Beschluss vom Oberlandesgericht Stuttgart - 4 Ws 283/15

Tenor

Auf die weitere Beschwerde der Beschuldigten wird der Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 14. Juli 2015

aufgehoben.

Auf die Beschwerde der Beschuldigten wird der Arrestbeschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 7. April 2015 dahin

abgeändert,

dass der dingliche Arrest in das Vermögen der Beschuldigten lediglich in Höhe von 24.380,85 EUR angeordnet wird; durch die Hinterlegung eines Geldbetrages von 24.380,85 EUR wird die Vollziehung des Arrestes gehemmt und die Beschuldigte berechtigt, die Aufhebung des vollzogenen Arrestes zu beantragen. Der weitergehende Antrag der Staatsanwaltschaft Stuttgart wird zurückgewiesen.

Im Übrigen werden die Beschwerde und die weitere Beschwerde der Beschuldigten als unbegründet

verworfen.

Die Beschuldigte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens und des Verfahrens über die weitere Beschwerde zu tragen. Jedoch werden die Gebühren für die Beschwerdeverfahren auf ein Viertel ermäßigt. Der Beschuldigten sind drei Viertel ihrer notwendigen Auslagen für die Beschwerdeverfahren aus der Staatskasse zu erstatten.

Gründe

 
I.
Am 10. und am 11. September 2013 erwarb die Beschuldigte insgesamt 210.000 Aktien der Singulus Technologies AG (im Folgenden Singulus AG), die an den Börsen in Frankfurt am Main und Berlin sowie im elektronischen Handelssystem Xetra im regulierten Markt gehandelt werden. Die Singulus AG stellt unter anderem Produktionsanlagen für Solarzellen her. Am 12. September 2013 um 16:18 Uhr veröffentlichte die Singulus AG eine Ad-Hoc-Mitteilung, wonach sie an diesem Tag mit M., einem chinesischen Hersteller von Solarzellen, einen Rahmenvertrag über die Lieferung von 16 Anlagen für die Fertigung von Solarzellen geschlossen habe und die Lieferung der ersten Maschine nach China bereits für das erste Quartal 2014 vorgesehen sei. Nachdem der Kurs der Aktien erheblich angestiegen war, veräußerte die Beschuldigte ihre Aktien bereits am 13. September 2013. Im Einzelnen erfolgte der Erwerb und die Veräußerung der Aktien wie folgt:
Datum,
Zeit
 
Geschäft
 
Stückzahl
 
Kurs
 
Kurswert („brutto“)
 
Wertpapierabrechnung
(„netto“)
10.09.2013
13:36
Kauf
10.000
1,44 EUR
14.400,00 EUR
14.556,96 EUR
11.09.2013
12:05
Kauf
100.000
1,51 EUR
151.000,00 EUR
152.621,59 EUR
11.09.2013
15:08
Kauf
100.000
1,5032 EUR
150.319,15 EUR
151.834,66 EUR
Summe
Kauf
210.000
     
315.719,15 EUR
319.013,21 EUR
13.09.2013
10:32
Verkauf
100.000
1,63 EUR
163.000,00 EUR
161.214,49 EUR
13.09.2013
11:03
Verkauf
110.000
1,61 EUR
177.100,00 EUR
175.198,57 EUR
Summe
Verkauf
210.000
     
340.100,00 EUR
336.413,06 EUR
Erlös
24.380,85 EUR
17.399,85 EUR
Der Beschuldigten wird vorgeworfen, beim Erwerb der Aktien eine Insiderinformation verwendet zu haben. Ihr Ehemann, der Mitbeschuldigte W., habe sie bereits vor dem Erwerb der Aktien über den bevorstehenden Abschluss des Rahmenvertrages informiert. Der Mitbeschuldigte W. sei für eine Tochtergesellschaft der Singulus AG in China aufgrund eines Beratervertrages tätig gewesen. Sein Aufgabenbereich habe die Vorbereitung des Vertragsschlusses mit M. umfasst, weshalb er schon vor Veröffentlichung der Ad-Hoc-Mitteilung vom bevorstehenden Abschluss des Rahmenvertrages gewusst habe. Eine Insideranalyse der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vom 27. März 2014 bewertet den Abschluss des Rahmenvertrages der Singulus AG mit M. vom 12. September 2013 als eine Insiderinformation.
Das Amtsgericht Stuttgart hat mit Beschluss vom 7. April 2015 den dinglichen Arrest in das Vermögen der Beschuldigten in Höhe von 336.413,06 EUR angeordnet. Mit Beschluss vom 14. Juli 2015 hat das Landgericht Stuttgart die Beschwerde der Beschuldigten gegen den Beschluss des Amtsgerichts als unbegründet verworfen. Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beschuldigten.
II.
Die nach § 310 Abs. 1 Nr. 3 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige weitere Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg.
1. Ohne Erfolg wendet sich die weitere Beschwerde allerdings gegen die Annahme der Voraussetzungen für die Anordnung des dinglichen Arrests gemäß § 111b Abs. 2, § 111d Abs. 1 StPO. Zu Recht haben die Vorinstanzen diese bejaht, weil Gründe für die Annahme bestehen, dass die Beschuldigte sich wegen verbotenen Erwerbs von Insiderpapieren gemäß § 38 Abs. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG strafbar gemacht hat und deswegen gegen sie der Verfall des Wertersatzes gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1, § 73a Satz 1 StGB angeordnet wird.
a) Entgegen der Ansicht des Verteidigers ist nach derzeitigem Stand der Ermittlungen die Information über die Vertragsverhandlungen der Singulus AG mit M., die sich so weit konkretisiert hatten, dass am 12. September 2013 ein Rahmenvertrag über die Lieferung von 16 Maschinen unterzeichnet wurde, vor der Publikation durch die Ad-Hoc-Meldung als Insiderinformation (§ 13 Abs. 1 WpHG) zu bewerten.
Nach den bisher gewonnenen Erkenntnissen war der Abschluss des Rahmenvertrages eine konkrete Information, die geeignet war, den Kurs der Aktie der Singulus AG erheblich zu beeinflussen. Der Abschluss, die Änderung oder die Kündigung besonders bedeutsamer Vertragsverhältnisse (einschließlich Kooperationsabkommen) hat in der Regel ein erhebliches Preisbeeinflussungspotenzial (Ziffer IV.2.2.4 des Emittentenleitfadens der BaFin, 4. Aufl.; vgl. dazu Assmann in Assmann/Schneider, 6. Aufl., § 13 Rn. 68; Ritz in Just/Voß/Ritz/Becker, WpHG, 2015, § 13 Rn. 138). Die Kurserheblichkeit einer Information ist anhand einer Prognose auf Grundlage der im Zeitpunkt des Insidergeschäfts bestehenden Informationslage zu beurteilen (Assmann in Assmann/Schneider, WpHG, 6. Aufl., § 13 Rn. 55). Nach der Insideranalyse der BaFin vom 27. März 2014 kommt der „Information über den Großauftrag von M., die Gegenstand der Ad-Hoc-Meldung vom 12. September 2013 war, erhebliche Kursrelevanz zu. Weil die Singulus AG zum Ende des zweiten Quartals 2013 nur einen Orderbestand von knapp 40 Millionen EUR zu verzeichnen gehabt habe, mache das Auftragsvolumen von 20 bis 30 Millionen EUR, das Gegenstand des Rahmenvertrags gewesen sei, einen erheblichen Anteil der Aufträge aus. Der besondere Stellenwert dieses Auftrags werde dadurch unterstrichen, dass die Singulus AG in einer Pressemitteilung vom 13. August 2013 ankündigte, nur mittels eines deutlichen Umsatzwachstums im Segment Solar wieder ein positives EBIT erreichen zu können. Vor dem Hintergrund der massiven Solarkrise misst die Analyse einem Auftrag von M. eine „besondere Signalwirkung“ zu. Dies schlug sich auch in den Bewertungen dreier unabhängiger Analysten nieder, die das Kursziel für die Aktie der Singulus AG infolge der Ad-Hoc-Mitteilung anhoben. Die Beurteilung der Kurserheblichkeit einer Information erfolgt zwar ex-ante; dennoch stellt die nachfolgende Reaktion des Marktes auf das Bekanntwerden der Information ein gewichtiges Beweisanzeichen dar (BGH, Beschluss vom 27. Januar 2010 – 5 StR 224/09, juris Rn. 16). Am 12. September 2013 erreichte der Schlusskurs der Aktie 1,748 EUR gegenüber 1,525 EUR am Vortag, was eine Steigerung um knapp 15 % ausmacht.
Die Kurserheblichkeit der Information wird nicht durch die auch nach Abschluss des Rahmenvertrages verbleibende Unsicherheit infrage gestellt, ob tatsächlich eine Lieferbeziehung mit M. zustande kommt. So meint der Verteidiger, der Rahmenvertrag begründe noch keine verbindliche Abnahmepflicht und weise deshalb nur auf die angestrebte technische Zusammenarbeit hin, die aber ohnehin aufgrund einer Pressemitteilung vom 25. März 2013 schon bekannt gewesen sei. Ob M. aufgrund des Rahmenvertrages bereits rechtlich verbindlich zur Abnahme der Maschinen verpflichtet war und ob und in welchem Umfang eine unterbleibende Abnahme Schadensersatzpflichten von M. auslöst, kann anhand des Vertragstextes allein nicht abschließend beurteilt werden. Nach dem Vertragsentwurf, der im sichergestellten E-Mail-Verkehr enthalten ist, ist zwar unter Ziffer 1 geregelt, dass die Parteien über die Lieferung jeder einzelnen Maschine noch gesonderte Verträge schließen werden. Jedoch legt der Vertrag in Ziffer 4 den exakten Preis für die Lieferung der ersten Maschine fest und nennt in Ziffer 6 den 31. März 2014 als Liefertermin unter der Bedingung, dass der konkrete Vertrag über die Lieferung der Maschine bis zum 15. September 2013 geschlossen wird. Ziffer 16 des Vertrages regelt bereits Teilaspekte der Folgen einer Stornierung des Auftrags. Die Beurteilung, inwiefern der Rahmenvertrag eine Verpflichtung zum Abschluss von Verträgen über die Lieferung der einzelnen Maschinen begründet, hängt vom Ablauf der Vertragsverhandlungen, den erkennbaren Interessen der Vertragsparteien sowie den Regelungen des nach Ziff. 8.4 des Vertrages anwendbaren Rechts der Volkrepublik China ab und entzieht sich zumindest bei derzeitigem Ermittlungsstand einer abschließenden Einschätzung. Hierauf kommt es aber auch nicht entscheidend an. Nach Unterzeichnung einer Vereinbarung über die technische Zusammenarbeit zwischen der Singulus AG und M. („Letter of Intent“) am 12. März 2013, die durch eine Pressemitteilung vom 25. März 2013 bekannt gemacht wurde, ist der Abschluss des Rahmvertrages ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu der angestrebten Lieferung. Er erhöhte die Wahrscheinlichkeit, dass es in der Folgezeit zu einer für den Wert der Aktien der Singulus AG wichtigen Geschäftsbeziehung kommt. Aus der maßgeblichen Sicht eines börsenkundigen Anlegers (vgl. dazu OLG Stuttgart, Beschluss vom 22. April 2009 – 20 Kap 1/08, juris Rn. 91 f.) im fraglichen Zeitpunkt handelte es sich deshalb um eine konkrete Information, die für seine Anlageentscheidung von erheblicher Bedeutung ist. Dies bestätigen letztlich auch die Analystenbewertungen. Dass entgegen der damaligen Erwartung die Geschäftsbeziehung nicht oder nicht in der vorgestellten Weise zustande kam, beeinflusst die damalige Bedeutung der Information nicht.
10 
b) Die Beschuldigte steht im Verdacht, die Insiderinformation beim Erwerb der Aktien am 10. und am 11. September 2013 bewusst verwendet zu haben. Nach den Angaben der bei der Singulus AG als Prokuristin beschäftigten Mitarbeiterin H. führte der Ehemann der Beschuldigten in China vor Abschluss des Rahmenvertrages vom 12. September 2013 die Verhandlungen mit M. Dies wird durch den im Ermittlungsverfahren sichergestellten E-Mail-Verkehr bestätigt.
11 
2. Der Arrest kann nur in Höhe von 24.380,85 EUR angeordnet werden, weil lediglich in dieser Höhe ein Anspruch auf Wertersatzverfall zu erwarten ist.
12 
a) Erwirbt ein Beteiligter entgegen § 38 Abs. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG Insiderpapiere, unterliegt der dadurch erzielte Sondervorteil, nicht jedoch der gesamte Wert der erworbenen Papiere gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1, § 73a Satz 1 StGB, Art. 1 Abs. 1 EGStGB dem Wertersatzverfall.
13 
Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB unterliegt dem Verfall, was der Täter aus der Tat erlangt hat. Der Verfall zielt darauf, den Wert der wirtschaftlichen Vorteile abzuschöpfen, die dem Täter aus der Tat zugeflossen sind. Dabei entspricht die Abschöpfung spiegelbildlich den durch die Tat erlangten Vermögenswerten (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Januar 2010 – 5 StR 224/09, juris Rn. 30). Durch den Verfall sollen solche Vermögenwerte abgeschöpft werden, die der Beteiligte nach dem Schutzzweck der Strafnorm nicht erlangen und behalten dürfen soll, weil die Rechtsordnung sie als das Ergebnis einer rechtswidrigen Vermögensverschiebung bewertet (BGH, Urteile vom 19. Januar 2012 – 3 StR 343/11, BGHSt 57, 79 Rn. 14; vom 27. November 2013 – 3 StR 5/13, BGHSt 59, 80 Rn. 29). § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG verbietet zwar den Erwerb und die Veräußerung der Insiderpapiere als solchen (vgl. Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 3. Aufl., Rn. 616c; Vogel, JZ 2010, 370, 372). Der Zweck des Verbots richtet sich jedoch nicht gegen die mit der Transaktion verbundene Übertragung der Wertpapiere an sich. Vielmehr will das Verbot verhindern, dass der Insider durch die Transaktion einen Sondervorteil erlangt.
14 
Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass bei einem Insider, der Wertpapiere entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG veräußert, nicht der gesamte Veräußerungserlös, sondern nur der durch das Insiderwissen erzielte Sondervorteil abgeschöpft werden kann (BGH, Beschluss vom 27. Januar 2010 – 5 StR 224/09, juris Rn. 31; zustimmend Bauer, NStZ 2011, 396, 397; Gehrmann in Schork/Groß, Bankstrafrecht, 2013, Rn. 544; Klepsch in Just/Voß/Ritz/Becker, WpHG, 2015, § 38 Rn. 44; Pananis in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., § 38 WpHG, § 38 Rn. 254; Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 3. Aufl., Rn. 365b; ablehnend Altenhain in Kölner Kommentar zum WpHG, 2. Aufl., § 38 Rn. 161; Eser in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 73 Rn. 17; Hilgendorf, Kapitalmarktstrafrecht, 3. Aufl., § 38 WpHG Rn. 282; Schumann in Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht, 6. Aufl. 2015, § 68 Rn. 88; Vogel in Assmann/Schneider, 6. Aufl., WpHG, § 38 Rn. 94; Vogel, JZ 2010, 370, 372). Nicht ausdrücklich entschieden ist, ob dies auch in der – hier vorliegenden – Konstellation gilt, in der ein Insider Wertpapiere unter Verwendung der Insiderinformation entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG erwirbt (so ausdrücklich Waßmer in Fuchs, WpHG, 2009, § 38 Rn. 83; vgl. dazu auch Gehrmann in Schork/Groß, Bankstrafrecht, 2013, Rn. 544; dagegen Diversy in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2011, § 38 WpHG Rn. 190, wonach in dieser Konstellation der Wert der erworbenen Insiderpapiere insgesamt dem Verfall unterliegen soll). Der Senat sieht auch in dieser Konstellation des nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG verbotenen Erwerbs von Insiderpapieren den im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangten Vermögenswert in dem unter Verwendung der Insiderinformation erlangten Vermögensvorteil und nicht im Wert der erworbenen Papiere.
15 
Das hier in Rede stehende Erwerbsverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 WpHG soll ebenso wie das Veräußerungsverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 Fall 2 WpHG verhindern, dass der Insider einen Sondervorteil erlangt. Es macht keinen Unterschied, ob der erlangte Sondervorteil darin besteht, dass der Insider durch eine Veräußerung der Wertpapiere einen Verlust vermeidet oder durch einen Erwerb der Wertpapiere einen Gewinn erzielt.
16 
In der Bestimmung des Verfalls anhand des Sondervorteils liegt kein systemwidriger Rückgriff auf die Rechtsfigur des rechtmäßigen Alternativverhaltens und keine Rückkehr zum Nettoprinzip (so aber Altenhain in Kölner Kommentar zum WpHG, 2. Aufl., § 38 Rn. 160; Vogel, JZ 2010, 370, 372). Das Abstellen auf den Sondervorteil ist vielmehr Folge einer am Verbotszweck orientierten Auslegung (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 2012 – 3 StR 343/11, BGHSt 57, 79 Rn. 18). Der Zweck des Verbots des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG besteht darin zu verhindern, dass der Täter einen Insidervorteil erlangt. Das durch die Tat Erlangte besteht deshalb von vornherein nur in dem durch die verbotene Transaktion zugeflossenen Sondervorteil. Eine am Verbotszweck orientierte Bestimmung des dem Verfall unterliegenden Vermögensgegenstandes verletzt nicht das der Regelung des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB zugrunde liegende Bruttoprinzip, wonach die gesamten durch die Tat erlangten Vermögenszuflüsse und nicht nur ein – nach Abzug der Aufwendungen – erzielter Vermögensvorteil abgeschöpft wird. Das Bruttoprinzip besagt lediglich, dass der erlangte wirtschaftliche Wert „brutto“ – also ohne gewinnmindernde Abzüge – anzusetzen ist. Dem vorgreiflich ist jedoch die Frage, welche wirtschaftlichen Werte der Täter durch seine Tat überhaupt erlangt hat (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 2012 – 3 StR 343/11, BGHSt 57, 79 Rn. 18; Gehrmann in Schork/Groß, Bankstrafrecht, 2013, Rn. 542).
17 
Dass § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG in der seit dem 30. Oktober 2004 geltenden Fassung nach dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz vom 28. Oktober 2004 (BGBl I 2004, S. 2630) statt einem „Ausnutzen“ nur noch die „Verwendung“ der Insiderinformation verlangt, steht einer Bestimmung des Verfallsgegenstand anhand des erlangten Sondervorteils nicht entgegen (so aber Schumann in Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht, 6. Aufl., § 68 Rn. 89). Die Neufassung wollte Beweisschwierigkeiten beseitigen, die dadurch entstanden waren, dass die Erlangung eines Vermögensvorteils als maßgebliches Motiv verlangt wurde (BT-Drucks. 15/3174, S. 34). Am objektiven Zweck der Verbotsnorm, die Erlangung von Sondervorteilen im Interesse der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts zu verhindern, hat sich dadurch nichts geändert. Nach wie vor erforderlich ist, dass der Täter die Insiderinformation „in sein Handeln einfließen lässt“ (BT-Drucks. 15/3174, S. 34), was eine Verknüpfung des Erwerbs oder der Veräußerung der Wertpapiere mit der Insiderinformation herstellt. Der Grund für das Verbot liegt deshalb weiterhin in der durch die Verwendung der Insiderinformation geprägten Art und Weise des Zustandekommens des Geschäfts.
18 
Für das Abstellen auf den durch das Insidergeschäft erlangten Sondervorteil spricht auch, dass ein gegen das Verbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG verstoßendes Rechtsgeschäft jedenfalls dann nicht gemäß § 134 BGB nichtig ist, wenn der Vertragspartner – wie regelmäßig – keine Kenntnis von dem Verstoß hat. Das Verbot der Verwertung von Insiderinformationen richtet sich nicht gegen den Inhalt der jeweiligen Geschäfte, sondern gegen die Art und Weise ihres Zustandekommens (vgl. Assmann in Assmann/Schneider, WpHG, 6. Aufl., § 14 Rn. 206 f.; Klöhn in Kölner Kommentar zum WpHG, 2. Aufl., § 14 Rn. 515).
19 
Ein Widerspruch zu Fällen der Marktmanipulation gemäß § 38 Abs. 2, § 39 Abs. 1 Nr. 1, § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG, bei denen der gesamte Verkaufserlös dem Verfall unterliegt (BGH, Urteil vom 27. November 2013 – 3 StR 5/13, BGHSt 59, 80 Rn. 28 ff.), besteht nicht. Bei einer solchen Marktmanipulation führt der – typischerweise durch kollussives Zusammenwirken der an der Transaktion beteiligten Personen gebildete – Börsenpreis den tatbestandlichen Erfolg herbei. Das Verbot solcher Geschäfte richtet sich deshalb nicht nur gegen die Art und Weise ihrer Ausführungen, sondern zielt darauf, die Transaktionen als solche wegen ihrer manipulativen Einwirkung auf den Börsenpreis zu verhindern (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 2013 – 3 StR 5/13 BGHSt 59, 80 Rn. 28 ff.).
20 
b) Gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB unterliegt der Bruttoerlös, den die Beschuldigte durch die ihr zur Last gelegte Tat erzielt hat, dem Verfall. Aufwendungen, die dem Täter zur Erlangung der Vermögenswerte entstanden sind, sind bei der Bestimmung des dem Verfall unterliegenden Vermögensgegenstandes nicht abzusetzen. Dementsprechend bleiben beim Erwerb und bei der Veräußerung von Wertpapieren Aufwendungen für Bank- und Börsenentgelte sowie Provisionen außer Betracht (Klepsch in Just/Voß/Ritz/Becker, WpHG, 2015, § 38 Rn. 44). Daran gemessen sind hier für die Bestimmung des dem Verfall unterliegenden Sondervorteils die Kurswerte der Aktien und nicht die Endbeträge der Abrechnung der Transaktionen maßgebend. Die Beschuldigte hat Aktien zum Kurswert von 315.719,15 EUR erworben und sie zum Kurswert von 340.100,00 EUR veräußert.
21 
c) Die Ermittlung der Höhe des voraussichtlichen Verfalls des Wertersatzes kann für den hier in Rede stehenden dinglichen Arrest vorläufig anhand der Differenz der Kurswerte für den Erwerb und für die Veräußerung der Aktien von 24.380,85 EUR erfolgen. Der durch die Verwendung einer Insiderinformation erlangte Sondervorteil kann gemäß § 73b StGB durch eine Schätzung ermittelt werden. Die Schätzung darf zwar in Fällen verbotener Insidergeschäfte grundsätzlich nicht allein durch die Betrachtung des Kursverlaufs an dem Handelstag, an dem die frühere Insiderinformation allgemein bekannt gemacht wurde, bestimmt werden. So sind bei der Schätzung regelmäßig die Kursentwicklung der Aktien der unmittelbaren Wettbewerber, die tatzeitbezogenen Börsen- und Markttrends und die übliche Schwankungsbreite des Wertpapiers in den Blick zu nehmen. Dadurch werden insbesondere technische Überreaktionen im Zeitpunkt der Veröffentlichung ausgeblendet (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Januar 2010 – 5 StR 224/09, juris Rn. 27, 32). Jedoch dürfen wegen der Vielzahl der Faktoren, die für die Bildung eines Börsenpreises maßgeblich sind, die Anforderungen an die Ermittlung des Sondervorteils nicht überspannt werden (BGH, Beschluss vom 27. Januar 2010 – 5 StR 224/09, juris Rn. 28). Jedenfalls für den hier in Frage stehenden dinglichen Arrest, der die Vollstreckung des zu erwartenden Wertersatzverfalls vorläufig sichern soll, genügt unter den hier maßgeblichen Umständen eine Ermittlung anhand des durch den Erwerb und die Veräußerung erzielten Bruttoerlöses. Die Beschuldigte veräußerte ihre Aktien nicht bereits am Ende des Handelstages der Veröffentlichung der Ad-Hoc-Mitteilung, an dem der Schlusskurs 1,748 EUR betrug, sondern erst am darauf folgenden Handelstag zu Kursen von 1,63 EUR und 1,61 EUR. Hierdurch dürften technische Überreaktionen und übliche Preisschwankungen bereits weitgehend aus der Wertermittlung ausgeschieden sein.
22 
3. Es ist nicht ersichtlich, dass die zu erwartende Anordnung des Verfalls des Wertersatzes – in der verbleibenden Höhe – eine unbillige Härte für die Beschuldigte darstellt und deswegen gemäß § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB unterbleiben müsste. Ebenso wenig ist nach derzeitigem Kenntnisstand anzunehmen, dass das Gericht im Fall einer Verurteilung im Hinblick darauf, dass das Erlangte nicht mehr vollständig im Vermögen der Beschuldigten vorhanden ist, von der durch § 73c Abs. 1 Satz 2 Fall 1 StGB eingeräumten Möglichkeit Gebrauch macht, auf die Verfallsanordnung insoweit zu verzichten.
23 
Mit hoher Wahrscheinlichkeit verfügt die Beschuldigte über erhebliches Einkommen und Vermögen. Es steht deshalb nicht zu erwarten, dass sie durch die Anordnung des Arrests in der verbleibenden Höhe von 24.380,85 EUR in ernsthafte wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät. Ausweislich eines Beratungsprotokolls der V. Bank e. G. vom 22. Dezember 2011 gab die Beschuldigte damals ein regelmäßiges monatliches Einkommen von 20.000 EUR aus selbständiger Tätigkeit an; abzüglich 2.000 EUR fixer Verpflichtungen stünden ihr monatlich 18.000 EUR zur Verfügung. Ihr Vermögen aus Bankguthaben bezifferte sie auf rund 500.000 EUR, ihr Wertpapiervermögen auf 1.000.000 EUR und den Wert einer selbst genutzten Immobilie auf 500.000 EUR. Aus einem Kontoauszug vom 2. Januar 2014 geht hervor, dass das Konto der Beschuldigten bei der V- Bank e. G. zum 31. Dezember 2013 ein Guthaben von 1.296.385,08 EUR aufwies. Anhaltspunkte dafür, dass die Beschuldigte ihr Einkommen und ihr Vermögen vollständig oder nahezu vollständig verloren hätte, liegen nicht vor. Die vom Verteidiger vorgelegte Mahnung eines Lebensversicherers über offene Prämien von 211,48 EUR ist vor diesem Hintergrund – jedenfalls ohne eine umfassende Darlegung ihrer gegenwärtigen Einkommens- und Vermögenssituation mit entsprechenden Nachweisen – nicht geeignet, auf eine akute finanzielle Notlage hinzuweisen.
24 
Die Differenz zwischen dem hier anhand der Kurswerte bestimmten dem voraussichtlichen Wertersatzverfall unterliegenden Betrag von 24.380,85 EUR und dem sich aus den Abrechnungen über die Wertpapiergeschäfte ergebenden Nettoerlös von 17.399,85 EUR der in Deutschland nicht steuerpflichtigen Beschuldigten ist nicht derart hoch, dass unter Berücksichtigung der derzeit bekannten Gesamtumstände ein teilweises Absehen von der Anordnung des Wertersatzverfalls nach § 73c Abs. 1 Satz 2 Fall 1 StGB geboten erscheint.
25 
4. Zutreffend haben die Vorinstanzen einen Arrestgrund gemäß § 111d Abs. 2, § 917 ZPO angenommen, denn es bestehen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass im Fall der Anordnung des Wertersatzverfalls dessen Beitreibung unmöglich oder wesentlich erschwert ist. Ob die in China lebende Beschuldigte zum maßgeblichen Zeitpunkt noch über inländisches Vermögen verfügen wird, erscheint zweifelhaft. Ob die Vermögenswerte, die dem Zugriff im Wege der Zwangsvollstreckung unterliegen, ermittelt werden können, erscheint fraglich.
26 
5. Die Anordnung des dinglichen Arrests gemäß § 111d Abs. 1 Satz 1 StPO steht im Ermessen des Gerichts (vgl. Vogel in Assmann/Schneider, WpHG, 6. Aufl., § 38 Rn. 90). Insbesondere angesichts der Höhe des zu erwartenden Wertersatzverfalls, der Stärke des Tatverdachts und des Ausmaßes der zu erwartenden Erschwernisse der Beitreibung hält der Senat in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen die Anordnung des dinglichen Arrests für angemessen.

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