Beschluss vom Hamburgisches Oberverwaltungsgericht (2. Senat) - 2 So 18/14

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Streitwertfestsetzung in Ziffer 3 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 28. November 2013 wird als unzulässig verworfen.

Der Streitwert wird für das erstinstanzliche Verfahren unter Abänderung von Ziffer 3 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 28. November 2013 von Amts wegen auf 3.750,-- Euro festgesetzt.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

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1. Die Beschwerde des Klägers, mit der er eine Herabsetzung des erstinstanzlich auf 10.000 Euro festgesetzten Streitwerts auf einen nicht näher bezifferten Betrag erstrebt, ist unzulässig.

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Gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 und 2 GKG findet die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Abs. 2 GKG), nur statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt oder sie durch das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen worden ist. Keine dieser beiden Alternativen ist erfüllt. Das Verwaltungsgericht hat die Beschwerde nicht zugelassen. Der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt auch nicht die Grenze von 200 Euro. Dabei kommt es nicht etwa darauf an, inwieweit der vom Verwaltungsgericht festgesetzte Streitwert von den Vorstellungen des Klägers abweicht. Vielmehr bestimmt sich der Beschwerdewert nach dem Differenzbetrag zwischen den Gebühren, für die der Kostenschuldner unter Zugrundelegung des angefochtenen Streitwerts einerseits und des erstrebten Streitwerts andererseits einzustehen hat (vgl. nur Meyer, GKG/FamGKG, 13. Aufl. 2010, § 68 GKG Rn. 11 m.w.N.). Einer dahin gehenden Berechnung unter Berücksichtigung des niedrigsten in der Anlage 2 zu § 34 Abs. 1 Satz 3 GKG ausgewiesenen Streitwerts bedarf es hier gleichwohl nicht. Da im erstinstanzlichen Verfahren für keinen der Beteiligten ein Bevollmächtigter aufgetreten ist, der ein streitwertabhängiges Entgelt fordern könnte, sind für den Beschwerdewert allein die Gerichtsgebühren maßgeblich. Wie sich aus der Kostenrechnung ergibt, belaufen sich diese aber schon auf der Grundlage des vom Verwaltungsgericht auf 10.000 Euro festgesetzten Streitwerts auf lediglich 196 Euro. Der Beschwerdewert wird daher unter keinen Umständen erreicht.

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2. Das Beschwerdegericht sieht sich jedoch veranlasst, den Streitwert von Amts wegen nach § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG herabzusetzen.

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a) Nach dieser Vorschrift kann die Festsetzung von dem Gericht, das sie getroffen hat, und, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt, von dem Rechtsmittelgericht von Amts wegen geändert werden. Der beschließende Senat folgt der mittlerweile in der verwaltungsgerichtlichen Judikatur herrschenden Auffassung, dass diese Änderungsbefugnis auch dann besteht, wenn die Streitwertbeschwerde wegen des Nichterreichens des Beschwerdewertes nach § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG unzulässig ist (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 23.4.2013, NVwZ-RR 2013, 864; OVG Magdeburg, Beschl. v. 22.8.2012, 4 O 144/12, juris; OVG Münster, Beschl. v. 2.8.2011, 1 E 684/11, juris; OVG Lüneburg, Beschl. v. 1.7.2010, NVwZ-RR 2010, 904; OVG Bautzen, Beschl. v. 5.10.2007, DÖV 2008, 735; ebenso: OLG Celle, Beschl. v. 16.7.2009, JurBüro 2010, 88; Olbertz in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: April 2013, Vorb. § 154 Rn. 42; Redeker/v. Oertzen, VwGO, 15. Aufl. 2010, § 165 Rn. 18; a.A. OVG Hamburg, Beschl. v. 7.12.2009, NVwZ-RR 2010, 501; OVG Greifswald, Beschl. v. 9.2.1994, MDR 1995, 425, allerdings zum Fall einer gemäß § 37 Abs. 2 VermG ausgeschlossenen Streitwertbeschwerde; Hartmann, Kostengesetze, 44. Aufl. 2014, § 63 Rn. 51; Meyer, a.a.O., § 63 GKG Rn. 32; differenzierend: OVG Bremen, Beschl. v. 22.7.2010, NVwZ-RR 2010, 823).

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Der Wortlaut der Vorschrift setzt lediglich voraus, dass eines der bezeichneten Verfahren in der Rechtsmittelinstanz „schwebt“, was nichts anderes bedeutet, als dass es dort anhängig ist. Das trifft zweifelsohne auch auf eine unzulässige Streitwertbeschwerde zu, was selbst die Gegenauffassung einräumt, die die Möglichkeit einer Änderung des Streitwerts von Amts wegen in einem solchen Falle verneint. Dem Gesetz ist auch sonst nicht zu entnehmen, dass die Änderungsbefugnis des Rechtsmittelgerichts nur im Falle einer zulässigen Streitwertbeschwerde gegeben sein soll. Die insbesondere vom 5. Senat des Beschwerdegerichts (Beschl. v. 7.12.2009, a.a.O.) angeführten systematischen Erwägungen berücksichtigen nicht hinreichend die Unterschiede, die zwischen den Regelungsbereichen des § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG einerseits und des § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG andererseits bestehen. Während erstere Vorschrift den Zugang des (vermeintlich) beschwerten Rechtsmittelführers zu einer Sachentscheidung des Gerichts über den Streitwert beschränkt, begründet letztere eine Zuständigkeit des Rechtsmittelgerichts im Sinne einer Ermächtigung, nach Ermessen den von der Vorinstanz festgesetzten Streitwert zu ändern (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.10.1985, Buchholz 360 § 25 GKG Nr. 1 und v. 14.10.1988, Buchholz 360 § 25 GKG Nr. 3 GKG). Dabei dient § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG neben dem - hier nicht einschlägigen - Gesichtspunkt der Gewährleistung einer einheitlichen Streitwertfestsetzung im Instanzenzug und der Herstellung einer individuellen Gerechtigkeit in Bezug auf die streitwertabhängigen Gebühren auch öffentlichen Interessen, indem das Rechtsmittelgericht ermächtigt wird, darüber zu wachen, dass für die Inanspruchnahme des Gerichts Gebühren in der nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes maßgeblichen, d.h. einer dem jeweiligen Streitgegenstand angemessenen Höhe erhoben werden, und ggf. korrigierend einzugreifen (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 9.2.1994, a.a.O.). Dieses öffentliche Interesse mag entfallen, wenn der Gesetzgeber durch einen Rechtsmittelausschluss für bestimmte Arten von Verfahren zum Ausdruck gebracht hat, dass in diesen Verfahren eine Änderung erstinstanzlicher Streitwerte schlechterdings nicht in Betracht kommen soll (so OVG Greifswald, Beschl. v. 9.2.1994, a.a.O., zum Falle des Rechtsmittelausschlusses nach § 37 Abs. 2 VermG). Dagegen wird das öffentliche Interesse an einer dem jeweiligen Streitgegenstand angemessenen Gebührenhöhe nicht gleichermaßen dadurch verdrängt, dass der (vermeintlich) beschwerte Kostenschuldner eine Überprüfung des Streitwerts seinerseits nur beanspruchen kann, wenn der Wert seiner Beschwerde den in § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG genannten Betrag übersteigt. Die hier vertretene Auffassung lässt die Rechtsmittelbeschränkung auch nicht leerlaufen. Denn zum einen räumt § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG dem Rechtsmittelführer gerade kein Recht ein, dem Beschwerdegericht eine Entscheidung über die Änderung des Streitwerts von Amts wegen abzuverlangen, zum anderen wird eine (nähere) Prüfung von Amts wegen regelmäßig in all jenen Fällen nicht veranlasst sein, in denen auf den ersten Blick nichts für eine unangemessene Streitwertfestsetzung spricht (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 2.8.2011, a.a.O.).

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b) Die nach alledem mögliche Änderung des erstinstanzlichen Streitwerts ist hier auch geboten, weil der vom Verwaltungsgericht auf 10.000 Euro festgesetzte Wert ersichtlich zu hoch bemessen ist. Das Beschwerdegericht hält lediglich einen Streitwert von 3.750 Euro für angemessen.

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Gemäß § 52 Abs. 1 GKG ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Der anwaltlich nicht vertretene Kläger hat mit seiner Klageschrift erklärt, dass er sich vor geraumer Zeit mit zwei (Widerspruchs-)Schreiben an die Beklagte gegen ein Bauvorhaben auf einem Nachbargrundstück gewandt, jedoch bislang keine Antwort erhalten habe, und deshalb darum bitte, die Beklagte zu „einer fundierten Stellungnahme“ zu verurteilen. Anlässlich der vorläufigen Festsetzung des Streitwertes auf 10.000 Euro hat er erneut geltend gemacht, dass es ihm nicht um die Baugenehmigung an sich gehe, sondern vielmehr um seinen Anspruch auf Auskunft. Ziel seiner Klage sei es, eine Auskunft bzw. einen Bescheid der Beklagten zu erhalten. Dem entspricht schließlich die spätere Mitteilung des Klägers, seine Klage habe sich erübrigt, nachdem die Beklagte ihm inzwischen erstmals geantwortet habe. Daraus ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass der Kläger lediglich eine Bescheidung seines Nachbarwiderspruchs und der darin sowie offenbar mit weiteren Schreiben vorgetragenen Fragen und Einwendungen hat erreichen wollen. Dies ändert zwar nichts daran, dass es auch hier im Ausgangspunkt zunächst sachgerecht erscheint, die Streitwertbemessung an dem objektiven Maß der Beeinträchtigungen des klägerischen Grundstücks durch das angegriffene Vorhaben auszurichten und den Streitwert einem Rahmen von 7.500 bis 30.000 Euro zu entnehmen, wie es in Regelfällen der ständigen Rechtsprechung des Beschwerdegerichts entspricht (vgl. nur OVG Hamburg, Beschl. v. 29.11.2006, NordÖR 2007, 137). Danach rechtfertigen die aus der Akte ersichtlichen Einwände des Klägers - unabhängig davon, ob er sich gegen beide Neubauten auf dem Nachbargrundstück oder nur gegen einen hat wenden wollen - lediglich den Eingangswert von 7.500 Euro. Dieser Wert ist allerdings des Weiteren unter entsprechender Heranziehung der für Bescheidungsklagen nach Ziffer 1.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit geltenden Grundsätze auf die Hälfte zu ermäßigen, um hinreichend dem Umstand Rechnung zu tragen, dass es dem Kläger eben gerade nicht um die Aufhebung der Baugenehmigung, sondern lediglich um den Erlass eines Widerspruchsbescheids gegangen ist. Auf die Frage, ob die so verstandene Klage zulässig war, kommt es für die Streitwertbemessung angesichts des erklärten Willens des Klägers nicht an.

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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 68 Abs. 3 GKG.

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