Urteil vom Oberlandesgericht Stuttgart - 5 U 60/10

Tenor

I. Das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 16. März 2010 (Az. 5 O 147/09) wird unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin über den erstinstanzlich zuerkannten und inzwischen bezahlten Betrag (insgesamt 10.721,30 EUR) weitere 5.157,56 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.12.2009 zu bezahlen.

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren Kosten, Schäden und Aufwendungen in vollem Umfang (Haftung zu 100 %) zu ersetzen, die der Klägerin aus der Verletzung des J.

(Name, Vorname, Geb.datum... etc.)

entstanden sind und noch entstehen werden.

3. Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag von den Anwaltskosten ihres Prozessbevollmächtigten für dessen außergerichtliche Tätigkeit in dieser Sache in Höhe von weiteren 285,60 EUR brutto freizustellen.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits der ersten Instanz und des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 6.567,56 EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
1. Die Parteien streiten um auf die Klägerin als gesetzliche Krankenversicherungsträgerin übergegangene Schadensersatzansprüche des bei ihr versicherten Kindes J... H..., das vom „Rasen-Traktor“ (kleiner Traktor mit Mäheinrichtung an der Unterseite zwischen Fahrersitz und Front) des Beklagten in die Schneidemesser des Mähwerks stürzte und schwer verletzt wurde.
Der am 2. September 2006 noch dreijährige J... H... (Geburtstag: ...) lebte gemeinsam mit seinem zwei Jahre älteren Bruder in A... (Ortsname) bei seinen Eltern. Das Nachbarhaus bewohnte der Beklagte mit seiner Ehefrau. Da die Eltern mit den Nachbarn befreundet waren, ließen sie die Kinder wiederholt zum Beklagten, den sie „Opa“ nannten. Am 02.09.2006 brachte J... H... (Vater des Geschädigten) seine beiden Söhne auf das ein Stück weiter weg gelegene, vom Beklagten bewirtschaftete größere Gartengrundstück, wo sie - wie bereits auch schon zuvor - beim Rasenmähen dabei sein sollten. J... H... entfernte sich sodann. In der Vergangenheit war den Eltern aufgefallen, dass der Beklagte Kinder auf der Motorhaube seines Traktors mitfahren („reiten“) ließ. Ob sie diese Art der Beförderung der Kinder dem Beklagten für die Zukunft untersagten, ist streitig. Jedenfalls montierte der Beklagte noch vor dem Unfall an das Heck des Traktors eine Holzplattform mit Sitz Rücken an Rücken mit dem Fahrer, auf der zwei Kinder ohne weiteres Platz nehmen und sich an den angebrachten Geländern nebst Griffen halten konnten (vgl. Lichtbild in Anlage B 9 des Beklagten). Der Beklagte setzte J... H... am 2.9.2006 allerdings nicht auf die Plattform, sondern auf die Motorhaube. In einer Linkskurve stürzte J... H... und geriet mit seinem linken Bein unter die rotierenden Messer. Er wurde schwer verletzt. Sehnen wurden durchtrennt, Gewebe und Muskeln bis zum Knochen zerstört. Der sofort notärztlich versorgte J... H... wurde mehrfach operiert. Er hat mehr als einen Monat in der Klinik bei stationärer Behandlung verbringen müssen. Heute geht es dem Kind gesundheitlich wieder recht gut.
Der Beklagte wurde durch Strafbefehl des Amtsgerichts Calw vom 26.02.2007 wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 35,00 EUR verurteilt (Beiakte AG Calw, Az. 2 Cs 19 Js 22793/06).
Auf die von der Klägerin für J... H... aufgewendeten Kosten hat die Haftpflichtversicherung des Beklagten - bis auf wenige streitige Positionen - die Hälfte bis zum Erlass des Urteils in erster Instanz bezahlt. Wegen der Aufstellung der Kosten und der erbrachten Zahlungen im Einzelnen wird auf Bl. 4 u. 5 des Urteils des Landgerichts Tübingen vom 16.03.2010 verwiesen.
Der Schriftverkehr betreffend die Regulierung wurde wie folgt abgewickelt:
Die Klägerin beauftragte die G -AG in Berlin mit der außergerichtlichen Geltendmachung der Aufwendungen für J... H... beim Beklagten als Schädiger. Dessen Haftpflichtversicherung, die W (Versicherungs) AG wurde wegen der Ansprüche angeschrieben, lehnte eine Regulierung zunächst aber rundweg ab. Nachdem der Beklagte daraufhin selbst zur Zahlung aufgefordert wurde (Schreiben vom 27.07.2007, Anl. K 3), teilte dessen seinerzeitige Anwältin K... der G... AG mit, dass sie Klage auf Deckungszusage gegen die Haftpflichtversicherung erhoben habe. Am 30.08.2007 erklärte die W...-Versicherung sodann gegenüber der G... AG (Anl. K 6), dass sie bereit sei, für den eingetretenen Schadensfall im Rahmen der Haftpflichtversicherung Versicherungsschutz zu gewähren. Die Anwälte des Geschädigten teilten am 07.11.2007 der G... AG mit, dass die W... durch Schreiben an sie vom 10.10.2007 Haftungseinwände nicht erhoben habe (Anl. K 7). In dem genannten Schreiben vom 10.10.2007, welches der G... AG durch die Anwälte des Geschädigten übersandt wurde, wurde Folgendes erklärt (Anl. K 7):
„... Wir sind bereit, den Schadenfall zu regulieren. Haftungseinwände werden unsererseits nicht erhoben...“
Unterzeichnet wurde das Schreiben von derselben Sachbearbeiterin, die bereits am 30.08.2007 (Anl. K 6) die G... AG angeschrieben hatte. Mit Nachricht vom 27.11.2007 (Anl. K 9) lehnte die W... Versicherung dann eine alleinige Haftung des Beklagten ab und erklärte sich bereit, auf einer Basis von 50 % die Regulierung vorzunehmen. Die Klägerin ließ die W...-Versicherung mit Schreiben vom 23.2.2009 vergeblich anwaltlich auffordern, schriftlich und rechtsverbindlich die Verpflichtung zum Schadensersatz anzuerkennen sowie auf die Erhebung der Verjährungseinrede zu verzichten (Anl. K16).
Die Klägerin hat in erster Instanz vorgetragen,
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der Beklagte sei in voller Höhe für die Schäden einstandspflichtig. Im Übrigen habe die Haftpflichtversicherung des Beklagten, die W..., vorgerichtlich ein uneingeschränktes und umfassendes Anerkenntnis dem Grunde nach abgegeben, an das sie nun gebunden sei.
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Die Klägerin hat im ersten Rechtszug zunächst beantragt:
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1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 18.573,10 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. seit dem 21.12.2007 zu zahlen.
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2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte darüber hinaus verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren Kosten, Schäden und Aufwendungen zu ersetzen, die der Klägerin aus der Verletzung des J.
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entstanden sind und noch entstehen werden.
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3. Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von den Anwaltskosten ihres Prozessbevollmächtigten für dessen außergerichtliche Tätigkeit in dieser Sache in Höhe von 1.248,31 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. seit 10.03.2009 freizustellen.
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Die Beklagte hat in der Klageerwiderung die Forderung „teilweise nach § 93 ZPO anerkannt“ wie folgt:
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1. Es wird ein weiterer Zahlbetrag von 3.533,46 EUR (Klagantrag Ziff. 1.) anerkannt.
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2. Es wird anerkannt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die weiteren Kosten, Schäden und Aufwendungen hälftig zu ersetzen, die der Klägerin aus der Verletzung des J.
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entstanden sind und noch entstehen werden.
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Nachdem der anerkannte Betrag im Dezember 2009 bezahlt worden war, haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend insoweit für erledigt erklärt, je unter Verwahrung gegen die Kosten. Die Klägerin nahm darüber hinaus die Klage in Höhe von 514,37 EUR zurück.
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Die Klägerin hat im ersten Rechtszug zuletzt beantragt:
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1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 14.525,27 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 18.058,73 EUR vom 21. Dezember 2007 bis 8. Dezember 2008 und aus 14.525,27 EUR seit 9. Dezember 2009 zu bezahlen.
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2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte darüber hinaus verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren Kosten, Schäden und Aufwendungen zu ersetzen, die der Klägerin aus der Verletzung des J.
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entstanden sind und noch entstehen werden.
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3. Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von den Anwaltskosten ihres Prozessbevollmächtigten für dessen außergerichtliche Tätigkeit in dieser Sache in Höhe von 1.248,31 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. seit 10.03.2009 freizustellen.
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Der Beklagte hat im ersten Rechtszug zuletzt Klagabweisung beantragt und vorgetragen,
27 
die Eltern des Geschädigten hätten schon vor dem Unfalltag gewusst und toleriert, dass ihr Sohn J... auf der Motorhaube des Traktors mitfahre. Es treffe sie ein hälftiges Mitverschulden. Aus dem Umstand, dass die W...-Versicherung dem geschädigten Kind gegenüber ein uneingeschränktes Anerkenntnis dem Grunde nach abgegeben habe, könne die Klägerin nichts für sich herleiten. Das Anerkenntnis der Haftung gegenüber dem Geschädigten sei abgegeben worden, da im Verhältnis von Eltern und Kind das Haftungsprivileg des § 1664 BGB gelte, nicht aber im Verhältnis zum Sozialversicherungsträger. Es finde dort nach § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X kein Anspruchsübergang statt sofern - wie hier - keine vorsätzliche Schädigung vorliege. Es gelte nach den Grundsätzen der gestörten Gesamtschuld, dass der Beklagte analog § 67 Abs. 2 VVG nur in Höhe des auf ihn entfallenden Haftungsanteils in Anspruch genommen werden könne. Nur insoweit könne ein Schadenersatzanspruch gegenüber dem Beklagten als Schädiger auf die Klägerin übergehen.
28 
Wegen des Vortrags der Parteien im Übrigen wird auf die erstinstanzlichen Schriftsätze und den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Tübingen vom 16.03.2010 verwiesen.
29 
2. Das Landgericht hat nach umfangreicher Zeugenvernehmung den Beklagten hinsichtlich Leistungs- und Feststellungsklage zur Zahlung auf Basis einer Haftung in Höhe von 80 % verurteilt. Der Vater des Geschädigten habe allerdings grob fahrlässig gehandelt, was als Mitverschulden zu 20 % zu Gunsten des Schädigers zu berücksichtigen sei.
30 
Ein Anerkenntnis der Haftpflichtversicherung zu Gunsten der Klägerin liege nicht vor, da die Haftpflichtversicherung nicht gegenüber dieser, sondern nur gegenüber dem Geschädigten ein Anerkenntnis über die Einstandspflicht abgegeben habe. Gegenüber der für die Klägerin handelnden G... AG habe sie am 30.08.2007 zwar die Bereitschaft zum Eintritt im Rahmen der Haftpflichtversicherung für den Schadensfall erklärt, sich jedoch durch einen Hinweis auf eine abschließende Stellungnahme zur Haftung spätere Einschränkungen vorbehalten. Der Klägerin sei bekannt gewesen, dass die Schreiben der Haftpflichtversicherung des Beklagten an den Geschädigten sich nur auf das Schmerzensgeld bezogen hätten, bei denen ein Mitverschuldenseinwand nicht habe erhoben werden können, anders als bei den materiellen Schäden, über die die Versicherung des Beklagten mit der G... AG für die Klägerin korrespondiert habe. Wegen einer Aufsichtspflichtverletzung der Eltern, primär des Vaters, die gegenüber dem schweren Verschulden des Beklagten ein erheblich geringeres Gewicht (1/5) besitze, könne lediglich die Haftung des Beklagten zu 80 % festgestellt werden. Die Eltern hätten die Kinder gar nicht, auch nicht auf der Heckplattform, auf dem Traktor mitfahren lassen dürfen. Dem Vater sei bekannt gewesen, dass vor Anbringung der Plattform Kinder auch auf der Motorhaube „reitend“ befördert worden seien. Die Aufsichtspflichtverletzung liege im Zurücklassen der Kinder beim mähenden Beklagten und im Dulden des Mitfahrens auf der Heckplattform des Traktors auch auf abschüssigem Gelände. Dieses Verhalten sei grob fahrlässig, da das Fahrzeug zum Kindertransport insgesamt nicht zugelassen und nicht mit ausreichend geeigneten Kindersicherungen versehen gewesen sei, gerade angesichts des abschüssigen Geländes und der enormen Gefährlichkeit jeder maschinellen Schneide- bzw. Mäheinrichtung. Das Haftungsprivileg nach § 1664 BGB finde keine Anwendung.
31 
Der Höhe nach bezifferte das Landgericht den übergegangenen Schadensersatzanspruch mit 27.837,82 EUR und erkannte, dass ein Anspruch von 80 % hiervon, entsprechend 22.270,25 EUR, grundsätzlich gegeben sei. Abzüglich bereits bezahlter 13.714,41 EUR ergebe sich somit die zugesprochene Klageforderung von 8.555,85 EUR in der Hauptsache (Bl. 14 d. Urteils). Entsprechend ermittele sich die Nebenforderung (Bl. 15 d. Urteils). Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils verwiesen.
32 
Das Urteil wurde der Klägerin am 22.3.2010 zugestellt. Sie hat dagegen am 6.4.2010 Berufung eingelegt und diese nach bis zum 25.6.2010 verlängerter Frist am 22.6.2010 begründet.
33 
3. a) Die Klägerin verfolgt mit der Berufung ihr Ziel, die volle Haftung des Beklagten nach Grund und Höhe titulieren zu lassen, weiter.
34 
Das Landgericht verkenne, dass die Haftpflichtversicherung des Beklagten auch ihr gegenüber durch das Schreiben vom 10.10.2007 (Anl. K7) ein bindendes Anerkenntnis über die volle Haftung dem Grunde nach abgegeben habe. Eine Differenzierung zwischen der Behandlung von Heilbehandlungskosten und Schmerzensgeld sei dogmatisch aus Gründen der Schadenseinheit nicht möglich. Es handele sich insgesamt um einen originären Anspruch des Geschädigten, der lediglich nach § 116 SGB X bezüglich einzelner Schadensposten übergehe. So sei anerkannt (BGH NJW 2008, 2776), dass auch Zahlungen an den Geschädigten ein Anerkenntnis gemäß § 208 BGB a.F. sowohl gegenüber dem Geschädigten als auch gegenüber dem Sozialversicherungsträger darstellten. Es genüge auch, wenn in solchen Fällen ein Anerkenntnis gegenüber dem Geschädigten erfolge, obwohl die Forderung auf einen Sozialversicherungsträger übergegangen sei. Im Übrigen habe der Geschädigte zunächst ganz undifferenziert „Schadensersatzansprüche aus dem Vorfall“ angemeldet und sich erst im weiteren Schriftwechsel auf das Schmerzensgeld konzentriert. Auch sei zu beachten, dass die Haftpflichtversicherung des Beklagten bezüglich des Schmerzensgeldes kein Mitverschulden, welches folgerichtig auch dabei zu berücksichtigen gewesen wäre, eingewandt habe.
35 
Im Übrigen liege ohnehin kein Mitverschulden der Eltern des Geschädigten vor, das in Ansatz gebracht werden könne. Der Einwand des Mitverschuldens der Eltern sei gar nicht möglich, da es bereits an einer vertragsähnlichen Sonderrechtsverbindung gemäß § 254 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 278 BGB fehle. Zudem liege auch keine grobe Fahrlässigkeit vor. Die Eltern hätten gar nicht gewusst, dass das geschädigte Kind auf der Vorderhaube des Traktors mitgefahren sei. Die Eltern hätten gerade nicht ihre Zustimmung zur Mitfahrt auf der Motorhaube des Traktors gegeben. Soweit das Gericht den Eltern die Kenntnis über das Mitfahren auf der Heckplattform anlaste, werde nicht beachtet, dass ein Mitfahren auf der Heckplattform gar nicht kausal für den Schaden geworden sei. Das Gericht könne sich auch nicht einfach über die Aussage der Zeugin H... hinwegsetzen, dass die Mitnahme der Kinder auf der Motorhaube keinesfalls gewollt oder erlaubt gewesen sei.
36 
Hinsichtlich der Schadenshöhe nimmt die Klägerin die vom Gericht zu Grunde gelegten Zahlen hin. Bei einer Gesamtforderung von 27.837,82 EUR abzüglich bezahlter 13.714,41 EUR ergebe sich ein Betrag von 14.123,41 EUR. Nachdem 8.555,85 EUR zuerkannt worden seien, werde nunmehr die Differenz von 5.567,56 EUR noch geltend gemacht.
37 
Der Beklagte hat nach Abschluss der ersten Instanz den vollen Betrag, zu dessen Zahlung er verurteilt wurde (einschließlich Zinsen), insgesamt 10.721,30 EUR, bezahlt.
38 
Der Kläger beantragt:
39 
Unter teilweiser Abänderung des am 16.03.2010 verkündeten Urteils des Landgerichts Tübingen, Az: 5 O 147/09, wird wie folgt erkannt:
40 
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin über den erstinstanzlich zuerkannten und inzwischen bezahlten Betrag (insgesamt 10.721,30 EUR) weitere 5.567,56 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.12.2009 zu zahlen.
41 
2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte über die erstinstanzlich zuerkannte Quote von 80 % hinaus verpflichtet ist, der Klägerin weitere 20 % sämtlicher weiterer Kosten, Schäden und Aufwendungen zu ersetzen, die der Klägerin aus der Verletzung des J.
42 
entstanden sind und noch entstehen werden.
43 
3. Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag von den Anwaltskosten ihres Prozessbevollmächtigten für dessen außergerichtliche Tätigkeit in dieser Sache in Höhe von weiteren 285,60 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. seit 10.03.2009 freizustellen.
44 
b) Der Beklagte beantragt,
45 
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
46 
Der Beklagte verteidigt das Urteil des Landgerichts. Zwar sei das Mitverschulden der Eltern zu gering bewertet, doch werde dies hingenommen.
47 
Das Vorliegen eines Anerkenntnisses zu Gunsten der Klägerin könne nicht nach den Grundsätzen der sog. Schadenseinheit konstruiert werden, da dieser Grundsatz lediglich im Zusammenhang mit dem Verjährungsrecht diskutiert werde. Es fehle auch nach wie vor an der Abgabe eines Anerkenntnisses gegenüber der Klägerin, die der BGH in der bereits zitierten Entscheidung (NJW 2008, 2776) ausdrücklich fordere. Es sei regelmäßig so, dass der Sozialversicherungsträger und der Geschädigte nebeneinander über ihre Ansprüche verhandelten, wodurch auch unterschiedliche Anerkenntnisse erfolgen könnten. Würde man davon ausgehen, dass bereits am 10.10.2007 auch gegenüber der Klägerin die Haftung voll umfänglich anerkannt worden wäre, also vor Rechtshängigkeit, sei die vorliegende Klage im Übrigen von Anfang an mangels Rechtsschutzbedürfnis unbegründet gewesen.
48 
Das Mitverschulden der Eltern sei nach den Grundsätzen der gestörten Gesamtschuld nach herrschender Meinung analog § 67 Abs. 2 VVG zu berücksichtigen. Das Haftungsprivileg für Eltern gemäß § 1664 BGB greife bei Fällen der Aufsichtspflichtverletzung nach obergerichtlicher Rechtsprechung (OLG Stuttgart, VersR 1980, 952) nicht. Selbst wenn § 1664 BGB anwendbar wäre, wäre trotzdem gegenüber Dritten der allgemeine Haftungsmaßstab gegeben.
49 
Das Landgericht habe die Zeugenaussagen und sonstigen Beweise fehlerfrei gewürdigt. Es sei auch davon auszugehen, dass der Vater Kenntnis davon gehabt habe, dass die Kinder auch nach Anbau der Heckplattform noch vorne auf der Motorhaube hätten sitzen wollen. Dies hätte er jedenfalls selbst nicht ausgeschlossen. Aufgrund der Aussage der Zeugin K... sei davon auszugehen, dass beide Eltern gewusst hätten, dass die Kinder weiterhin auf der Motorhaube mitgefahren seien.
50 
Hinsichtlich der Schadenshöhe sei das Urteil des Landgerichts Tübingen insofern nicht richtig, als keine Abzüge für ersparte Essensaufwendungen der ebenfalls stationär aufgenommen gewesenen Mutter des geschädigten Kindes vorgenommen worden seien. Diese Ersparnisse seien nach herrschender Meinung anzurechnen.
II.
51 
Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist im Wesentlichen begründet.
52 
1. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Schadensersatz wegen fahrlässiger Körperverletzung des bei ihr gesetzlich krankenversicherten Kindes J... H... aus übergegangenem Recht gemäß § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X i.V.m. §§ 823 Abs. 1 BGB, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 229 StGB zu.
53 
a) Gemäß § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X geht ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens auf den Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe über, soweit dieser aufgrund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung des Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen.
54 
Andere gesetzliche Vorschriften, auf denen der Schadensersatzanspruch beruht, stellen vorliegend die §§ 823 Abs. 1 BGB und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 229 StGB dar. Nach diesen Vorschriften ist derjenige, der fahrlässig das Leben, den Körper oder die Gesundheit eines anderen widerrechtlich verletzt, dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
55 
b) Der Beklagte hat unter Außerachtlassung der im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonderem Maße (grob fahrlässig) Körper und Gesundheit des dreijährigen Kindes J... H... verletzt, indem er ihn auf der Motorhaube des Rasentraktors ungesichert mitfahren ließ, von der er, wie voraussehbar und vermeidbar war, stürzte, in die Mäheinrichtung kam und sich schwer verletzte.
56 
c) Die von der Klägerin im Rahmen ihrer Pflicht als gesetzliche Krankenversichererin erbrachten und zu erbringenden Leistungen zur Wiederherstellung der Gesundheit von J... H... kann sie aufgrund gesetzlichen Anspruchsübergangs in vollem Umfang gemäß § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X geltend machen. Der Forderungsübergang gegen den Schädiger wird vorliegend nicht nach dem Zweck des § 116 Abs. 6 SGB X eingeschränkt.
57 
§ 116 Abs. 6 SGB X lautet:
58 
„Ein Übergang nach Abs. 1 ist bei nicht vorsätzlichen Schädigungen durch Familienangehörige, die im Zeitpunkt des Schadensereignisses mit dem Geschädigten oder seinen Hinterbliebenen in häuslicher Gemeinschaft leben, ausgeschlossen. ...“
59 
Die Vorschrift betrifft den Übergang von Schadensersatzansprüchen des Geschädigten bei nicht vorsätzlichen Schädigungen durch Familienangehörige (so auch die Regelung im privaten Versicherungsrecht [§ 67 Abs. 2 VVG a. F.; § 86 Abs. 3 VVG n. F.]). Im Verhältnis zum Beklagten ist die Vorschrift insofern von Bedeutung, als die Schutzvorschrift des § 116 Abs. 6 SGB X durch die Möglichkeit eines Regresses des Zweitschädigers gegen den Familienangehörigen (vgl. BGHZ 73,190; Palandt/Diederichsen, 68. Auflage, 1664 BGB Rn. 3: Haftung als Gesamtschuldner gem. § 426, 823, 840 BGB) unterlaufen werden könnte. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGHZ 54, 257 ff, noch zur Rechtslage vor Inkrafttreten des SGB X bei analoger Anwendung von § 67 II VVG a.F.) kann sich deshalb der Sozialversicherungsträger von vornherein nur insoweit an den Zweitschädiger halten, als dieser im Innenverhältnis zum Familienangehörigen für den Schaden haftet (vgl. v. Wulffen/Bieresborn, Kommentar zum SGB X, 7. Aufl., 2010, Rn. 37).
60 
Eine Einschränkung des Forderungsübergangs aus diesem Gesichtspunkt scheidet vorliegend aus. Die Eltern von J... H... haften nicht. Sie haben die Schädigung von J... H... nicht zurechenbar schuldhaft verursacht (aa). Selbst wenn sie ihrem Kind haften würden, würden sie dem Beklagten gegenüber nicht im Innenverhältnis haften, weshalb ein Forderungsübergang auch unter diesem Aspekt ausgeschlossen ist (bb).
61 
aa) Gemäß § 1664 Abs. 1 BGB haben die Eltern bei der Ausübung der elterlichen Sorge dem Kind gegenüber nur für diejenige Sorgfalt einzustehen, die sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen. Diese Vorschrift wird als eigenständige Anspruchsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch des Kindes gegen seine Eltern angesehen, gilt aber auch für deliktische Ansprüche (Palandt/Diederichsen, 68. Aufl., § 1664 BGB Rn. 1 u. 3 m.w.N.). Nach § 277 BGB ist derjenige, der für die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten einzustehen hat, von der Haftung wegen grober Fahrlässigkeit aber nicht befreit.
62 
(1) § 1664 BGB ist vorliegend die einschlägige Haftungsnorm. Sein Anwendungsbereich ist bei Fällen der Aufsichtspflichtverletzung - wie hier - nicht eingeschränkt. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGHZ 103, 338 - 349, juris Rn. 20) ist bei Fallgestaltungen, bei denen - wie hier - nicht der Schutz Dritter, sondern die Sorge für das zu beaufsichtigende Kind im Vordergrund stehen (im dortigen Fall: Beaufsichtigung auf dem Spielplatz), § 1664 BGB als Haftungsmaßstab heranzuziehen, da diese Vorschrift andernfalls in unzulässiger Weise eingeschränkt werden würde. Die Fälle sind nicht mit denjenigen zu vergleichen, in denen Verkehrssicherungspflichten oder die Teilnahme am Straßenverkehr im Vordergrund stehen (BGH, a.a.O.). Dies entspricht auch der überwiegend in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung (vgl. OLG Karlsruhe NZV 2008, 511 - 513; OLG Hamm NZV 1994, 68; OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 1042; OLG Saarbrücken NZV 2002, 511; MünchKomm/Huber, 5. Aufl., § 1664 BGB Rn. 12 m.w.N.; Palandt/Diederichsen, a.a.O., § 1664 BGB Rn. 3; a. A. z.T. die ältere obergerichtliche Rechtsprechung: OLG Stuttgart VersR 1980, 952; OLG Karlsruhe VersR 77, 232; Staudinger/Engler, § 1664 Rn. 33 m.w.N.). Die höchstrichterliche Rechtsprechung und die herrschende Meinung sind überzeugend.
63 
(2) Den Eltern konnte eine Verletzung der Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten nicht nachgewiesen werden.
64 
Die Eltern haben im Rahmen der Personensorge gemäß § 1631 Abs. 1 BGB die Pflicht zur Beaufsichtigung des Kindes, um Dritte vor Schaden zu bewahren (§ 832 BGB), aber auch, um die Kinder selbst zu schützen. Das Ausmaß der Aufsichtspflicht richtet sich nach dem Alter und der Verständigkeit des Kindes (Palandt/Diederichsen, a.a.O., § 1631 BGB Rn. 3 m.w.N.). Grundsätzlich können die Eltern die tatsächlichen Aufgaben der Beaufsichtigung zu Gunsten eines Kindes vorübergehend auf eine nicht sorgeberechtigte Person übertragen (juris Praxiskommentar-Schwer, 4. Aufl., § 1631 BGB Rn. 7). Ziel und Aufgabe elterlicher Erziehung wird dabei auch im Erlernen des Umgangs mit Gefahren und einer Verselbständigung gesehen, weshalb die Aufsichtspflicht nicht „ängstlich und engherzig“ aufgefasst werden soll (vgl. Staudinger/Salgo, Bearb. 2007, Rn. 43 m.w.N.).
65 
Dass die Eltern ihren Sohn J... zum befreundeten Nachbarn, bei dem er auch in der Vergangenheit gemeinsam mit seinem Bruder schon öfters war, gegeben haben, um bei Garten- und Mäharbeiten auf dem selbst gebauten Sitz des Traktors hinter dem Fahrer mitzufahren und dies gestattet haben, stellte ein jedenfalls fahrlässiges Verhalten dar. Es hätte nämlich auch beim Mitfahren auf dem angebauten Sitz die Gefahr eines Sturzes des dreijährigen Kindes bestanden. Andererseits ist nicht erkennbar, dass die Eltern die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten nicht beachtet haben. Auch ein grob fahrlässiges Verhalten war nicht gegeben. Ein Rasentraktor wie hier konnte - bedingt durch die Bauart - nur recht langsam fahren. Das Mähwerk war abgeschlossen und befand sich weiter vorne am Traktor, der Sitz hingegen hinter dem Beklagten am Heck. Bei einem etwaigen Sturz aus nicht großer Höhe wäre nicht zu erwarten gewesen, dass ein Kind in die Mähvorrichtung fällt, bevor der Beklagte den Rasentraktor abstellen kann.
66 
Die Eltern konnten auch, nachdem der Beklagte in der Vergangenheit einen stabilen Holzsitz am Heck des Rasentraktors angebracht hatte, davon ausgehen, dass ihre Kinder nur auf diesem Holzsitz beim Rasenmähen transportiert werden. Dass sie Kenntnis davon hatten, dass der Beklagte die Kinder auch nach der gerade aus Gründen der Sicherheit erfolgten Montage des Sitzes auf der Motorhaube weiterhin mitfahren lässt, konnte ihnen - wie das Landgericht zutreffend gewürdigt hat - nicht nachgewiesen werden. Fehler bei der Beweiswürdigung sind nicht ersichtlich. Es erscheint auch nicht als grob fahrlässig, dass die Eltern des Geschädigten nicht am Nachmittag zur Überwachung des Beklagten erschienen sind.
67 
Die Eltern haften auch nicht für das grob fahrlässige Verhalten des Beklagten („Reiten“ auf der Motorhaube) gemäß § 278 BGB (Beklagter als Erfüllungsgehilfe bei der gesetzlich geschuldeten Aufsicht des Kindes).
68 
Zwar wird in der Kommentarliteratur vertreten, dass im Falle der zulässigen Übertragung der Elternpflichten diese gemäß § 278 BGB ohne eigenes Verschulden haften (MünchKomm/Huber, 5. Aufl., § 1664 BGB Rn. 15; Palandt/Diederichsen, 68. Aufl., § 1664 BGB Rn. 3; Staudinger/Engler, a.a.O., § 1664 BGB Rn. 25; Erman/Michalski, § 1664 BGB Rn. 7). Teilweise wird angenommen, dass eine Verantwortung der Eltern dem Kind gegenüber dann entfalle, wenn die Hilfsperson die Sorgfalt aufgewandt habe, die die Eltern in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen (Staudinger/Engler, a.a.O., Rn. 27). Handelt es sich indes um eine Tätigkeit, die die Eltern nicht selbst vornehmen müssen oder nicht selbst vornehmen können (Kindergarten, Krankenhaus, ärztliche Behandlung, Prozessvertretung werden genannt: Staudinger/Engler, a.a.O., Rn. 28; Palandt/Diederichsen, a.a.O., § 1664 BGB Rn. 3), beschränkt sich die Haftung nur auf die eigensorgfältige Auswahl und Überwachung. Da es sich bei der Gartenarbeit auf der Wiese des Nachbarn um eine Tätigkeit handelte, die die Eltern nicht selbst vornehmen mussten, ist der Fall so zu behandeln, wie wenn die Eltern ihr Kind zur Betreuung zu einem Ausflug etwa des Kindergartens gegeben hätten. Dafür, dass sie bei Auswahl und Überwachung des Beklagten die eigenübliche Sorgfalt nicht beachtet oder grob fahrlässig gehandelt hätten, bestehen keine Anhaltspunkte.
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bb) Selbst wenn man eine Haftung der Eltern des Geschädigten aus eigenem Verschulden oder gemäß § 278 BGB für das grob fahrlässige Verhalten des Beklagten annehmen würde, wäre nach dem Zweck des § 116 Abs. 6 SGB X und dem Grundsatz, dass Ansprüche auf den Sozialleistungsträger nur insoweit übergehen, als der Zweitschädiger im Innenverhältnis zum Familienangehörigen für den Schaden haftet, der volle Übergang des Anspruchs erfolgt, da der Beklagte im Innenverhältnis der Schädiger allein haften würde.
70 
Soweit die Eltern und der Beklagte als Gesamtschuldner haften würden (vgl. BGHZ 73,190; Palandt/Diederichsen, 68. Auflage, 1664 BGB Rn. 3: gem. 840 BGB), hätte ein Ausgleich im Innenverhältnis gemäß § 426 Absatz 1 BGB zu erfolgen. Beruht dabei die Mithaftung eines Schädigers nur darauf, dass er den anderen nicht ausreichend beaufsichtigt hat, haftet jedoch der andere allein (BGH NJW 1980, 2348, 2349; Palandt/Grüneberg, 68. Auflage, § 426 BGB Rn. 14 m.w.N.). Das gleiche gilt etwa auch im Verhältnis von Halter und Fahrer eines Kfz, in dem von und Geschäftsherr und Erfüllungsgehilfen sowie zwischen Aufsichtspflichtigen und Deliktstäter (Staudinger/Vieweg, § 840 BGB Rn. 49 m.w.N.). Entsprechendes gilt auch hier. Der Beklagte kann von den Eltern keinen Regress verlangen, da er durch sein grob fahrlässiges Verhalten die Körperverletzung verursacht hat, während er den Eltern nur vorwerfen könnte, dass sie das Kind zu ihm gelassen haben in der Erwartung, dass es hinten auf dem Sitz mitfährt. Kenntnis von der Beförderung auf der Motorhaube konnte den Eltern - wie bereits ausgeführt - nicht nachgewiesen werden und könnte somit auch nicht bei einem etwaigen Ausgleichsanspruch im Innenverhältnis in Ansatz gebracht werden.
71 
c) Der Beklagte kann auch nicht den Mitverschuldenseinwand gemäß § 254 Abs. 2 Satz 2 BGB wegen eines etwaigen Verschuldens der erziehungsberechtigten Eltern erheben.
72 
Besteht keine rechtliche Sonderverbindung, braucht sich eine verletzte natürliche Person auch das etwaige Mitverschulden gesetzlicher Vertreter bei der Entstehung des Schadens nicht anrechnen zu lassen (BGHZ 103, 333 juris-Rn. 13; OLG Düsseldorf NJW 1973, 1801, 1802; Palandt/Heinrichs, 68. Aufl., § 254 BGB Rn. 50; Staudinger/Schiemann, Bearb. 2005, § 254 BGB Rn. 100 m.w.N.).
73 
Eine rechtliche Sonderverbindung besteht vorliegend nicht. Die Aufsicht über fremde Kinder ohne Entgelt stellt in der Regel - und auch hier - eine Gefälligkeit dar ohne vertragsrechtliche Bindung (BGH NJW 1968, 1874: Besuche von vier- und sechsjährigen Kindern beim jeweils anderen Ehepaar zum Spielen und zur Beaufsichtigung).
74 
d) Dem Beklagten steht auch kein fingierter Ausgleichsanspruch nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldnerausgleiches zu.
75 
Die Ersatzpflicht des Schädigers für die Verletzung eines Kindes wird nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGHZ 103, 338 - 349) nicht dadurch berührt, dass an der Schädigung die Eltern des Kindes beteiligt gewesen sind, diese aber wegen des milderen Sorgfaltsmaßstabs des § 1664 Abs. 1 BGB dem Kind nicht haften. Dem Schädiger steht in diesem Fall daher auch ein (fingierter) Ausgleichsanspruch gegen die Eltern nicht zu (BGHZ 103, 338 - 349). Sonst würde - wie ausgeführt - die Haftungsmilderung unterlaufen.
76 
e) Ob sich der Beklagte auf ein etwaiges Mitverschulden nicht mehr berufen kann, weil seine Haftpflichtversicherung für ihn möglicherweise ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis wirksam abgegeben haben könnte, kann dahinstehen.
77 
Ein solches Anerkenntnis würde in der Regel alle Einwendungen tatsächlicher und rechtlicher Natur ausschließen, die der Schuldner bei der Abgabe kannte oder mit denen er mindestens rechnete (Palandt/Sprau, 68. Aufl., § 781 BGB Rn. 4 m.w.N.). Gemäß § 5 Abs. 7 AHB gilt der Versicherer als bevollmächtigt, alle zur Beilegung oder Abwehr des Anspruchs ihm zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Namen des Versicherungsnehmers abzugeben. In diesem Rahmen ist die Versicherung auch ermächtigt, den Haftpflichtanspruch vorbehaltlos anzuerkennen, regelmäßig in Form eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses (Littbarski, AHB-Kommentar, § 5 AHB Rn. 143 m.w.N.; Prölls/Martin/Voit/Knappmann, AHB, 27. Aufl., § 5 AHB Rn. 25).
78 
Die Haftpflichtversicherung W... des Beklagten könnte mit Schreiben vom 10.10.2007 (Anl. K 7) dadurch, dass sie erklärt hat, dass sie bereit sei, den Schadenfall zu regulieren und Haftungseinwände ihrerseits nicht erhoben würden, möglicherweise auch mit Wirkung für den Beklagten auch gegenüber der Klägerin ihre Haftung in voller Höhe dem Grunde nach anerkannt haben.
79 
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung muss ein Anerkenntnis nach einer Zession zwar gegenüber dem Zessionar und nicht gegenüber dem Zedenten erfolgen (BGH NJW 2008, 2776, Rn. 24). Es kann jedoch ausnahmsweise ausreichen, wenn einem anderen als dem Gläubiger gegenüber das Anerkenntnis erklärt wird und es mit dem Willen des Schuldners demnächst zur Kenntnis des Gläubigers gelangt, mag dies auch auf Umwegen geschehen; ein Zugang nach § 130 BGB ist nicht erforderlich (BGH, a.a.O., Rn. 25 zum verjährungsunterbrechenden Anerkenntnis gemäß § 208 BGB a. F.).
80 
In der obergerichtlichen Rechtsprechung (OLG Köln VersR 1998, 1307 - 1308, juris-Rn. 36 - 39) wurde in einem Fall des Forderungsübergangs im Sozialhilferecht aus dem Grundsatz der Schadenseinheit abgeleitet, dass ein Anerkenntnis gegenüber dem Verletzten auch wirksam gegenüber dem Sozialversicherungsträger sei. Der Verletzte sei auch zur Einziehung von Ansprüchen weiterhin befugt gewesen (dort: Ansprüche nach § 2 BSHG).
81 
Ob unter Beachtung dessen das vorliegend gegenüber dem Geschädigten abgegebene Anerkenntnis in vollem Umfang als Anerkenntnis auch gegenüber der Klägerin anzusehen ist, erscheint dennoch zumindest als zweifelhaft.
82 
Es ist bereits nicht sicher zu erkennen, dass die Anerkennungserklärung mit dem Willen des Schuldners demnächst zur Kenntnis der Vertreter der Klägerin gelangen sollte. Ein unterschiedliches Regulierungsverhalten der Haftpflichtversicherung des Beklagten kann im Übrigen auch deshalb gewollt gewesen sein, weil entsprechend dem Zweck des § 116 Abs. 6 SGB X von vornherein Ansprüche auf die Klägerin nicht als übergegangen angesehen wurden, soweit eine Mithaftung der Eltern des geschädigten Kindes in Rede stand. Dies war der Versicherung - wie aus dem späteren Schreiben vom 09.12.2008 hervorgeht (Anl. K 14) - möglicherweise auch bewusst. Schließlich erfordert auch der Grundsatz der sog. Schadenseinheit nicht, ein Anerkenntnis nur einheitlich, bezogen auf den ganzen Schaden, zuzulassen. Durch den gesetzlichen Forderungsübergang gemäß § 116 Abs. 1 SGB X ist vom Gesetzgeber selbst der einheitliche Schadensersatzanspruch teilweise in die Hände der Klägerin und teilweise in die Hände des Geschädigten selbst gelegt, die jeweils gesondert zur Geltendmachung berechtigt sind. Es besteht - anders als im Sozialhilferecht (Fall des OLG Köln) - auch kein Subsidiaritätsprinzip dahingehend, dass der Geschädigte zunächst berechtigt gewesen wäre, die Heilbehandlungskosten im eigenen Namen einzufordern. Der einheitliche Schadensersatzanspruch ist bereits von vornherein getrennt und kann gegenüber dem jeweiligen Gläubiger auch gesondert anerkannt oder bestritten werden.
83 
2. Der Höhe nach ist der im Berufungsverfahren allein noch streitige Schadensbetrag von 5.567,56 EUR um 410 EUR auf 5.157,56 EUR zu kürzen wegen unstreitig in der Klageforderung enthaltenen Leistungen für die Verpflegung der Mutter des Geschädigten durch das Krankenhaus, während der Zeit, in der sie ihn dort ständig betreut hat..
84 
Zu den aus übergegangenem Recht gemäß § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X i.V.m. § 249 BGB zur Wiederherstellung der Gesundheit des kleinen Kindes J... H... erforderlichen Aufwendungen gehören auch diejenigen, die durch die notwendige ständige Betreuung durch einen Angehörigen im Krankenhaus angefallen sind (MünchKomm/Oetker, 5. Aufl., § 249 BGB Rn. 384 m.w.N.). Das geschädigte Kind - und somit aus übergegangenem Recht nun die Klägerin - kann aber nur den etwaigen Verpflegungsmehraufwand nächster Angehöriger als Schaden geltend machen, nicht die ohnehin anfallenden Verpflegungskosten (BGH NJW 1991, 2340, 2341; MünchKomm/Oetker, 5. Aufl., § 249 BGB Rn. 384 m.w.N.). Die im Klagebetrag enthaltenen, aufgewendeten und ersparten Essenskosten wurden mit 410 EUR von den Parteien unstreitig gestellt (41 Tage, 10 EUR pro Tag) und sind daher abzuziehen.
85 
3. Zinsen aus der noch geltend gemachten, zugesprochenen Restforderung in Höhe von 5.157,56 EUR sind wie beantragt zuzusprechen aus dem Gesichtspunkt des Verzuges und der Prozesszinsen gem. §§ 280 Abs. 2, 286, 288, 291 BGB. Die Klage wurde am 12.8.2009 zugestellt.
86 
4. Soweit die Freistellung von restlichen vorgerichtlichen Anwaltskosten von weiteren 285,60 EUR über die bereits in erster Instanz zugesprochenen Anwaltskosten von 962,71 EUR (insgesamt 1.248,31 EUR) verlangt wird, ist der Anspruch begründet. Verzugszinsen auf den Freistellungsanspruch können allerdings nicht verlangt werden.
87 
a) Die Klägerin ist gemäß §§ 280 Abs. 2, 286, 249 BGB wegen Verzuges mit der Begleichung der berechtigten Forderung, die bereits für die Klägerin durch die G... AG vor Februar 2009 gefordert wurde, von den vorgerichtlich angefallenen Kosten für die Beauftragung der Klägervertreter (nach den Umständen im Februar 2009; Anl. K16) freizustellen (vgl. zum eigenen Schadensersatzanspruch des Zessionars bei Beauftragung eines Rechtsanwaltes: Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 249 BGB Rn. 39 m.w.N.).
88 
Die Klägervertreter wurden zunächst mit der außergerichtlichen Geltendmachung der zuvor von der G... AG geltend gemachten Schadensforderung - einschließlich der Anerkennung der Folgeschäden durch die Versicherung des Beklagten - beauftragt (vgl. Anlage K16). Sie forderten außergerichtlich durch Schreiben vom 23.2.2009 die W...-Versicherung zur Zahlung von 18.237,80 EUR und zur Anerkennung der Verpflichtung zum Eintreten für Folgeschäden - nebst Verjährungsverzichtserklärung - unter Fristsetzung von 2 Wochen auf (vgl. Anlage K16). Der Gegenstandswert der Beauftragung wurde mit 24.317,07 EUR angegeben (18.237,80 EUR Forderung; 6.079,27 EUR Feststellungsinteresse).
89 
Die vom Beklagten zu übernehmenden, im Februar 2009 bei Beauftragung berechtigten Gebühren der Klägervertreter ermitteln sich wie folgt:
90 
- offene, berechtigte Forderung nach Urteil in vorliegender Sache:
 27.427,82 EUR
(27.837,82 EUR, Urteil erster Instanz, Seite 9, abzüglich 410 EUR
wegen ersparter Aufwendungen für Essen (vgl. oben II. 2.)
        
- bereits bis Februar 2009 bezahlt (vgl. Urteil erster Instanz, S. 4):
 10.180,95 EUR
Rest: 
 17.246,87 EUR
- zuzüglich (festgesetzter) Wert Feststellungsinteresse:
 5.000 EUR
Summe:
 22.246,87 EUR
                 
Abrechnung (Wert 22.246,87 EUR):
        
1,5 Geschäftsgebühren (etwas mehr als die Mittelgebühr erscheint hier berechtigt)
        
gemäß VV RVG Nr. 2300:
1.029,00 EUR
Auslagenpauschale VV RVG Nr. 7002
20,00 EUR
19% Umsatzsteuer VV RVG Nr. 7008            
199,31 EUR
Summe 
1.248,31 EUR
                 
davon bereits zugesprochen in erster Instanz:
962,71 EUR
Rest: 
285,60 EUR
91 
b) Verzugszinsen auf den Freistellungsanspruch können nicht gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB zuerkannt werden.
92 
Dass bei der Klägerin ein konkreter Schaden durch die bisherige Nichtzahlung der Anwaltsgebühren eingetreten wäre, ist nicht vorgetragen. Verzugszinsen auf einen Freistellungsanspruch können mangels Rechtsgrundlage auch nicht entsprechend der Regelung beim Zahlungsanspruch verlangt werden, da § 288 BGB auf einen Freistellungsanspruch nicht anwendbar ist (vgl. Staudinger/Löwisch/Feldmann, BGB, Bearbeitung 2009, § 288 BGB Rn. 6).
III.
93 
1. Die Kostenentscheidung für die erste Instanz beruht auf §§ 91, 91a, 269 Abs. 3, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
94 
Die Klägerin hat zu 94 % obsiegt. Soweit sie geringfügig (zu 6 %, 1.326,23 EUR) unterlegen ist, hat dies zu keinem Gebührensprung geführt.
95 
Der höchste Streitwert für die erste Instanz wurde mit 23.573,10 EUR festgesetzt.
96 
Die Klägerin hat obsiegt mit insgesamt 22.246,87 EUR (erste Instanz: 8.555,85 EUR zugesprochen; 3.533,46 EUR anerkannt und erledigt erklärt; zweite Instanz: 5.157,56 EUR zugesprochen, Feststellungsantrag: 5.000 EUR). Das entspricht einer Quote von 94,37 %.
97 
Die Auferlegung eines weiteren Kostenanteiles entsprechend § 93 ZPO zulasten der Klägerin kommt nicht in Betracht, da der Beklagte auch hinsichtlich der anerkannter Positionen Veranlassung zur Klagerhebung gegeben hat. Die Klägerin ließ außergerichtlich durch Schreiben vom 23.2.2009 die W... Versicherung zur Zahlung von 18.237,80 EUR und zur Anerkennung der Verpflichtung zum Eintreten für Folgeschäden - nebst Verjährungsverzichtserklärung - unter Fristsetzung von 2 Wochen auffordern (vgl. Anlage K16). Die W... Versicherung hat daraufhin weder die berechtigten Forderungen außergerichtlich beglichen noch die geforderten Erklärungen zur Anerkennung und zum Verjährungsverzicht abgegeben. Es wurde vielmehr durch Schreiben vom 24.2.2009 (Anl. K17) auf die bisherigen Einwendungen hingewiesen und der Nachweis der dann später eingeklagten (und erst dann sofort anerkannten) Positionen (Haushaltshilfekosten u.a.) verlangt.
98 
2. Die Kostenentscheidung für die zweite Instanz beruht auf §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Klägerin hat mit 94 % (6.157,56 EUR) obsiegt, bezogen auf den Streitwert von 6.567,56 EUR. Die Zuvielforderung hat keinen Gebührensprung verursacht.
99 
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO.
100 
4. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
101 
3. Der Gegenstandswert ergibt sich gemäß § 3 ZPO aus der in der Berufungsinstanz noch verfolgten Hauptsacheforderung von 5.567,56 EUR und dem Feststellungsantrag betreffend die Feststellung der vollen Haftung des Beklagten (1.000 EUR, entsprechend 20 % von 5.000 EUR nach Zuerkennung einer Haftungsquote von 80 % in erster Instanz).

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