Urteil vom Hamburgisches Oberverwaltungsgericht (6. Senat) - 6 Bf 292/13.HBG

Tenor

Das Urteil des Berufsgerichts für die Heilberufe vom 15. Oktober 2013 wird – unter Aufrechthaltung im Übrigen – geändert:

Dem Beschuldigten wird eine Geldbuße von 2.550,-- Euro auferlegt. Dem Beschuldigten bleibt nachgelassen, die Geldbuße ratenweise in Monatsraten von 150,-- Euro zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beschuldigte trägt 2/3 der erstinstanzlichen Gerichtskosten sowie seine notwendigen Auslagen des gesamten Verfahrens.

Die übrigen Auslagen des gesamten Verfahrens trägt die Freie und Hansestadt Hamburg.

Tatbestand

1

Der Beschuldigte wendet sich gegen ein Urteil des Hamburgischen Berufsgerichts für die Heilberufe, mit dem ihm wegen eines Berufsvergehens ein Verweis erteilt und eine Geldbuße von 4.000 Euro auferlegt worden ist.

2

Der im Jahr 1937 geborene Beschuldigte war nach anderer ärztlicher Tätigkeit seit 1978 mit eigener Praxis als Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe tätig. Von 1983 bis 2005 war er als Vertragsarzt niedergelassen. Seit dem 1. Juli 2005 ist er nur noch privatärztlich tätig. Er ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder.

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Berufsrechtlich war er bereits einmal auffällig. Wegen wiederholter Auffälligkeiten bei der Verschreibung von Medikamenten mit Suchtpotential machte die Beteiligte zu 1) dem Beschuldigten eine Nachschulung zum Thema „Suchtmedizinische Grundversorgung“ zur Auflage, die er Ende 2008 erfüllte.

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Im Januar 2011 informierte eine Apotheke die Beteiligte zu 1) darüber, dass der Beschuldigte in Kopie beigefügte Privatverordnungen mit auffällig hohen Mengen des Arzneimittels Fluninoc ausgestellt hatte.

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Auf eine entsprechende Bitte händigte der Beschuldigte der Beteiligten zu 1) die Unterlagen der Patienten aus, denen er die Verordnungen ausgestellt hatte. Zur Sache ließ er sich dahin ein, dass er seinen Patienten das Medikament Fluninoc aufgrund von Schlafstörungen, zur Verbesserung des Befindens und zur Aufrechterhaltung ihrer Arbeitsfähigkeit verschrieben habe. Die Patienten hätten angegeben, dass sie das Medikament seit vielen Jahren nehmen würden und eine kleinere Packungsgröße ihnen nicht ausreiche. Ihre zuvor behandelnden Ärzte seien im Ruhestand, im Urlaub oder verzogen. Er habe den Patienten als Arzt helfen wollen, sei aber vielleicht zu gutgläubig und gutmütig gewesen. Die Patienten G., A. und N. seien ihm seit etwa drei Monaten bekannt. Er habe seine Hilfe damit verknüpft, dass die Patienten sich einer neurologischen Untersuchung unterziehen müssten, um Entzugsmöglichkeiten abzuklären. Die Patienten hätten ihm erzählt, dieses sei schon häufig bei ihnen gemacht worden. Sie hätten auf Rechnungen verzichtet und pro Rezept 10 Euro in bar bezahlt.

6

Mit Anschuldigungsschrift vom 23. April 2013 warf die Beteiligte zu 1) dem Beschuldigten vor, gegen die Gebote verstoßen zu haben, einer missbräuchlichen Anwendung seiner Verschreibung keinen Vorschub zu leisten, eine angemessene Honorarforderung zu erstellen, deren Grundlage die amtliche Gebührenordnung (GOÄ) ist, und über die in Ausübung seines Berufes gemachten Feststellungen und getroffenen Maßnahmen die erforderlichen Aufzeichnungen zu machen. Er habe seinen Patienten G., A., N. und M. Verordnungen über jeweils 2 mal 20 Tabletten Fluninoc (1mg, Packungsgröße N2) ausgestellt, ohne dass diesen Verordnungen eine Indikation oder ein Behandlungskonzept zugrunde gelegen habe. Er habe auf diese Weise die Medikamentenabhängigkeit dieser Patienten gestützt und aufrecht erhalten sowie eine missbräuchliche Verwendung des verordneten Präparats in Kauf genommen. Seine damit einhergehenden Leistungen habe er den Patienten pauschal mit 10 Euro, im Fall der Patientin N. mit 30 Euro berechnet, ohne eine der GOÄ entsprechenden Rechnung zu erstellen. Die Patientenunterlagen habe er in diesen Fällen nachträglich gefertigt und somit die Behandlung der Patienten nicht dokumentiert.

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Zu näheren Begründung führte die Beteiligte zu 1) u.a. aus, die Verordnungen über jeweils 2 x 20 Tabletten Fluninoc seien in den vorliegenden Fällen nicht indiziert gewesen. Ausweislich der Patientendokumentation und der Angaben des Beschuldigten seien die Patienten medikamentenabhängig gewesen. Die Einnahme des Arzneimittels sei für sie als Medikamentenmissbrauch einzuordnen. Die Verordnungen hätten keinem therapeutischen Zweck gedient. Es habe sich um Wunschverordnungen gehandelt. Hierfür spreche auch die Tatsache, dass die Verordnung ohne Berücksichtigung des gesundheitlichen Zustands des jeweiligen Patienten ausnahmslos in derselben Höhe erfolgt sei. Es bestehe der dringende Verdacht, dass der Beschuldigte mit seinen Verordnungen Handel getrieben habe.

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Das Berufsgericht für die Heilberufe hat das berufgerichtliche Verfahren gegen den Beschuldigten gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 HeilBG mit Beschluss vom 29. Januar 2013 eröffnet.

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Der Beschuldigte hat den „objektiven Sachverhalt mit seinen tragenden Vorwürfen“ erstinstanzlich schriftlich eingeräumt. In der Sitzung des Berufsgerichts am 16. Oktober 2013 hat er u.a. erklärt, dass er früher Drogenabhängige behandelt habe. Auch die vier Patienten seien mit Berichten über ihre Drogenabhängigkeit zu ihm gekommen. Die Daten der Patienten (Name und Geburtsdatum) habe er ohne Anschrift nur in seinem Kalender notiert. Er habe ihnen helfen wollen. Die vorliegenden Patientenkarten habe er nachträglich aus dem Kalender rekonstruiert. Es sei falsch gewesen, jeweils 40 Tabletten zu verschreiben, obwohl er gewusst habe, dass die Patienten die Tabletten schon lange Jahre genommen hätten. Fehler habe er auch bei der Abrechnung gemacht.

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Das Berufsgericht für die Heilberufe hat dem Beschuldigten aufgrund der Hauptverhandlung vom 16. Oktober 2013 wegen eines Berufsvergehens nach §§ 58, 27 Abs. 1 HmbKGH, § 2 HeilBG i.V.m. § 34 Abs. 4 BO, § 10 Abs. 1 BO und § 12 Abs. 1 Satz 1 und 2 BO i.V.m. der GOÄ einen Verweis erteilt und ihm eine Geldbuße von 4.000,-- Euro auferlegt, die er ratenweise innerhalb eines Jahres zahlen darf. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Beschuldigte habe durch sein Verordnungsverhalten der missbräuchlichen Verwendung des Medikaments Fluninoc durch vier Patienten Vorschub geleistet und deren Abhängigkeit von diesem Medikament gefördert und gestützt, ohne sich auf eine fachlich nachvollziehbare Indikation berufen zu können. Es verstoße gegen die Berufspflichten eines Arztes, einem erkennbar medikamentenabhängigen Patienten ein Medikament mit Suchtpotential unter Ignorierung der Herstellerhinweise zu Einsatzweise und Dosierung in der von dem Patienten gewünschten Menge zugänglich zu machen. Ihm sei vorzuwerfen, dass er seinen Patienten die erforderliche ordnungsgemäße Behandlung zur Bekämpfung der Abhängigkeit vorenthalten habe. Die mangelnde Erfüllung der Dokumentationspflicht habe der Beschuldigte eingeräumt. Auch Fehler bei der Abrechnung ohne Rechnung gestehe der Beschuldigte im Falle der überprüften Patienten zu. Die hartnäckigen Verstöße des Beschuldigten gegen seine Berufspflichten und seine mangelnde Einsicht schlössen es aus, gegen ihn lediglich einen Verweis zu verhängen. Zusätzlich habe es einer angemessenen Geldbuße bedurft, um den Beschuldigten künftig zu einer Beachtung seiner Berufspflichten anzuhalten.

11

Das Urteil ist dem Beschuldigten am 14. November 2013 zugestellt worden. Mit einem am 12. Dezember 2013 beim Gericht eingegangenen Schriftsatz hat er Berufung eingelegt, mit der er sich gegen die Höhe der Geldbuße und die gewährten Zahlungsmodalitäten wendet. Zur Begründung führt er aus:

12

Das Berufsgericht sei in seinem Urteil bei der Festsetzung der Geldbuße zum einen von der Schwere der vorgeworfenen Tat und zum anderen von seinem Einkommen ausgegangen. Seine Einkommensverhältnisse seien vom Berufsgericht fehlerhaft beurteilt worden. Das Gericht habe sich hinsichtlich der Einkommenshöhe in einem Irrtum befunden. Aus seiner privatärztlichen Tätigkeit erziele er nur eine Betriebseinnahme in Höhe von ca. 24.000 Euro im Jahr und nicht, wie das Berufsgericht angenommen habe, ein zu versteuerndes Einkommen in dieser Höhe. Würden die Betriebsausgaben gegengerechnet und die private Kraftfahrzeug- und Telefonnutzung hinzugesetzt, ergebe sich ein tatsächlich zu versteuernder Gewinn in Höhe von 2.942,85 Euro, wie der ihm erteilte Steuerbescheid für 2012 belege. Auch für 2013 werde das Ergebnis hiervon nicht wesentlich abweichen. Daneben beziehe er eine Altersrente in Höhe von 654,88 Euro sowie Grundsicherungsleistungen in Höhe von 380,08 Euro, die bis auf 36,56 Euro direkt an seine Krankenversicherung gezahlt würden. Auch seine Ehefrau beziehe nur eine geringe Rente von 275,59 im Monat und Grundsicherungsleistungen, von denen 407,13 Euro an sie ausgezahlt würden. Zusammen verfügten er und seine Ehefrau über 1.624,05 Euro Bareinnahmen im Monat, von denen ihnen nach Abzug ständiger Kosten nur ein Betrag von 678,83 Euro im Monat für Lebensmittel, Kleidung und sonstige Ausgaben verblieben. Aus diesen Zahlen werde deutlich, dass die verhängte Geldbuße in Höhe von 4.000,-- Euro seinen Einkommensverhältnissen nicht angemessen sei. Auch eine deutlich geringere Geldbuße werde ihn bei seinen Einkommensverhältnissen künftig zu einer Beachtung seiner Berufspflichten anhalten. Angesichts der Einkommensverhältnisse sei auch eine Ratenzahlung in Höhe von mehreren Hundert Euro pro Monat nicht zu leisten und daher unangemessen hoch. Maximal könne er einen Betrag von 100 Euro im Monat zahlen.

13

Der Beschuldigte beantragt,

14

das Urteil des Berufsgerichts für die Heilberufe vom 16. Oktober 2013 abzuändern und die Geldbuße angemessen herabzusetzen und ihm nachzulassen, die Buße in monatlichen Raten von 100,-- Euro zu zahlen

15

hilfsweise für den Fall, dass die Geldbuße nicht herabgesetzt wird, ihm nachzulassen, die Buße in monatlichen Raten von nicht mehr als 120,-- Euro zu zahlen.

16

Die Beteiligte zu 1) beantragt,

17

die Berufung des Beschuldigten zurückzuweisen.

18

Die Beteiligte zu 1) führt aus:

19

Die Verurteilung zu einer Verurteilung zu einer Geldbuße von 4.000,-- Euro sei angemessen und dringend erforderlich, um den Beschuldigten zukünftig zur Beachtung seiner Berufspflichten anzuhalten. Die Verfehlungen seien besonders schwerwiegend und beträfen den Kern der ärztlichen Sorgfaltspflichten. Der Beschuldigte habe mit seinen Verfehlungen ein Verhalten offenbart, das in der Sache als missbräuchliches Ausnutzen seiner Vertrauensstellung als Arzt einzuordnen sei. Er habe jenseits einer medizinischen Indikation zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil Verordnungen ausgestellt. Dabei habe er sich in keiner Weise einsichtig gezeigt oder zumindest zu erkennen gegeben, dass ihm bewusst sei, dass sein Verhalten in hohem Maße vorwerfbar sei und in keiner Weise dem gesundheitlichen Wohl der Patienten entsprochen habe.

20

Die Beteiligte zu 2) beantragt,

21

die Berufung des Beschuldigten zurückzuweisen.

22

Sie schließt sich den Ausführungen der Beteiligten zu 1) im Berufungsverfahren an.

23

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gerichtliche Verfahrensakte und die Sachakten der Beteiligten zu 1) einschließlich der Patientenunterlagen Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

24

Die zulässige Berufung des Beschuldigten (I.) hat im Wesentlichen Erfolg (II.).

25

I. Die Berufung des Beschuldigten, die er ausdrücklich auf das Strafmaß beschränkt hat, ist frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden.

26

Die Beschränkung der Berufung auf das Strafmaß steht ihrer Zulässigkeit nicht entgegen. Zwar entspricht es der Rechtsprechung zum aktuellen hamburgischen Disziplinarrecht (OVG Hamburg, Urt. v. 29.8.2008, 12 Bf 32/08.F, HmbJVBl. 2009, 17 ff. und juris; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 28.7.2011, BVerwGE 140, 185 ff.), auf dessen Regelungen § 13 HeilBG verweist, soweit das Gesetz keine eigenen Regelungen enthält, dass das Rechtsmittel der Berufung nicht auf die Rechtsfolgen eines festgestellten disziplinarrechtlichen Verstoßes beschränkt werden kann. Maßgeblich hierfür ist, dass das hamburgische Disziplinargesetz eine solche Beschränkung nicht mehr vorsieht und die für das disziplinargerichtliche Verfahren seit 2004 maßgebliche Verwaltungsgerichtsordnung eine solche Möglichkeit ebenfalls nicht kennt, sondern eine Beschränkung des Rechtsmittels im Verwaltungsprozess nur auf selbständige Teile des Streitgegenstands, also im Falle einer objektiven Klagehäufung zulässig ist.

27

§ 26 Abs. 3 HeilBG trifft insoweit jedoch (weiterhin) eine der verwaltungsprozessrechtlichen Regelung vorgehende speziellere Regelung für das Verfahren in der hamburgischen Heilberufsgerichtsbarkeit. Denn im Rahmen der Anpassung des HeilBG durch das 4. Änderungsgesetz zur Änderung des Gesetzes über die Berufsgerichtsbarkeit der Heilberufe vom 1. September 2005 (HmbGVBl. S. 387) an die Veränderung der verfahrensrechtlichen Strukturen des Disziplinarrechts, mit der auch ein Übergang von der ergänzenden Anwendung der Strafprozessordnung zur Verwaltungsgerichtsordnung verbunden war (vgl. Bürgerschafts-Drs. 18/1884, S. 2), hat der hamburgische Gesetzgeber von einer Änderung des § 26 HeilBG abgesehen. Nach § 74 Abs. 2 HmbDO a.F. und § 318 StPO war bzw. ist u.a. auch eine Beschränkung der Berufung auf das Strafmaß zulässig (vgl. dazu Schütz, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, 3. Aufl., §§ 79/81 DO NW, Rn. 13, 17). Hieran knüpfte § 26 HeilBG stets an (vgl. zur Heilberufsgerichtsbarkeit in NRW, Willems, Das Verfahren vor den Heilberufsgerichten, 2010, Rn. 578 ff.), indem nach § 26 Abs. 3 Satz 2 HeilBG in der Begründung der Berufung anzugeben ist, „inwieweit das Urteil angefochten wird, welche Änderungen beantragt und wie diese Anträge begründet werden“. Zusätzlich ist in Absatz 4 der Vorschrift festgelegt, dass eine Beschränkung der Berufung auf die Kostenentscheidung ausgeschlossen ist. Angesichts dieser deutlichen Formulierung des Absatzes 3 der Vorschrift und ihres Absatzes 4 kann in der Wendung „inwieweit das Urteil angefochten wird“ nicht lediglich Statuierung einer Pflicht zur inhaltlichen Begründung der Berufung angesehen werden. Hierzu verhalten sich gesondert der letzte Satzteil des Satzes 2 zur rechtlichen Begründung und Absatz 3 Satz 3 der Vorschrift zur Angabe der maßgeblichen Tatsachen und Beweismittel in der Berufungsbegründung. Vielmehr kommt darin zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber (auch) im HeilBG eine Möglichkeit zur Beschränkung der Berufung auf einzelne Teile des berufsgerichtlichen Urteils, darunter auf das Strafmaß vorgesehen hat. Angesichts der fortbestehenden differenzierten Regelung des § 26 HeilBG und fehlender sonstiger konkreter Anhaltspunkte im Änderungsgesetz von 2005 fehlt auch jeder Ansatz für die Annahme, allein mit der subsidiären Verweisung auf das Disziplinarrecht in § 13 HeilBG habe der Landesgesetzgeber (stillschweigend) auch den Geltungsrahmen des § 26 Abs. 3 HeilBG modifizieren und an die VwGO anpassen wollen.

28

II. Die Berufung des Beschuldigten ist auch in der Sache im Wesentlichen begründet.

29

Angesichts der vom Beschuldigten mit der Berufung nicht angegriffenen Feststellungen der Ausgangsinstanz zu Tatumständen und Schwere der berufsrechtlichen Schuld, steht der verhängte Verweis nicht in Frage und hat der Beschuldigte dieses zu Recht nicht in Frage gestellt.

30

Anderes gilt für die verhängte Geldbuße. Die gegen den Beschuldigten verhängte Geldbuße findet ihre Grundlage in § 3 Abs. 1 lit. b und Abs. 4 Satz 1 HeilBG. Sie ist vorliegend auf 2.550 Euro herabzusetzen, um den wirtschaftlichen Verhältnissen des Beschuldigten Rechnung zu tragen.

31

Nach § 3 Abs. 4 Satz 1 HeilBG kann eine Geldbuße bis zum Betrag von 25.500 Euro verhängt werden, ohne dass das HeilBG weitere Anhaltspunkte für die mit der Berufung vom Beschuldigten aufgeworfene Frage enthält, ob und in welcher Weise die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschuldigten neben der Schwere des Berufsvergehens bei der Bemessung der Höhe der Buße zu berücksichtigen sind. § 3 Abs. 4 HeilBG entspricht insoweit in seiner Struktur - eines bloßen Strafrahmens ohne weitere Konkretisierung zur Bedeutung der Verfehlung, der Schuld und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit - weiterhin im Prinzip der Regelung des § 27 Abs. 2 Nr. 1 StGB zur Geldstrafe in der bis Ende 1974 geltenden Fassung. Diese Vorschrift sah bis zu diesem Zeitpunkt ebenfalls keine Differenzierung zwischen der Schwere der Tat und der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse vor. Über die notwendige Berücksichtigung beider Elemente bei der Festlegung der Höhe einer Geldstrafe bestand jedoch auch für diese Fassung der Vorschrift Einigkeit (vgl. z.B. Schönke/Schröder, StGB, Kommentar, 15. Aufl. 1970, § 13 Rn. 54, § 27b Rn. 6; Horn, Das Geldstrafensystem des neuen Allgemeinen Teils des StGB und die Ratenzahlungsbewilligung, NJW 1974, S. 625 ff.). Die seit 1975 im Strafrecht geltende ausdrückliche Differenzierung zwischen der Berücksichtigung der Schwere einer Tat in der Anzahl der Tagessätze und der wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten bei der Bemessung ihrer Höhe, hat dieses Zusammenspiel nur deutlicher gemacht (vgl. Horn, a.a.O., S. 625 f.).

32

Auch die Höhe der möglichen Geldbuße nach § 3 Abs. 4 HeilBG entsprach im Jahre 1965 bei der Schaffung des HeilBG mit damals 10.000 DM (vgl. Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft Nr. 81 v. 18.5.1965, S. 11), jener der im Regelfall höchstzulässigen Geldstrafe nach § 27 Abs. 2 Nr. 1 StGB a.F.. Durch das Änderungsgesetz zur Änderung des Gesetzes über die Berufsgerichtsbarkeit der Heilberufe vom 1. Dezember 1987 (HmbGVBl. S. 210) wurde dieser Betrag 1987 auf 50.000 DM erhöht und im Rahmen der Euro-Einführung wertgleich auf 25.500 Euro umgestellt (Gesetz v. 18.7.2001, HmbGVBl. S. 251, 255). Mit dieser Regelung zur Höhe der Geldbuße bleibt die zulässige Buße inzwischen deutlich hinter den vergleichbaren Heilberufsgerichtsgesetzen in den meisten anderen Bundesländern, insbesondere aber auch hinter der zulässigen Höhe einer Geldstrafe im Strafrecht deutlich zurück. Allerdings wäre es verfehlt, eine Geldbuße nach dem HeilBG mit der Verhängung einer Geldstrafe nach dem Strafgesetzbuch gleichzusetzen. Die Geldbuße wegen eines Verstoßes gegen die Berufspflichten hat disziplinarischen Charakter. Gleichzeitig nimmt § 3 HeilBG allerdings seit jeher nicht die gesetzgeberische Wertung zu den Vorschriften über die Verhängung einer Geldbuße nach den Regelungen des hamburgischen Disziplinarrechts auf. Nach § 5 HmbDG darf die Höhe einer Geldbuße einen Monatsbetrag der Dienstbezüge des jeweiligen Beamten nicht übersteigen. Vor dem Hintergrund der Regelungsgeschichte des § 3 HeilBG ist deshalb trotz des Verweises in § 13 HeilBG davon auszugehen, dass der Gesetzgeber des Heilberufsgesetzes die Höhe der Geldbuße nicht auf dem Betrag der durchschnittlichen Monatseinkünfte eines Beschuldigten beschränkt hat. Gänzlich außer Acht darf dies jedoch nicht bleiben. Denn sowohl das Disziplinarrecht wie das Strafrecht gehen davon aus, dass die wirtschaftlichen Umstände des Strafbetroffenen (bereits) bei der Bemessung der Höhe der Leistungspflicht Berücksichtigung finden müssen. Im Disziplinarrecht kommt dies sowohl in der Anknüpfung an die jeweilige konkrete Besoldungshöhe (§ 5 Satz 1 HmbDG) als auch ausdrücklich in § 3 Abs. 5 Satz 2 HmbDG zum Ausdruck. Die Höchstgrenze der Geldbuße in § 3 Abs. 4 Satz 1 HeilBG ist deshalb sowohl in Bezug zu setzen zur möglichen Schwere zu ahndender Berufsvergehen als auch zu dem Umstand, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschuldigten in einer Weise zu berücksichtigen sind, die wirtschaftlich durchschnittlich bis gut gestellte Berufsangehörige bei einer Verfehlung wegen der Höhenbegrenzung der Geldbuße nicht typischerweise bevorteilt.

33

Unter Berücksichtigung dieses Rahmens hat das Berufsgericht die Geldbuße zu hoch bemessen, weil es jedenfalls von objektiv unzutreffenden Einkommensverhältnissen des Beschuldigten ausgegangen ist.

34

Denn der Beschuldigte hat im Berufungsverfahren zur Überzeugung des Berufungsgerichts dargelegt, dass sein Einkommen wesentlich niedriger ist als dies erstinstanzlich zu Grunde gelegt worden ist. Das Berufsgericht, das nähere Ausführungen zur Angemessenheit der Höhe der Geldbuße im Urteil nicht getroffen hat, ist jedenfalls ausweislich des Tatbestands des Urteils von einem Einkommen des Beschuldigten aus der betriebenen Privatpraxis in Höhe von 25.000 Euro im Jahr ausgegangen. Demgegenüber hat der Beschuldigte im Berufungsverfahren dargetan, dass es sich insoweit in etwa um den jährlichen Bruttoertrag seiner Praxis handelt, und seinen Steuerbescheid für 2012 vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass nach Abzug der laufenden Praxiskosten und unter Berücksichtigung privater Nutzungen insoweit nur ein Gewinn von knapp 3.000 Euro erzielt worden ist. Unter Einbeziehung seiner Altersrente und ergänzender Grundsicherungsleistungen verfügt der Beschuldigte nach den vorgelegten Unterlagen, die in ihrer Konkretisierung deutlich über in entsprechenden Verfahren vielfach der Bußbemessung zugrunde gelegte Angaben der Betroffenen hinausgehen, über monatliche Nettoeinkünfte in Höhe von lediglich ca. 935 Euro (691,-- Euro Renten- und Grundsicherungsleistungen sowie durchschnittlich ca. 245,-- Euro aus der ärztlichen Tätigkeit im Jahr 2012) und nicht von ca. 2.000 Euro, wie das Berufsgericht seiner Bußgeldbemessung zugrunde gelegt zu haben scheint.

35

Im Hinblick auf die detailliert aufgeführten Einnahmen- und Ausgabenpositionen der Überschussrechnung für die Praxis und den vorgelegten Steuerbescheid für 2012 hat der Berufsgerichtshof keine begründbaren Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Beschuldigten zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschuldigte in seiner Praxis tatsächlich höhere Einkünfte erwirtschaftet als er gegenüber den Steuerbehörden angegeben hat. Solches würde dem Beschuldigten in unzulässiger Weise ein strafrechtlich relevantes und möglicherweise zusätzlich berufsrechtlich fehlerhaftes Verhalten unterstellen, für das keine tatsächlichen Anhaltspunkte vorliegen.

36

Auf der Basis des durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommens von ca. 935 Euro sieht der Berufungsgerichtshof eine Geldbuße von 2.550 Euro als der Schwere des zu berücksichtigenden Berufsvergehens und der wirtschaftlichen Situation des Beschuldigten noch angemessene disziplinarische Sanktion an. Hierbei berücksichtigt er, dass das Berufsgericht rechtskräftig festgestellt hat, dass der Beschuldigte ein schweres Berufsvergehen begangen hat. Unter ergänzender Beachtung der Bewertung des Gesetzgebers des Heilberufsgerichtsgesetzes in § 20 HeilBG, wonach in Fällen geringer Verfehlungen ohne Eröffnung des berufsgerichtlichen Verfahrens vom Berufsgericht für die Heilberufe eine Geldbuße von bis zu 2.550 Euro ausgesprochen werden kann, sieht der Berufsgerichtshof im vorliegenden Fall angesichts der festgestellten Schwere der Verfehlung diese Höhe der Geldbuße als untere Grenzen der Buße an, um dem Gewicht der Verfehlung Rechnung zu tragen.

37

Unter Berücksichtigung der Prinzipien zur Bemessung der Höhe der Tagessätze der Geldstrafe anhand des erzielten Nettoeinkommens (vgl. § 40 Abs. 2 StGB) kommt hier zugleich eine höhere Geldbuße nicht in Betracht. Dabei sind sind für das Nettoeinkommen die Bruttoeinkünfte des Betroffenen um Steuern, Sozialabgaben bzw. vergleichbare private Kranken- und Altersversicherungen und Werbungskosten bzw. bei Selbständigen um die Betriebsausgaben/Betriebsverluste zu kürzen (vgl. Stree/Kinzig in: Schönke/Schröder, StGB, Kommentar, 28. Aufl., 2010, § 40 Rn. 9 m.w.N.). Unter Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich für den Beschuldigten ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von ca. 935,-- Euro (691,-- Renten- und Grundsicherungsleistungen sowie durchschnittlich ca. 245,-- Euro aus der ärztlichen Tätigkeit im Jahr 2012). Zugleich sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Beschuldigte über Vermögen oder Unterhaltsansprüche gegenüber seiner Ehefrau verfügt, die selbst Grundsicherungsleistungen erhält. Danach entspricht vorliegend bereits eine Geldbuße in Höhe von 2.550 Euro für den Beschuldigten nach strafrechtlichen Kategorien 80 Tagessätzen.

38

Auch unter Berücksichtigung der festgestellten Schwere des Berufsvergehens sieht sich der Berufsgerichtshof deshalb gehindert, im Hinblick auf die Bedeutung des Berufsvergehens eine höhere Geldbuße festzusetzen. Denn zum einen müsste bereits diese Bemessung der Schwere des Delikts im Hinblick auf einen entsprechenden Verstoß eines Arztes mit einem durchschnittlichen Jahresnettokommen von 100.000 Euro für diesen zu einer Geldbuße von ca. 22.000 Euro führen und damit den Bußgeldrahmen des § 3 Abs. 4 Satz 1 HeilBG weitgehend ausschöpfen. Zum anderen gibt es berufsrechtliche Verfehlungen, die inhaltlich noch deutlich schwerer wiegen als der konkrete gegen den Beschuldigten erhobene Vorwurf und die auf diese Weise nicht ausreichend geahndet werden könnten, würde die Schwere der Verfehlung des Beschuldigten in anderer Weise in den den Berufsgerichten zur Verfügung stehenden Bußgeldrahmen eingeordnet.

39

Entgegen der möglicherweise beim Berufsgericht und der Beteiligten zu 1) bestehenden Auffassung kann der unterschiedlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Beschuldigten nicht vornehmlich durch die Bewilligung von Ratenzahlungsmöglichkeiten für die Geldbuße Rechnung getragen werden. Denn die Bewilligung einer ratenweisen Begleichung beseitigt nicht eine wirtschaftlich unterschiedliche Belastung der Bußgeldbelasteten trotz einer gleichwertigen berufsrechtlichen Verfehlung, sondern trägt nur der aktuellen Zahlungsfähigkeit des Beschuldigten Rechnung und vermeidet ggfs. ein aufwendiges Vollstreckungsverfahren, in dem wegen der bestehenden Vollstreckungs-/Pfändungsgrenzen eine Beitreibung der Geldbuße nur im Wege einer ratenweise Entrichtung möglich wäre. Eine sofortige vollständige Zahlung ist auch im Strafrecht unzumutbar (vgl. § 42 StGB), wenn die laufenden Einkünfte oder liquiden Rücklagen des Betroffenen nicht so groß sind, dass er eine Geldstrafe auf einmal aufbringen kann, ohne wirtschaftlich in Bedrängnis zu geraten (vgl. Stree/Kinzig, a.a.O., § 42 Rn. 2 m.w.N.).

40

So liegt es hier. Denn das laufende monatliche Einkommen des Beschuldigten lässt auch eine Begleichung der verminderten Geldbuße ohne Ratenzahlung nicht zu. Die festgesetzte Rate von 150,-- Euro im Monat führt für den Beschuldigten nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen zu einer so deutlichen Belastung, dass diese nicht überschritten werden kann. Denn das durchschnittliche Einkommen auf der Basis des Jahres 2012 sinkt auf diese Weise bereits unter das Niveau der sozialhilferechtlich für ein bescheidenes Leben vom Gesetzgeber als erforderlich angesehenen Leistungen, was dem Berufsgerichtshof nur deshalb vertretbar erscheint, weil der Beschuldigte nach den vorgelegten Unterlagen zur Überzeugung des Gerichts für einen gewissen Zeitraum in der Lage ist, die liquiditätswirksame Höhe der Betriebsausgaben für seine Arztpraxis zu strecken oder zu vermindern, etwa im Hinblick auf die Kosten für die berufliche Nutzung eines PKW.

41

Aus diesem Grunde ist die Berufung des Beschuldigten erfolglos, soweit er begehrt, die monatlichen Raten nicht höher als 100,-- bzw. 120,-- Euro festzusetzen.

42

III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 34 Abs. 2 bis 5, 35 Abs. 1 HeilBG. Dabei geht das Berufungsgericht davon aus, dass der rechtskräftig gewordene Ausspruch des Berufsgerichts für die Heilberufe mit 2/3 der erstinstanzlich festgesetzten Gerichtskosten angemessen berücksichtigt wird und der Beschuldigte nach § 34 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 HeilBG für das erfolgreiche Berufungsverfahren und den insoweit der Änderung unterliegenden Teil des erstinstanzlichen Urteils keine Gerichtskosten zu tragen hat. Soweit er hinsichtlich der Höhe der festgesetzten Raten mit seinem Begehren im Berufungsverfahren geringfügig unterlegen ist, entspricht es dem in § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgedanken, einem Beteiligten, der mit seinem gerichtlich angebrachten Begehren nur zu einem ganz geringen Teil unterlegen ist, allein deshalb nicht mit Verfahrenskosten zu belasten. Seine notwendigen Auslagen hat der Beschuldigte nach § 35 Abs. 1 HeilBG selbst zu tragen, weil das Berufungsgericht nach den detaillierten Kostenregelungen des Gesetzes und der – im Gegensatz zu § 34 Abs. 5 HeilBG - fehlenden Differenzierung in dieser Vorschrift in Bezug auf ein erfolgreiches Rechtsmittel keine Möglichkeit sieht, die Erstattung dieser Auslagen – jedenfalls für das erfolgreiche Berufungsverfahren – einem anderen Kostenträger aufzuerlegen. Die solches ermöglichende Regelung des § 473 Abs. 3 StPO kann mangels einer erkennbaren Gesetzeslücke nicht analog angewendet werden. Verfassungsrechtlich ist eine Übernahme der notwendigen Auslagen nicht geboten, da der Beschuldigte auch nach dem Erfolg des Berufungsverfahrens in der Sache eines Berufsgehens schuldig bleibt. Soweit im Übrigen Auslagen angefallen sind und der Beschuldigte keine Gerichtskosten zu tragen hat, fallen die Auslagen nach § 34 Abs. 4 Satz 3 HeilBG der Beteiligten zu 2) zur Last.

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