Beschluss vom Oberlandesgericht Stuttgart - 14 W 5/15

Tenor

Die sofortigen Beschwerden des Klägers und der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Rottweil vom 29. April 2015 - Az. 2 O 146/14 - werden

zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Beschwerdewert: 9.009,21 EUR

Gründe

 
I.
Die Parteien streiten um Zahlungsansprüche aus einem Grundstückskaufvertrag. Mit notariellem Vertrag vom 17.12.1992 verkaufte die Beklagte zwei Teilflächen kommunaler Grundstücke an die X OHG. Als Kaufpreis wurde neben der Gegenleistung für den Grund und Boden der beiden Teilflächen auch ein anteiliger Wasserversorgungsbeitrag, ein anteiliger Abwasserbeitrag und eine Vorauszahlung auf den Erschließungsbeitrag vereinbart und klargestellt, dass eventuelle Aufwendungen der Beklagten für Hausanschlüsse für Kanal und Wasser gesondert in Rechnung gestellt werden. Da die Vermessung der beiden Teilflächen noch zu erfolgen hatte, sah der Kaufvertrag eine Kaufpreisanpassung bei Größenabweichungen vor. Mit notariellem Vertrag vom 13.12.1996 übertrug die X OHG ihre Rechte aus dem Vertrag vom 17.12.1992 an die Gesellschafter G. und A. X weiter. Im Jahr 2013 einigten sich diese beiden mit Zustimmung der Beklagten darauf, dass Rechte und Pflichten gegenüber der Beklagten aus dem Vertrag vom 17.12.1992 allein dem Kläger zustehen.
Nachdem die Vermessung der Teilflächen der Grundstücke erst im Jahr 1997 stattgefunden hatte, kam es im Frühjahr 1997 zu einer Einigung zwischen dem Kläger und A. X einerseits und der Beklagten andererseits über die Anpassung des Kaufpreises an die Ergebnisse der Vermessung.
Die Berechnung des auf den Grund und Boden entfallende Kaufpreisanteils ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Beklagte ist allerdings der Auffassung, dass ihr infolge der konkreten Nutzung des Grundstückes durch die OHG bzw. deren Gesellschafter über die ursprüngliche Berechnung hinausgehende Anschluss- und Erschließungsbeiträge entstanden seien, für welche der Kläger einzustehen habe. Daneben sei wegen der vorrangigen Verrechnung mit Zinsen und Kosten auch noch ein auf den Grund und Boden entfallender Teil des Kaufpreises offen.
Der Kläger hat daher im erstinstanzlichen Verfahren beantragt festzustellen, dass der gemäß dem Vertrag vom 17.12.1992 geschuldete Kaufpreis in vollem Umfang bezahlt sei. Zudem fordert er die Rückzahlung eines überzahlten Betrages in Höhe von 2.388,17 EUR. Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat widerklagend einen Zahlungsanspruch in Höhe von 33.648,67 EUR geltend gemacht.
Unter dem 31.03.2015 hat das Landgericht die Parteien darauf hingewiesen, dass es den Zivilrechtsweg für unzulässig erachte und erwäge, die Sache an die Verwaltungsgerichte zu verwiesen. Die Parteien haben hierauf mitgeteilt, dass sie den Zivilrechtsweg für eröffnet erachten, da zwischen ihnen ein Kaufpreisforderung aus einem Grundstückskaufvertrag streitig sei. Mit Beschluss vom 29.04.2015 hat das Landgericht den Zivilrechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Freiburg verweisen. Hiergegen richten sich die durch beide Parteien eingelegten Beschwerden, denen das Landgericht nicht abgeholfen hat.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerden sind zwar nach den §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 17a Abs. 4 S. 3 GVG zulässig, bleiben jedoch in der Sache ohne Erfolg. Die Zuständigkeit des Einzelrichters folgt aus § 568 ZPO.
1. Das Landgericht hat den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten zu Recht für unzulässig erklärt und die Sache daher an das zuständige Verwaltungsgericht verwiesen.
Wie das Landgericht in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt hat, ist der zulässige Rechtsweg bei Verträgen, die sowohl dem öffentlichen Recht als auch dem Zivilrecht zuzuordnende Vertragsbestandteile aufweisen, nach dem Schwerpunkt der konkreten Streitigkeit zu bestimmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 01.12.1989 - 8 C 44/88 = BVerwGE 84, 183; Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 10.04.1986 - GmS-OGB 1/85 = BGHZ 97, 312). Zwar ist insoweit zu beachten, dass Leistung und Gegenleistung eines Vertragsteiles grundsätzlich nur einheitlich dem Bereich des Zivilrechts oder des öffentlichen Rechts zugeordnet werden können. Daraus folgt jedoch nicht, dass Leistung oder Gegenleistung für sich genommen nicht aus verschiedenen Teilkomponenten bestehen könnten, die ihrerseits unterschiedlichen Rechtswegen zuzuordnen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 01.12.1989 - 8 C 44/88 = BVerwGE 84, 183).
So verhält es sich hier bezüglich des in den vertraglichen Vereinbarungen genannten „Kaufpreis“-Anspruchs. Denn obgleich der ursprüngliche notarielle Kaufvertrag vom 17.12.1992 einen „Kaufpreis“ von „insgesamt vorerst“ 293.966,00 DM nennt, wird diese Gegenleistung in der Vertragsurkunde selbst bereits in verschiedenen Kaufpreiskomponenten aufgegliedert. Dabei ist unter Buchstabe a) der Kaufpreis für „Grund und Boden“ genannt, wohingegen die Buchstaben b) bis e) sich mit Zahlungen für Wasserversorgungs-, Abwasser- und Erschließungsbeiträgen sowie Aufwendungen für Hausanschlüsse befassen. Diese Systematik wurde auch in den folgenden Verhandlungen und Vereinbarungen beibehalten.
10 
Der Schwerpunkt des vorliegenden Rechtsstreites liegt damit - in Anbetracht des diesem zugrundeliegenden Lebenssachverhalts - in den unterschiedlichen Auffassungen der Parteien über die Berechtigung und konkrete Berechnung der geltend gemachten Anschluss- und Erschließungsbeiträge. Bei diesen handelt es sich jedoch um öffentlich-rechtliche Forderungen, so dass eine Vereinbarung über deren konkrete Höhe oder deren Ablösung als öffentlich-rechtlicher Vertrag anzusehen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.01.2015 - 9 C 1/14; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.04.2011 - 2 S 2898/10; beide zitiert nach Juris). Streitigkeiten aus derartigen Verträgen sind aber - ebenso wie die Frage der Wirksamkeit dieser Vereinbarung und eines etwaigen Anspruchs auf Anpassung dieser Vertragsbestandteile - dem Bereich des öffentlichen Rechts zuzuordnen ist (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 05.05.2014 - 20 C 14.673, zitiert nach Juris; Lamcke in Cosack/Lamcke, Kommunales Abgabenrecht, Stichwort: Verträge über Abgaben Ziffer 2.2, zitiert nach Jurion). Dabei ergeben sich die Voraussetzungen einer derartigen vertraglichen Regelung zwischen der Gemeinde und dem Beitragspflichtigen aus § 26 KAG BW, der sowohl auf Anschluss- als auch auf Erschließungsbeiträge Anwendung findet, in Verbindung mit den einschlägigen Satzungen der Beklagten (vgl. Anlagen B 21 und B 22). Eine grundsätzlich vergleichbare Regelung enthielt in § 10 bereits die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Jahr 1992 gültige Fassung des Kommunalabgabengesetzes.
11 
Etwas anderes folgt auch nicht aus der - in der Beschwerdebegründung der Beklagten erneut hervorgehobenen - Berechnung des Kaufpreisanspruchs im Schriftsatz vom 29.09.2014, weil auch nach den Berechnungen der Beklagten ein Teil des Kaufpreises für Grund und Boden der Teilflächen nur dann noch nicht erfüllt wäre, wenn die Zahlungen des Klägers bzw. der OHG oder deren Gesellschafter vorrangig auf Zinsen und Kosten anzurechnen gewesen wären. Ob diese Zinsen und Kosten tatsächlich angefallen sind bzw. dem Kläger entgegengehalten werden können, hängt aber zugleich davon ab, inwieweit die öffentlich-rechtlichen Vertragsbestandteile wirksam sind und ob dem Kläger aus den Abreden über die Anschluss- und Erschließungsbeiträge möglicherweise Gegenrechte zustehen, so dass über beide Fragestellungen nur einheitlich entschieden werden kann. Insoweit ist eine sinnvolle Differenzierung zwischen der etwaigen Restforderung für den auf Grund und Boden entfallenden Kaufpreisanteil und den öffentlich-rechtlichen Kaufpreisanteilen nicht möglich, so dass der etwaig offene Restbetrag - wie er im Schriftsatz vom 29.09.2014 dargelegt wird - nichts daran ändert, dass hier im Kern allein eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit gegeben ist, für die die Verwaltungsgerichte zuständig sind (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 27.06.1986 - 14 U 162/85 = Justiz 1987, 21).
12 
2. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 97, 92 Abs. 1 ZPO (vgl. Heßler in Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 567 Rn. 54).
13 
Den Beschwerdewert hält der Senat nach § 3 ZPO mit einem Viertel des Hauptsachestreitwerts für angemessen abgebildet (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 13.09.2011 - 3 W 50/11, zitiert nach Juris).
14 
Die Rechtsbeschwerde war nach § 17a Abs. 4 S. 5 GVG nicht zuzulassen.

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