Beschluss vom Oberlandesgericht Stuttgart - 8 W 103/19

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Sachverständigen wird der Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 14.03.2019 (Az.: 27 O 230/2018) aufgehoben.

2. Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei, außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

 
I.
Mit Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 14.12.2018 wurde die Beweiserhebung über vom Kläger behauptete Mängel eines von der Beklagten gekauften Fahrzeugs durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens angeordnet und der Beschwerdeführer, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Kfz-Schäden und -bewertung, zum Sachverständigen bestimmt. Mit Schreiben vom 30.01.2019 teilte der Sachverständige dem Gericht mit, für die Begutachtung seien interdisziplinäre Kenntnisse erforderlich, hierfür berechne er 180 EUR pro Stunde. Auf die Aufforderung des Gerichts an die Parteien, sich darüber zu erklären, ob den Stundensätzen zugestimmt werde, erklärte der Beklagtenvertreter sein Einverständnis, während der Klägervertreter auf ein Schreiben der Rechtsschutzversicherung verwies, die mitteilte, einer besonderen Vergütung im Sinne von § 13 JVEG nicht zuzustimmen. Mit Verfügung vom 22.02.2019 wies das Landgericht darauf hin, die fehlende Zustimmung des Klägers könne nur unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 Satz 2 JVEG ersetzt werden, die Voraussetzungen hierzu könnten derzeit nicht festgestellt werden. Mit Schreiben vom 27.02.2019 antwortete der Sachverständige, der Verfügung vom 22.02.2019 sei zu entnehmen, dass der „von unserem Hause zur Bearbeitung des Streitthemas berechnete Stundensatz“ nicht erstattet werde, daher gebe er „den Auftrag nebst Akte und Anlagen zurück“. Dem Schreiben fügte er eine „Kostennote für den bislang angefallenen Arbeitsaufwand“ bei, mit der er 3 Stunden Zeitaufwand à 180 EUR zuzüglich 6,30 EUR Portoauslagen und Mehrwertsteuer, insgesamt 650,10 EUR zur Zahlung beanspruchte.
Mit Beschluss vom 14.03.2019 setzte der Einzelrichter des Landgerichts Stuttgart die Vergütung des Sachverständigen auf 0,00 EUR fest. Zur Begründung wurde ausgeführt, dem Sachverständigen sei keine Vergütung zu gewähren, da er das Unterbleiben der Fertigstellung des Gutachtens, zu dessen Erstattung er verpflichtet sei, zu vertreten habe.
Gegen diese Entscheidung hat der Sachverständige mit Schriftsatz vom 27.03.2019 Beschwerde eingelegt, welcher der Einzelrichter mit Beschluss vom 28.03.2019 nicht abgeholfen hat.
Mit Beschluss vom 03.04.2019 hat der im Beschwerdeverfahren gemäß § 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG zuständige Einzelrichter das Verfahren wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 7 Abs. 7 Satz 2 JVEG dem Senat übertragen.
Die Vertreterin der Staatskasse erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme. Sie vertritt die Auffassung, dass die Auslagen des Sachverständigen für die Rücksendung der Akten erstattungsfähig seien, dass aber eine Vergütung des Sachverständigen für die Vorprüfung gemäß § 407a ZPO nicht in Betracht komme. Vor einem ausführlichen Aktenstudium hätte der Sachverständige eine Klärung wegen des begehrten Stundensatzes herbeiführen müssen.
II.
Die gemäß § 4 Abs. 3 JVEG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Sachverständigen hat auch in der Sache Erfolg.
Die Voraussetzungen für eine Festsetzung der Vergütung des Sachverständigen auf 0,00 EUR liegen - zumindest derzeit - nicht vor.
Zu Recht weist das Landgericht darauf hin, dass der öffentlich bestellte, beschwerdeführende Sachverständige nach § 407 Abs. 1 ZPO verpflichtet war, das mit Beweisbeschluss vom 14.12.2018 angeordnete Gutachten zu erstatten unabhängig davon, ob die Parteien den von ihm beanspruchten, von den gesetzlichen Regelungen abweichenden Vergütungssätzen nach § 13 Abs. 1 JVEG zustimmen oder nicht. Die Heranziehung eines Sachverständigen durch das Gericht ist eine staatlich hoheitliche Beanspruchung, die nicht den Regeln des Vertragsrechts unterliegt (OVG Berlin, JurBüro 2001, 485; Hartmann, Kostengesetze, 48. Auflage, § 1 JVEG, Rn. 11). Die mit dem Beweisbeschluss vom 14.12.2018 begründete Verpflichtung des Sachverständigen wurde nicht durch seine Mitteilung, er gebe den Auftrag zurück, beendet. Vielmehr liegt eine gerichtliche Entpflichtung bislang nicht vor und kann insbesondere nicht in der mit der Beschwerde angegriffenen Entscheidung des Einzelrichters gesehen werden.
Mit der Rücksendung der Akten und der „Rückgabe des Auftrags“ bringt der Sachverständige allerdings zum Ausdruck, dass er die angeordnete Erstellung eines Gutachtens verweigert. Die Folgen einer solchen Weigerung sind in § 409 ZPO geregelt. Danach hat das Gericht dem Sachverständigen die durch die Verweigerung des Gutachtens verursachten Kosten aufzuerlegen und gegen ihn ein Ordnungsgeld festzusetzen; im Falle wiederholten Ungehorsams kann das Ordnungsgeld noch einmal festgesetzt werden (§ 409 Abs. 1 Satz 3 ZPO). Die Auswirkung des Ungehorsams auf den Vergütungsanspruch des Sachverständigen regelt die Vorschrift nicht. In Rechtsprechung und Literatur wird hierzu vertreten, dass ein Sachverständiger, der infolge seiner Verweigerung entpflichtet wird, auch seinen Vergütungsanspruch verliert (OVG Berlin a.a.O.; Brandenburgisches OLG, MDR 2005, 1131; LG Kiel, Beschluss vom 20.03.2008 - 11 O 110/07; LG Stuttgart, Beschluss vom 03.06.2014 - 11 O 293/12; Meyer/Höver/Bach/Oberlack/Jahnke, JVEG, 27. Aufl., § 8a, Rn. 28; Zimmermann in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl., § 413, Rn. 4; Scheuch in BeckOK ZPO, 31. Edition, § 413, Rn. 7).
10 
Eine gesetzliche Regelung über einen möglichen Wegfall oder eine mögliche Beschränkung ist mit § 8a JVEG geschaffen worden. Die Vorschrift wurde mit Wirkung ab 01.08.2013 eingeführt, weil das JVEG bis dato keine Regelungen darüber enthielt, unter welchen Voraussetzungen ein Sachverständiger wegen eigenen Verschuldens den Anspruch auf seine Vergütung ganz oder teilweise verliert (BT-Drucks. 17/11471 [neu], S. 145 f.). Mit § 8a JVEG sollte das Schicksal des Vergütungsanspruchs für Fälle der nicht ordnungsgemäßen Leistungserbringung gesetzlich geregelt werden, nachdem die Rechtsprechung in einer Vielzahl von Entscheidungen entsprechende Kriterien hierzu entwickelt hatte (BT-Drucks. 17/11471 [neu], S. 146). Mit § 8a Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 JVEG sollte „nur für den Fall, dass die gesetzlich beschriebenen Ordnungsmittel (Ordnungsgeld wegen Fristversäumnis und wegen wiederholter Fristversäumnis) fruchtlos bleiben“ der Vergütungsanspruch in der Weise gemindert werden, dass dieser auf den Umfang der verwertbaren Leistungen beschränkt wurde (BT-Drucks. 17/11471 [neu], S. 260). Wenngleich diese Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 8a Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 JVEG in dem Klammerzusatz nur auf die Ordnungsmittel wegen Fristversäumnis nach § 411 Abs. 2 ZPO - und nicht auf die des § 409 Abs. 1 ZPO - Bezug nimmt, ergibt sich aus der Entwurfsbegründung dennoch, dass die Fälle, in denen der Sachverständige seinen Vergütungsanspruch ganz oder teilweise verliert unter Ablösung des Richterrechts abschließend geregelt werden sollten (Hartmann, a.a.O., § 8a JVEG, Rn. 31). Hieraus folgt nach Auffassung des Senats, dass auch ein Sachverständiger, der infolge der Verweigerung eines Gutachtens entpflichtet wird, seinen Vergütungsanspruch grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen des § 8a Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 JVEG - also nach erfolgloser Festsetzung von Ordnungsgeld - verlieren kann und dass die bisherige Rechtsprechung hierzu mit Wirksamwerden des § 8a JVEG obsolet wurde (Binz, GKG - FamGKG - JVEG, 3. Aufl., § 8a JVEG, Rn. 1 a.E.). Eine Verkürzung des Vergütungsanspruchs bei anfänglicher, schriftlich erklärter Verweigerung des Sachverständigen unter Verzicht auf die vorherige erfolglose Festsetzung von Ordnungsgeld mit der Begründung, in einem solchen Falle sei nicht damit zu rechnen sei, dass der Sachverständige im weiteren Verlauf des Verfahrens doch noch seine Verpflichtung zur Erstellung eines Gutachtens erfüllen werde, so dass ein weiteres Zuwarten überflüssig und den Parteien nicht zumutbar sei, kommt damit nicht in Betracht. Die Regelung in § 409 Abs. 1 ZPO, die das zweimalige Verhängen von Ordnungsgeld ermöglicht, zeigt, dass der Gesetzgeber durchaus davon ausging, auch einen Sachverständigen, der zunächst die Erstellung eines Gutachtens ablehnt, mit Ordnungsmitteln, die ihm die Rechtswidrigkeit seiner Verweigerung verdeutlichen, zur Erfüllung seiner Pflichten veranlassen zu können.
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Dies berücksichtigt sind die Voraussetzungen für eine Festsetzung der Vergütung des Sachverständigen auf 0,00 EUR derzeit noch nicht gegeben.
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Eine Festsetzung der Vergütung für die schon geleistete Tätigkeit und Erstattung der baren Auslagen ist auch nicht möglich. Unabhängig von der Frage, ob der Zeitaufwand für die Vorprüfung nach § 407a Abs. 1 und 2 ZPO überhaupt vergütungsfähig ist (vgl. hierzu Ausführungen der Bezirksrevisorin in ihrer Stellungnahme vom 25.04.2019), setzt die Festsetzung einer Vergütung die Fertigstellung des Gutachtens voraus, wenn der Sachverständige - wie vorliegend - noch nicht entpflichtet wurde. Sollte der Sachverständige weiterhin die Aufnahme seiner Gutachtertätigkeit verweigern, kommt die Verhängung von Ordnungsgeld in Betracht. Ob dies freilich notwendig werden wird, erscheint im Hinblick auf die zwischenzeitlich bei dem Landgericht eingegangene Erklärung der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 27.03.2019 (Bl. 115 d.A.) fraglich.
13 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 Abs. 8 JVEG.

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