Urteil vom Oberlandesgericht Stuttgart - 2 U 38/05

Tenor

1. Die Berufung des Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 17. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 04.02.2005 wird zurückgewiesen.

2. Der Verfügungsbeklagte trägt die Kosten der Berufung.

Streitwert: 20.000,-- EUR.

Gründe

I. Die Verfügungsklägerin erwirkte gegen den Verfügungsbeklagten eine Beschlussverfügung des Landgerichts Stuttgart vom 17.12.2004, mit der dieser verpflichtet wurde, es zu unterlassen, auf seinem Briefkopf oder in den sonstigen Verlautbarungen seiner Kanzlei, die Herren A G und G S aufzuführen. Auf den Widerspruch des Verfügungsbeklagten hat der Einzelrichter der 17. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart diese Beschlussverfügung mit Urteil vom 04.02.2005 bestätigt. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass der Verfügungsklägerin ein Unterlassungsanspruch nach §§ 8; 4 Nr. 11; 3 UWG zustehe, weil die Herren G und S nicht mehr zugelassene Anwälte i. S. d. § 59 a BRAO seien und gem. §§ 43, 43 b BRAO i. V. m. § 10 Abs. 4 BORA im Anwaltsbriefkopf grundsätzlich nur zugelassene Rechtsanwälte oder Personen, deren Zusammenarbeit ausdrücklich in § 59 a BRAO erwähnt sei, geführt werden dürften. Allein die Angabe des Enddatums der Tätigkeit der Herren G und S reiche für den Ausschluss einer Täuschung des Verkehrs nicht aus. Denn der Verfügungsbeklagte spiegele durch seine Gestaltung des Briefkopfs dem Verkehr vor, dass zwischen ihm und den beiden Herren sowie auch möglicherweise zwischen diesen beiden früher eine Anwaltssozietät bestanden habe, was tatsächlich nicht der Fall gewesen sei.
Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung bringt der Verfügungsbeklagte vor, dass ein Verstoß gegen § 10 Nr. 4 BORA (i. V. m. § 4 Nr. 11 UWG) nicht vorliege, weil die Herren G und S aus der Kanzlei, deren Inhaber er heute sei, ausgeschieden seien. Durch die Gestaltung des Briefkopfs werde nicht der Eindruck erweckt, zwischen ihm und den beiden Herren habe zu irgendeinem Zeitpunkt eine Sozietät oder eine Form gemeinsamer Berufsausübung bestanden. Im Übrigen sei eine etwaige Fehlvorstellung einzelner Rechtssuchender auch wettbewerblich nicht relevant.
Der Verfügungsbeklagte beantragt:
1. Das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.02.2005 wird abgeändert.
2. Die durch Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 17.12.2004 erlassene einstweilige Verfügung wird aufgehoben. Der Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
Die Verfügungsklägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
und verteidigt das angefochtene Urteil als richtig.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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II. Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
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1. Der Verfügungsbeklagte hat gegen § 10 Abs. 4 BORA verstoßen und somit einer gesetzlichen Vorschrift zuwidergehandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, § 4 Nr. 11 UWG.
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a) §§ 8 - 10 BORA, durch die die Regelung des § 43 b BRAO ausgestaltet wird, sind gesetzliche Vorschriften i. S. v. § 4 Nr. 11 UWG, die dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.
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b) Gemäß § 10 Abs. 4 BORA können ausgeschiedene Kanzleiinhaber, Gesellschafter, Angestellte oder freie Mitarbeiter auf den Briefbögen einer Rechtsanwaltskanzlei nur weitergeführt werden, wenn ihr Ausscheiden kenntlich gemacht wird. Voraussetzung für die Fortführung eines Rechtsanwaltes auf dem anwaltlichen Briefbogen ist somit zum einen, dass er in dieser Kanzlei in einer der in § 10 Abs. 4 BORA genannten Funktionen tätig gewesen ist, da nur dann ein „Ausscheiden“ im Sinne der Bestimmung vorliegen kann; und zum anderen, dass sein Ausscheiden im Briefkopf kenntlich gemacht wird.
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Die Anhörung der Parteien in der Sitzung vom 21.07.2005 hat ergeben, dass die Herren G und S nicht in der Kanzlei tätig gewesen sind, die der Verfügungsbeklagte betreibt. Es handelt sich vielmehr um zwei unterschiedliche Kanzleien. Ein „Ausscheiden“ i. S. v. § 10 Abs. 4 BORA aus der vom Verfügungsbeklagten betriebenen Kanzlei liegt daher nicht vor.
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Unstreitig wurde die Zulassung als Rechtsanwalt Herrn S im Oktober 1998, Herrn G im Juni 2004 entzogen. Nachdem Herrn G die Zulassung entzogen worden war, wurde zunächst Rechtsanwalt K als Abwickler bestellt.
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In der mündlichen Verhandlung vom 21.07.2005 hat der Vertreter der Klägerin, Rechtsanwalt B , erklärt, die zunächst angeordnete Abwicklung der Kanzlei G sei von der Verfügungsklägerin aufgehoben worden, weil Herr G mitgeteilt habe, dass Rechtsanwalt K 98 % der Mandate der früheren Kanzlei G übernommen habe. Rechtsanwalt K habe diese Mandate nicht in den Räumen der Kanzlei G , sondern in den Räumen seiner eigenen Kanzlei in der Marienstraße betreut. Der Verfügungsbeklagte hat diesen Vortrag in der mündlichen Verhandlung nicht bestritten.
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Unter Zugrundelegung dieses Sachvortrags ergibt sich aber, dass der Bestand und Betrieb der Kanzlei G spätestens in dem Moment endete, als nach Anordnung der Abwicklung Rechtsanwalt K nahezu die gesamten Mandate der Kanzlei übernahm und in seiner eigenen Kanzlei weiterbetreute. Bei der Kanzlei, die der Verfügungsbeklagte später in den früheren Räumen der Kanzlei G eröffnete, handelt es sich daher um eine von der nicht mehr bestehenden Kanzlei G zu unterscheidende, neu gegründete Rechtsanwaltskanzlei. Die Kontinuität der Kanzlei G wurde daher durch die Übernahme der Mandate in die Rechtsanwaltskanzlei K endgültig unterbrochen und durch die spätere Übertragung des Mandantenstammes durch Rechtsanwalt K auf den Verfügungsbeklagten nicht mehr fortgesetzt. Die heute nicht mehr zugelassenen Rechtsanwälte G und S sind somit nicht aus der Kanzlei, die der Verfügungsbeklagte betreibt, ausgeschieden und dürfen daher auch nicht in deren Briefkopf als ausgeschiedene Kanzleiinhaber oder Gesellschafter fortgeführt werden, und zwar auch dann nicht, wenn der Verfügungsbeklagte das Enddatum ihrer Tätigkeit angibt.
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2. Dieser Verstoß gegen §§ 4 Nr. 11 UWG, 10 Abs. 4 BORA ist auch geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber und Verbraucher (Rechtssuchenden) nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen, § 3 UWG.
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Es besteht die nicht unerhebliche Gefahr, dass insbesondere Rechtssuchende, die nur wenig Kontakt mit Rechtsanwälten haben und daher auch die Gepflogenheiten der Gestaltung anwaltlicher Briefköpfe nicht kennen, aufgrund der Briefkopfgestaltung des Verfügungsbeklagten den falschen Eindruck gewinnen, es handele sich bei der Kanzlei, die der Verfügungsbeklagte heute betreibt, um dieselbe Kanzlei, in der früher die Herren S und G tätig gewesen sind, so dass diese Kanzlei eine gewisse Tradition aufweise. Dieser den Tatsachen nicht entsprechende Eindruck kann eine nicht unerhebliche Zahl von Rechtssuchenden dazu verleiten, im Vertrauen auf eine entsprechende Tradition der Kanzlei gerade diese aufzusuchen und den Verfügungsbeklagten mit entsprechenden Mandaten zu betreuen. Es besteht somit die Gefahr, dass der Wettbewerb durch eine Fehlvorstellung, die der Verfügungsbeklagte bei den Rechtssuchenden hervorruft, zum Nachteil anderer Rechtsanwälte, die sich an die Regelung des § 10 Abs. 4 BORA halten, verzerrt wird. Gegenüber dem Interesse der Rechtssuchenden, vor derartigen Fehlvorstellungen geschützt zu werden, und dem Interesse der Mitbewerber an der Vermeidung einer solchen Wettbewerbsverzerrung hat das Interesse des Verfügungsbeklagten, mit den Namen G und S zu werben, zurückzutreten. Ein legitimes Interesse eines Rechtsanwaltes, mit einer Tradition seiner Kanzlei und daher auch mit dem Namen früherer Kanzleiinhaber oder -gesellschafter zu werben, ist nur dann anzuerkennen, wenn eine solche Tradition wirklich besteht, nicht aber dann, wenn es sich bei seiner Kanzlei tatsächlich um eine Neugründung handelt.
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3. Aus den genannten Gründen handelt es sich bei der Nennung der beiden Herren im Briefkopf des Verfügungsbeklagten auch um eine in wettbewerbsrelevanter Weise irreführende Werbung, so dass auch ein Verstoß gegen §§ 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3; 3 UWG. vorliegt.
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4. Aus diesen Gründen ist ein Verfügungsanspruch auf Unterlassung nach § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG gegeben. Dass ein Verfügungsgrund vorliegt, hat der Verfügungsbeklagte nicht widerlegt, § 12 Abs. 2 UWG.
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Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung daher zu Recht erlassen, so dass die Berufung zurückzuweisen war.
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III. Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangene Schriftsatz des Verfügungsbeklagten vom 03.08.2005 war gem. § 296 a ZPO nicht zu berücksichtigen. Er bot keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, § 156 ZPO, nachdem der Verfügungsbeklagte in der mündlichen Verhandlung Gelegenheit hatte, den Vortrag der Gegenseite zumindest zu bestreiten und, soweit er sich zu weiteren Einzelheiten nicht sofort erklären konnte, ein Schriftsatzrecht nach § 283 ZPO zu beantragen.
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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

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