vergangenheit dann das Kriterium des „unbekannten Erben“ als erfüllt angesehen, wenn ein fundierter und nicht ohne umfängliche Ermittlungen zu klärender Streit über die Testierfähigkeit eines Erblassers und deshalb über die Gültigkeit seines Testaments besteht (BayObLG MDR 1990, 632 f; und BayObLG FamRZ 1996, 308), wenn sonstige ernsthafte Zweifel hinsichtlich eines Erbanwärters und der Gültigkeit eines Testamentes weitere Aufklärung erforderlich machen (BayObLG FamRZ 2004, 1141 und Stein in Soergel, BGB, 13. Aufl. 2002, § 1960 Rn. 7 sowie Frieser in Fachanwaltskommentar Erbrecht, 4. Aufl. 2013, § 1960 Rn. 3), oder wenn im Hinblick auf ein mögliches nichteheliches Kind des Erblassers dessen Vaterschaft noch nicht geklärt ist (OLG Stuttgart NJW 1975, 880 und Stein in Soergel, a.a.O., § 1960 Rn. 6).

24

Im vorliegenden Fall erscheinen die Erben aber nicht in diesem Sinne unbekannt. Eine der zitierten Fallgestaltungen ist hier nicht einschlägig. Anhaltspunkte für das Vorhandensein einer letztwilligen Verfügung fehlen, weshalb von gesetzlicher Erbfolge ausgegangen werden kann (vgl. Marotzke in Staudinger, a.a.O., § 1960 Rn. 10 und Leipold in MüKo-BGB, a.a.O., § 1960 Rn. 12). Dazu liegt die Aufstellung über die Erbfolge in der 3. Erbordnung der Erben-Ermittlung …. GmbH von Ende März 2014 vor, die die Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 3. bis 5. unter Angabe der Adressen der dort genannten Erben und der Erbquoten zur Akte gereicht hat. Streit über die gesetzliche Erbfolge besteht unter den danach bekannten Beteiligten derzeit nicht. Die Beteiligten zu 1. bis 5. haben sich anwaltlich vertreten zur Akte gemeldet und gehen ersichtlich auf der Basis der Ermittlungen des Erbenermittlungsinstituts und ihrer eigenen Kenntnisse von dem familiären Hintergrund davon aus, dass sie Erben geworden sind. Die Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 3. bis 5. hat mitgeteilt, dass auch Kontakt zu weiteren der in dem Schema aufgeführten potenziellen Erben besteht.

25

Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass etwa vorrangige gesetzliche Erben in Betracht kommen könnten. Nach den Ermittlungen der genannten Erbenermittlungsfirma sind die Eltern der 1937 geborenen Erblasserin vorverstorben und hatten sie neben der Erblasserin lediglich noch eine weitere Tochter, die 2001 kinderlos vorverstorben ist. Die gesetzlichen Erben bestimmen sich deshalb nach der dritten Ordnung, § 1926 BGB. Aus dem vorliegenden Erbenschema ist ersichtlich, dass nicht nur die Großeltern der Erblasserin väterlicherseits und mütterlicherseits vorverstorben sind, sondern auch deren verschiedene Kinder. Nach den Mitteilungen der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 3. bis 5. steht der Erteilung eines Erbscheins derzeit entgegen, dass verschiedene Personenstandsurkunden noch nicht beschafft werden konnten. Diese noch fehlenden Personenstandsurkunden sind in dem Schriftsatz vom 27. März 2014 im Einzelnen aufgeführt und betreffen ausschließlich die Großeltern der Erblasserin und deren Abkömmlinge väterlicherseits. Legt man dies zugrunde, ist nicht ersichtlich, warum nicht jedenfalls für die Hälfte des Erbes, das auf die Großeltern bzw. deren Abkömmlinge mütterlicherseits entfällt (§ 1926 Abs. 2 und 3 BGB), ein Teilerbschein erteilt werden könnte; insoweit können die Erben jedenfalls nicht als unbekannt angesehen werden.

26

Indes ist - wie aufgeführt - ohnehin nicht erforderlich, dass ein Erbschein bereits vorliegt oder dass auch nur die förmlichen Voraussetzungen für eine Erbscheinserteilung erfüllt sein müssen, um von der Bekanntheit der Erben auszugehen (Stein in Soergel, a.a.O., § 1960 Rn. 8 und die obigen Zitate). Deshalb steht der Bekanntheit der Erben auch nicht ohne weiteres alleine entgegen, dass noch einzelne Dokumente und Nachweise beschafft werden müssen, um die für die Erteilung eines Erbscheins erforderlichen förmlichen Voraussetzungen nach den §§ 2354 Abs. 1 Nr. 2, 2356 Abs. 1 Satz 1 BGB zu erfüllen. Es lässt sich kein veröffentlichtes Judikat und auch keine Kommentierung finden, die sich dahin ausspricht, dass allein das Fehlen von einigen dieser Unterlagen zwangsläufig dazu führt, den oder die Erben als unbekannt anzusehen (Zimmermann führt in: Die Nachlasspflegschaft, 3. Aufl., 2013, Rn. 40, aus, seines Erachtens sei ein Erbe dann bekannt, wenn ihm, falls er einen Erbscheinsantrag stellen und die vorgeschriebenen Unterlagen nach den §§ 2353 ff BGB beibringen würde, ein Erbschein erteilt würde). Diskutabel erscheint, einen oder mehrere Erben als unbekannt anzusehen, wenn im Einzelfall das Fehlen derartiger Unterlagen konkret ernsthafte Zweifel an seiner Berufung zum gesetzlichen Erben hervorruft (wie im Fall des Senats SchlHA 2010, 86 ff = FamRZ 2010, 930 ff, wo nämlich die wenigen vorgelegten Unterlagen mit dem sonstigen Vortrag teilweise nicht in Übereinstimmung zu bringen waren und konkrete Zweifel an dem Bestehen einer Verwandtschaft des Erbprätendenten zur Erblasserin hervorriefen). Solche konkreten Zweifel im Einzelfall sind hier aber ebenfalls nicht erkennbar. Hinzuweisen ist darauf, dass dann, wenn die genannten Dokumente nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeit beschafft werden können, gemäß § 2356 Abs. 1 Satz 2 BGB auch die Angabe anderer Beweismittel genügt (zu den Anforderungen insoweit vgl. die Senatsrechtsprechung in SchlHA 2011, 200 ff = FamRZ 2011, 1334 ff und FG Prax 2013, 179 f = RNotZ 2013, 313 ff).

27

Die Beschwerdeführerin und die sie unterstützenden Beteiligten zu 2. bis 5. sind der Auffassung, die Erben seien hier deshalb unbekannt, weil es sich um eine Erbengemeinschaft handele, also eine Personenmehrheit, die gesamthänderisch miteinander verbunden sei und sich zur Handlungsfähigkeit konstituieren müsse, was aber nicht geschehen sei. Es sei - so die Beteiligten zu 3. bis 5. - „eine konforme Erbengemeinschaft bislang nicht hergestellt worden“. Zudem seien die Erben - so von der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 3. bis 5. telefonisch gegenüber dem Amtsgericht Rendsburg erläutert - untereinander sehr misstrauisch und erlaube es keiner dem anderen, etwas zu unternehmen.

28

Die Vorstellung der Beschwerdeführerin und der Beteiligten zu 2. bis 5., dass deshalb ein Nachlasspfleger für sämtliche Erben bestellt werden könne, ist jedoch mit der Rechtslage nicht in Übereinstimmung zu bringen. Auf die Konstituierung der Erbengemeinschaft kann es für die Frage, ob die Erben bekannt sind, nicht ankommen, weil maßgeblich für die Zuständigkeit der Erben der Anfall und die Annahme der Erbschaft ist. Nachlasspflegschaft ist im Übrigen nicht Vermögenspflegschaft für das Sondervermögen Nachlass, sondern Personenpflegschaft für den zurzeit noch nicht bekannten Erben (BGH NJW 1989, 2133 f; Marotzke in Staudinger, a.a.O., § 1960 Rn. 23; Zimmermann, FGPrax 2004, 198 f). Geht es wie hier um eine Mehrheit von Erben, ist deshalb für jedes Erbteil und jeden möglichen Erben gesondert zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer Nachlasspflegschaft vorliegen. Sind nur einzelne Erben unbekannt, kann nicht etwa eine Gesamtpflegschaft angeordnet werden, sondern eben nur eine Teilpflegschaft für diese unbekannten Erben, wenn die Voraussetzungen im Übrigen insoweit vorliegen (insbesondere auch das Fürsorgebedürfnis gegeben ist). Der Nachlasspfleger vertritt in einem solchen Fall nur den oder die unbekannten Miterben im Rahmen der Miterbengemeinschaft und hat dort dann auch nicht mehr Rechte, als die von ihm vertretene Person. Nur ganz ausnahmsweise, wenn ansonsten die notwendigen Fürsorgemaßnahmen nicht mehr möglich wären, kommt in Betracht, dass die Fürsorge nicht nur den betreffenden Erbteil erfasst, sondern sich auf den übrigen Nachlass erstreckt. Indes reicht insoweit nicht allein aus, dass in das Erbe auch eine Hausimmobilie gefallen ist (OLG Köln FamRZ 1989, 435 f; OLG Düsseldorf FamRZ 1995, 895 ff bei juris Rn. 50 f; Marotzke in Staudinger, a.a.O., § 1960 Rn. 15, Zimmermann, a.a.O.).

29

Selbst wenn man sich im vorliegenden Fall hinsichtlich der gesetzlichen Erben der Erblasserin in der dritten Erbordnung väterlicherseits auf den - hier nicht geteilten - Standpunkt stellen würde, dass insoweit wegen der noch fehlenden Urkunden unbekannte Erben vorliegen, käme mithin also allenfalls eine Teilpflegschaft in Betracht. Soweit die Beteiligten zu 7. und 8. derzeit hinsichtlich ihrer Adresse unbekannten Aufenthalts sind (die von der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 3. jeweils angegebene Adresse … ist nicht zutreffend; eine einfache Melderegisterauskunft der Stadt X. hat ergeben, dass die Betreffenden dort nicht gemeldet sind), sind sie nicht unbekannt. Der nicht bekannte Aufenthaltsort eines Erben ermöglicht allenfalls die Berufung eines Abwesenheitspflegers nach § 1911 BGB, wofür indes nicht das Nachlassgericht, sondern gemäß § 340 FamFG das Betreuungsgericht zuständig wäre (vgl. Krug in Dauner/Lieb, Anwaltskommentar Erbrecht, 2. Aufl. 2007, § 1960 Rn. 19; Stein in Soergel, a.a.O., § 1960 Rn. 6).

30

Wäre mithin allenfalls eine Teilpflegschaft diskutabel, fehlt es dafür indes an einem Sicherungsbedürfnis. Dazu ist zu bedenken, dass der Nachlasspfleger im Rahmen der Erbengemeinschaft zwar die Rechte der unbekannten Miterben wahrnehmen könnte, aber in dieser Funktion keine weitergehenden Befugnisse besitzt, als sie der Miterbe, den er vertritt, haben würde (OLG Düsseldorf FamRZ 1995, 895 f bei juris Rn. 50; Zimmermann, FGPrax 2004, 198, 199). Das hier von der Beschwerdeführerin und den Beteiligten zu 2. bis 5. beschriebene Sicherungsbedürfnis betrifft konkret das Hausgrundstück der Erblasserin in A., nämlich Schutz vor Einbruch/Vandalismus und Sicherungsmaßnahmen wegen eingedrungenen Wassers sowie entstehenden Schimmels. Insoweit geht es um für die Erhaltung des Nachlasses notwendige Maßregeln, die jeder Miterbe ohne Mitwirkung der anderen nach § 2038 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. BGB vornehmen kann. Der Bestellung eines Nachlasspflegers - auch als Teilnachlasspfleger für einzelne unbekannte Miterben - bedarf es dafür mithin nicht.

31

Hinzuweisen ist zusätzlich und unabhängig davon darauf, dass dann, wenn weitergehende Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung erforderlich sein sollten, eine Entscheidung der Erbengemeinschaft mit Mehrheit ausreichend ist (§§ 2038 Abs. 2, 745 BGB; vgl. Palandt/Weidlich, BGB, 73 Aufl. 2014, § 2038 Rn. 9). Eine Mehrheitsentscheidung ist mit den bekannten Beteiligten jedenfalls erreichbar, selbst wenn auf der Seite der Erben väterlicherseits die Quoten noch nicht endgültig feststehen sollten.

32

Es ist dem Senat nachvollziehbar, dass die Beteiligten - die sich nicht durchweg untereinander kennen und räumlich weit abseits von der hier fraglichen Immobilie leben - Schwierigkeiten haben, zu einvernehmlichen oder mehrheitlichen Entscheidungen über die Verwaltung des Erbes zu kommen. Solche Schwierigkeiten indes können im Grundsatz nicht durch die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft überwunden werden. Bei den in § 1960 BGB vorgesehenen Maßnahmen handelt es sich nämlich um staatliche Fürsorge, die nur subsidiär zum Tragen kommen kann, wenn die Beteiligten selbst nicht in der Lage sind, ausreichende Vorsorge zur Wahrung ihrer Vermögensinteressen zu treffen. Allein der Umstand, dass sie sich untereinander mit einem gewissen Misstrauen begegnen oder Schwierigkeit haben, miteinander zu kommunizieren und zu einer Entscheidung zu kommen, rechtfertigt die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft nicht (s. OLG Düsseldorf, ZEV 1995, 111 f bei juris Rn. 36).

33

Der Senat hat bedacht, ob sich hinsichtlich des Fürsorgebedürfnisses etwas anderes ergibt, soweit die Erben geltend machen, derzeit keinen Zugang zu dem Bankguthaben der Erblasserin zu haben (Zimmermann führt in: Die Nachlasspflegschaft, a.a.O., Rn. 40, allgemein aus, der Erbe müsse die Möglichkeit haben, auf den Nachlass Zugriff zu nehmen). Es dürfte allerdings nahe liegen, dass die Erben ohne einen Erbschein nicht auf das Bankguthaben werden zugreifen können. Indes ist einerseits zu bedenken, dass hier nach derzeitigem Stand ein Teilerbschein erreicht werden könnte (s.o) und ist andererseits zu berücksichtigen, dass ein für etwa einzelne unbekannte Erben benannter Nachlasspfleger ebenfalls nicht ohne weiteres und nicht ohne Abstimmung mit den übrigen bekannten Erben auf das Vermögen zugreifen könnte. Schließlich ist nicht erkennbar, warum angesichts der Vielzahl der Erben und der hier nur erforderlichen vorläufigen Sicherung des Hauses diese Maßnahmen nicht auch ohne Zugriff auf das Geldvermögen der Erblasserin möglich sein sollten.

34

Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, sie habe aber keinen Schlüssel zu dem Haus und wisse auch nicht, wer über einen solchen verfüge, dürften sich unüberwindbare Schwierigkeiten nicht ergeben. Die Beteiligten zu 3. bis 5. haben anwaltlich vertreten im Beschwerdeverfahren vorgetragen, dass sie im Kontakt mit der Versicherung der Erblasserin, der …Versicherung, stehen und ein Mitarbeiter dieser Versicherung aktuell das Haus besichtigt habe. Zutrittsmöglichkeiten können sich die Beteiligten danach durchaus verschaffen. Es ist auch nicht erkennbar, dass ihnen der Zutritt und die Durchführung von Sicherungsmaßnahmen durch Dritte konkret erschwert oder unmöglich gemacht werden könnte.

35

Sofern die Beteiligte zu 1. und wohl auch die Beteiligten zu 3. bis 5. erstinstanzlich hilfsweise die Einrichtung einer Nachlassverwaltung (§ 1981 Abs. 1 BGB) beantragt haben, hat das Nachlassgericht darüber nicht entschieden. Deshalb ist im Beschwerdeverfahren insoweit keine Entscheidung veranlasst. Allerdings dient die Nachlassverwaltung der Abwehr einer Vollstreckung in das Eigenvermögen des Erben und auch der Abwendung des Nachlassinsolvenzverfahrens. Das aber ist ohnehin nicht das Ziel der Beteiligten.

36

War mithin die Beschwerde zurückzuweisen, muss die Beteiligte zu 1. als Beschwerdeführerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach § 84 FamFG tragen. Soweit sich die Beteiligten zu 2. bis 5. anwaltlich beraten im Beschwerdeverfahren gerade die Beschwerde unterstützend zur Akte gemeldet haben, besteht kein Anlass, Kostenerstattung anzuordnen.

37

Für den Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens ist § 64 Abs. 1 GNotKG heranzuziehen, wonach der Wert des von der Verwaltung betroffenen Vermögens maßgeblich ist (auch und gerade bei Ablehnung des Antrags auf Einrichtung einer Nachlasspflegschaft, vgl. Bormann u.a., GNotKG, 2014, § 64 Rn. 1 und Rn. 6 f zu Nr. 12310 KV). Da hier laut Finanzamt … das Bankguthaben der Erblasserin am Todestag 217.637,00 € betragen hat (Bl. 36 d.A.), kann der Wert zusammen mit dem jedenfalls noch hinzutretenden Hausgrundstück auf 300.000,00 € geschätzt werden.


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