Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (1. Senat) - 1 M 1/07

Tenor

Die Beschwerde der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern gegen den Beschluss des Berufsgerichts für Heilberufe bei dem Verwaltungsgericht Greifswald vom 05. November 2004 wird zurückgewiesen.

Die Ärztekammer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Auslagen des Beschwerdeverfahrens und der notwendigen Auslagen des Beschuldigten.

Gründe

I.

1

Der Beschuldigte war als Chefarzt für Innere Medizin am Krankenhaus P. tätig. Er erhielt 1998 die Befugnis zur Weiterbildung, von der er in den Folgejahren Gebrauch machte. Im Jahr 2000 hat der Beschuldigte neben seiner ärztlichen Tätigkeit als Chefarzt am Krankenhaus P. eine privatärztliche Tätigkeit in Hamburg ausgeübt. Nach den Feststellungen der Ärztekammer Hamburg umfasste diese nebenberufliche Tätigkeit fünf bis acht Wochenstunden. Die Mindestfahrzeit von P. nach Hamburg beträgt nach den Feststellungen des Kammeranwaltes gute 2,5 Stunden. Die Tätigkeit in Hamburg hat der Beschuldigte nicht bei der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern gemeldet; dies erfolgte erst Ende des Jahres 2000 durch die Ärztekammer Hamburg.

2

Die Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern erhob wegen dieses Sachverhaltes am 28.01.2001 die berufsgerichtliche Klage. Der Beschuldigte sei auf Grund seiner mehr als halbtätigen Abwesenheit vom Krankenhaus P. entgegen seiner beruflichen Verpflichtung nicht in der Lage gewesen, eine kontinuierliche Weiterbildung der ihm zur Weiterbildung im Fachgebiet Innere Medizin anvertrauten Kollegen sicherzustellen. Er habe gegen die §§ 2 Abs. 1 und 2, 29 Abs. 5 der Berufsordnung verstoßen.

3

Der Vorsitzende des Berufsgerichts für Heilberufe lehnte mit Beschluss vom 12.12.2003 die Eröffnung des Verfahrens im Wesentlichen mit der Begründung ab, aus den bei Gericht vorhandenen Unterlagen ergebe sich nicht, dass der Beschuldigte der Pflicht zur Weiterbildung der ihm anvertrauten ärztlichen Mitarbeiter nicht im gebührenden Umfang nachgekommen sei.

4

Die Ärztekammer beantragte die Entscheidung des Berufsgerichts. Dieses lehnte den Antrag auf Eröffnung des Verfahrens ab. Über die Gründe im Beschluss vom 12.12.2003 hinaus wies es darauf hin, die Ärztekammer habe für eine ordnungsgemäße Weiterbildung Sorge zu tragen. Das dürfte bei einem größeren Krankenhaus wie dem in P. mit der Erteilung der Weiterbildungsbefugnis an nur ein Kammermitglied nicht ausreichend erfolgt sein.

5

Dagegen legte die Ärztekammer am 02.12.2004 Beschwerde ein, die sie mit Schriftsatz vom 30.12.2004 begründete. Den dem Beschuldigten anvertrauten Ärzten drohe ein greifbarer Fortkommensnachteil. Die Begründung des Beschlusses vom 05.11.2004 beruhe auf Vermutungen und auf dem Rechtstand zu DDR-Zeiten. Der Beschuldigte ist der Beschwerde entgegengetreten.

II.

6

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Das Berufsgericht hat zu Recht die Einleitung des berufsgerichtlichen Verfahrens abgelehnt, weil der Vorwurf der Verletzung der Berufspflicht aus § 8 Abs. 5 Satz 1 Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern vom 05.11.1994 (Amtlicher Anzeiger zum Amtsblatt M-V 1996, 336, in der Fassung der 7. Änderung, genehmigt durch das Sozialministerium am 18.12.1998) i.V.m. § 29 Abs. 5, § 2 Abs. 1 und 2 der Berufsordnung vom 26.01.2000 offenbar unbegründet ist und die vorgeworfene Verletzung der Meldung der privaten Nebentätigkeit in Hamburg die Durchführung des berufsgerichtlichen Verfahrens wegen Geringfügigkeit nicht rechtfertigt.

7

In welchem zeitlichen Umfang der zur Weiterbildung befugte Arzt sich dieser Aufgabe zuzuwenden hat, ist weder im Heilberufsgesetz (vom 22.01.1993, GVOBl. S. 62, zuletzt geändert durch 1. Änderungsgesetz vom 07.01.2004, GVOBl. S. 12) noch in der Berufsordnung für die Ärztinnen und Ärzte in Mecklenburg-Vorpommern vom 26. Januar 2000 noch in der Weiterbildungsordnung näher bestimmt. § 37 Abs. 4 Satz 1 Heilberufsgesetz verpflichtet ausschließlich die Weiterzubildenden zu einer ganztägigen und hauptberuflichen Weiterbildung. Dieser Bestimmung entspricht § 4 Abs. 6 Satz 1 Weiterbildungsordnung. Die Pflichten des weiterbildenden Arztes sind hingegen sehr viel offener geregelt. Das Heilberufsgesetz regelt insoweit nichts. Die Berufsordnung schreibt in § 29 Abs. 5 nur vor, dass der zur Weiterbildung befugte Arzt im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten einen ärztlichen Mitarbeiter in dem gewählten Weiterbildungsgang nach Maßgabe der Weiterbildungsordnung weiterzubilden hat. Beiden Regelungswerken ist zu der hier strittigen Frage des zeitlichen Mindestumfanges nichts zu entnehmen. In § 8 Abs. 5 Satz 1 Weiterbildungsordnung ist die Verpflichtung des zur Weiterbildung befugten Arztes geregelt, die Weiterbildung persönlich zu leiten sowie zeitlich und inhaltlich entsprechend dieser Weiterbildungsordnung zu gestalten. § 8 Abs. 6 der Weiterbildungsordnung schreibt vor, dass für den Umfang der Weiterbildungsbefugnis maßgebend ist, inwieweit die an Inhalt, Ablauf und Zielsetzung der Weiterbildung gestellten Anforderungen durch den befugten Arzt unter Berücksichtigung des Versorgungsauftrages sowie der personellen und materiellen Ausstattung der Weiterbildungsstätte erfüllt werden können. Auch dieser Vorschrift lässt sich über den zeitlichen Aufwand, den der befugte Arzt bei der Weiterbildung anzusetzen hat, nichts konkretes entnehmen. Entsprechendes gilt schließlich für die Bestimmungen des § 8a Abs. 4 und 7 der Weiterbildungsordnung. Dies korrespondiert mit § 8a Abs. 1 Weiterbildungsordnung, der dem weiterbildungsbefugten Arzt bezüglich der Gestaltung der Weiterbildung die Unabhängigkeit einräumt. Aus diesen Vorschriften ergibt sich, dass die Frage, in welchem Umfang der Weiterbildende in der Weiterbildungsstätte anwesend sein muss und den Weiterzubildenden zur Verfügung zu stehen hat, nicht abstrakt bestimmbar ist, sondern sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles regelt, auch wenn es sicher Mindestanwesenheitszeiten gibt, in denen der Weiterbildende zu Zwecken der Weiterbildung zur Verfügung stehen muss (vgl. einerseits VG Saarland, U. v. 13.09.1999 - 1 K 112/98 -, Medizinrecht 2001, 154; andererseits VG Neustadt/Weinstraße, U. v. 21.03.2003 - 7 K 849/02 -, Medizinrecht 2003, 420; Ratzel/Lippert, Kommentar zur Musterberufsordnung der Deutschen Ärzte, 3. Aufl. 2001, § 29 Rn. 12; Quaas/Zuck, Medizinrecht 2005 § 12 Rn. 37 ff.).

8

Aus den konkreten Umständen des hier zu entscheidenden Einzelfalles lässt sich nicht schließen, dass der Beschuldigte wegen der mindestens sechsstündigen Abwesenheit an 85 Vormittagen im Jahr 2000 seine Pflichten aus § 8 Abs. 5 Weiterbildungsordnung verletzt hat:

9

Der Beschuldigte hat unstreitig im Jahr 2000 an 85 Vormittagen von 7.45 Uhr bis 10.00 Uhr in Hamburg als Arzt gearbeitet. Dies mit Wissen und Erlaubnis seines Arbeitgebers, der Klinik P., der der Ärztekammer Hamburg im Jahre 2001 bestätigte, der Beschuldigte übe weiterhin in vollem Umfang seine Tätigkeit als Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin aus. Damit steht zunächst fest, dass der Beschuldigte seine hauptberufliche Tätigkeit in der Klinik P. im Jahr 2000 - aus Sicht seines Arbeitgebers - ohne Einschränkung ausgeübt hat. Schon dies spricht dagegen, dass der Beschuldigte seiner Arbeitstelle in P. in einem Umfang ferngeblieben - und damit faktisch die von ihm durchgeführte Weiterbildung nicht betreut hat -, die sich auf seine ärztliche Tätigkeit dort nennenswert ausgewirkt haben kann.

10

Gegen die Verletzung der Pflichten aus der Weiterbildungsbefugnis spricht auch, dass - soweit ersichtlich - die Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern die Weiterbildungsnachweise, die der Beschuldigte für die von ihm im Jahr 2000 durchgeführte Weiterbildung ausgestellt hat, nicht beanstandete. Die Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern hat jedenfalls auf den entsprechenden Vortrag des Beschuldigten im Schriftsatz vom 25.01.2005 nicht mit der Behauptung reagiert, die vom Beschuldigten bescheinigten Weiterbildungen im Jahr 2000 nicht anerkannt zu haben. Wird die vom Beschuldigten im Jahr 2000 durchgeführte Weiterbildung von der Ärztekammer anerkannt, kann die Art und Weise ihrer Durchführung nicht zugleich ein Berufsvergehen darstellen.

11

Die Verletzung der Meldepflicht aus § 10 Heilberufegesetz ist nicht erkennbar. Soweit dem Beschuldigten vorgeworfen werden könnte, er habe es versäumt, rechtzeitig über seine stundenweise Tätigkeit in Hamburg Auskunft zu erteilen, ist auch der Berufsgerichtshof der Auffassung, dass die Durchführung eines berufsgerichtlichen Verfahrens nicht erforderlich ist.

12

Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Abs. 1, Abs. 5 Satz 2 Heilberufegesetz analog.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen