Urteil vom Oberlandesgericht Stuttgart - 101 U 6/13

Tenor

1. Das Urteil des AG Ravensburg - Landwirtschaftsgericht - vom 25.9.2013 (Az. XV 6/13) wird abgeändert und der Beklagte wird verurteilt, die Grundstücke Gemarkung E., lfd. X im Grundbuch von W., Flurstück Nr. X, Grünland, an den Kläger herauszugeben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtstreits in beiden Instanzen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Berufungsstreitwert: 2.855 EUR

Gründe

 
I.
Die Parteien streiten sich um die Wirksamkeit einer vom Kläger ausgesprochenen Kündigung eines Pachtverhältnisses über verschiedene landwirtschaftliche Grundstücke mit Flächen von 8,33 ha, 0,9 ha und 0,18 ha. Es handelt sich um zusammenhängendes Dauergrünland.
Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Landwirtschaftsgericht hat die auf Herausgabe der Grundstücke gerichtete Klage abgewiesen mit der Begründung, dass eine Kündigung gemäß §§ 594e Abs. 2 Satz 1, 543 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BGB nur wirksam sei, wenn vor der Kündigung eine Abmahnung ausgesprochen worden sei. Zwar sei nach dem Wortlaut dieser Vorschrift im Falle der Jahrespacht Verzug mit der Entrichtung der Pacht oder eines nicht unerheblichen Teils davon länger als drei Monate für eine Kündigung ausreichend. Diese Spezialvorschrift besage jedoch nicht, dass von einer Abmahnung bzw. einer Fristsetzung abgesehen werden könne. Aus der allein vorliegenden allgemeinen Verweisung auf § 543 BGB in § 594e Abs. 1 BGB sei dies nicht zu entnehmen. Denn der Fall, in dem nach § 542 Abs. 3 BGB von einer Abmahnung abgesehen werden könne, nämlich derjenige des § 543 Abs. 2 Nr. 3a oder b BGB, liege im Rahmen des Kündigungstatbestandes nach § 594e Abs. 2, 1. Alt. BGB gerade nicht vor. Rechtssystematisch bleibe es daher über § 594e Abs. 1 BGB bei der grundsätzlichen Obliegenheit des Verpächters gemäß § 543 Abs. 3 Satz 1 BGB, erst eine angemessene Frist zu setzen. Die Ausnahme in § 543 Abs. 2 Nr. 3a und b BGB bilde eine Ausnahme. Sie rechtfertige sich allein unter dem Gesichtspunkt des Verstreichens zweier einschlägiger Zahlungstermine in Folge. Dieser entscheidende Gesichtspunkt fehle im Fall des § 594e Abs. 2 Satz 1 BGB, weshalb vor Ausspruch einer Kündigung eine angemessene Nachfrist gesetzt werden müsse. Zudem sei es selbst bei Vorliegen der Voraussetzungen von §§ 543 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB ständige Rechtsprechung, dass im Ausnahmefall einer sich nur isoliert darstellenden Vertragsstörung mittleren oder nur leichten Verschuldens einer Vertragspartei nicht überfallartig zur außerordentlichen Beendigung des Dauerschuldverhältnisses gegriffen werden könne. Dies gelte insbesondere, wenn Anhaltspunkte für grundsätzliche Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungsunwilligkeit fehlen oder wenn der Verzug im Verhältnis zur bisherigen Vertragsdauer und Vertragserfüllung unbedeutend sei. Dies liege hier vor, da die einmalig und umgehend korrigierte Unterlassung des Beklagten unstreitig auf einem schlichten Irrtum beruht habe. Der eingetretene Zahlungsverzug von 3 Monaten sei gemessen an der Gesamtpachtdauer von 8 Jahren geringfügig.
Die ausgesprochene Kündigung sei daher mangels notwendiger Mahnung unwirksam, weshalb die Klage abzuweisen sei.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Das Landwirtschaftsgericht weiche in seiner Entscheidung vom Wortlaut des § 594e BGB und der Systematik des Miet- und Pachtrechts ab. § 594e Abs. 2 BGB stelle eine Spezialvorschrift dar, die gegenüber § 543 Abs. 2 BGB vorrangig sei. Es handle sich eindeutig um eine Sonderregelung für das Landpachtrecht. Aus dem Wortlaut von § 594e Abs. 2 Satz 1 BGB ergebe sich, dass abweichend von § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB für den dort geregelten Fall die einmalige Versäumnis mit einer Verzugsdauer von drei Monaten ausreichend sei. Der Gesetzgeber sehe eine Abmahnung nur vor, wenn der Vertragspartner vor Eintritt weiterer Konsequenzen über seinen Vertragsverstoß informiert werden müsse; dies sei im Falle des Zahlungsverzugs aufgrund fest vereinbarter Zahlungstermine nicht der Fall. Die Notwendigkeit einer Abmahnung könne auch nicht daraus konstruiert werden, dass der Verzugseintritt in § 543 Abs. 2 BGB an eine wiederholte Zahlungsverzögerung angeknüpft sei, weil dies § 594e Abs. 2 Satz 1 BGB gerade nicht verlange. § 594 Abs. 2 BGB setze daher lediglich Verzug für die Dauer von 3 Monaten mit der Zahlung der Jahrespacht voraus. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass die Zahlung nur „versehentlich“ unterblieben sei, weil auch eine versehentlich unterbliebene Zahlung fahrlässig im Sinne von § 276 BGB sei. Hinzu komme, dass die Parteien erst am 19.9.2012 einen gerichtlichen Vergleich geschlossen hätten und der Beklagte bis heute die sich hieraus ergebenden Pflichten nicht erfüllt habe. Damit könne von einem ungestörten Pachtverhältnis nicht gesprochen werden. Die vom Landwirtschaftsgericht zitierte Rechtsprechung betreffe die Kündigung von Pachtverträgen über existenzbegründende Pachtgegenstände wie einer Gaststätte oder eines Hotels. Diese Sonderfälle seien mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar, da der Beklagte seinen Hof in ca. 40 km Entfernung von den Pachtgrundstücken betreibe und diese nur einen geringen Bruchteil der von ihm bewirtschafteten Flächen darstellten. Auch die Gesamtpachtdauer von 8 Jahren sei nicht relevant, da der Kläger erst im Mai 2011 in das bestehende Pachtverhältnis eingetreten sei.
Der Kläger beantragt:
1. Das Urteil des Amtsgerichts Ravensburg, Landwirtschaftsgericht, vom 25.9.2013 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte wird verurteilt, die Grundstücke Gemarkung E., lfd. Nr. X im Grundbuch von W., Flurstück Nr. X, Grünland, an den Kläger herauszugeben.
Der Beklagte beantragt:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
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Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Das Landwirtschaftsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger vor Ausspruch einer Kündigung zunächst eine Abmahnung hätte aussprechen müssen. Im Übrigen sei den Interessen des Klägers dadurch ausreichend genüge getan, dass er seine Pachtzahlung erhalten habe und ihm aufgrund der verzögerten Zahlung Verzugszinsen zustünden.
II.
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Die Berufung ist zulässig und begründet, weil die fristlose Kündigung vom 13.2.2013 wirksam war und damit das streitgegenständliche Pachtverhältnis beendete. Der Beklagte ist daher zur Herausgabe der verpachteten Grundstücke verpflichtet.
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1. Entgegen der Ansicht des Landwirtschaftsgerichts setzt eine Kündigung nach § 594e Abs. 2 S. 1 BGB nicht voraus, dass vor Ausspruch der Kündigung eine Abmahnung bzw. Fristsetzung zur Zahlung ausgesprochen wird.
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a. Dem Wortlaut der Norm ist ein solches Erfordernis nicht zu entnehmen, er spricht vielmehr dafür, dass im Falle des 3-monatigen Zahlungsverzugs mit der jährlich zu bezahlenden Pacht ohne weitere Maßnahmen eine Kündigung ausgesprochen werden kann.
14 
Denn § 594e Abs. 1 S. 1 BGB nimmt ausdrücklich Bezug auf § 543 Abs. 2 Nr. 3a und b BGB und regelt – ausdrücklich – abweichend von dieser Vorschrift, dass ein wichtiger Grund insbesondere dann vorliegt, wenn der Pächter mit der Entrichtung der Pacht oder eines nicht unerheblichen Teils länger als 3 Monate in Verzug ist, wobei sich aus § 594e Abs. 2 S. 2 BGB ergibt, dass dies nur für die Jahrespacht gilt. Die ausdrücklich in Bezug genommenen Kündigungstatbestände sind gerade diejenigen, bei denen gem. § 543 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 BGB keine Abmahnung erforderlich ist, weshalb die Verweisung in § 594e Abs. 1 S. 1 BGB unter Berücksichtigung, dass § 594e Abs. 1 BGB hinsichtlich des Kündigungsrechts auf § 543 BGB (insgesamt) verweist, ihrem Wortlaut nach nur so verstanden werden kann, dass in diesem Fall keine Abmahnung erforderlich ist. Damit greift auch das Argument des Landwirtschaftsgerichts, bei den Kündigungstatbeständen des § 543 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 BGB handle es sich um einen „Fremdkörper“ im System der Kündigungstatbestände, nicht. Denn § 594e Abs. 2 S. 1 BGB nimmt gerade auf diese Ausnahmevorschrift Bezug.
15 
b. Für dieses Ergebnis spricht auch die Gesetzesbegründung. § 594e BGB wurde durch das Gesetz zur Neuordnung des landwirtschaftlichen Pachtrechts vom 8.11.1985 eingeführt und wurde seither im Hinblick auf die hier entscheidungserhebliche Frage nicht in relevanter Weise verändert. Im Gesetzesentwurf wurde zur Begründung ausgeführt (Bundestags-Drucksache Nr. 09/2299 vom 13.10.1982, S. 25):
16 
„Entsprechend dem geltenden Recht bestimmt sich das Recht zur Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist (fristlose Kündigung) nach den entsprechenden Vorschriften des Mietrechts (Absatz 1).
Absatz 2
Wegen der gegenüber dem Mietrecht regelmäßig erheblich längeren Zahlungstermine ist für die fristlose Kündigung bei Zahlungsverzug eine Sondervorschrift erforderlich. Gemäß Satz 1 ist eine fristlose Kündigung des Verpächters möglich, wenn der Pächter mit der Entrichtung des Pachtzinses oder eines nicht unerheblichen Teiles desselben länger als drei Monate in Verzug ist.“
17 
Aus dieser Begründung ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass außer Zahlungsverzug über einen Zeitraum von 3 Monaten noch weitere Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung erforderlich sein sollten. Vielmehr wird die Regelung als Sondervorschrift für den Zahlungsverzug bezeichnet, bei dem ebenfalls unter den Voraussetzungen von § 543 Abs. 2 Nr. 3 gem. § 543 Abs. 3 Nr. 3 BGB in der damals geltenden Fassung keine Abmahnung erforderlich war. Die Gesetzesbegründung spricht auch dagegen, dass nach der Systematik der Kündigungstatbestände eine Kündigung ohne Abmahnung nur bei Verzug über einen Zeitraum von mindestens 2 Fälligkeitszeitpunkten möglich sein solle. Denn § 594e Abs.2 S. 1 BGB weicht von diesem Grundsatz nach der Gesetzesbegründung gerade wegen der bei Pachtverhältnissen regelmäßig erheblich längeren Zahlungstermine ab.
18 
c. Damit setzt die Kündigung im Fall des § 594e Abs. 2 S. 1 BGB grundsätzlich keine Abmahnung oder Nachfristsetzung voraus (ebenso Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 15. März 2007 – 5 U (Lw) 117/06 –, juris Rn. 22).
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Die nach dem Wortlaut erforderlichen Voraussetzungen – Verzug mit der jährlich zu bezahlenden Pacht über einen Zeitraum von mindestens 3 Monaten − lagen bei Zugang der Kündigung vom 13.2.2013 vor, da die Pacht am 11.11.2012 fällig gewesen wäre und erst nach Zugang der Kündigung bezahlt wurde. Dem Verzugseintritt steht auch nicht der Wechsel in der Person des Verpächters entgegen, weil dieser schon im Mai 2011 erfolgt war und der Beklagte bereits einmal die Pacht für das Jahr 2011 an den Kläger überwiesen hatte.
20 
2. Von diesem Grundsatz ist auch nicht deshalb eine Ausnahme zu machen, weil Anhaltspunkte für grundsätzliche Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungsunwilligkeit fehlen oder der Verzug im Verhältnis zur bisherigen Vertragsdauer und Vertragserfüllung unbedeutend ist.
21 
Zwar kann der Ausspruch einer fristlosen Kündigung ohne vorausgehende Abmahnung im Einzelfall gegen § 242 BGB verstoßen, wenn sich dem Vermieter der Schluss aufdrängen muss, dass die Nichtzahlung nicht auf Zahlungsunfähigkeit oder -unwilligkeit, sondern auf einem bloßem Versehen oder sonstigen vom Pächter nicht zu vertretenden Umständen beruht (vgl. OLG Düsseldorf NZM 2004, 786, juris Rn. 18). Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sich dem Kläger diese Umstände aufdrängen mussten, gibt es hier jedoch nicht, zumal sich der Beklagte im Prozessvergleich vom 19.9.2012 - und damit weniger als 2 Monate vor Fälligkeit der streitigen Pachtzahlung - verpflichtet hatte, bestimmte Arbeiten im Hinblick auf die verpachteten Grundstücke vorzunehmen und diese im Zeitpunkt der Fälligkeit der Jahrespacht ebenso wenig erfüllt hatte wie im Zeitpunkt der Kündigung. Dieser Umstand sprach aus Sicht des Klägers für die Annahme von Leistungsunwilligkeit beim Beklagten.
22 
3. Damit war die Kündigung wirksam und der Beklagte ist gem. § 596 Abs. 1 BGB zur Herausgabe der Grundstücke verpflichtet.
23 
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
24 
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
25 
Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil die Voraussetzungen von § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.

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