Beschluss vom Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht (4. Senat) - 4 LA 6/12
Gründe
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Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein beabsichtigtes Verfahren auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg.
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Voraussetzung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Rechtsmittel und für eine sich daran gegebenenfalls anschließende Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 VwGO hinsichtlich der wegen des vorgeschalteten Prozesskostenhilfeverfahrens versäumten Frist ist, dass der Prozesskostenhilfeantrag innerhalb der für die Einlegung des Rechtsmittels gesetzlich bestimmten Frist - hier der in § 124 a Abs. 4 Satz 1 VwGO vorgesehenen Monatsfrist - ordnungsgemäß gestellt worden ist. Der Kläger muss darüber hinaus innerhalb der Frist für die Begründung des Rechtsmittels nach Maßgabe seiner Kenntnisse und Fähigkeiten die Gründe benannt haben, aus denen die verwaltungsgerichtliche Entscheidung angegriffen bzw. hier die Zulassung der Berufung erreicht werden soll (Senatsbeschlüsse vom 15.7.2010 - 4 LA 197/09 -, 18.12.2007 - 4 LA 95/07 - und 19.7.2007 - 4 LA 120/07 -). Diese Begründung muss dem Senat die Prüfung ermöglichen, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne der §§ 166 VwGO, 114 Satz 1 ZPO hat.
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Diese formellen Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall zwar erfüllt. Die von dem Kläger benannten Zulassungsgründe ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und eines Verfahrensfehlers (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) liegen aber nicht vor, so dass die beantragte Prozesskostenhilfe aus materiellen Gründen, nämlich mangels hinreichender Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung, nicht bewilligt werden kann.
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Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat die Klage des Klägers jedenfalls im Ergebnis zu Recht als verfristet angesehen, weil der Kläger innerhalb der Frist des 60 Abs. 2 Sätze 1 und 3 VwGO einen Antrag auf Wiedereinsetzung nicht gestellt und die versäumte Klageerhebung nicht nachgeholt hat.
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Das der rechtzeitigen Klageerhebung entgegenstehende Hindernis der Mittellosigkeit ist mit der Zustellung des Prozesskostenhilfe teilweise bewilligenden Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 22. Juli 2011 durch Postzustellungsurkunde am 27. Juli 2011 entfallen. Denn damit ist der Grund beseitigt, der den Kläger im Sinne des § 60 Abs. 1 VwGO schuldlos an der Einhaltung der Klagefrist gehindert hatte. Zugleich hat die in § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO bestimmte Wiedereinsetzungsfrist von zwei Wochen zu laufen begonnen, innerhalb derer - gegebenenfalls auch unabhängig von einem Antrag auf Wiedereinsetzung - die Klageerhebung gemäß § 60 Abs. 2 Satz 3 VwGO nachgeholt werden musste (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28.1.2004 - 6 PKH 15.03 -, NVwZ 2004, 888, und 2.4.1992 - 5 B 50.92 -, Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 177). Eine "Überlegungsfrist" von etwa drei Tagen vor dem Beginn der Wiedereinsetzungsfrist bestand entgegen der Annahme des Klägers nämlich nicht. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 234 ZPO besteht eine solche "Überlegungsfrist" nur für den Fall der Versagung der Prozesskostenhilfe (Beschlüsse vom 10.11.1998 - VI ZB 21/98 -, VersR 1999, 1123, und 26.4.2001 - IX ZB 25/01 -, NJW 2001, 2262), nicht jedoch für den Fall einer (teilweisen) Bewilligung von Prozesskostenhilfe (Beschluss vom 16.12.1992 - XII ZB 142/92 -, NJW-RR 1993, 451).
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Diese Frist von zwei Wochen nach § 60 Abs. 2 Sätze 1 und 3 VwGO hat der Kläger nicht eingehalten, da er die Klage zusammen mit einem Wiedereinsetzungsantrag am 15. August 2011 und damit erst nach Ablauf der Frist am 10. August 2011 erhoben hat.
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Dem Kläger ist wegen der Versäumung dieser Frist auch keine - weitere - Wiedereinsetzung nach § 60 Abs. 1 VwGO zu gewähren (vgl. hierzu Kopp/Schenke, VwGO, § 60 Rn. 2). Denn er ist nicht ohne Verschulden an der Einhaltung dieser Frist gehindert gewesen. Dass der Kläger trotz des klaren Wortlauts des § 60 Abs. 2 VwGO der Auffassung gewesen ist, im Hinblick auf die hier nach dem oben Gesagten nicht einschlägige zivilrechtliche Rechtsprechung eine Überlegungsfrist von drei Tagen zu haben, beruht auf einem schuldhaften Irrtum über die Rechtslage. Auch der mit dem Prozesskostenhilfebeschluss des Verwaltungsgerichts vom 22. Juli 2011 gleichzeitig zugestellte Vergleichsvorschlag des Verwaltungsgerichts vom 21. Juli 2011 hat den Kläger nicht daran gehindert, die Frist des 60 Abs. 2 Sätze 1 und 3 VwGO einzuhalten. Dieser Vergleichsvorschlag betraf nicht nur das vorliegende, zu diesem Zeitpunkt mangels Klageerhebung noch nicht anhängig gewesene Klageverfahren, sondern auch zwei weitere Verfahren des Klägers. Mit diesem Vergleichsvorschlag strebte das Verwaltungsgericht demnach auch für den Kläger erkennbar eine umfassende Einigung der Beteiligten losgelöst von dem jeweiligen konkreten Verfahren und Verfahrensstand an und räumte den Beteiligten dementsprechend eine großzügige Stellungnahmefrist bis zum 30. August 2011 ein. Der Kläger hat hieraus daher keineswegs unverschuldet den fehlerhaften Schluss ziehen können, dass die - vom Gericht nicht abänderbare - gesetzliche Frist für den Wiedereinsetzungsantrag und die Nachholung der Klageerhebung nach 60 Abs. 2 Sätze 1 und 3 VwGO erst nach Ablauf dieser Stellungnahmefrist begonnen hat oder vom Verwaltungsgericht verlängert oder gar außer Kraft gesetzt worden ist. Auch insoweit liegt deshalb ein Verschulden des Klägers vor, falls er - wie von ihm behauptet - (auch) aus diesem Grund die genannte Frist nicht eingehalten hat.
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Die Berufung kann auch nicht wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zugelassen werden, da "die Frage, ob und in welchem Umfange eine Überlegungsfrist vor dem Beginn der Wiedereinsetzungsfrist zu berücksichtigen ist", aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschlüsse vom 28.1.2004 und 2.4.1992, a.a.O.) und des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 16.12.1992, a.a.O.) bereits geklärt und dahingehend zu beantworten ist, dass eine solche Überlegungsfrist zusätzlich zu der Frist nach 60 Abs. 2 Sätze 1 und 3 VwGO jedenfalls in dem Fall der (teilweisen) Prozesskostenhilfebewilligung nicht besteht.
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Es liegt schließlich auch kein Verfahrensfehler vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Denn auch wenn es - wie vom Kläger behauptet - zutreffen sollte, dass die Einlassungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht auf einen Rechtsirrtum des Klägers über die Fristberechnung hingedeutet haben, ergibt sich hieraus unter keinem Gesichtspunkt ein Verfahrensfehler, auf dem die Entscheidung beruhen kann, da das Verwaltungsgericht seine Entscheidung ausweislich der Entscheidungsgründe nicht auf einen etwaigen Rechtsirrtum des Klägers über die Fristberechnung und seine diesbezüglichen Äußerungen in der mündlichen Verhandlung gestützt hat.
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Referenzen
- IX ZB 25/01 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 124 6x
- VI ZB 21/98 1x (nicht zugeordnet)
- 4 LA 120/07 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 60 7x
- XII ZB 142/92 1x (nicht zugeordnet)
- 4 LA 197/09 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 166 Zustellung 1x
- VwGO § 124a 1x
- ZPO § 234 Wiedereinsetzungsfrist 1x
- ZPO § 114 Voraussetzungen 1x
- 4 LA 95/07 1x (nicht zugeordnet)