Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (3. Senat) - 3 L 215/10
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 10. September 2010 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt.
Gründe
- 1
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines (Zweit-)Widerspruchsbescheides der Beklagten, soweit durch ihn auf einen Widerspruch der Beigeladenen die dem Kläger erteilte Baugenehmigung um zwei ihn belastende Auflagen ergänzt wurde.
- 2
Die Baugenehmigung in ihrer ursprünglichen Fassung (enthalten in BA D zu 3 L 215/10) genehmigte die Errichtung eines Wohngebäudes mit Garage auf dem Flurstück G1. Das Flurstück fällt von der Straße aus in Richtung Süden in der Weise ab, dass zwischen der Flurstücksgrenze an der Straße und der südöstlichen Flurstücksgrenze ein Gefälle von 2,77 m vorhanden ist (die Zahlen auf den Unterlagen Bl. 59 bis 69 BA D im Verfahren 3 L 215/10 schwanken; diese Zahl stammt aus dem Widerspruchsbescheid vom 20.08.2008, der auf einen Lageplan vom 03.04.2008 verweist (Bl. 50 BA A). Deswegen wurde eine Auffüllung des Flurstücks u.a. im Osten bis an die Flurstücksgrenze zum östlich angrenzenden Grundstück der Beigeladenen einschließlich einer nach Süden gestaffelten Winkelstützmauer beantragt und genehmigt. Die Auffüllung ist im südlichen Bereich abgeböscht. Über die Höhe der Winkelmauer lässt sich der Baugenehmigung nichts Eindeutiges entnehmen. Die Höhe der Aufschüttung reicht von der natürlichen Geländeoberfläche bis zum Straßenniveau und ist entsprechend dem nach Süden abfallenden Geländeniveau nach Süden hin ansteigend. Die Firsthöhe des genehmigten Gebäudes beträgt 6,58 m.
- 3
Die Beigeladene erhob gegen diese Baugenehmigung Widerspruch, dem die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.08.2008 ( Bl. 59 ff. BA A) teilweise abhalf. Die Baugenehmigung wurde insoweit zurückgenommen, als die Vornahme einer Aufschüttung neben der östlichen Gebäudewand, beginnend ab der nordöstlichen Hausecke bis zur südöstlichen Flurstücksecke und im südlichen Flurstücksbereich hinter dem Wohngebäude von der Mitte des Wohngebäudes bis zur südlichen und südöstlichen Flurstücksgrenze genehmigt worden war. Als Begründung wurde die erdrückende Wirkung dieser baulichen Anlage angeführt. Der Kläger wies mit Schreiben vom 18.09.2008 an die Beklagte darauf hin, dass ein wenigstens zwei Meter breiter Streifen der Aufschüttung für die Lastabtragung des Fundaments unbedingt erforderlich sei. Zudem würden durch diesen Aufschüttungsstreifen Versorgungsleitungen abgedeckt, die ansonsten „in der Luft hängen“ und auch nicht verlegt werden könnten.
- 4
Die Beklagte änderte den Widerspruchsbescheid vom 20.08.2008 durch einen (Zweit-)- Widerspruchsbescheid vom 06.01.2009 (Bl. 81 ff. BA A) mit folgendem Tenor:
- 5
„Die Genehmigung der Aufschüttung neben der östlichen Gebäudewand, beginnend ab der nordöstlichen Hausecke bis zur südöstlichen Flurstücksecke und für die im südlichen Flurstücksbereich hinter dem Wohngebäude von der Mitte des Wohngebäudes bis zur südlichen und südöstlichen Flurstücksgrenze mit ihrer 35° Abböschung bis an die Stützwand – die betreffenden Flächen sind im beigefügten Lageplan rot markiert – hebe ich auf und lehne sie ebenso ab wie vorsorglich auch die mit den Baugenehmigungsvorlagen ebenfalls zur Genehmigung vorgelegte, letztlich jedoch genehmigungsfrei zu errichtende Grenzmauer.
- 6
Die die Aufschüttung betreffende Auflage 2 ändere ich wie folgt ab: Wegen der Errichtung des Gebäudes auf der Aufschüttung ist die insoweit erforderliche Abböschung dieses Teils der Aufschüttung so auszubilden, dass die Höhe der Böschung (Aufschüttung) 0,8 m im Abstand von 3 m zur Grundstücksgrenze der Widerspruchsführerin nicht übersteigt. Die Einhaltung diese Abstandsregelung und ein entsprechender Standsicherheitsnachweis für das Haus im Hinblick auf die Stützfähigkeit der Abböschung ist mir vor Beginn der Beseitigung nachzuweisen. Sofern die Stützfähigkeit der Abböschung nicht gegeben ist, ist durch die Errichtung einer entsprechenden Stützkonstruktion unter Einhaltung des Mindestabstands zur Grundstücksgrenze ein Abrutschen der Aufschüttung unter dem Gebäude zu verhindern. Die Einhaltung des Mindestabstandes, wie auch der Funktionsfähigkeit der Stützkonstruktion im obigen Sinne ist mir dann ebenfalls nachzuweisen.
- 7
Auflage 3: Die Winkelbetonelemente entlang der Grundstücksgrenze der Widerspruchsführerin sind innerhalb von einem Monat nach Bestandskraft der Baugenehmigung in der Fassung dieses Widerspruchsbescheides zu beseitigen. Die Errichtung von Stützmauern und geschlossenen Einfriedungen höher als 0,5m innerhalb des 3 m Mindestabstandes zur Grundstücksgrenze (§ 6 Abs. 3 LBauO M-V) werden untersagt.“
- 8
Eine Planzeichnung wurde zur Erläuterung beigegeben (Bl. 117 f. BA B). Zur Begründung hat die Beklagte im Wesentlichen angeführt, dass die vom Oberverwaltungsgericht in einem von der Beigeladenen angestrengten Eilverfahren festgestellte erdrückende Wirkung der genehmigten baulichen Anlage des Klägers (B.v. 03.06.2008 – 3 M 62/08) und die dadurch bedingte Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung es erforderlich macht, zur Wahrung der Rechte der Beigeladenen die Aufschüttung nur außerhalb des Mindestabstandes von 3 m zu genehmigen und im Übrigen eine die Aufschüttung stützende Abböschung innerhalb des Mindestabstandes zu genehmigen, wobei zu beachten sei, dass innerhalb der Mindestabstandsfläche eine Aufschüttung bis zu einem Meter auch unter dem Aspekt des Nachbarschutzes zulässig sei. Dieses Maß werde hier bewusst um 0,20 m unterschritten, um der Aufschüttung die erdrückende Wirkung zu nehmen. Die Beseitigung der errichteten Grenzmauer, die wesentlich zur erdrückenden Wirkung beitrage, sei zwingend anzuordnen. Die Genehmigung einer Grenzmauer mit einer Maximalhöhe von 0,50 m sei interessengerecht.
- 9
Mit Urteil vom 10.09.2010 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger habe jedenfalls keinen Anspruch auf die ursprüngliche Baugenehmigung, weil diese von der Beigeladenen mit einem zulässigen und begründeten Rechtsbehelf angegriffen worden sei.
- 10
Dagegen richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung, den er mit ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des Urteils begründet. Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts sei die ursprüngliche Baugenehmigung rechtmäßig und verletze die Beigeladene nicht in ihren Rechten.
- 11
Der Berichterstatter hat mit Verfügung vom 27.02.2015 auf die neuere Rechtsprechung des Senats zu Aufschüttungen in der Abstandsfläche einer baulichen Anlage hingewiesen. Aus dieser ergebe sich die Rechtswidrigkeit einer solchen Aufschüttung, wenn sie funktional der baulichen Anlage zugewiesen sei. Der Kläger hat auf den fehlenden Nachweis der funktionalen Zusammengehörigkeit zwischen der Aufschüttung in der Abstandsfläche und dem Gebäude ebenso wie auf die Unklarheit der Genehmigungsunterlagen bezüglich der Lage der Aufschüttung in der Abstandsfläche verwiesen und daneben die Auffassung vertreten, dass in der dem Kläger erteilten Baugenehmigung auch die Erteilung einer inzident beantragten Abweichung nach § 67 LBauO M-V zu sehen sei.
II.
- 12
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg; die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung liegen nicht vor.
- 13
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind immer schon dann begründet, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird. Geboten ist eine summarische Prüfung des Zulassungsvorbringens auf die schlüssige Infragestellung der Auffassung des Verwaltungsgerichts. Ernstliche Zweifel sind nicht erst dann gegeben, wenn bei der im Zulassungsverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (vgl. BVerfG, B. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77 <83>; BVerfG 3. Kammer des Ersten Senats, B. v. 21.01.2009 -, 1 BvR 2524/06). Dabei hat das Zulassungsverfahren nicht die Aufgabe, das Berufungsverfahren vorwegzunehmen (vgl. BVerfG 2. Kammer 1. Senat, B. v. 23.06.2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163).
- 14
Gemessen an diesem Maßstab ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend zum Ausgangspunkt seiner rechtlichen Überlegungen die Erkenntnis gemacht, dass der Kläger keinen Anspruch auf Aufhebung des (Zweit)Widerspruchsbescheides vom 06.01.2009 hat, wenn die durch diesen Bescheid geänderte Baugenehmigung ihrerseits objektiv rechtswidrig ist und die Beigeladene in ihren Rechten verletzt, die ihrerseits gegen die ursprüngliche Baugenehmigung zulässigerweise einen Rechtsbehelf eingelegt hatte, auf den hin die Baugenehmigung geändert wurde. Denn es besteht kein Anspruch auf eine solche Baugenehmigung, die im Rechtsbehelfsverfahren der Beigeladenen abgeändert werden musste.
- 15
So liegt der Fall hier: Der Rechtsbehelf der Beigeladenen ist zulässig. Auch der Kläger wendet sich in der Begründung des Zulassungsantrages nicht dagegen. Die ursprüngliche Baugenehmigung war objektiv rechtswidrig, denn sie genehmigte die Errichtung eines Gebäudes auf einer Aufschüttung, die ihrerseits innerhalb der Mindestabstandsfläche von 3 Metern zum Grundstück der Beigeladenen reichte. Dieser Inhalt der Baugenehmigung ergibt sich – insoweit hält der Senat nicht an der Auffassung des Berichterstatters in der gerichtlichen Verfügung vom 27.02.2015 fest – aus dem Schnitt S-1, der Teil der Baugenehmigung geworden ist. Aus dem Schnitt ergibt sich, dass bei einem genehmigten Abstand zwischen der Außenwand des Gebäudes des Klägers und der Grundstücksgrenze von 4,26 m die Aufschüttung weit in die Mindestabstandsfläche hineinreicht und erst kurz vor der Grundstücksgrenze endet. Nach der Rechtsprechung des Senats ist eine Aufschüttung, die auf der Grundlage einer Baugenehmigung im Zusammenhang mit der Errichtung eines Gebäudes vorgenommen wird und auf der auch das Gebäude errichtet wird, rechtlich Teil einer einheitlichen baulichen Anlage und kann nicht selbständig betrachtet werden (B.v. 14.11.2013 – 3 M 222/13; B.v. 04.02.2015 – 3 M 166/14). Die Aufschüttung muss aus diesem Grund die Abstandsflächen zur Grundstücksgrenze einhalten. Anderes kann nur gelten, wenn die im Zusammenhang mit der Errichtung des Gebäudes erfolgte Aufschüttung erkennbar keinerlei funktionalen Bezug zu dem Gebäude hat und dies auch in der Baugenehmigung zum Ausdruck kommt. Die Aufschüttung muss aus diesem Grund die Abstandsflächen zur Grundstücksgrenze einhalten. Im vorliegenden Fall liegt die Aufschüttung, die von der Baugenehmigung umfasst wird, innerhalb der Mindestabstandsfläche und ist damit sowohl objektiv rechtswidrig wie subjektiv die Beigeladene in ihren Rechten verletzend.
- 16
Der Senat folgt auch nicht der Rechtsauffassung des Klägers, die ursprüngliche Baugenehmigung enthalte auch eine Entscheidung nach § 67 LBauO M-V. Es fehlt schon an einem entsprechenden Antrag. Das Schreiben der Bauplanung und Statistik GmbH vom 13.11.2007 (B. 67 BA D), das diese wohl im Auftrag des Klägers im Baugenehmigungsverfahren eingereicht hat, enthält keinen Anhaltspunkt für einen entsprechenden Antrag, der gem. § 67 Abs. 2 S. 1 LBauO M-V schriftlich gestellt und begründet werden muss. Allein dass ein solcher Antrag nötig gewesen wäre begründet noch nicht die Auslegung eines nachgereichten Teils eines Baugenehmigungsantrages als einen solchen Antrag. Auch aus der Baugenehmigung selbst ergibt sich nichts dafür, dass die Beklagte eine solche Abweichungsgenehmigung erteilen wollte. Schließlich legt der Kläger nicht dar, aus welchen Gründen eine Abweichungsgenehmigung rechtmäßig sein könnte.
- 17
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die Beigeladene hat sich durch Antragstellung in ein Kostenrisiko begeben, so dass es billigem Ermessen entspricht, ihre außergerichtlichen kosten für erstattungsfähig zu erklären.
- 18
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.
- 19
Hinweis:
- 20
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; §§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
- 21
Mit der Bekanntgabe dieses Beschlusses wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO)..
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.