Beschluss vom Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken - 1 W 1/14

Tenor

I. Auf die (sofortige) Beschwerde der Antragsgegner zu 1. bis 4. wird der Abhilfebeschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 21.11.2013 dahin abgeändert, dass die in Ziff. V getroffene Kostenentscheidung aufgehoben wird.

II. Ohne Kosten

Gründe

I.

Der Antragsteller hat in vorliegendem selbständigen Beweisverfahren, mit dem er eine vorprozessuale Klärung der haftungsrechtlich maßgeblichen Gründe für einen im Rahmen von Behandlungsmaßnahmen der Antragsgegner erlittenen Gesundheitsschaden durch einen Sachverständigen anstrebt, sofortige Beschwerde gegen den Beweisbeschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 22.8.2013 (GA 126 bis 129) eingelegt, soweit das Landgericht in Ziff. IV. Beweiserhebungen zu von ihm benannten weiteren Beweisthemen abgelehnt hat. Der Beschluss enthielt keine Kostenentscheidung.

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers hat das Landgericht den Beweisbeschluss vom 22.8.2013 mit Abhilfebeschluss vom 21.11.2013 wie vom Antragsteller beantragt ergänzt und den Antragsgegnern in Ziff. V des Tenors die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt.

Gegen die in Ziff. V getroffene Kostenentscheidung richtet sich die frist- und formgerecht eingelegte (sofortige) Beschwerde der Antragsgegner zu 1. bis 4., die den Standpunkt vertreten, eine Kostenentscheidung habe nicht erfolgen dürfen. Da in der Ausgangsentscheidung vom 22.8.2013 keine Kostenentscheidung veranlasst gewesen sei, gelte Gleiches auch für die auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers getroffene Abhilfeentscheidung. Eine Kostenentscheidung sei im selbständigen Beweisverfahren nur erforderlich, wenn der Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens insgesamt zurückgewiesen oder zurückgenommen werde, was vorliegend nicht der Fall gewesen sei.

Der Antragsteller verteidigt die Kostenentscheidung. Er hält die Beschwerde nach § 99 Abs.1 ZPO für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet.

II.

Die gegen die in dem Abhilfebeschluss vom 21.11.2013 enthaltene Kostenentscheidung eingelegte (sofortige) Beschwerde der hierdurch beschwerten Antragsgegner zu 1. bis 4. ist zulässig. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

1. Der Zulässigkeit der Beschwerde steht entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers § 99 Abs.1 ZPO nicht entgegen.

Die Vorschrift gilt für alle mit einem Rechtsmittel (Berufung, Revision, Beschwerde) anfechtbaren richterlichen Entscheidungen und sowohl für Urteile als auch für Beschlüsse (Zöller-Herget, ZPO, 30. Aufl. Rn. 2, 3 zu § 99). § 99 Abs.1 ZPO schließt in der Regel jede Anfechtung der Entscheidung im Kostenpunkt aus, die nicht in Verbindung mit einem Rechtsmittel in der Hauptsache erfolgt.

Der Zulässigkeit der Beschwerde steht nicht entgegen, dass gegen die Abhilfeentscheidung kein Rechtsmittel statthaft wäre. Zwar hat der uneingeschränkte Abhilfebeschluss die Beschwer des Antragstellers beseitigt, so dass der Beschluss für ihn unanfechtbar ist. Die Antragsgegner waren durch die Abhilfeentscheidung jedoch beschwert und konnten hiergegen Beschwerde einlegen (Zöller-Heßler a.a.O. Rn. 15).

Nach dem Sinn und Zweck der Rechtsmittelsperre des § 99 Abs.1 ZPO, die verhindern soll, dass das Gericht bei der Überprüfung der Kostenentscheidung erneut die Hauptsache beurteilen muss, ist neben der Statthaftigkeit eines Rechtsmittels weitere Voraussetzung, dass ein solches zur Hauptsache zulässig eingelegt worden ist (dieses würde auch die zugehörige Kostenentscheidung ergreifen).

Wird ein Rechtsmittel in der Hauptsache uneingeschränkt eingelegt, darf dessen Zulässigkeit nicht mit der Erwägung angezweifelt werden, dem Rechtsmittelführer gehe es mit dem zur Hauptsache eingelegten Rechtsmittel in Wahrheit nur darum, eine Korrektur der Kostenentscheidung zu ermöglichen (BGH JR 1976, 246; Zöller-Herget, ZPO, a.a.O. Rn.4).

Vorliegend haben die Antragsgegner zu 1. bis 4. die Beschwerde mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 26.11.2013 indes ausdrücklich nur gegen Ziff. V des Abhilfebeschlusses vom 21.11.2013 und damit gegen die Kostenentscheidung eingelegt, weshalb es sich um eine isolierte Beschwerde gegen den Kostenpunkt handelt, die eigentlich nach § 99 Abs.1 ZPO unzulässig wäre.

2. In der Rechtsprechung und Kommentarliteratur sind jedoch Ausnahmen anerkannt (vgl. hierzu Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl. Rn. 1 zu § 99), die den Anwendungsbereich des § 99 Abs.1 ZPO einschränken.

Über die im Gesetz - etwa für das Anerkenntnisurteil, die Entscheidung über die Kosten nach Erledigung der Hauptsache, den Kostenbeschluss nach Klagerücknahme - geregelten Ausnahmen hinaus gelangt § 99 Abs.1 ZPO nach einer in der obergerichtlichen Rechtsprechung verbreiteten und vom Senat geteilten Auffassung auch dann nicht zur Anwendung, wenn eine Kostenentscheidung in der angefochtenen Entscheidung überhaupt nicht hätte ergehen dürfen (OLG Karlsruhe FamRZ 2003, 943; OLG Düsseldorf MDR 1990, 832; OLG Frankfurt NJW 1975, 742; OLG Dresden FamRZ 2000, 34; OLG Stuttgart NJW 1963, 1015; Stein/Jonas a.a.O. Rn. 4 zu § 99). So verhält es sich im zu beurteilenden Fall:

Im rechtlichen Ansatz zutreffend stellt das Landgericht fest, dass in Fällen, in denen das Erstgericht einer Beschwerde - wie hier - in vollem Umfang abhilft und die Beschwerde sich damit erledigt, das Gericht grundsätzlich über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden hat (Zöller-Heßler a.a.O. Rn. 15 zu § 572). Richtig ist allerdings auch, dass eine Kostenentscheidung zu unterbleiben hat, wo außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind (z.B. bei Beschwerden im Prozesskostenhilfeverfahren). Eine Kostenentscheidung darf ferner dann nicht ergehen, wenn die Ausgangsentscheidung keine Kostenentscheidung enthalten durfte (Stein/Jonas/Jacobs, a.a.O. Rn. 48 zu § 572 mwN; Musielak-Ball, ZPO, 10. Aufl. Rn. 24 zu § 572). In diesen Fällen sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens ebenfalls Teil der Kosten des Rechtsstreits, die nach §§ 91 ff. ZPO der in der Hauptsache unterlegenen Partei aufzuerlegen sind, mag diese auch im Beschwerdeverfahren obsiegt haben (Mü-Ko-Lipp, ZPO, 4. Aufl. Rn. 40 zu § 572; Musielak a.a.O.; Stein/Jonas a.a.O.).

Im selbständigen Beweisverfahren nach §§ 485 f. ZPO ergeht in der Regel keine Kostenentscheidung. Denn die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens gehören zu den Kosten des Rechtsstreits und die Kostenlast richtet sich nach der Kostenentscheidung im Hauptverfahren, wenn Letzteres durch ein Urteil abgeschlossen wird (Mü-Ko-Schulz, a.a.O. Rn. 25 zu § 91; Musielak-Lackmann, a.a.O. Rn. 65 zu § 91).

Raum für eine isolierte Kostenentscheidung besteht im selbständigen Beweisverfahren nur, wenn kein Hauptsacheprozess durchgeführt wird, z.B. weil der Antragsteller nicht in einer gemäß § 494 a Abs.1 ZPO bestimmten Frist Klage erhebt. Dann sind ihm nach § 494 a Abs.2 S.1 ZPO die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen.

Rechtsprechung und Schrifttum gehen davon aus, dass eine Kostenentscheidung im selbständigen Beweisverfahren in entsprechender Anwendung von § 91 Abs.1 ZPO auch dann zu treffen ist, wenn der Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens als unzulässig zurückgewiesen oder (dann in entsprechender Anwendung von § 269 Abs.3 S.2 ZPO), wenn er zurückgenommen wird und es deshalb weder einen Hauptsacheprozess gibt, in dem über die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens entschieden werden kann, noch die Möglichkeit einer Kostenentscheidung nach § 494 a Abs.2 ZPO eröffnet ist (BGH MDR 1983, 204; OLG Celle NJW-RR 2010, 1676, 1677; OLG Koblenz MDR 2000, 478; OLG Karlsruhe MDR 2000, 975, 976; Zöller-Herget, ZPO, 30. Aufl. Rn. 13 zu § 91 Stichwort: selbständiges Beweisverfahren mwN; Mü-Ko-Schulz a.a.O.; für Fälle der Antragsrücknahme vgl. BGH MDR 2005, 227).

Der Streitfall weist, was das Landgericht nicht hinreichend bedacht hat, die Besonderheit auf, dass der Antrag des Antragstellers nicht etwa vollständig, sondern nur teilweise zurückgewiesen wurde.

Eine „Teilkostenentscheidung“ wäre in dem selbständigen Beweisverfahren jedoch nicht zulässig, da die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens wie dargelegt zu denen des anschließenden Hauptsacheverfahrens gehören, auch wenn den Anträgen des Antragstellers zunächst nicht vollumfänglich entsprochen wurde. Im Übrigen stünde einer „Teilkostenentscheidung“ der Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung entgegen.

Bei der Regelung in § 494 a Abs.2 ZPO und der von Judikatur und Literatur bei vollständiger Zurückweisung oder Zurücknahme des Antrages befürworteten entsprechenden Anwendung des § 91 Abs.1 bzw. § 269 Abs.3 S.2 ZPO handelt es sich nämlich um Ausnahmen, die ihre Rechtfertigung darin finden, dass ein Hauptsacheverfahren nicht mehr stattfindet (wie hier für die teilweise Antragsrücknahme OLG Stuttgart NJW-RR 2010, 1679; OLG Koblenz NJOZ 2006, 395).

Da im zu entscheidenden Fall mit einem Hauptsacheverfahren noch zu rechnen ist, hatte eine Kostenentscheidung zu unterbleiben.

Die Kostenbeschwer des § 567 Abs.2 ZPO von mehr als 200 EUR ist nach den im Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers vom 6.12.2013 angestellten Berechnungen (GA 229, 230) ebenfalls erreicht.

Da ein von der Rechtsprechung anerkannter Ausnahmefall von § 99 Abs.1 ZPO vorliegt, eine isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung mithin zulässig und die Beschwerde auch begründet ist, war der Abhilfebeschluss auf die (sofortige) Beschwerde der Antragsgegner zu 1. bis 4. im Kostenpunkt aufzuheben.

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