Beschluss vom Oberlandesgericht Stuttgart - 7 W 58/13

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Landgerichts Ravensburg - 4 O 147/13 - vom 10.09.2013 wird

z u r ü c k g e w i e s e n .

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Beschwerdewert: 21.992,70 EUR

Gründe

 
I.
Die Klägerin wendet sich mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 27.09.2013 gegen den Kammerbeschluss des Landgerichts Ravensburg - 4 O 147/13 - vom 10.09.2013 (Bl. 63 ff.), mit dem ihr Antrag auf Befangenheit gegen die Einzelrichterin, Richterin am Landgericht …, als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Richterin am Landgericht … habe einen vom Klägervertreter am Vortag der Sitzung vom 06.08.2013 mittels Fax eingereichten Schriftsatz vom 05.08.2013 noch nicht bis zur Sitzung gelesen. Ferner habe die Richterin nach Auffassung des Klägervertreters bei der Protokollierung der Angaben der Klägerin gem. § 141 ZPO den Zusatz „Auf Nachfrage des Klägervertreters“ falsch protokolliert. Die Klägerin habe nicht „auf Nachfrage“ des Klägervertreters geantwortet.
Wegen der Einzelheiten wird auf das Befangenheitsgesuch des Klägervertreters vom 06.08.2013 (Bl. 53 f.) und auf die Beschwerdebegründung vom 08.10.2013 und vom 30.10.2013 (Bl. 73 ff., 80 f.) Bezug genommen.
II.
Die zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet, §§ 42, 46 Abs. 2 ZPO.
Das Landgericht hat zu Recht den Befangenheitsantrag der Klägerin gegen Richterin am Landgericht … als unbegründet zurückgewiesen, § 46 Abs. 2 ZPO.
Die Ablehnung eines Richters findet nach allgemeiner Meinung und nach allseits gefestigter ober- und höchstrichterlicher Rechtsprechung nur dann statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Maßgeblich insoweit ist, ob aus der Sicht des Ablehnenden objektive Gründe vorhanden sind, die nach der Meinung einer ruhig und vernünftig denkenden Partei Anlass bieten, an der Unvoreingenommenheit eines Richters zu zweifeln.
Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ist das Landgericht im angefochtenen Beschluss zu Recht zu der Auffassung gelangt, dass die von der Klägerin vorgebrachten Gründe im Einzelnen und in der Gesamtschau die Befangenheit der abgelehnten Richterin nicht besorgen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die zutreffenden Gründe im Kammerbeschluss des Landgerichts Bezug genommen (Bl. 63 ff.).
1. Die Erklärung der Richterin in der mündlichen Verhandlung vom 06.08.2013, sie habe den am Vortag zur Sitzung vom Klägervertreter eingereichten Fax-Schriftsatz vom 05.08.2013 noch nicht lesen können, begründet die Befangenheit für jede ruhig und vernünftig denkende Partei und auch für jeden ruhig und vernünftig denkenden Parteivertreter nicht im Geringsten.
Dies gilt erst Recht, wenn der Klägervertreter die ihm bis 24.07.2013 gesetzte Replikfrist auf die Klageerwiderung des Beklagtenvertreters, die antragsgemäß bis 31.07.2013 verlängert wurde (Bl. 37), fruchtlos und ohne Angabe von Gründen hat verstreichen lassen.
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Der Klägervertreter hat unter Missachtung von § 282 Abs. 1 ZPO und der vom Landgericht gesetzten Frist zur Einreichung der Replikschrift gem. § 277 Abs. 4 ZPO seinen Schriftsatz verspätet eingereicht. Der 13-seitige Schriftsatz vom 05.08.2013 war überdies so spät vom Klägervertreter eingereicht worden, dass er von der für den Rechtsstreit berufenen Richterin beim Landgericht Ravensburg im normalen Geschäftslauf nicht mehr zur Kenntnis genommen werden konnte.
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Der Klägervertreter versucht in bemerkenswerter und in einer dem Senat bislang nicht bekannten Art und Weise, seine eigenen prozessualen Versäumnisse dem Landgericht anzulasten. Ein Tatrichter ist weder verpflichtet noch berufen, Versäumnisse einer Prozesspartei oder deren Prozessbevollmächtigten mangels deren sorgfältiger und auf Verfahrensförderung bedachter Prozessführung gem. § 282 Abs. 1 ZPO durch gerichtliche bevorzugte zeitliche Behandlung eines solchen Rechtsstreits, etwa mittels Vernachlässigung oder Hintanstellung anderer - ordnungsgemäß betriebener - Rechtsstreite, zu kompensieren.
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Die von manchen Rechtsanwälten praktizierte und auch dem Senat bekannte Unsitte, Schriftsätze unter Missachtung der prozessualen Prozessförderungspflicht gem. § 282 Abs. 1 ZPO und unter eigenmächtiger Nichtbeachtung gerichtlicher Fristen erst am Vortag des Sitzungstages oder unwesentlich früher einzureichen, rechtfertigt keinen Befangenheitsantrag, sondern fällt - wie hier - auf derart prozessordnungswidrig arbeitende Rechtsanwälte zurück.
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2. Auch der Vorwurf der Klägerin gegenüber der Richterin, sie habe im Protokoll vom 06.08.2013 nicht auf Antrag des Klägervertreters das Protokoll bezüglich des Eingangssatzes zur Protokollierung gem. § 141 ZPO „Auf Nachfrage des Klägervertreters“ gestrichen, rechtfertigt kein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters.
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a) Der Klägervertreter konnte mit seiner Erklärung zum von ihm behaupteten Ablauf in der mündlichen Verhandlung und auch mit seiner handschriftlichen Notiz (Bl. 62) bereits keine hinreichende Glaubhaftmachung zur Überzeugung des Senats führen, §§ 44 Abs. 2, 294 ZPO.
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Die Richterin hat bereits in der mündlichen Verhandlung und insbesondere in ihrer dienstlichen Stellungnahme vom 06.08.2013 (Bl. 56 f.) gem. § 44 Abs. 3 ZPO eingehend und überzeugend ausgeführt, weshalb sie sich, wie protokolliert, an die Nachfrage des Klägervertreters positiv erinnert. Für eine Streichung der gewünschten kurzen Einleitungspassage zu einer Aussage der Klägerin im Protokoll vom 06.08.2013 gebe es deshalb keine Möglichkeit. Der Senat hat keine Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der dienstlichen Stellungnahme der vom Klägervertreter abgelehnten Richterin am Landgericht. Die vom Klägervertreter abgegebenen Erklärungen und seine handschriftliche Notiz (Bl. 62) sind nicht geeignet, die dienstliche Stellungnahme der Richterin in Zweifel zu ziehen oder sogar zu widerlegen.
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Das Protokoll ist demnach richtig und wäre auch nicht gem. § 164 ZPO wegen Unrichtigkeit zu korrigieren. Bei Streit über den Protokollinhalt entscheidet der protokollierende Richter und nicht die Partei, die entweder unbewusst oder im schlimmsten Fall bewusst eine Protokollfassung begehrt und durchzusetzen versucht, die ihr günstig ist. Auch bei widersprüchlichen Erinnerungen zwischen Richter und einer Partei entscheidet der Tatrichter über den Protokollinhalt und nicht eine Partei oder deren Parteivertreter. Die Berichtigung gem. § 164 Abs. 3 S. 2 ZPO oder Nichtberichtigung obliegt folgerichtig auch der Urkundsperson des § 163 ZPO, die durch ihre Unterschrift die alleinige Verantwortung für die Richtigkeit des ursprünglichen Protokolls übernommen hat (statt aller: Zöller, ZPO, 30. Auflage, § 164 Rn. 5).
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b) Im Übrigen wäre bei einem „non liquet“ hinsichtlich der Glaubhaftmachung, wie das Landgericht in seinem Beschluss vom 10.09.2013 zutreffend ausführt, von keiner Glaubhaftmachung gem. § 44 ZPO zugunsten des Befangenheitsantragstellers auszugehen. Auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung wird insoweit Bezug genommen.
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3. Der Senat sieht Veranlassung zu dem Hinweis, dass der Klägervertreter sich mit dem von der von ihm abgelehnten Richterin im Protokoll Festgehaltenen nicht abzufinden vermag und daher versucht, die Vorschriften über die Befangenheit als „weitere Instanz“ zur „Protokollberichtigung“ gem. § 164 ZPO zu verwenden.
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Insoweit werden, wie ausgeführt, die Vorschriften zur Protokollaufnahme gem. §§ 159 ff. ZPO, die insoweit normierten Kompetenzzuweisungen für die Errichtung eines Protokolls und die ebenfalls normierte Verantwortlichkeit für den Inhalt eines gerichtlichen Protokolls grundlegend verkannt.
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Der Klägervertreter verkennt insbesondere, dass die Vorschriften zur Protokollberichtigung gem. § 164 ZPO für eine, auch von einer Partei vehement behaupteten, Unstimmigkeit oder Unrichtigkeit eines Protokolls geschaffen sind und der protokollierende Tatrichter bei Streit über den Inhalt des Protokolls in alleiniger Verantwortung über den Protokollinhalt entscheidet. Das Befangenheitsrecht ist demgegenüber - auch neben dem Protokollberichtigungsrecht - nach allgemeiner Meinung weder zur Fehler- und Inhaltskontrolle bei von einer Partei behaupteten Fehlern geeignet noch geschaffen.
21 
Weder eine Partei noch ein Parteivertreter haben das Befangenheitsrecht gem. §§ 42 ff. ZPO zur prozessordnungswidrigen Durchsetzung ihnen nicht zustehender prozessualer Rechte oder als Druck- oder Drohmittel zur Durchsetzung für nicht zustehende prozessuale Rechte einzusetzen und zu missbrauchen.
III.
22 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
23 
Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht. Die gesetzlichen Voraussetzungen liegen nicht vor, § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 574 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 ZPO.

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