Beschluss vom Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht (2. Senat) - 2 NB 20/13

Gründe

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Die Beschwerden der Antragsteller gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 4. Dezember 2012 haben keinen Erfolg.

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Dabei lässt der Senat offen, ob die Antragstellerin im Verfahren 2 NB 37/13 hinsichtlich der Beschwerdebegründungsfrist unter dem Gesichtspunkt, dass (auch) das Gericht Fehler begangen haben könnte (vgl. insoweit zuletzt BVerfG, 3. Kammer des 2. Senats, Beschl. v. 10.10.2012 - 2 BvR 1059/12 -, NJW 2013, 446), Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren wäre. Denn ihre Beschwerde hat jedenfalls in der Sache ebensowenig Erfolg wie die Beschwerden der anderen Antragsteller.

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Der Senat folgt im Wesentlichen den Gründen der angegriffenen Entscheidung (Beschl. v. 4.12.2012 - 12 C 4164/12 u.a. - juris) und nimmt hierauf Bezug. Durch das Beschwerdevorbringen sind folgende Ergänzungen veranlasst:

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Im Ergebnis kann offen bleiben, ob die Annahme des Verwaltungsgerichts zutrifft, durch § 72 Abs. 15 NHG habe die Kapazität nicht unmittelbar auf 40 Studienplätze begrenzt werden sollen. Die genannte Vorschrift lautet: "Für den Studiengang Humanmedizin an der Universität AS. wird die jährliche Zulassungszahl ab dem Wintersemester 2012/2013 auf 40 festgesetzt." Ihr Wortlaut ist allerdings eindeutig, wie auch das Verwaltungsgericht nicht verkennt. Sie steht ferner in einem Umfeld weiterer sehr konkreter Übergangsbestimmungen für die medizinische Fakultät der Universität AS. (§ 72 Abs. 12 ff. NHG). Soweit das Oberverwaltungsgericht Berlin in einem Beschluss vom 20. Oktober 2004 (- 5 NC 44.04 -, juris) eine ähnliche Formulierung nicht als abschließende Festsetzung ausgelegt hat, kann dazu schon wegen der dort geschilderten Besonderheiten des Wortlauts und der Entstehungsgeschichte der dort einschlägigen Bestimmungen keine Parallele gezogen werden.

5

Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift ergibt sich zudem, dass der Gesetzgeber nachvollziehbare Gründe für die fragliche Festsetzung hatte. Da es hier nicht um die Einschränkung bestehender Kapazitäten, sondern um die Schaffung neuer Kapazitäten ging, hatte er aus haushaltsrechtlicher Sicht Entscheidungsfreiheit hinsichtlich der Frage, in welchem Umfang er Haushaltsmittel für den neuen Studiengang widmen wollte. Dabei durfte er an absolut kapazitätsbeschränkende, dauerhafte Umstände anknüpfen, welche seiner Disposition nicht unterlagen. Das war hier die Absprache mit der - deutschem Hochschulzulassungsrecht nicht unterfallenden - Universität AT., die offenbar auch auf längere Sicht nur 40 Plätze pro Semester zur Verfügung zu stellen gewillt war. Der damit verbundene Kapazitätsengpass ließ sich innerhalb des gewählten Studienmodells nicht durch eigene Anstrengungen der Antragsgegnerin beheben. Für die Kapazitätsfestsetzung blieben deshalb alle anderen Kapazitätserwägungen - jedenfalls in Richtung auf höhere Kapazität - notwendig folgenlos. Der Gesetzgeber konnte daher die Festsetzung ohne weiteres selbst treffen, ohne auf die sonst gebotenen Vorarbeiten für eine Kapazitätsermittlung angewiesen zu sein.

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Im Übrigen muss die Festsetzung einer Zulassungszahl durch den Gesetzgeber entgegen der Auffassung einiger Antragsteller weder eine Begründung für den konkret festgesetzten Wert in sich tragen noch aus sich heraus erkennen lassen, dass sie überhaupt das Ergebnis einer Kapazitätsberechnung ist.

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Dass die hier maßgebliche Zulassungszahlenverordnung vom 8. Juli 2012 (Nds. GVBl. 2012, 221) die Zulassungszahl für den hier in Rede stehenden Studiengang selbst noch einmal festzusetzen scheint, spricht nicht gegen einen Regelungswillen des insoweit übergeordneten Gesetzgebers. Offenbar ging es dem Verordnungsgeber (nur) darum, in der Verordnung selbst einen vollständigen Überblick über alle Zulassungsbeschränkungen zu geben, was aber auch durch eine Verweisung auf § 72 Abs. 15 NHG hätte geschehen können. Soweit das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang den Grundsatz angesprochen hat, dass eine spätere Rechtsnorm die frühere verdrängt, kommt hier hinzu, dass das Gesetz in der Normenhierarchie höher steht als die Verordnung. Es ist unter diesem Gesichtspunkt erst recht unbedenklich, dass das Gesetz eine im Übrigen fortbestehende Rechtsverordnung (sachlich und zeitliche beschränkt) vorübergehend verdrängt.

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Soweit die Antragsteller teilweise beanstanden, es fehle dem § 72 Abs. 15 NHG an der erforderlichen Bestimmtheit, geht dies offenbar von einem unzutreffenden Verständnis der Bestimmtheitsanforderung aus; eine bestimmtere als die hier vorgenommene zahlenmäßige Beschränkung lässt sich nicht denken. Die Vorschrift weist auch kein Regelungsdefizit insoweit auf, als sie keine Kriterien für die Ermittlung der Kapazität benennt. Dies wäre zwar erforderlich, wenn sie nur den Rahmen für Detailbestimmungen auf Verordnungsebene festlegen wollte. Da sie die Kapazität aber bereits selbst festsetzt, sich also keine steuernde Wirkung beilegt, sondern abschließend entscheidet, bedarf es der Angabe solcher Kriterien nicht, auch nicht zur Erleichterung einer gerichtlichen Überprüfung.

9

Dass die Vorschrift gegen Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG verstößt (Einzelfallgesetz), ist bei summarischer Prüfung im Eilverfahren nicht ersichtlich. Ein Einzelfall - insbesondere ein "Einzelpersonengesetz" - dürfte hier schon deshalb nicht vorliegen, weil die Regelung für eine größere Zahl von Eingangssemestern gilt.

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Das alles kann indes offenbleiben, weil es sich auf die Reichweite möglichen gerichtlichen Rechtsschutzes nicht durchgreifend auswirkt. Bei entsprechenden Festlegungen im Wege der Rechtsverordnung - wie hier der Verordnung über die Zulassungszahlen, die zusätzlich eine Zulassungszahl von 40 für das Wintersemester 2012/2013 festsetzt - ist anerkannt, dass sich die Gerichte hierüber unter bestimmten Voraussetzungen hinwegsetzen können. Bei förmlichen Gesetzen fehlt den Gerichten zwar eine Verwerfungs-, nicht aber die Prüfungskompetenz, die für das Vorlageverfahren notwendig vorausgesetzt ist. Vorläufiger Rechtsschutz kann unter Umständen auch ohne die im Hauptsacheverfahren erforderliche Vorlage gewährt werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.6.1992 - 1 BvR 1028/91 -, BVerfGE 86, 382 = NJW 1992, 2749; 3. Kammer des 2. Senats, Beschl. v. 15.12.2011 - 2 BvR 2362/11 -, juris; Kopp/Schenke, VwGO, § 123 Rdnr. 16; Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 123 Rdnrn. 127 ff.; Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 123 Rdnrn. 13 ff.). Der Senat sieht dies zwar nur in sehr engen Grenzen als angängig an (vgl. Beschl. v. 21.12.2006 - 2 NB 347/06 -, OVGE 50, 402: "Die Verwerfung eines formellen Gesetzes als verfassungswidrig muss im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes jedoch die Ausnahme bleiben (Hamburgisches OVG, Beschluss vom 10. Oktober 2001, - 3 NC 150/00 -, NVwZ-RR 2002, 747) und ist auf Fälle evidenter Verfassungswidrigkeit beschränkt."). Je mehr die Wahl des Gesetzes als Regelungsinstrument aber von der "Regelform" abweicht (vgl. insoweit auch BVerfG, Beschl. v. 14.5.1985 - 2 BvR 397-399/82 -, BVerfGE 70, 35 = NJW 1985, 2315; Goerlich, DÖV 1985, 945) und je mehr sich der Eindruck aufdrängt, die Wahl der Regelungsebene solle zuvörderst die individuellen Rechtsschutzmöglichkeiten einschränken (vgl. OVG Münster, Urt. v. 7.9.2010 - 6 A 2077/08 -, DVBl. 2010, 1572), um so eher kann das Gericht vorläufigen Rechtsschutz im Wege einer reinen Interessenabwägung gewähren.

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Durchgreifende Zweifel an der Berechtigung der hier vorgenommenen Zulassungsbeschränkung bestehen indes nicht. Wie oben bereits angesprochen, ergibt sich der materielle Prüfungsmaßstab hier nicht unmittelbar aus dem Kapazitätserschöpfungsgebot, denn mit der Schaffung eines neuen Studienganges wird Kapazität nicht eingeschränkt, sondern geschaffen.

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Drängt sich allerdings der Eindruck auf, ein absoluter Kapazitätsengpass werde nur vorgeschoben, um unkontrolliert eine "Luxusausstattung" des Studienganges vornehmen zu können, womit zugleich die Haushaltsmittel für die "normalen" Studiengänge in sachlich nicht gerechtfertigter Weise geschmälert würden, sind der methodische Ansatz des Studienganges sowie die sächliche und personelle Ausstattung einer besonders genauen Prüfung darauf zu unterziehen, ob der in den Vordergrund gestellte Engpass nicht mit vertretbarem Aufwand auf andere Weise umgangen werden kann. Infolgedessen behalten die ansonsten gültigen Kapazitätsmaßstäbe auch hier Bedeutung, weil sie bei der Beurteilung der Frage helfen können, ob die übrige Ausstattung des Studienganges im Verhältnis zur vorgegebenen Beschränkung angemessen ist. Bei der erstmaligen Aufnahme des Studienganges kann zwar für eine gewisse Zeit noch nicht erwartet werden, dass diese Ausstattung dem Bedarf komplett angepasst ist; der Senat hat deshalb bei dem Modellvorhaben "AU. " in AV. den Durchlauf einer kompletten Kohorte abgewartet. Jedenfalls mit fortschreitendem Ausbau des Studienganges wird die Antragsgegnerin aber schon deshalb selbst entsprechende Berechnungen anzustellen haben, weil sie Grundlagen für die nach § 72 Abs. 15 NHG vorgesehene Evaluierung zu legen haben wird. Diese verlangt zwar dem Wortlaut nach nicht einen ausdrücklichen Vergleich der Kosten-Nutzen-Situation mit derjenigen anderer Studiengänge der Humanmedizin, dürfte aber ohne eine derartige Betrachtung methodisch zweifelhaft sein.

 


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