Urteil vom Oberlandesgericht Stuttgart - 1 Ss 599/13

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 1. Juli 2013 wird als unbegründet

v e r w o r f e n .

Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Gründe

 
I.
Das Amtsgericht Stuttgart verurteilte den Angeklagten am 29. November 2012 wegen Beleidigung zu der Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30 EUR. Mit Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 1. Juli 2013 wurde auf seine hiergegen eingelegte Berufung das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte zu der Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 60 EUR verurteilt wurde, die weitergehende Berufung wurde verworfen.
Das Landgericht hat in der Berufungshauptverhandlung folgenden Sachverhalt festgestellt und tatbestandsmäßig als Beleidigung im Sinne des § 185 StGB gewertet:
Am Abend des 03. März 2012 führte die Polizeistreife PHM K./PM S. gegen 22.20 Uhr eine Kontrolle des Zeugen F. durch, weil dieser mit seinem PKW VW Polo vor ihnen auf der R… Straße in S. auf der Fahrt bergabwärts in Richtung Stadtmitte in Schlangenlinien gefahren war. Sie gaben ihm durch ein eingeschaltetes Blaulicht auf dem Dach ihres zivilen Dienstfahrzeugs zu verstehen, dass er anhalten sollte und er stellte seinen Pkw in der Bushaltestelle vor dem Gebäude R… Straße 1 ab. Die zivil gekleideten Beamten parkten ihr Fahrzeug mit weiterhin eingeschaltetem Blaulicht hinter diesem. Während sich PM S. zu der Fahrertür an dem Polo begab, um die Kontrolle des F. durchzuführen, blieb PHM K. auf der Beifahrerseite des Pkw stehen, um die Kontrolle abzusichern.
Auf das Blaulicht aufmerksam geworden verließ der Angeklagte das Gebäude R… Straße 1, in dessen Erdgeschoss sich das Lokal „R.“ befindet, durch die Haustür. Der Angeklagte, der von der Polizei wenig hält und sich dank seiner juristischen Ausbildung, seines Intellekts und seiner rhetorischen Fähigkeiten Polizeibeamten überlegen fühlt, findet Gefallen daran, diese Überlegenheit auszuspielen, und erkannte in der Kontrolle eine Gelegenheit hierzu. Er ging daher in der Erwartung, dass der Polizeibeamte daran Anstoß nehmen würde, mehrfach langsam auf dem Gehweg die R… Straße auf Höhe der beiden Fahrzeuge und mit Blickrichtung auf diese auf und ab. Tatsächlich sah sich PHM K. in seiner Aufgabe, die Kontrolle gegen Störungen Dritter zu sichern, beeinträchtigt, und forderte den Angeklagten mit dem Hinweis, hier werde eine Polizeikontrolle durchgeführt, auf, weiter zu gehen. Dieser Aufforderung kam der Angeklagte in verhaltenem Tempo nach, kehrte aber in Verfolgung seines Vorhabens, den Beamten in eine Debatte zu verwickeln, darin sein dienstliches Verhalten zu kritisieren und ihn so zu verunsichern, alsbald zu dem Polizeibeamten an den Pkw zurück und blieb stehen.
Auf die erneute Aufforderung von PHM K., sich zu entfernen, erwiderte der Angeklagte, dass er doch seine Staatsdiener kontrollieren müsse. Ohne darauf einzugehen wandte sich PHM K. von dem Angeklagten ab und ging einige Schritte in Richtung des Dienstfahrzeugs, wohin sich PM S. mit dem Zeugen F. zwischenzeitlich zur Abfrage von dessen Daten per Funk begeben hatte. In der Folgezeit unterzog PM S. den Zeugen F. auf dem Gehweg einigen Tests, darunter dem Rhomberg-Test, um den Verdacht einer alkoholischen oder Drogenbeeinflussung weiter abzuklären, an denen der Zeuge anstandslos mitwirkte. Die Tests bestätigten letztlich den Verdacht einer Intoxikation nicht. Als der Angeklagte PHM K. zu dem Dienstfahrzeug folgte, wies sich dieser durch Vorzeigen seines Dienstausweises als Polizeibeamter aus und drohte dem Angeklagten für den Fall weiterer Störung an, ihn in Beseitigungsgewahrsam zu nehmen. Zudem forderte der Zeuge den Angeklagten auf, sich auszuweisen, was dieser tat.
Diese polizeilichen Maßnahmen bildeten für den Angeklagten den Einstieg in die verbale Auseinandersetzung mit PHM K.. Er mokierte sich über die seiner Meinung nach andere Verkehrsteilnehmer irritierende und dadurch gefährdende Kontrolle im Bereich der Kurve mit laufendem Blaulicht. Er machte dem Beamten wegen der Tests, denen sich der Zeuge F. unterziehen musste, Vorhalte, weil sie bei einer Durchführung in der Öffentlichkeit entwürdigend seien, und äußerte, die Polizei solle keine unschuldigen Bürger belästigen. Da sich PHM K. auf keine Diskussion einließ und stattdessen seine Stimme erhob, verlor auch der Angeklagte ungewollt seine Abgeklärtheit und wurde lauter und emotional.
Schließlich wandte er sich ab, rief etwas von „Polizeiwillkür“ und lief in die Gaststätte „R.“ hinein. Von dort aus kam die Frau des Angeklagten mit diesem zusammen oder kurz nach ihm auf die Straße und fragte, was los sei. Auf die Erläuterung von PHM K., dass es sich um eine Kontrolle handele, die mit ihrem Mann gar nichts zu tun habe, meinte sie, dass er halt so sei. Auch ihr zeigte der Beamte seinen Dienstausweis. Währenddessen redete der Angeklagte weiter lautstark auf den Beamten ein, ob er denn wisse, mit wem er es zu tun habe, er kenne den früheren Leiter des Reviers G… Straße. Die Äußerungen des Angeklagten gipfelten in dem Satz, dass er viele ältere Kollegen kenne, die mehr Verstand hätten als der Zeuge. Damit wollte der Angeklagte dem Beamten in abschätziger, ehrverletzender Weise kundtun, dass er ihn für dumm halte. PHM K. verstand diese Äußerung auch in diesem Sinn und kündigte dem Angeklagten sofort an, dass er ihn nunmehr wegen Beleidigung zur Anzeige bringen werde. Darauf rang sich der Angeklagte ein Lächeln ab, reagierte aber nicht weiter.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Im Wesentlichen stützt der Angeklagte seine Revision darauf, dass die Äußerung des Angeklagten als Kritik der angegriffenen Maßnahme der Polizeibeamten gegolten habe, nicht aber als Herabwürdigung deren Persönlichkeit. In einem in der Öffentlichkeit ausgetragenen Meinungskampf seien eindringliche und sinnfällige Schlagworte oder scharfe, polemisch überspitzte Äußerungen von der grundrechtlich garantierten Meinungsfreiheit gedeckt und deshalb nicht tatbestandsmäßig im Sinne der Norm. Der Angeklagte beantragte daher in der Revisionsbegründung, das angefochtene Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Stuttgart zurückzuverweisen und - weitergehend - in der Revisionshauptverhandlung, ihn freizusprechen.
Die Generalstaatsanwaltschaft ist der Revision des Angeklagten mit Zuschrift vom 19. September 2013 beigetreten und beantragte ebenfalls, das Urteil des Landgerichts Stuttgart aufzuheben und den Angeklagten unter Auferlegung seiner notwendigen Auslagen auf die Staatskasse vom Vorwurf der Beleidigung freizusprechen.
II.
10 
Die zulässige Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg.
1.
11 
Das Landgericht hat seine dem Schuldspruch zu Grunde liegenden Feststellungen, die diesen in rechtlicher Hinsicht auch tragen (dazu unten Ziff. 2.), rechtsfehlerfrei aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung gewonnen.
12 
Die Beweiswürdigung ist dabei ureigene Aufgabe des Tatrichters. Das Revisionsgericht hat die Entscheidung des Tatrichters hinzunehmen und sich auf die Prüfung zu beschränken, ob die Urteilsgründe Fehler enthalten. Eine Beweiswürdigung ist etwa dann rechtsfehlerhaft, wenn sie von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht erörtert, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden (vgl. etwa BGH, Urteil vom 22. Mai 2007 - 1 StR 582/06 -; BGH NJW 2005, 1727; BGH NStZ-RR 2003, 371). Während die frühere Rechtsprechung in der Darlegung der Beweiswürdigung in den schriftlichen Urteilsgründen dabei Schlussfolgerungen des Tatgerichts, die nach der Lebenserfahrung möglich sind, genügen ließ, wird nunmehr vorausgesetzt, dass der Schuldspruch auf einer tragfähigen Beweisgrundlage aufbaut, die die objektiv hohe Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit des Beweisergebnisses ergibt (BVerfG NJW 2003, 2444).
13 
Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils in jeder Hinsicht gerecht. Die Revision zeigt denn auch keine fehlerhafte Beweiswürdigung auf, was die Feststellung des objektiven Sachverhalts angeht. Das Urteil setzt sich insbesondere mit der Einlassung des Angeklagten auseinander, seine Äußerung habe wie folgt gelautet: „Ich kenne ältere Kollegen, die diesen Vorfall vernünftiger abhandeln würden“ (UA S. 8). Es hat diese Einlassung aufgrund der Aussage des Geschädigten und dem Nachtatverhalten des Angeklagten nachvollziehbar als widerlegt angesehen (UA S. 17). Gegen die hierbei vorgenommene Beweiswürdigung ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern.
14 
Die Kammer hat zu der Feststellung der subjektiven Tatseite weiter bedacht, dass zu den Anforderungen bei der Deutung einer inkriminierten Äußerung von Verfassungs wegen auch gehört, dass sie unter Einbeziehung ihres Kontextes ausgelegt werden muss und ihr kein Sinn zugemessen werden darf, den sie objektiv nicht haben kann. Bei mehrdeutigen Äußerungen darf die zur Verurteilung führende Bedeutung nicht zu Grunde gelegt werden, ohne vorher mit schlüssigen Gründen Deutungen ausgeschlossen zu haben, welche die Sanktion nicht zu rechtfertigen vermögen, da dieser Sinngehalt in jedem Falle dem Schutzbereich der freien Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG unterliegt (BVerfG in ständiger Rechtsprechung, vgl. Beschluss vom 12. Mai 2009 - 1 BvR 2272/04 -, NJW 2009, 3016, Rn. 31 bei juris). Mit tragfähiger Begründung hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei wiederum in erster Linie auf getätigte und eingestandene Äußerungen des Angeklagten während des Tatgeschehens wie auch während der Berufungshauptverhandlung bis hin zu seinem letzten Wort (BGH NStZ-RR 2010, 310) abgestellt (UA S. 10 ff., S. 18 f.). So hat der Angeklagte den Urteilsgründen zufolge in seinem letzten Wort ausgeführt, Beamte müssten bei einem so grob rechtswidrigen Verhalten „zurecht gestutzt“ werden (UA S. 8). Weiter führte er den Urteilsgründen zufolge in der Hauptverhandlung aus, in solchen Situationen „spiele er mit Worten“ (UA S. 8). Ohne Rechtsfehler hat die Strafkammer unter anderem hieraus die Überzeugung abgeleitet, „dass der Angeklagte zu keinem Zeitpunkt als „kritischer Bürger“ PHM K. auf ein seiner Meinung nach gefährdendes und den Zeugen F. in seiner Würde verletzendes Verhalten hinweisen wollte, sondern von vornherein zu seiner Unterhaltung den verbalen Konflikt mit dem Beamten suchte und er in diesem bewusst die ehrverletzend gemeinte und verstandene Äußerung machte“ (UA S. 9).
15 
Dass die getätigte Äußerung nicht nur von dem Geschädigten subjektiv als ehrverletzend betrachtet wurde, sondern sie im Rahmen des Gesamtgeschehens auch objektiv von jedem verständigen Dritten als ehrverletzende Äußerung dahingehend zu verstehen war, dass der Geschädigte keinen Verstand habe und mithin „dumm“ sei, hat die Strafkammer hierbei bedacht (UA S. 17, Ziff. 8a). Der Senat vermag deshalb auszuschließen, dass die Strafkammer sich - trotz wiederholter Äußerung des subjektiven Empfindens des Geschädigten (UA S. 17, S. 19) - nicht auch an einem objektiven, sondern nur einem subjektiv empfundenen Sinngehalt der Äußerung aus Opfersicht orientiert hat (BVerfG aaO).
2.
16 
Auch der Umstand, dass die Strafkammer rechtsirrig auf eine Abwägung zwischen Meinungsfreiheit des Angeklagten und Ehrenschutz des Geschädigten unter Berücksichtigung von Anlass und Kontext der Äußerung verzichtet hat, da der Angeklagte nicht gemäß § 193 StGB in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt habe (UA S. 20), vermag den Bestand des Urteils nicht zu gefährden.
17 
Im Einzelnen:
a)
18 
Bei der grundsätzlich vorzunehmenden Abwägung tritt die Meinungsfreiheit regelmäßig nur dann hinter dem Ehrenschutz zurück, wenn es sich bei den herabsetzenden Äußerungen um Formalbeleidigungen oder Schmähungen handelt, bei denen nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern - jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik - die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (BVerfG, aaO, Rn. 28 bei juris). In diesem Zusammenhang kann von der Abwägung allenfalls ausnahmsweise abgesehen werden, wenn es sich um eine Äußerung handelt, deren diffamierender Gehalt so erheblich ist, dass sie in jedem denkbaren Sachzusammenhang als bloße Herabsetzung des Betroffenen erscheint und daher unabhängig von ihrem konkreten Kontext stets als persönliche diffamierende Schmähung aufgefasst werden muss, wie es bei der Verwendung besonders schwerwiegender Schimpfwörter - etwa aus der Fäkalsprache - der Fall sein kann (BVerfG, Beschluss vom 5. Dezember 2008 - 1 BvR 1318/07 -, NJW 2009, 749, Rn. 16 bei juris). Dabei hat das Bundesverfassungsgericht den in der Fachgerichtsbarkeit entwickelten Begriff der „Schmähkritik“ eng definiert.
19 
Trotz der sehr knappen rechtlichen Würdigung in dem angegriffenen Urteil, das sich mit dem Rechtsbegriff der „Schmähkritik“ nicht auseinandersetzt, jedoch darlegt, dass der Angeklagte „nicht im Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gehandelt“ habe, da er nicht in Wahrnehmung öffentlichkeitsrelevanter Angelegenheiten gehandelt habe, sondern vielmehr die verbale Auseinandersetzung mit dem Geschädigten gesucht habe, liegt nach dem Gesamtzusammenhang dennoch nicht nahe, dass die Strafkammer von dem Vorliegen einer Schmähkritik ausgegangen ist. Denn die Strafkammer legt an anderer Stelle dar, dass die Behauptung, jemand anderes habe mehr Verstand als eine Person, eine Behauptung sei, die nahezu jeder gegen sich gelten lassen müsse (UA S. 18, Ziff. 10). Die Strafkammer kommt mithin lediglich unter Berücksichtigung des konkreten Kontexts der Tatumstände zu der ehrverletzenden Auslegung der Formulierung.
20 
Damit war die Strafkammer aber der Abwägung der Rechtsgüter der Meinungsäußerung und des Ehrenschutzes nicht enthoben.
b)
21 
Da das angefochtene Urteil ausreichende Feststellungen zu den Tatumständen und der Motivation des Angeklagten enthält, kann das Revisionsgericht den Abwägungsvorgang als reine Rechtsfrage nachholen. Dieser ergibt, dass die Äußerung des Angeklagten, auch wenn sie keine Schmähkritik darstellt, nicht vom Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gedeckt war.
22 
Das Bundesverfassungsgericht hat in den genannten Entscheidungen wiederholt entschieden, dass von dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sei, wenn Meinungsführer verschiedener informierter und interessierter Bürgerbewegungen oder auch politischer Parteien im Rahmen von öffentlich ausgetragenen Sachdiskussionen, zu denen sie geladen waren, die gebotene Zurückhaltung verloren und im Kampf um die Vorherrschaft ihrer Meinung Äußerungen tätigten, die sich - zumindest auch - in ehrverletzender Weise gegen die Person des Mitdiskutanten wendeten. Eine Meinungsäußerung wird in diesen Fällen nicht schon wegen ihrer herabsetzenden Wirkung für Dritte zur Schmähung; hinzukommen muss vielmehr, dass die persönliche Kränkung das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängt (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2009, aaO, Rn. 35 bei juris).
23 
Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des angefochtenen Urteils handelt es sich vorliegend um keinen vergleichbaren Sachverhalt. Der Angeklagte war nicht informierter und interessierter Meinungsführer einer Gruppierung von Bürgern oder einer politischen Partei, vielmehr schwang er sich zu einem unberufenen „Zensor“ über dienstliches Handeln von Polizeibeamten auf, das ihn selbst unmittelbar bis zu seinem Einschreiten nicht betraf und zu dessen Vorgeschehen, nämlich der Fahrweise des einer Kontrolle unterzogenen Pkw-Lenkers, er keinerlei Vorinformationen hatte. Als er zu dem Geschehen hinzu kam, hatte der Pkw-Lenker sein Fahrzeug bereits verlassen und wurde Standardtests hinsichtlich seiner Fahrtüchtigkeit unterzogen. Ob diese Maßnahme veranlasst und rechtmäßig war, konnte der Angeklagte mithin nicht beurteilen. Nach den weiterhin rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ging es dem Angeklagten schließlich auch alleine darum, „Staatsdiener zu beaufsichtigen“, sie „zurechtzustutzen“ und sie dabei seine intellektuelle und rhetorische Überlegenheit durch „Wortspielereien“ spüren zu lassen. Auch wenn in diesem Zusammenhang kritische Äußerungen eines Bürgers am Verhalten von Polizeibeamten durch das Recht zur freien Meinungsäußerung gedeckt sein mögen, erlaubt dieses Recht vorliegend keine ehrverletzenden Äußerungen. Denn sie wurden gerade nicht im Rahmen eines vom Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen gemeinhin als hohes Gut betrachteten öffentlichen Meinungsstreits geäußert, da der Angeklagte ein sachliches Anliegen, das ihn persönlich oder als Protagonisten einer Gruppierung interessierter Bürger unmittelbar betraf, nach den getroffenen Feststellungen a priori nicht verfolgt hat, sondern ihm ausschließlich um das intellektuelle Herabwürdigen seines Kontrahenten zu tun war. Ohne rechtliche Bedeutung ist deshalb der Umstand, dass dem Angeklagten der Beseitigungsgewahrsam angedroht wurde, da ihm nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils gerade um die Provokation des Geschädigten zu tun war und er die zu erwartende Reaktion gerade als Einstieg in die verbale Auseinandersetzung nutzen wollte (UA S.5).
c)
24 
Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Geschädigte als Amtsträger Opfer der Beleidigung wurde. Selbst wenn man dem Angeklagten zugestehen wollte, dass die Vermutung für die freie Rede umso schwereres Gewicht haben soll, als die geübte Kritik die Ausübung staatlicher Gewalt zum Inhalt hat (BVerfG, aaO, Rn. 38 bei juris), so verließ der Angeklagte diesen Schutzbereich spätestens dann, als er sich nicht mehr darauf beschränkte, darauf hinzuweisen, dass die Kontrollmaßnahmen seiner Ansicht nach überzogen waren und an einer für andere Verkehrsteilnehmer gefährlichen Stelle durchgeführt würden. Denn mit dem Hinweis darauf, dass der Geschädigte weniger Verstand habe als andere Polizeibeamte und ihm im Gesamtkontext damit sinngemäß geringere Intelligenz als anderen Menschen zugestanden wurde, ist die private Person des Geschädigten in den Vordergrund gestellt worden und nicht sein öffentliches Wirken als Polizeibeamter mit etwaigen weitreichenden gesellschaftlichen Folgen (BVerfG, aaO).
25 
Das Recht auf Äußerung freier Meinung alleine dazu zu missbrauchen, Amtsträger in Uniform gezielt zu provozieren und öffentlich in ihrer Person zu diffamieren, ohne dass dies im Rahmen eines von beiden Seiten öffentlichkeitswirksam gesuchten Meinungsaustauschs stattfindet, verlangt nach strafrechtlicher Sanktion. Ein Gemeinwesen, das nicht bereit ist, strafrechtlich relevantes Tun gegen seine Repräsentanten zu ahnden, nimmt sehenden Auges in Kauf, dass seine Institutionen und Rechtssätze insgesamt an Achtung und Geltung verlieren und verliert so in weiten Bevölkerungskreisen an Akzeptanz.
d)
26 
Der vorliegende Sachverhalt liegt mithin auch anders als der von dem Oberlandesgericht Düsseldorf am 25. März 2003 (NStZ-RR 2003, 295) entschiedene, den die Generalstaatsanwaltschaft für ihren Antrag ins Feld führt. Dort hatte der Angeklagte ihn kontrollierende Polizeibeamte der „Wegelagerei“ bezichtigt. Nach dem Kontext lag auf der Hand, dass es sich hierbei um eine allgemeine Kritik an dem Vorgehen der Polizei handelte, die keinen personalisierten Bezug zu dem konkret kontrollierenden Polizeibeamten hatte.
3.
27 
Da auch die Begründung des Rechtsfolgenausspruchs revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, hat der Senat die Revision als unbegründet mit der Kostenfolge des § 473 Abs. 1 StPO verworfen.

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