Beschluss vom Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht (13. Senat) - 13 OB 62/11
Gründe
I.
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Der Kläger hat sich mit einem als "Klage gegen Verwaltungsakt des Amtsgerichts Lüneburg, hier Grundbuchamt" bezeichneten Rechtsschutzbegehren an das Verwaltungsgericht gewandt, mit dem er die Aussetzung der Zwangsversteigerung einer Immobilie zur Aufhebung einer Erbengemeinschaft erreichen will. Dabei wendet er sich auch gegen die in einer Tageszeitung veröffentlichte Ankündigung des Zwangsversteigerungstermins. Er ist der Auffassung, dass ein solches Vorgehen ohne seine Zustimmung nicht erfolgen dürfe und für eine zwangsweise Aufhebung der Erbengemeinschaft keine Grundlage bestehe. Das Verwaltungsgericht hat das Rechtsschutzbegehren zunächst als Klage behandelt und diese dem Amtsgericht Lüneburg als Beklagten zugestellt. Nach Anhörung hat es den Rechtsstreit mit Beschluss vom 22. Februar 2011 an das Amtsgericht Lüneburg verwiesen. Es handele sich ungeachtet der Frage nach der Zulässigkeit des Rechtsbehelfs und der richtigen Verfahrensbeteiligten um eine Streitigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Eine Wahlmöglichkeit dahingehend, eine Rechtssache statt beim zuständigen Amtsgericht beim Verwaltungsgericht anhängig zu machen, bestehe nicht; auch seien Verwaltungsgerichte nicht befugt, Entscheidungen der Amtsgerichte zu prüfen oder gar aufzuheben. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Direktors des Amtsgerichts Lüneburg. Die Sache hätte nach Begründung eines Prozessrechtsverhältnisses durch die Zustellung der Klage an das Amtsgericht auf Beklagtenseite nicht mehr verwiesen werden dürfen. Es sei nicht Anliegen des Klägers, das Amtsgericht als Partei innerhalb des Zwangsversteigerungsverfahrens anzugreifen, er stelle sich offenbar vielmehr vor, das Verwaltungsgericht übe eine Art Aufsicht über das Amtsgericht aus. Darüber habe das Verwaltungsgericht zu entscheiden.
II.
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Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat das Rechtsschutzbegehren im Ergebnis zu Recht an die ordentliche Gerichtsbarkeit verwiesen.
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Nach § 13 GVG gehören vor die ordentlichen Gerichte die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die Familiensachen und die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Zivilsachen) sowie die Strafsachen, für die nicht entweder die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist oder auf Grund von Vorschriften des Bundesrechts besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind. Bei der begehrten Aussetzung der Zwangsversteigerung zur Aufhebung einer Erbengemeinschaft und den Einwendungen gegen die Veröffentlichung des Zwangsversteigerungstermins handelt es sich offensichtlich um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit bzw. eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Der Kläger wünscht nämlich eine Überprüfung der vom Amtsgericht in diesem Zusammenhang getroffenen Maßnahmen, für die mangels Vorliegen einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit i. S. d. § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet ist. Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlich oder bürgerlich-rechtlich ist, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird (vgl. etwa BVerwG, Beschl. v. 02.05.2007 - 6 B 10/07 -, juris Rdnr. 4). Maßgeblich ist daher, ob der dem Klagebegehren zu Grunde liegende Sachverhalt nach öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Vorschriften zu beurteilen ist. Die streitentscheidenden Normen, die eine Zwangsversteigerung einer Immobilie zur Aufhebung einer Erbengemeinschaft betreffen, sind indessen eindeutig den Normen des Privatrechts zuzuordnen. Demgegenüber scheidet eine Auslegung des Begehrens des nicht anwaltlich vertretenen Klägers dahingehend, dass er eine (unzulässige) Kontrolle des Amtsgerichts durch das Verwaltungsgericht erstrebt, aus Gründen der Effektivität des Rechtsschutzes aus. Das Begehren ist vielmehr im Interesse des Rechtsschutzsuchenden so auszulegen, dass es (am ehesten) zu einer sachlichen Prüfung seines eigentlichen Anliegens kommen kann. Das ist ersichtlich nur dann der Fall, wenn man sein Anliegen als Rechtsschutzbegehren im zivilrechtlich zu beurteilenden Zwangsversteigerungsverfahren zur Aufhebung einer Erbengemeinschaft auffasst bzw. auslegt.
- 4
Allerdings ist der Einwand des Beschwerdeführers nicht von der Hand zu weisen, dass ein so zu verstehendes und deshalb der Rechtswegzuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit zuzuordnendes Rechtschutzbegehren richtigerweise nicht als Klage gegen das Amtsgericht (bzw. den Direktor des Amtsgerichts oder das Land Niedersachen) hätte behandelt werden dürfen. Dies betrifft sowohl die (gerichtsinterne) Registrierung des Begehrens als Klageverfahren als auch die Zustellung dieser Klage an das Amtsgericht. Nach § 19 Abs. 2 Buchst. a der Aktenordnung für die Geschäftsstellen der Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit - AktO-VG - (AV d. MJ v. 21.06.2007 (1454/11 -102.1)) sind insbesondere Schriftstücke, bei denen zweifelhaft ist, ob sie an ein anderes Gericht abzugeben sind, in das Allgemeine Register einzutragen. Zweck dieser Vorschrift ist es offenbar, in Zweifelsfällen schon eine Registrierung einer Sache als verwaltungsgerichtliches Streitverfahren und deren Zustellung zu vermeiden, die dann später nur noch verwiesen werden kann, wenn von vornherein eine Abgabe an ein anderes Gericht in Betracht kommt. Letzteres wäre hier nach Auffassung des Senats die vorrangig zu wählende (interne) Behandlung des Rechtsschutzbegehrens gewesen, da schon aus dem ersten Schreiben des Rechtsschutzsuchenden vom 31. Januar 2011 deutlich geworden ist, dass sein Anliegen ein laufendes Zwangsversteigerungsverfahren betrifft und daher nach dem erkennbaren Rechtsschutzinteresse diesem Verfahren zuzuordnen ist. Ein "Fehlgriff" in der Eingangsbearbeitung darf allerdings auch nicht dazu führen, dass dadurch das Verwaltungsgericht eine Rechtswegzuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit - dem erkennbaren Rechtsschutzinteresse des Rechtsschutzsuchenden zuwiderlaufend - überhaupt erst begründet und damit gleichsam den der Interessenlage (am ehesten) gerecht werdenden Rechtsweg ausschließt. Vielmehr müssen solche "Fehlgriffe", die sich zwar in der Retrospektive meist leicht, mitunter aber nicht schon bei der Eingangsbearbeitung als solche identifizieren lassen, auch nachträglich korrigiert werden können. Dies gilt auch dann, wenn - den Strukturen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens entsprechend - bereits eine Zustellung der Klage erfolgt ist und der Beklagte unter dem Blickwinkel der Verfahrensstruktur der für das Begehren zuständigen Rechtswegs - wie hier - als Beklagter gar nicht in Betracht kommen kann. Der in solchen Situationen mithin allein einschlägige Weg ist der einer Verweisung nach § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG. Von diesem Instrument hat das Verwaltungsgericht in letztlich nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht.
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Die Schwierigkeiten, die der Beschwerdeführer nach erfolgter Verweisung darin erblickt, dass das Amtsgericht durch die Vorgehensweise des Verwaltungsgerichts zu Unrecht überhaupt erst in einen selbständigen Rechtsstreit hineingezogen werde, dürften sich bei Lichte betrachtet als wenig problematisch darstellen. Zwar ist es allein Sache des Gerichts, an das eine Rechtssache verwiesen worden ist, zu beurteilen, ob überhaupt und gegebenenfalls welcher statthafte Rechtsbehelf eingelegt worden ist (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 30.11.2010 - 11 OB 507/10 -). Gleiches gilt für die Beurteilung der übrigen Rechtsfolgen einer Verweisung. Der Senat sieht sich in Anbetracht des Beschwerdevorbringens allerdings zu folgenden Bemerkungen veranlasst: Nach § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG ist ein Verweisungsbeschluss für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtsweges bindend. Dies bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als dass das verwiesene Rechtsschutzbegehren in den im Verweisungsbeschluss bezeichneten Rechtsweg gehört. Nur dies wird bei zweckentsprechender Normauslegung durch den Verweisungsbeschluss bindend festgestellt. Im Übrigen ist das Gericht, an das verwiesen worden ist - hier das Amtsgericht - bei der Auslegung und Behandlung des Rechtsschutzbegehrens keinen Bindungen oder Vorfestlegungen unterworfen. So ist das Gericht nicht etwa gehindert, einen Rechtsstreit innerhalb des Gerichtszweiges abzugeben bzw. weiterzuverweisen (vgl. etwa Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 17a GVG, Rdnr. 12; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 41 Rdnr. 21). Dementsprechend kann die Beschwerde gegen einen Verweisungsbeschluss auch nur darauf gestützt werden, dass der Rechtsweg vom verweisenden Gericht unrichtig beurteilt worden ist, aber nicht darauf, dass der Rechtsstreit an ein anderes Gericht des Rechtswegs hätte verwiesen werden müssen (VGH Mannheim, Beschl. v. 18.05.2.006 - 12 S 664/06 -, juris Rdnr. 3 m. w. N.). Generell hat das verweisende Gericht keine über die Rechtswegfrage als solche hinausgehende Prüfungskompetenz (vgl. BVerwG, Beschl. v. 05.02.2001 - 6 B 8/01 -, juris Rdnr. 6). Die Verweisungsvorschriften in § 17a GVG sind nach ihrem Zweck im Interesse des effektiven Rechtsschutzes auf eine zügige und verbindliche Festlegung des Rechtswegs gerichtet, aber auch beschränkt. Daraus folgt, dass eine Verweisung keine über die Rechtswegfrage hinausgehenden Vorfestlegungen für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen wird, beinhaltet. Dies gilt nach Auffassung des Senats auch für die vom Verwaltungsgericht aus verwaltungsprozessualem Blickwinkel vor einer Verweisung vorgenommene nähere Typisierung eines Rechtsschutzbegehrens. Daher sind aus der hier vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Einstufung des Rechtsschutzbegehrens als (kontradiktorisches) Klageverfahren mit dem Amtsgericht auf Beklagtenseite oder hinsichtlich der Entstehung eines Prozessrechtsverhältnisses keine Bindungen für das Amtsgericht entstanden. Eine andere Sichtweise würde bei der hier vorgenommenen Verweisung zu Verwerfungen führen, die nach den Verweisungsbestimmungen des Gerichtsverfassungsgesetzes gerade nicht eintreten sollen. Auch dass der Wortlaut des § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG von der Verweisung eines "Rechtsstreits" spricht und die in § 17b GVG geregelten Verweisungsfolgen auf das Vorliegen eines "Rechtsstreits" abstellen, führt nicht dazu, dass das Amtsgericht nach der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Verweisung vom Vorliegen eines selbständigen Rechtsstreits ausgehen müsste. Der Wortlaut der genannten Normen ist insoweit ersichtlich auf den geregelten "Normalfall" zugeschnitten, nach dem Normzweck geht es aber erkennbar nur um die Festlegung des Rechtsweges, nachdem ein Rechtsschutzsuchender zunächst einen unzulässigen Rechtsweg beschritten hat. Dementsprechend ist etwa anerkannt, dass ein Gericht, an das verwiesen worden ist, selbständig zu beurteilen hat, inwieweit i. S. v. § 17b Abs. 1 Satz 2 GVG Wirkungen der Rechtshängigkeit bestehen bleiben (vgl. für eine bewusst beim Verwaltungsgericht zur Herbeiführung einer früheren Rechtshängigkeit erhobenen zivilrechtlichen Klage: BVerwG, Beschl. v. 05.02.2001 - 6 B 8/01 -, juris Rdnr. 6). Gleiches hat nach Auffassung des Senats auch für die Kompetenz zur Beurteilung der Frage zu gelten, ob überhaupt ein (eigenständiger) Rechtsstreit i. S. v. § 17b Abs. 1 Satz 1 GVG vorliegt oder ob das Rechtsschutzbegehren einem anderen, bereits laufenden Verfahren zuzuordnen ist. Es dürfte dem Amtsgericht also letztlich frei stehen, dass Anliegen des Rechtsschutzsuchenden so zu behandeln, als sei seitens des Verwaltungsgerichts eine "schlichte" Abgabe der Sache erfolgt. Ebenso ist es Sache des Amtsgerichts zu prüfen, ob es das Rechtsschutzbegehren (ganz oder teilweise) als gegen einen Justizverwaltungsakt im Sinne von § 23 EGGVG gerichtet ansieht und an das Oberlandesgericht abgibt .
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Die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG ist nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe im Sinne des § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG nicht vorliegen.
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