Beschluss vom Oberlandesgericht Stuttgart - 8 AR 42/06

Tenor

Für das Adoptionsverfahren ist das Amtsgericht Aalen - Vormundschaftsgericht - örtlich zuständig.

Gründe

 
I.
Der nach seinen Angaben am ... August 1988 in O. S. geborene Anzunehmende ist nigerianischer Staatsangehöriger und reiste am 14. oder 16. Februar 2004 in das Bundesgebiet ein. Seine Klage vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart auf Anerkennung als Asylberechtigter, Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG, hilfsweise des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG wurde durch Urteil vom 21. April 2006 abgewiesen. Der Anzunehmende ist ausreisepflichtig, die Abschiebung ist derzeit ausgesetzt (Duldung).
Er ist in der staatlichen Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge in Aalen seit 4. März 2004 aufgenommen, hat sich dort bis Juni 2004 ständig aufgehalten und lebt seitdem überwiegend bei der Familie der Annehmenden.
Am 16. August 2006 ging beim Amtsgericht Aalen - Vormundschaftsgericht - ein notariell beurkundeter Adoptionsantrag ein, mit dem der Ausspruch der Annahme des Anzunehmenden durch die Annehmenden beantragt wurde. Mit Beschluss vom 22. August 2006 hat das Amtsgericht Aalen das Adoptionsverfahren an das Amtsgericht Stuttgart - Vormundschaftsgericht - wegen des vorhandenen Auslandsbezugs als "Konzentrationsgericht" abgegeben.
Dieses hat im Hinblick auf die mittlerweile eingetretene Volljährigkeit des Anzunehmenden einen erneuten notariell beurkundeten Adoptionsantrag (§ 1768 BGB) angefordert, der am 13. Oktober 2006 beurkundet und am 16. Oktober 2006 eingereicht wurde. Nach entsprechendem Hinweis mit Verfügung vom 24. Oktober 2006 hat sich das Amtsgericht Stuttgart mit Beschluss vom 6. November 2006 für unzuständig erklärt und das Verfahren zur Zuständigkeitsbestimmung gem. § 5 FGG dem Oberlandesgericht Stuttgart vorgelegt.
II.
1. Das Oberlandesgericht Stuttgart ist als gemeinsames nächsthöheres Gericht gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 FGG zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreites berufen, weil die Amtsgerichte Aalen und Stuttgart zu verschiedenen Landgerichtsbezirken innerhalb des OLG-Bezirks gehören und beide Amtsgerichte sich in der Adoptionssache als unzuständig erachten (Sternal in Keidel/Kuntze/Winkler, FG, 15. Aufl. 2003/2005, § 5 Rdnr. 38).
2. Örtlich zuständig für das Adoptionsverfahren ist gem. § 43b Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 FGG das Amtsgericht Aalen. Denn in dessen Bezirk befindet sich der Wohnsitz der beiden Annehmenden.
Eine Zuständigkeit des Amtsgerichtes Stuttgart als "Konzentrationsgericht" gem. § 43b Abs. 2 Satz 2 FGG ist nicht gegeben, weil sich diese Zuständigkeitszuweisung nicht auf die Annahme Volljähriger erstreckt:
a. Der Anwendungsbereich des § 43b Abs. 2 Satz 2 FGG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 des Adoptionswirkungsgesetzes vom 5. November 2001 (BGBl Teil I 2001, Bd. 3, Seite 2950, 2953) wird in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte bezüglich der Adoption von Volljährigen unterschiedlich behandelt (Schleswig-Holsteinisches OLG FamRZ 2006, 1462; OLG Köln FGPrax 2006, 211). Das Schleswig-Holsteinische OLG beschränkt die vorgenannte Konzentrationsvorschrift auf Anzunehmende, die zur Zeit der Annahme noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet haben, während das OLG Köln diese Einschränkung nicht vornimmt.
b. Der Senat folgt der vom Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht vertretenen Rechtsmeinung.
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Die Einfügung von Satz 2 in § 43b Abs. 2 FGG erfolgte durch Gesetz zur Regelung von Rechtsfragen auf dem Gebiet der internationalen Adoption und zur Weiterentwicklung des Adoptionsvermittlungsrechts vom 5.11.2001 (BGBl. I, 2950). Dieses Gesetz umfasst das Gesetz zur Ausführung des Haager Übereinkommens vom 29.5.1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption (AdÜbAG), das Gesetz über Wirkungen der Annahme als Kind nach ausländischem Recht (AdWirkG), Änderungen des Adoptionsvermittlungsgesetzes und in Art. 4 damit zusammenhängende Änderungen sonstigen Bundesrechts, u. a. unter Abs. 2 die Einführung des § 43b Abs. 2 Satz 2 FGG. Das Haager Übereinkommen und das AdWirkG betreffen ausschließlich die Minderjährigenadoption (Art. 3 des Haager Abkommens; § 1 AdWirkG). Zentrales Anliegen des Haager Übereinkommens ist die Gewährleistung größtmöglichen Schutzes der betroffenen Minderjährigen. Dem dient auch die Konzentration der Zuständigkeit auf die den örtlichen Vormundschaftsgerichten übergeordneten Oberlandesgerichte; damit soll die Fachkompetenz der zuständigen Richter gestärkt werden (vgl. Steiger, Das neue Recht der internationalen Adoption und Adoptionsvermittlung, Bundesanzeiger Verlag, Teil A RN 302).
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Die Begründung zum Regierungsentwurf macht sichtbar, dass die Zuständigkeitskonzentration - dem auf den Minderjährigenschutz gerichteten Ziel des Haager Abkommens und des AdWirkG entsprechend - lediglich die Minderjährigenadoption bei Anwendung ausländischer Sachvorschriften erfassen sollte. Dort wird ausgeführt:
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Artikel 2 Abs. 2 beinhaltet eine Änderung des § 43b FGG. Der neue Satz 2 ... normiert für Fälle, in denen das Vormundschaftsgericht bei seiner Entscheidung ausländisches Adoptionsrecht anzuwenden hat, eine Zuständigkeitskonzentration. Da in diesen Fällen zugleich die Vorschriften des Adoptionswirkungsgesetzes zu beachten sind, wird die Zuständigkeit für das gesamte Verfahren dem nach § 5 Abs. 1 Satz 1 AdWirkG zuständigen Vormundschaftsgericht am Sitz des jeweiligen Oberlandesgerichts ....übertragen (zitiert nach Steiger, aaO, Teil B RN 743).
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Regelungsanlass war nach Darstellung von Steiger die Erstreckung des AdWirkG auf Fallgestaltungen, in denen die Adoption im Inland ausgesprochen wird, jedoch gemäß Art. 22 Abs. 1 EGBGB ausländischem Sachrecht unterliegt (Steiger aaO, RN 744). An die Erweiterung der Zuständigkeitskonzentration auf Erwachsenenadoptionen war danach nicht gedacht.
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Bei dieser Ausgangslage kann nach Auffassung des Senats (entgegen OLG Köln FGPrax 2006, 211) § 43b Abs. 2 Satz 2 FGG nicht als bloße Rechtsfolgenverweisung verstanden werden. Vielmehr ist die Verweisung dahin auszulegen, dass die Zuständigkeitskonzentration für Adoptionsverfahren gelten soll, die vom AdWirkG erfasst werden und bei denen ausländische Sachvorschriften zur Anwendung kommen. Dem entspricht auch der derzeit diskutierte Reformentwurf zum FamFG (dort §§ 197 und 207). Dieser sieht die hier strittige Zuständigkeitskonzentration ebenfalls nur für Fälle vor, die unter das AdWirkG fallen Die Begründung lässt nicht erkennen, dass der Verfasser hierin etwa eine Änderung der bisherigen Rechtslage sieht.
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c. Da hier aus den dargestellten Gründen kein Fall der Zuständigkeitskonzentration nach § 43b Abs. 2 Satz 2 FGG vorliegt, bedarf es keiner Entscheidung über die andere Frage, ob die Konzentrationswirkung gem. § 43b Abs. 2 Satz 2 FGG auch dann eingreift, wenn nach dem Adoptionsstatut deutsches Recht berufen ist, hinsichtlich eines etwaigen Zustimmungserfordernisses aber zusätzlich ausländisches Recht anzuwenden ist - wie vorliegend gem. Art. 22 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2, 14 Abs. 1 Nr. 1, 23 Satz 1 EGBGB (bejahend der Senat: OLG Stuttgart FamRZ 2004, 1124 m. w. N., sowie OLG Zweibrücken Rpfleger 2005, 256; BayObLG FGPrax 2005, 65; OLG Düsseldorf RNotZ 2006, 147; OLG Köln FGPrax 2006, 72; OLG Karlsruhe FamRZ 2006, 1464 unter Aufgabe von OLG Karlsruhe OLGR Karlsruhe 2004, 125; je m. w. N.; anderer Auffassung: OLG Hamm FamRZ 2003, 1042; Schleswig-Holsteinisches OLG FamRZ 2006, 1142; je m. w. N.).
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3. Im Hinblick auf die Abweichung von der Rechtsauffassung des OLG Köln kommt eine Vorlage an den Bundesgerichtshof nicht in Betracht, weil § 5 FGG im Gegensatz zu § 36 Abs. 3 ZPO eine Vorlage nicht vorsieht.

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