Beschluss vom Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken - 6 UF 4/06

Tenor

Die Beschwerde gegen Ziffer II) des am 8. November 2005 verkündeten Urteils des Amtsgerichts - Familiengericht - in Saarbrücken - 39 F 369/04 S - wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Beschwerdewert: 2.000 EUR.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Der am ... Mai 1941 geborene Ehemann (Antragsteller) und die am ... Februar 1951 geborene Ehefrau (Antragsgegnerin) haben am 29. August 1995 die Ehe geschlossen. Der Scheidungsantrag des Ehemannes wurde der Ehefrau am 22. November 2004 zugestellt.

Während der Ehezeit (1. August 1995 bis 31. Oktober 2004, § 1587 Abs. 2 BGB) haben beide Parteien Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung bei der (vormals Landesversicherungsanstalt für das Saarland, jetzt:) Deutschen Rentenversicherung Saarland (DRV Saarland, Beteiligte zu 1) erworben, der Ehemann in Höhe von 242,23 EUR, die Ehefrau in Höhe von 14,15 EUR, jeweils monatlich und bezogen auf den 31. Oktober 2004. Der Ehemann hat zudem eine seit 1. Mai 2005 laufende Betriebsrente aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes bei der Ruhegehalts- und Zusatzversorgungskasse des Saarlandes (RZVK, Beteiligte zu 2) erlangt, deren Ehezeitanteil die RZVK in ihrer dem Familiengericht erteilten Auskunft - bezogen auf den 31. Oktober 2004 - mit monatlich 80,19 EUR angegeben hat.

Durch das angefochtene Urteil, auf das ergänzend Bezug genommen wird, hat das Familiengericht die Ehe geschieden (Ziffer I, rechtskräftig seit 8. November 2005). In der Folgesache hat es den Versorgungsausgleich dahin geregelt, dass es - jeweils monatlich und bezogen auf den 31. Oktober 2004 - von dem Versicherungskonto des Ehemannes bei der DRV Saarland Rentenanwartschaften in Höhe von 114,04 EUR auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei der DRV Saarland übertragen und zu Lasten der für den Ehemann bei der RZVK bestehenden „Versorgungsanwartschaften“ Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 40,10 EUR auf dem Versicherungskonto der Ehefrau bei der DRV Saarland begründet sowie die Umrechnung der zu übertragenden bzw. zu begründenden Monatsbeträge in Entgeltpunkte angeordnet hat (Ziffer II).

Mit ihrer gegen Ziffer II) gerichteten Beschwerde beanstandet die RZVK die Durchführung des Versorgungsausgleichs. Sie macht geltend, dass die Betriebsrente des Ehemannes mit einem dynamisierten Wert von monatlich nur 67,24 EUR in den Wertausgleich einzustellen sei, weil der Rentenbezug des Ehemannes erst nach dem Ende der Ehezeit eingesetzt habe.

Der Ehemann hält die Beschwerde für unbegründet und beantragt, zu entscheiden „wie rechtens“.

Die Ehefrau und die DRV Saarland haben sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

II.

Die Beschwerde der RZVK ist gemäß §§ 629 a Abs. 2, 621 e Abs. 1 und 3, 621 Abs. 1 Nr. 6, 517, 520 ZPO zulässig. In der Sache bleibt die Beschwerde ohne Erfolg.

Den Wert der von den Parteien in der Ehezeit erworbenen volldynamischen Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung bei der DRV Saarland hat das Familiengericht auf der Grundlage der erstinstanzlich erteilten und zu keinen Bedenken Anlass gebenden Versorgungsauskünfte unangegriffen mit einem - jeweils auf das Ende der Ehezeit am 31. Oktober 2004 bezogenen - Betrag in Höhe von monatlich 242,23 EUR auf Seiten des Ehemannes bzw. monatlich 14,15 EUR auf Seiten der Ehefrau festgestellt.

Die zum Ende der Ehezeit bestehenden Anrechte des Ehemannes auf Betriebsrente bei der RZVK sind - was zweitinstanzlich auch nicht in Frage gestellt wird - nach der Neuregelung der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (FamRZ 2004, 1474; FamRZ 2004, 1706; FamRZ 2004, 1959), der sich die Familiensenate des Saarländischen Oberlandesgerichts angeschlossen haben, lediglich im Anwartschaftsstadium als statisch, hingegen im Leistungsstadium als volldynamisch zu beurteilen (Senatsbeschluss vom 18. November 2004 - 6 UF 70/04 -; 9. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts, Beschluss vom 7. Dezember 2004 - 9 UF 142/04). Nachdem seit 1. Mai 2005 der Versorgungsfall eingetreten ist, ist die laufende Betriebsrente des Ehemannes - unabhängig von der Bewertung der Anrechte als statisch im Anwartschaftsstadium - als dynamisch zu bewerten (BGH, FamRZ 2005, 1460, 1461; BGH, FamRZ 2005, 601, 602 mit zust. Anm. Bergner; OLG Celle, Beschluss vom 15. September 2005 - 10 UF 217/04, FamRZ 2006, 271, 273; Glockner/Uebelhack, Die betriebliche Altersversorgung im Versorgungsausgleich, Rz. 149; MünchKomm-BGB/Rühmann, 4. Aufl., § 1587 a, Rz. 467). Für die mit der Beschwerde angestrebte Dynamisierung gemäß § 2 Abs. 2 Satz 4 BarwertVO durch Erhöhung des Kapitalisierungsfaktors der Tabelle 1 der BarwertVO auf 165 % (ebenso KG, FamRZ 2006, 710; OLG Celle, Beschluss vom 12. Dezember 2005 - 10 UF 125/05, FamRZ 2006, 1041, 1042 - und vom 11. Oktober 2004 - 15 UF 136/04) ist bei dieser Sachlage nach Auffassung des Senats kein Raum, zumal nicht die Anwendung der BarwertVO (dazu BGH, FamRZ 1999, 218, 220), sondern die Einbeziehung einer dynamischen Versorgung in Frage steht. Vielmehr ist der Ehezeitanteil der zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Versorgungsausgleich bereits laufenden Zusatzrente ohne Umwertung in die Ausgleichsbilanz einzustellen. Damit ist auch dem Grundsatz Rechnung getragen, dass nach dem Ehezeitende eingetretene tatsächliche Entwicklungen mit Bezug auf die Ehezeit - um eine dem Halbteilungsgrundsatz möglichst nahe kommende Lösung zu erzielen - in entsprechender Anwendung des § 10 a VAHRG bereits im Rahmen der Erstentscheidung zu berücksichtigen sind (Hoppenz/Triebs, Familiensachen, 8. Aufl., A.I., § 1587, Rz. 51, m.w.N.). Den Ehezeitanteil der betrieblichen Altersversorgung des Ehemannes hat das Familiengericht ausgehend von der erstinstanzlich erteilten Auskunft der RZVK vom 20. Juni 2005 bedenkenfrei mit einem Betrag in Höhe von monatlich 80,19 EUR festgestellt.

Danach stehen sich für den Versorgungsausgleich ehezeitlich erworbene dynamische Versorgungen bzw. Versorgungsanrechte der Parteien wie folgt gegenüber:

Auf Seiten des Ehemannes:   

   242,23 EUR  

bei der DRV Saarland,

80,19 EUR  

bei der RZVK,

zusammen

322,42 EUR  

und

auf Seiten der Ehefrau:

14,15 EUR  

bei der DRV Saarland.

Der Wertunterschied beträgt (322,42 EUR ./. 14,15 EUR =) 308,27 EUR. Hiervon ist die Hälfte, also ein Betrag von (308,27 EUR : 2 =) 154,14 EUR im öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich auszugleichen (§ 1587 a Abs. 1 BGB).

Hiervon sind monatlich (Anwartschaften des Ehemannes in der gesetzlichen Rentenversicherung: 242,23 EUR ./. Anwartschaften der Ehefrau in der gesetzlichen Rentenversicherung: 14,15 EUR = 228,08 EUR : 2 =) 114,04 EUR im Wege des Splittings gemäß § 1587 b Abs. 1 BGB auszugleichen. Hinsichtlich der betrieblichen Altersversorgung des Ehemannes sind im Wege des analogen Quasisplittings nach § 1 Abs. 3 VAHRG i.V. mit § 1587 b Abs. 2 BGB monatlich weitere (Betriebsrente des Ehemannes: 80,19 EUR : 2 =) 40,10 EUR durch Begründung von Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung auszugleichen.

Dem entspricht die Entscheidung des Familiengerichts.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 49 Nr. 3 GKG.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde erfolgt im Hinblick auf abweichende oberlandesgerichtliche Entscheidungen zur Bewertung nach dem Ende der Ehezeit bezogener teildynamischer Versorgungen im Versorgungsausgleich (§§ 621 e Abs. 2, 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V. mit Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

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