Auf die Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss der Berufungsstrafkammer des Landgerichts Stuttgart vom 19. Februar 2004 dahin
dass Besuche der Ehefrau – nach vorheriger optischer Kontrolle ihrer Mundhöhle – nur unter optischer und akustischer Überwachung zugelassen werden.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers trägt die Staatskasse.
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Mit der angefochtenen Entscheidung hat die Berufungsstrafkammer auf Antrag der Staatsanwaltschaft, einer Anregung des Leiters der Justizvollzugsanstalt folgend, angeordnet, dass Besuche der Ehefrau des Angeklagten einschließlich des (im November 2003 geborenen) Kindes nur unter optischer und akustischer Überwachung sowie mit Trennscheibe stattfinden dürfen.
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Die dagegen gerichtete zulässige Beschwerde hat Erfolg.
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Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass der Verdacht besteht, dass die Ehefrau dem Beschwerdeführer am 21. oder 25. August 2003 bei einem Kuss ein Stück Haschisch übergab.
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Diesen Verdacht entnimmt der Senat nicht (allein) dem Inhalt des aufschneiderischen Briefs, den der Zeuge A. – früherer Zellengenosse des Beschwerdeführers – am 15. September 2003 an seinen Vater richtete, sondern insbesondere der polizeilichen Vernehmung dieses Zeugen vom 8. Oktober 2003, in welcher der Zeuge nahezu alle (offensichtlich stark übertreibenden) Behauptungen, die er aufgestellt hatte, jedenfalls stark relativierte, bei der er aber detailliert beschreibt, wie das Stück Haschisch ausgesehen haben soll, das er beim Angeklagten gesehen haben will. Dem Zeugen gegenüber soll der Beschwerdeführer gesagt haben, er habe das Haschisch "von der Größe einer Murmel" während eines Kusses von seiner damaligen Freundin und jetzigen Ehefrau bekommen.
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Dass der Zeuge das Haschisch, das er gesehen haben will, als "piece" bezeichnete und erklärte, er wisse, wie "piece" aussieht und riecht, zeigt, dass er nicht weiß, dass "piece" englisch ist und "Stück" bedeutet. Es belegt zudem, dass er von Betäubungsmitteln – jedenfalls von Haschisch – wenig Ahnung hat. Umso glaubwürdiger ist seine Aussage, bei der er eine realistische Beschreibung des angeblich gesehenen Stückchens Haschisch und der Art seiner Zerkleinerung durch den Angeklagten gab.
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Die Besuchsüberwachung (§ 119 Abs. 3 StPO, Nr. 27 UVollzO) erstreckt sich auf den Inhalt der geführten Gespräche und die Aushändigung mitgebrachter Gegenstände. Ehegattenbesuche von Untersuchungsgefangenen unterfallen dem besonderen Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG (Boujong in Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Auflage, § 119 Rdnr. 23 m. w. N.).
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Die einzelnen Überwachungsmaßnahmen richten sich nach der Art der Gefahren, die abgewendet werden sollen. Auch die körperliche Untersuchung der Besucher ist zulässig ebenso wie die Anordnung, dass Besuche in einem mit einer Trennscheibe versehenen Raum stattzufinden haben, und zwar auch dann, wenn weder der Haftbefehl auf § 129 a StGB gestützt ist noch die Untersuchung sich auf eine solche Tat erstreckt (a. a. O. Rdnr. 26).
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Je schwerwiegender die Bedrohung für das geschützte Rechtsgut ist, desto gravierendere Überwachungsmaßnahmen werden im Einzelfall zulässig und geboten sein.
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Vorliegend ist schon der Verdachtsgrad, wie aufgezeigt, nicht allzu hoch, berücksichtigt man, wie viele offensichtliche Unwahrheiten der Zeuge A. in seinem Brief aufführt. Schon das Vorliegen eines nur geringen Verdachtsgrads kann die Anwendung eines milderen, weniger effizienteren Mittels nahe legen, da Eingriffe konkrete Anhaltspunkte, das heißt, eine reale Gefährdung im konkreten Fall verlangen (OLG Celle, NStZ 1981, 196).
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Jedenfalls aber geht von der Übergabe eines Stückchens Haschisch an einen Konsumenten wie vorliegend keine besonders hohe Gefahr für die Ordnung in der Anstalt aus. Cannabis gehört zu den sogenannten "weichen Drogen", wovon eine geringere Suchtgefahr ausgeht. In der Größenordnung, in der Haschisch trotz eines kontrollierenden Blicks in den Mund der Besucherin heimlich in die Besuchsräume mitgenommen und unter optischer und akustischer Überwachung übergeben werden kann, wird bei einem Konsumenten wie dem Beschwerdeführer in der Regel zudem zum Eigenkonsum verwendet werden, weshalb vorliegend auch die – von der Anstaltsleitung geltend gemachte – Gefahr des Handeltreibens innerhalb der Anstalt durch den Beschwerdeführer als eher gering erscheint, zumal der Angeklagte nicht wegen Handeltreibens, sondern wegen Betäubungsmittelbesitzes verurteilt wurde.
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Nach der vorliegend vorzunehmenden Rechtsgüterabwägung ist der nach dem generellen Besuchsverbot schwerwiegendste Eingriff der Trennscheibenanordnung deshalb nicht zulässig.
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Die Beschwerde hat danach in vollem Umfang Erfolg.
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