Urteil vom Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht (13. Senat) - 13 LC 33/11

Tatbestand

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Der 1957 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger und begehrt seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.

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Er lebt seit 1975 in Deutschland. Er wurde mit Bescheid des damaligen Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 29. Oktober 1984 als Asylberechtigter anerkannt. Mit Bescheid vom 15. Mai 2008 widerrief das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG nicht vorliegen. Die dagegen gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht Oldenburg mit Urteil vom 1. Juni 2011 - 3 A 1410/10 - ab. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil ist noch bei dem erkennenden Gericht anhängig (9 LA 5/13). Dem Kläger ist zuletzt eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG erteilt worden.

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Der Kläger ist nach dem Auszug aus dem Bundeszentralregister bisher wie folgt strafrechtlich in Erscheinung getreten:

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- Am 8. September 1987 verurteilte ihn das AG Bremen wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen.

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- Am 21. Oktober 1987 verurteilte ihn das AG Bremen unter Einbeziehung der Verurteilung vom 8. September 1987 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen.

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- Am 25. Juli 1989 verurteilte ihn das AG Bremen wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Strafe wurde nach Ablauf der Bewährungszeit am 26. September 1993 erlassen.

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- Am 13. Juni 1997 verurteilte ihn das AG Bremen wegen Missbrauchs von Titeln zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen.

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- Am 12. März 1998 verurteilte ihn das AG Syke wegen Betrugs zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen.

9

- Am 2. September 1999 verurteilte ihn das AG Bremen wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen.

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- Am 28. Oktober 2003 verurteilte ihn das AG Bremen wegen Missbrauchs von Berufsbezeichnungen in Tatmehrheit mit Urkundenfälschung, Betrug und versuchtem Betrug zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen.

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- Am 30. Oktober 2007 verurteilte ihn das AG Delmenhorst wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen zu einer Geldstrafe von 75 Tagessätzen.

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Am 9. Juli 2007 stellte der Kläger beim damals noch örtlich zuständigen Stadtamt Bremen einen Antrag auf Einbürgerung. Der Vorgang wurde nach dem Umzug des Klägers am 7. Februar 2008 zuständigkeitshalber der Beklagten übersandt.

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Mit Bescheid vom 11. Dezember 2009 - dem Kläger zugestellt am 17. Dezember 2009 - lehnte die Beklagte seinen Einbürgerungsantrag ab. Zur Begründung verwies sie auf § 12a Abs. 1 StAG in der seit dem 28. August 2007 gültigen Fassung, die hier gemäß § 40c StAG anzuwenden sei. Der Kläger habe die dort gezogene Grenze von 90 Tages-sätzen weit überschritten. Allein in den letzten zehn Jahren sei er zu Geldstrafen von insgesamt 305 Tagessätzen verurteilt worden. Da diese Überschreitung nicht mehr geringfügig sei, könne sie auch nicht nach § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG im Rahmen der Ermessensausübung außer Acht gelassen werden.

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Der Kläger hat am 15. Januar 2010 Klage erhoben.

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Zur Begründung hat er ausgeführt, die Beklagte hätte nicht die neue Fassung des § 12a StAG anwenden dürfen. Sie hätte vielmehr weiterhin diejenige Gesetzesfassung zugrunde legen müssen, die im Zeitpunkt der Stellung des Einbürgerungsantrags gegolten habe. § 40c StAG sei insofern verfassungswidrig, als er nicht vorsehe, dass alle vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union am 28. August 2007 gestellten Anträge nach der bis dahin gültigen Rechtslage zu beurteilen seien, sondern nur diejenigen Anträge, die bis zum 30. März 2007 gestellt worden seien. § 40c StAG messe der neuen Fassung des § 12a StAG Rechtswirkungen für einen vor ihrer Verkündung liegenden Zeitraum bei. Dies sei verfassungsrechtlich unzulässig. Er - der Kläger - genieße insofern Vertrauensschutz. Nach der Rechtslage, die im Zeitpunkt der Stellung seines Einbürgerungsantrags gegolten habe, sei er einzubürgern gewesen. Jedenfalls komme eine Einbürgerung nach den §§ 8, 9 StAG in Betracht. Seine Ehefrau sei seit dem 29. Oktober 2009 Deutsche; seine Kinder seien ebenfalls deutsche Staatsangehörige. Die eheliche Lebensgemeinschaft bestehe - wie von den Verwaltungsvorschriften zu § 9 StAG verlangt - schon seit mehr als zwei Jahren, nämlich seit dem 17. Februar 2000. Dass der Ehegatte auch schon seit mehr als zwei Jahren Deutscher sein müsse, verlange die Verwaltungsvorschrift nicht. Die Beklagte hätte den Einbürgerungsantrag von Amts wegen auch unter diesem Gesichtspunkt prüfen müssen. Er habe in Deutschland studiert und sichere trotz seiner Schwerbehinderung seinen Lebensunterhalt. Aus beruflichen Gründen sei er dringend auf die Einbürgerung angewiesen. Denn er müsse im Rahmen seiner Arbeit häufiger in die Vereinigten Arabischen Emirate reisen, die ihm aber in seinen Reiseausweis für Flüchtlinge kein Visum erteilten, da sie nicht Vertragsstaat der Genfer Flüchtlingskonvention seien.

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Der Kläger hat beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 11. Dezember 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn in den deutschen Staatsverband einzubürgern.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Regelung des § 40c StAG sei verfassungsgemäß. Jedenfalls könne sich der Kläger nicht auf Vertrauensschutz berufen, da er seinen Einbürgerungsantrag erst nach dem Gesetzesbeschluss des Bundestages gestellt habe. Ein Anspruch auf Einbürgerung nach den §§ 8, 9 StAG stehe dem Kläger schon deswegen nicht zu, weil seine Ehefrau erst seit dem 29. Oktober 2009 Deutsche sei, die Verwaltungsvorschriften zu § 9 StAG aber verlangten, dass die eheliche Lebensgemeinschaft mindestens zwei Jahre lang mit einem Deutschen bestanden haben müsse. Im Übrigen sei wegen der Vorstrafen des Klägers die Voraussetzung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG nicht erfüllt. Eine besondere Härte im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG, die ein Absehen nach Ermessen möglich mache, liege nicht vor. Der Kläger und sein Arbeitgeber hätten bei Abschluss des Arbeitsvertrags gewusst, dass der Kläger "nur" über einen Reiseausweis für Flüchtlinge verfüge und hätten sich bei der Arbeitsgestaltung darauf einstellen müssen.

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Mit Urteil vom 13. Dezember 2010 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.

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Ein Einbürgerungsanspruch des Klägers nach § 10 StAG scheitere an § 12a Abs. 1 StAG in der seit dem 28. August 2007 gültigen Fassung, da der Kläger zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten auf Bewährung und zu Geldstrafen von insgesamt 440 Tagessätzen verurteilt worden sei. Vor diesem Hintergrund sei der nach § 12a Abs. 1 StAG zulässige Rahmen nicht lediglich geringfügig überschritten. Es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte § 12a StAG in der seit dem 28. August 2007 gültigen Fassung angewandt habe, da der Einbürgerungsantrag nach dem Gesetzesbeschluss des Bundestages vom 14. Juni 2007 gestellt worden sei. Gegen die damit verbundene sogenannte „unechte Rückwirkung“ bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Einen besonderen Vertrauenstatbestand könne der Kläger nicht geltend machen. Seine arbeitsrechtlichen Verpflichtungen, denen er angeblich nur im Falle der Einbürgerung nachkommen könne, habe er erst nach Inkrafttreten der verschärften Gesetzesbestimmung abgeschlossen. Eine „echte Rückwirkung“ liege nicht vor, da der Einbürgerungsvorgang bei Inkrafttreten der Gesetzesänderung am 28. August 2007 zwar schon in Gang gesetzt, aber noch nicht durch Erlass eines entsprechenden Bescheides abgeschlossen worden sei. Eine Ermessenseinbürgerung nach den §§ 8, 9 StAG komme wegen der mehrfachen rechtswidrigen Straftaten ebenfalls nicht in Betracht (§ 9 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG). Ein Absehen von dieser Voraussetzung nach § 8 Abs. 2 StAG sei nicht möglich, da keine besondere Härte vorliege. Die möglichen beruflichen Nachteile habe sich der Kläger aufgrund der vielen vorsätzlichen Straftaten selbst zuzuschreiben.

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Dagegen richtet sich die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Berufung des Klägers.

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Die Fassung des § 40c StAG entspreche nicht dem Willen des Gesetzgebers. Danach habe der maßgebliche Zeitpunkt derjenige der Veröffentlichung des Gesetzentwurfs des Bundestages vom 23. April 2007 im Bundesgesetzblatt, also der 30. April 2007 sein sollen. Vom Innenausschuss sei er um einen Monat nach vorn auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung des Gesetzesentwurfs des Bundesrats verlegt worden. Das Vertrauen des Einbürgerungsbewerbers in den bestehenden Rechtszustand werde folglich ab einem Zeitpunkt für nicht mehr schutzwürdig erklärt, ab dem nicht einmal das nach Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG zuständige Gesetzgebungsorgan, sondern nur ein nach Art. 76 Abs. 1 GG zur Vorlage berechtigtes tätig geworden sei. Zudem verstoße die Vorschrift gegen das Rückwirkungsverbot. Der angefochtene Bescheid lasse auch keine Ermessensausübung hinsichtlich einer Einbürgerung nach § 9 i.V.m. § 8 Abs. 2 StAG erkennen. Nach § 8 Abs. 2 StAG könne aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte von der Voraussetzung fehlender Straffälligkeit abgesehen werden. Er halte sich seit 1974 in Deutschland auf und sei als Asylberechtigter anerkannt. Art. 34 GK enthalte ein Wohlwollensgebot zugunsten der Flüchtlinge, auf dessen Beachtung diese einen Anspruch hätten. Seine Ehefrau und Kinder seien deutsche Staatsangehörige. Eine einheitliche Staatsangehörigkeit der gesamten Familie sei im Hinblick auf Art. 6 GG wünschenswert. Er sei außerdem schwerbehindert. Sein Arbeitgeber habe ihm wegen der Probleme mit der Einreise in die Vereinigten Arabischen Emirate mit der Kündigung gedroht. Da er aufgrund seines Alters und seiner Behinderung keine neue Beschäftigung mehr finden und auf Sozialleistungen angewiesen sein werde, stelle die Verweigerung der Einbürgerung eine besondere Härte dar. Der Schutz von Ehe und Familie begründe auch ein öffentliches Interesse. Die Tilgungsregelung des § 47 BZRG sei in seinem Fall verfassungskonform zu korrigieren.

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Der Kläger beantragt,

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das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, ihn in den deutschen Staatsverband einzubürgern.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Die vom Kläger vorgebrachten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 40c StAG seien unbegründet. Er könne sich insbesondere nicht auf Vertrauensschutz berufen, da er seinen Einbürgerungsantrag nach dem Gesetzesbeschluss des Bundestages gestellt habe. Zum Zeitpunkt des Ablehnungsbescheides vom 11. Dezember 2011 habe die Möglichkeit einer Einbürgerung des Klägers nach § 9 StAG nicht bestanden, da er noch nicht mindestens zwei Jahre mit einer Deutschen verheiratet gewesen sei. Seine Ehefrau sei erst am 29. Oktober 2009 eingebürgert worden. Die diversen Straftaten stünden einer Einbürgerung des Klägers auch weiterhin entgegen. Eine besondere Härte liege nicht vor. Über seine Klage gegen den Widerruf seiner Asylanerkennung sei noch nicht rechtskräftig entschieden, so dass der Kläger weiterhin im Besitz eines Reiseausweises für Flüchtlinge sei. Seit dem 1. August 2012 sei der Kläger laut Arbeitsvertrag vom 3. Juli 2012 bei seinem Prozessbevollmächtigten als „Rechtsanwalt“ beschäftigt, obgleich er keine Zulassung als Rechtanwalt besitze. Das Arbeitsverhältnis sei auf unbestimmte Zeit geschlossen, die Bruttoarbeitsvergütung betrage monatlich 5.000 Euro. Dazu gewähre die Arbeitsagentur für die Dauer von acht Jahren einen Eingliederungszuschuss. Dieser betrage für die ersten beiden Jahre 70%, im dritten Jahr 60%, im vierten Jahr 50%, im fünften Jahr 40% und in den verbleibenden drei Jahre jeweils 30%.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

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Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die Klage auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband abgewiesen. Der Kläger hat keinen Einbürgerungsanspruch.

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Ein derartiger Anspruch ergibt sich zunächst nicht aus § 10 StAG. Der Kläger erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG i.V.m. § 12a StAG in der seit dem 28. August 2007 gültigen Fassung.

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Eine Einbürgerung nach § 10 StAG setzt gemäß Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 dieser Vorschrift voraus, dass der Einbürgerungsbewerber nicht wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt worden ist. Dabei bleiben nach § 12a Abs. 1 Satz 1 StAG in der seit dem 28. August 2007 geltenden Fassung Verurteilungen zu Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen sowie zu Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt und nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen worden ist, außer Betracht. Bei mehreren Verurteilungen zu Geld- oder Freiheitsstrafen sind diese zusammenzuzählen, es sei denn, es wurde eine niedrigere Gesamtstrafe gebildet; treffen Geld- und Freiheitsstrafe zusammen, entspricht ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe (vgl. § 12a Abs. 1 Satz 2 StAG). Übersteigt die Strafe oder die Summe der Strafen geringfügig diesen Rahmen, so wird im Einzelfall entschieden, ob diese außer Betracht bleiben kann (vgl. § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG).

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Berücksichtigt man, dass die Verurteilung vom 8. September 1987 in die mit Urteil vom 21. Oktober 1987 gebildete Gesamtgeldstrafe einbezogen wurde, so wurde der Kläger zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung von 2 Monaten, die inzwischen erlassen worden ist, sowie zu Geldstrafen von insgesamt 440 Tagessätzen verurteilt. Nach der Zusammenrechnungsregel des § 12a Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 StAG ergibt dies eine fiktive Freiheitsstrafe von 500 Tagen auf Bewährung. Dies überschreitet den nach § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG zulässigen Rahmen von 3 Monaten um mehr als das fünffache. Da eine solche Überschreitung nicht mehr "geringfügig" ist (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 20. März 2012 - 5 C 5.11 -, NVwZ 2012, 1250), kann sie auch nicht gem. § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG nach Ermessen außer Acht gelassen werden.

36

§ 12a StAG ist von der Beklagten auch zu Recht in seiner seit dem 28. August 2007 geltenden Fassung angewendet worden. Der Kläger hat seinen Einbürgerungsantrag am 9. Juli 2007 gestellt. Die Übergangsvorschrift des § 40c StAG sieht vor, dass nur bis zum 30. März 2007 gestellte Einbürgerungsanträge weiter nach der alten - für den Kläger günstigeren - Gesetzesfassung zu bescheiden sind. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Vorschrift bestehen im Hinblick auf das vorliegende Verfahren nicht.

37

Derartige Bedenken ergeben sich zunächst nicht aus der Abänderung dieser Vorschrift im Gesetzgebungsverfahren. Während der Gesetzesentwurf der Bundesregierung (BR-Drs. 224/07 v. 30. März 2007 und BT-Drs. 16/5065 v. 23. April 2007) als Stichtag den Tag der Veröffentlichung dieses Entwurfs als BT-Drs. (also den 23. April 2007) vorgesehen hatte, wurde dieses Datum auf Vorschlag des Innenausschusses (vgl. BT-Drs. 16/5621 [Beschlussempfehlung] und 16/5654 [Bericht]) auf den 30. März 2007 abgeändert. Da dieses Datum in den Gesetzesbeschluss des Bundestages vom 14. Juni 2007 übernommen worden ist, dem der Bundesrat am 6. Juli 2007 zugestimmt hat, ist diese Fassung Gesetz geworden. Die Annahme des Klägers, aufgrund der Abweichung des Gesetzes von dem Gesetzentwurf der Bundesregierung werde der Wille des Gesetzgebers verfälscht, verkennt die Rolle der Verfassungsorgane im Gesetzgebungsverfahren. Nach Art. 77 Abs. 1 Satz 1 GG werden Bundesgesetze vom Bundestag beschlossen. Ein solches Gesetz kommt zustande, wenn der Bundesrat in der nach Art. 78 GG vorgeschriebenen Art beteiligt war. Dies ist hier der Fall. Eine Bindung an den Inhalt der Gesetzentwürfe der Bundesregierung besteht nicht.

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Eine unzulässige Rückwirkung kann in der Übergangsregelung des § 40c StAG nicht gesehen werden. Allerdings müssen vom Gesetzgeber rückwirkend in Kraft gesetzte belastende Normen rechtsstaatlichen Anforderungen genügen. Neben dem Rechtsstaatsgebot begrenzen - soweit einschlägig - auch die Grundrechte die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die an Sachverhalte der Vergangenheit anknüpfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2010 - 1 BvL 11/06 u.a. - juris, Rdnr. 75 m.w.N.), auch wenn das Grundgesetz - mit Ausnahme des für Strafgesetze geltenden Art. 103 Abs. 2 GG - insofern keine ausdrückliche Regelung getroffen hat.

39

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entfaltet eine Rechtsnorm eine - grundsätzlich unzulässige - "echte" Rückwirkung, wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll ("Rückbewirkung von Rechtsfolgen"), wenn also der Beginn ihrer zeitlichen Anwendung auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm durch ihre Verkündung rechtlich existent, das heißt gültig geworden ist (vgl. BVerfG, Entscheidungen vom 14. November 1961 - 2 BvL 15/59 - BVerfGE 13, 206, 212 und vom 5. Juli 1972 - 2 BvL 6/66 u.a. - BVerfGE 33, 265, 293; Urteil vom 23. November 1999 - 1 BvF 1/94 - BVerfGE 101, 239, 263; Beschlüsse vom 7. Juli 2010 - 2 BvL 1/03 u.a. - juris, Rdnr. 67 und vom 21. Juli 2010 - 1 BvL 11/06 u.a. - juris, Rdnr. 71 jeweils m.w.N.). Auch in diesem Fall tritt das Rückwirkungsverbot, das seinen Grund im Vertrauensschutz hat, aber zurück, wenn sich kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte (vgl. u.a. BVerfG, Beschluss vom 27. Februar 2007 - 1 BvR 3140/06 - NVwZ-RR 2007, 433 = juris, Rdnr. 29 m.w.N.). Davon ist unter anderem dann auszugehen, wenn der Betroffene schon im Zeitpunkt, auf den die Rückwirkung bezogen war, nicht mit dem Fortbestand der Regelung rechnen durfte (vgl. u.a. BVerfG, Beschlüsse vom 15. Oktober 1996 - 1 BvL 44/92, 1 BvL 48/92 - BVerfGE 95, 64, 86 f. = juris, Rdnr. 110 m.w.N. und vom 21. Juli 2010 a.a.O. Rdnr. 75 m.w.N.), wenn sich also kein schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts für vergangene Zeiträume bilden konnte (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 25. Mai 1993 - 1 BvR 1509/91, 1 BvR 1648/91 - BVerfGE 88, 384, 404 und vom 15. Oktober 1996 a.a.O.; Urteil vom 23. November 1999 a.a.O.; Beschluss vom 27. Februar 2007 a.a.O.), etwa weil die Rechtslage unklar war (vgl. u.a. Entscheidung vom 19. Dezember 1961 - 2 BvL 6/59 - BVerfGE 13, 261, 272 und Beschluss vom 21. Juli 2010 a.a.O. Rdnr. 75). Ferner kommt Vertrauensschutz nicht in Betracht, wenn überragende Belange des Gemeinwohls, die dem Gebot der Rechtssicherheit vorgehen, eine rückwirkende Beseitigung von Normen erfordern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Februar 2007 a.a.O. unter Hinweis auf die Entscheidung vom 19. Dezember 1961 a.a.O.; den Beschluss vom 25. Mai 1993 a.a.O. und das Urteil vom 23. November 1999 a.a.O.). Dasselbe gilt, wenn durch die Rückwirkung nur ein ganz unerheblicher Schaden verursacht würde (vgl. BVerfG, Entscheidungen vom 19. Dezember 1961 a.a.O.; vom 23. März 1971 - 2 BvL 2/66 u.a. - BVerfGE 30, 367, 387 ff. und Beschluss vom 25. Mai 1993 a.a.O.).

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Soweit belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden ("tatbestandliche Rückanknüpfung"), liegt eine "unechte" Rückwirkung vor (vgl. BVerfG, Urteil vom 22. März 1983 - 2 BvR 475/78 - BVerfGE 63, 343, 356; Beschlüsse vom 14. Mai 1986 - 2 BvL 2/83 - BVerfGE 72, 200, 242 f. = juris, Rdnr. 130, vom 3. Dezember 1997 - 2 BvR 882/97 - BVerfGE 97, 67, 78 f. = juris, Rdnr. 49 und vom 5. Februar 2002 - 2 BvR 305/93 u.a. - BVerfGE 105, 17, 37 f.). Dies ist regelmäßig der Fall, wenn das Gesetz für die Zukunft Rechtsfolgen an ein Ereignis knüpft, das in der Vergangenheit liegt. Eine solche unechte Rückwirkung ist nicht grundsätzlich unzulässig, denn die Gewährung vollständigen Schutzes zu Gunsten des Fortbestehens der bisherigen Rechtslage würde den demokratisch gewählten Gesetzgeber in wichtigen Bereichen in seiner Gestaltungsbefugnis lähmen und den Konflikt zwischen der Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der Notwendigkeit ihrer Änderung zum Beispiel im Hinblick auf einen Wandel der Lebensverhältnisse in nicht mehr vertretbarer Weise zu Lasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung lösen (vgl. BVerfG, Urteil vom 22. März 1983 a.a.O., 357; Beschluss vom 5. Februar 2002 a.a.O., 40; Urteil vom 27. September 2005 - 2 BvR 1387/02 - BVerfGE 114, 258, 301). Der Gesetzgeber muss aber, soweit er für künftige Rechtsfolgen an zurückliegende Sachverhalte anknüpft, die Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt werden, und das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der Rechtslage abwägen (vgl. u.a. BVerfG, Urteil vom 27. September 2005 a.a.O., 300 m.w.N.). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss gewahrt sein (vgl. BVerfG, Urteil vom 10. Juni 2009 - 1 BvR 706/08 u.a. - BVerfGE 123, 186, 257 m.w.N.). Eine unechte Rückwirkung ist grundsätzlich mit den Grundsatz rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip vereinbar. Sie wird dann unzulässig wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 - juris, Rdnr. 60 m.w.N.).

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Nach diesen Grundsätzen ist in der Übergangsregelung des § 40c StAG keine unzulässige Rückwirkung erkennbar. Es handelt sich um eine "tatbestandliche Rückanknüpfung" oder "unechte Rückwirkung". Nach § 40c StAG ist auf bis zum 30. März 2007 gestellte Einbürgerungsanträge die vor dem 28. August 2007 geltende Fassung der §§ 8 bis 14 und 40c StAG anzuwenden, soweit sie günstigere Bestimmungen enthalten. Erfasst werden nur zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neufassung noch nicht beschiedene Anträge, die vor dem genannten Stichtag gestellt worden sind. Im Umkehrschluss gilt die neue, ungünstigere Gesetzesfassung für alle zum Zeitpunkt des Inkrafttretens noch offenen Einbürgerungsanträge, die nach dem Stichtag 30. März 2007 gestellt worden sind. Damit wird nicht in bereits abgeschlossene Sachverhalte eingegriffen, sondern es werden von der Neuregelung nur solche Anträge erfasst, durch die das Einbürgerungsverfahren in Gang gesetzt worden ist, die aber noch nicht abschließend beschieden worden sind.

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Ein schutzwürdiges Vertrauen der betroffenen Einbürgerungsbewerber am Fortbestand der ursprünglichen Regelungen während der gesamten Dauer des Einbürgerungsverfahrens besteht nicht. Mit der Einbringung eines Gesetzesentwurfs im Bundestag durch ein initiativberechtigtes Organ werden geplante Gesetzesänderungen öffentlich. Ab diesem Zeitpunkt sind mögliche zukünftige Gesetzesänderungen in konkreten Umrissen allgemein vorhersehbar. Deshalb kann der Bürger regelmäßig nicht mehr darauf vertrauen, das gegenwärtig geltende Recht werde auch in Zukunft unverändert fortbestehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 -, juris, Rdnr. 73 zum Steuerrecht). Es ist nicht ersichtlich, aus welchem Grunde Entsprechendes nicht für den Fall gelten sollte, dass der Gesetzentwurf - wie hier - zunächst als Bundesratsdrucksache veröffentlicht und damit öffentlich wird (vgl. dazu Bericht des Innenausschusses v. 13. Juni 2007, BT-Drs. 16, 5654, S. 26). Ab diesem Zeitpunkt war es den betroffenen einbürgerungswilligen Ausländern möglich, sich auf die geplante Gesetzesänderung einzustellen und erforderlichenfalls von der Stellung eines nach neuer Rechtslage erfolglosen Einbürgerungsantrags abzusehen und insbesondere nicht auf eine Entlassung aus ihrer alten Staatsbürgerschaft hinzuwirken. Das Interesse, im Hinblick auf die erkennbar geplante Änderung noch nach Veröffentlichung der Bundesratsdrucksache 224/07 eine Einbürgerung nach der günstigeren alten Rechtslage zu erreichen, ist demgegenüber nicht schutzwürdig. Es bestand vielmehr ein berechtigtes Interesse des Gesetzgebers, einer vermehrten Antragstellung im Verlaufe des Gesetzgebungsverfahrens in der Hoffnung auf das vorläufige Fortgelten der günstigeren Altregelung entgegenzuwirken.

43

Unabhängig von der generellen Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 40c StAG ist im vorliegenden Fall ein schutzwürdiges Interesse des Klägers an einer Behandlung seines Einbürgerungsantrags nach alter Rechtslage nicht einmal ansatzweise ersichtlich. Er hat seinen Einbürgerungsantrag am 9. Juli 2007 und damit nach der endgültigen Beschlussfassung des Bundestages am 14. Juni 2007 und der Zustimmung des Bundesrates am 6. Juli 2007 gestellt. Zu diesem späten Zeitpunkt konnte der Kläger unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr auf das Fortbestehen der alten Rechtslage vertrauen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 -, juris, Rdnr. 74 ff.). Wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, hat der Kläger auch keinerlei gewichtige und unumkehrbare Dispositionen im Vertrauen auf die Beibehaltung der alten Rechtslage getroffen. Insbesondere seinen damaligen Arbeitsvertrag, der nach seinen Angaben mit der Verpflichtung zu häufigen Auslandsreisen verbunden gewesen sei und den Besitz eines Nationalpasses vorausgesetzt habe, hat der Kläger erst am 29. April 2009 und damit lange nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 12a StAG am 28. August 2007 abgeschlossen.

44

Der Kläger kann einen Einbürgerungsanspruch im Hinblick auf seine eingebürgerte Ehefrau auch nicht aus den §§ 8, 9 StAG herleiten.

45

Nach dem oben Ausgeführten liegen aufgrund der Straffälligkeit des Klägers auch unter Berücksichtigung des § 12a Abs. 1 StAG bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG nicht vor (vgl. dazu: BVerwG, Urteil vom 20 März 2012 - 5 C 5.11 -, juris, Rdnr. 37 m.w.N.).

46

Die Beklagte konnte von dem Erfordernis fehlender Straffälligkeit auch nicht nach § 8 Abs. 2 StAG absehen. Nach dieser Bestimmung kann von den Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden. Für das Bestehen eines öffentlichen Interesses sind weder nach dem Vortrag des Klägers noch im Hinblick auf die sonstigen Umstände des Falles Gesichtspunkte erkennbar. Es liegt kein sich vom Durchschnittsfall eines Einbürgerungsbegehrens spezifisch staatliches Interesse (vgl. dazu ausführlich OVG des Saarlands, Urt. v. 28. Juni 2012 - 1 A 35/12 -, juris) an der Einbürgerung des Klägers vor, das es ausnahmsweise rechtfertigen könnte, den Ausländer trotz zu berücksichtigender Straffälligkeit einzubürgern.

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Die Voraussetzungen einer besonderen Härte erfüllt der Kläger ebenfalls nicht. Allerdings ist § 8 Abs. 2 StAG auch dann noch anwendbar, wenn die Grenze der Bagatellstraftaten mehr als geringfügig im Sinne des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG überschritten worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. März 2012 - 5 C 5.11 -, juris, Rdnr. 38 m.w.N.). Das Vorliegen einer besonderen Härte ist in dieser Konstellation allerdings als Ausnahmefall anzusehen, der das Bestehen von für den Einbürgerungsbewerber besonders beschwerenden Umständen voraussetzt, die im Einzelfall ein Absehen von darüber hinausgehenden strafrechtlichen Verurteilungen rechtfertigen (vgl. Nr. 8.2 der VAH des BMI v. 17. April 2009). Eine solche Härte muss durch atypische Umstände des Einzelfalls bedingt sein, gerade durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen werden und durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest entscheidend abgemildert werden können (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. März 2012 - 5 C 5.11 -, juris, Rdnr. 39 m.w.N.). Derartige Umstände bestehen im vorliegenden Fall nicht.

48

Das gilt zunächst für die vom Kläger angeführte beruflich bedingte Notwendigkeit, häufiger in die Vereinigten Arabischen Emirate zu reisen und dafür im Besitz eines deutschen Reisepasses zu sein. Der Kläger übt diese Tätigkeit zwischenzeitlich nicht mehr aus, sondern ist nach dem Arbeitsvertrag vom 3. Juli 2012 bei seinem Prozessbevollmächtigten als “Rechtsanwalt“ angestellt. Das Erfordernis eines deutschen Nationalpasses besteht für dieses Beschäftigungsverhältnis offensichtlich nicht. Auch die Behinderung des Klägers führt zu keinem anderen Ergebnis. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, auf welche Weise dieser Umstand oder dessen Folgen durch die Einbürgerung des Klägers geändert oder abgemildert werden könnten.

49

Die Vorschrift des Art. 34 GK hilft dem Kläger in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht weiter. Art. 34 GK lautet: „Die vertragschließenden Staaten werden soweit wie möglich die Eingliederung und Einbürgerung der Flüchtlinge erleichtern. Sie werden insbesondere bestrebt sein, Einbürgerungsverfahren zu beschleunigen und die Kosten dieses Verfahrens soweit wie möglich herabzusetzen." Der Kläger kann sich jedoch nicht auf seine Flüchtlingseigenschaft berufen. Seine Anerkennung als Asylberechtigter vom 29. Oktober 1984 ist mit Bescheid vom 15. Mai 2008 widerrufen worden. Zugleich ist festgestellt worden, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG und damit der Flüchtlingsstatus nach der GK nicht mehr gegeben sind. Der darüber geführte Rechtsstreit ist noch nicht rechtskräftig abgeschlossen. Nach § 73 Abs. 2c AsylVfG entfällt für Einbürgerungsverfahren aber die Verbindlichkeit der Entscheidung über den Asylantrag bis zur Bestandskraft des Widerrufs.

50

Unabhängig davon wäre Art. 34 GK im vorliegenden Fall auch in der Sache nicht geeignet, eine besondere Härte zu begründen. Die Bestimmung enthält ein Wohlwollensgebot des Gesetzgebers zugunsten der Flüchtlinge, das Behörden und Gerichte bindet und auf dessen Beachtung die Flüchtlinge einen Anspruch haben (vgl. BVerwG, Urt. v. 1. Juli 1975 - I C 44.70 -, BVerwGE 49, 44, zit. nach juris, Rdnr. 15). Bei asylberechtigten Einbürgerungsbewerbern muss die Behörde die allgemein maßgeblichen Einbürgerungsgesichtspunkte sämtlich in ihren Ermessenserwägungen berücksichtigen. Jedoch ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 8 RuStAG durch das gruppentypische Schicksal dieser Personen aus der Wertordnung des Grundgesetzes heraus ein besonderes Interesse an der Einbürgerung präjudiziert. Das führt dazu, dass die Behörde den Einbürgerungsantrag des Asylberechtigten, dessen volle Eingliederung in die hiesigen Lebensverhältnisse erfolgt ist oder doch gewährleistet erscheint, im Rahmen sachgerechter Ermessensausübung nur ablehnen darf, wenn andere staatliche Interessen entgegenstehen und überwiegen. Solche Interessen können auch aus Bedenken hervorgehen, die gegen die Person des Einbürgerungsbewerbers zu erheben sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juli 1975 - I C 44.70 -, a.a.O., zit. nach juris, Rdnr. 18). So liegt der Fall hier.

51

Der Gesetzgeber hat in § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG derartige Bedenken, die gegen die Person des Einbürgerungsbewerbers bestehen, einer gesetzlichen Regelung zugeführt. Die wiederholte Straffälligkeit des Klägers, die ein bewusstes Hinwegsetzen über die deutsche Rechtsordnung wiederspiegelt, begründet durchgreifende Zweifel an dessen vollständiger Eingliederung in die hiesigen Lebensverhältnisse. Sie steht der Annahme einer besonderen Härte im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG allein aufgrund der Flüchtlingseigenschaft des Klägers entgegen. Eine generelle Suspendierung anerkannter Flüchtlinge von dem bereits durch § 12a Abs. 1 StAG abgemilderten Erfordernis der Straflosigkeit besteht nicht. Es ist dem Kläger vor diesem Hintergrund ohne weiteres zuzumuten, die bei weiterer Straffreiheit am 30. Oktober 2017 eintretende Tilgungsreife der Eintragungen im Bundeszentralregister abzuwarten.

52

Insbesondere die Anwendung der Regelung des § 47 Abs. 3 BZRG, nach der bei mehreren Eintragungen die Tilgung einer Eintragung erst zulässig ist, wenn für alle Eintragungen die Voraussetzungen der Tilgung vorliegen, ist nicht zu beanstanden. Ob eine besondere Härte dann angenommen werden könnte, wenn die die Tilgung sperrende Straftat eine Bagatellstraftat wäre und dem Kläger ein weiteres Verbleiben im Status des Ausländers nicht zuzumuten wäre (vgl. VGH BW, Urt. v. 6. Mai 2009 - 13 S 2428/08 -, juris, Rdnr. 48), kann offen bleiben, da es sich bei dem erneuten Fahren ohne Fahrerlaubnis, die der Verurteilung vom 30. Oktober 2007 zugrunde liegt, nicht um eine Bagatellstraftat handelt. Zudem ist auch die zehnjährige Tilgungsfrist des § 46 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) BZRG hinsichtlich der Verurteilung vom 28. Oktober 2003 noch nicht abgelaufen. Der Kläger hat durch die wiederholte Begehung vorsätzlicher Straftaten nachdrücklich unter Beweis gestellt, dass er selbst von der Warnfunktion strafrechtlicher Verurteilungen nur unzureichend erreicht wird. Dies gilt umso mehr, als er wegen des gleichen Delikts (Fahren ohne Fahrerlaubnis) bislang insgesamt fünfmal verurteilt worden ist und diese Vergehen offensichtlich weiter bagatellisiert. Die Annahme einer besonderen Härte legt dieses Verhalten nicht nahe.

53

Dies gilt auch unter Berücksichtigung der im Hinblick auf die Familieneinheit wünschenswerte einheitliche staatsangehörigkeitsrechtliche Behandlung einer Familie (vgl. dazu Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl. 2010, § 8 StAG, Rdnr. 98 ff.). Dem Gebot einer erleichterten Einbürgerung zu einem deutschen Ehegatten ist bereits durch die Schaffung der Soll-Vorschrift des § 9 StAG hinreichend Rechnung getragen worden. Art. 6 Abs. 1 GG gewährt keinen darüber hinausgehenden Anspruch auf Einbürgerung. Insbesondere ist die Einbürgerungsbehörde nicht verpflichtet, allein wegen der Ehe des Ausländers mit einem Deutschen bei Fehlen der Voraussetzungen des § 9 StAG die Einbürgerung nach § 8 StAG vorzunehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Mai 1983 - 1 C 163.80 -, BVerwGE 67, 177, zit. nach juris, Rdnr. 34 zu §§ 8, 9 RuStAG). Ein Absehen von den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 StAG gebietet der Schutz von Ehe und Familie ebenfalls nicht. Eine besondere Härte im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG ist nicht erkennbar, zumal dem Vortrag des Klägers nicht entnommen werden kann, dass derzeit der Bestand der Ehe oder die Beziehung des Klägers zu seinen Kindern durch die verschiedenen Staatsangehörigkeiten gefährdet sind. Der Umstand, dass der Kläger aufgrund seines Flüchtlingsausweises nicht in allen Staaten gemeinsam mit seiner Familie Urlaub machen kann, reicht dazu nicht aus.

54

Liegen bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen der §§ 8,9 StAG nicht vor, so bedarf es keiner Ermessenserwägungen seitens der Einbürgerungsbehörde. Diese sind zudem von der Beklagten in der Berufungserwiderung vom 8. Februar 2012 (hilfsweise) nachgeholt worden (§ 114 Satz 2 VwGO).

 


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