Beschluss vom Oberlandesgericht Stuttgart - 8 W 253/02

Tenor

1. Die Beschwerde des Beteiligten 6 gegen den Beschluss des Landgerichts Rottweil vom 23.4.2002 wird zurückgewiesen.

2. Der Beteiligte 6 trägt die gerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und hat den anderen Beteiligten deren im Rechtsbeschwerdeverfahren angefallenen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens: bis 30.000 EUR

Gründe

 
I.
1. Die Beteiligten sind sich uneins darüber, wer Erbe der am 6.1.2000 verstorbenen Erblasserin geworden ist. Die Beteiligten 1 und 2 sehen sich als Ersatzerben der vor der Erblasserin verstorbenen Tochter zur Erbschaft berufen, die Beteiligten 3 und 4 halten sich als gesetzliche Erben für erbberechtigt und die Beteiligten 5 und 6 leiten ihr Erbrecht aus einem Nottestament vom 26.12.1999 her. Das Notariat Freudenstadt hat als Nachlassgericht nach einigen Abklärungen mit Vorbescheid vom 19.7.00 angekündigt, einen Erbschein zu Gunsten der Beteiligten 5 und 6 ausstellen zu wollen. Das Landgericht Rottweil hat diesen Beschluss (zuletzt erneut) mit Beschluss vom 17.4.2003 aufgehoben; über die weiteren Beschwerden der Beteiligten 5 und 6, mit denen die Wiederherstellung des Beschlusses des Notariats vom 19.7.2000 verfolgt wird, hat der Senat noch nicht entschieden.
Mit Beschluss vom 15.11.2001 hat das Notariat Freudenstadt Nachlasspflegschaft für den Nachlass der Erblasserin angeordnet und den Beteiligten 7 zum Nachlasspfleger bestellt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beteiligten 6 hat das Landgericht Rottweil mit Beschluss vom 23.4.02 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Anordnung der Nachlasspflegschaft sei gerechtfertigt, weil noch nicht feststehe, wer Erbe des Nachlasses der Erblasserin sei. Außerdem bedürfe es der Nachlasspflegschaft, da zum Nachlass mehrere Hausgrundstücke und auch erhebliches Geldvermögen gehörten und dieses Vermögen durch eine neutrale Person verwaltet werden müsse.
2. Mit seiner weiteren Beschwerde verfolgt der Beteiligte 6 weiterhin sein Interesse an der Beseitigung der Nachlasspflegschaft. Er hält die Entscheidung des Landgerichts für rechtsfehlerhaft.
Das Landgericht habe - wie schon das Notariat - verkannt, dass die Anordnung einer Nachlasspflegschaft nicht mehr möglich sei, wenn der Erbe bekannt sei. Dies sei schon der Fall, wenn er mit hoher Wahrscheinlichkeit feststehe. Hiervon aber sei das Notariat bei seinem Vorbescheid vom 19.7.00 mit der Inaussichtstellung der Erteilung des Erbscheins an die Beteiligten 5 und 6 ausgegangen und hieran sei das Notariat gebunden, da es seinen Vorbescheid selbst nicht mehr abändern könne; dieser Vorbescheid sei bisher auch nicht rechtskräftig beseitigt. Außerdem schieden die Beteiligten 1 und 2 als Erbanwärter aus. Denn die Ersatzerbfolgeregelung des Ehe- und Erbvertrags der Erblasserin vom 13.5.52, aus der sie ihr Recht als Ersatzerben der (vorverstorbenen) Tochter der Erblasserin herleiteten, sei durch nachträgliches Testament der Erblasserin vom 29.9.1985 beseitigt worden. Damit fehle diesen Beteiligten aber auch das Recht, Nachlasspflegschaft zu beantragen. Das Notariat habe deshalb deren Antrag auf Anordnung einer Nachlasspflegschaft fälschlicherweise entsprochen.
Der Beschluss leide auch daran, dass das Landgericht diese schon im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Argumente unbeachtet gelassen und sich mit ihnen nicht auseinandergesetzt habe. Hierin liege ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör.
Die Beteiligten 1 und 2 sind der weiteren Beschwerde entgegengetreten. Die anderen Beteiligten haben sich im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr geäußert.
II.
Die weitere Beschwerde des Beteiligten 6 ist als Rechtsbeschwerde zulässig (§§ 75, 27 FGG). Sie hat jedoch keinen Erfolg, da die Entscheidung der Vorinstanz nicht auf einem Rechtsfehler beruht.
Das Landgericht hat die vom Notariat als Nachlassgericht am 15.11.2001 angeordnete Nachlasspflegschaft zu Recht nicht beanstandet. Es liegen die tatsächlichen Voraussetzungen sowohl einer Anordnung nach § 1960 Abs. 1 Satz 2 BGB (Erbe unbekannt) als auch die des § 1960 Absatz 1 Satz 1 BGB (Bedürfnis für eine Pflegschaft) vor.
Soweit der Beschwerdeführer meint, das Nachlassgericht sei schon deshalb nicht mehr berechtigt gewesen, in Frage zu stellen, dass die Beteiligten 5 und 6 Erben geworden seien, weil es sich mit der Ankündigung eines Erbscheins zu Gunsten der Beteiligten 5 und 6 im Vorbescheid vom 19.7.2000 gebunden habe, ist dem nicht zu folgen. Die Bindung des Nachlassgerichts reicht nicht weiter als der Tenor der Entscheidung. Richtig ist zwar, dass das Nachlassgericht, nachdem es der Beschwerde der Beteiligten 1 und 2 gegen den Vorbescheid nicht abhalf (Beschluss vom 14.8.00, Bl. 89 der Akte des Nachlassgerichts), selbst die rechtliche Möglichkeit zur Änderung des Vorbescheids verloren hat. Jedoch blieb es ungebunden, nachträglich Zweifel an der Richtigkeit der jener Entscheidung zu Grunde gelegten Feststellungen zu entwickeln, und dies bei anderen Entscheidungen zu berücksichtigen. Der Vorbescheid vom 19.7.2000 steht daher der späteren Feststellung des Nachlassrichters, die Erbenstellung sei noch nicht geklärt, rechtlich nicht entgegen.
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Die Feststellung, es sei noch nicht bekannt, wer Erbe des Nachlasses der Erblasserin ist, ist auch unter Berücksichtigung des Vortrags im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht zu beanstanden. Selbst wenn man zu Gunsten des Beschwerdeführers unterstellen würde, dass die Beteiligten 1 und 2 als Erben nicht in Betracht kommen, bliebe zweifelhaft, ob die Beteiligten 5 und 6 Erben geworden sind. Ihr Erbrecht ist aus dem Nottestament der Erblasserin vom 26.12.1999 abgeleitet. Dessen Gültigkeit aber hat das Landgericht Rottweil im Beschluss vom 19.3.01 und nach Aufhebung dieser Entscheidung durch das Oberlandesgericht und Rückverweisung zur erneuten Behandlung und Entscheidung nach weiterer Beweisaufnahme mit Beschluss vom 17.4.03 erneut verneint. Über die weitere Beschwerde gegen diese Entscheidung hat der Senat noch nicht entschieden. Unter solchen Umständen ist es nicht rechtsfehlerhaft, die Erbenstellung der Beteiligten 5 und 6 als noch nicht gesichert anzusehen.
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Darüber hinaus hat das Nachlassgericht (Nichtabhilfebeschluss vom 2.1.02, Bl 21) - und ihm folgend das Landgericht - auch angenommen, dass es zum Schutz des Nachlasses der Pflegschaft bedürfe (§ 1960 Absatz 1 Satz 1 BGB). Der zumindest aus mehreren Hausgrundstücken und erheblichem Geldvermögen bestehende Nachlass bedarf der Betreuung bis zur Klärung der Erbenstellung. Dass der Notar für diese Aufgabe einen unbeteiligten Dritten herangezogen hat, ist sachgerecht. Dem steht nicht entgegen, dass der Beteiligte 6 in dem Nottestament als Testamentsvollstrecker eingesetzt ist. Denn dieses Amt ist wie die Erbenstellung des Beteiligten 6 von der strittigen Gültigkeit des Nottestaments abhängig.
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Für den Bestand der Pflegschaftsanordnung ist schließlich auch nicht von Bedeutung, ob die Beteiligten 1 und 2, die die Anordnung einer Nachlasspflegschaft beantragt hatten, als Erbberechtigte in Betracht kommen. Denn die Entscheidung über die Anordnung einer Nachlasspflegschaft erfolgt (von der hier nicht vorliegenden Ausnahme des § 1961 BGB abgesehen) von Amts wegen. Anträgen kommt nur die Bedeutung einer Anregung zu.
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Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlagen in § 131 Abs.1 Nr.1 KostO, 13a Abs. 1 Satz 2 FGG.

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