Beschluss vom Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht (8. Senat) - 8 LA 16/15

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg - Einzel-richterin der 5. Kammer - vom 5. Dezember 2014 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.

Der Streitwert des Berufungszulassungsverfahrens wird auf 19.731,60 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger wendet sich gegen die Beendigung seiner freiwilligen Mitgliedschaft im beklagten Rechtsanwaltsversorgungswerk Niedersachsen.

2

Der Kläger ist seit 1991 als Rechtsanwalt zugelassen. Er war zunächst Pflichtmitglied des beklagten Rechtsanwaltsversorgungswerks. Nach der Verlegung seiner Kanzlei und seines Wohnsitzes nach B. im Jahr 2000 setzte der Kläger die Mitgliedschaft freiwillig fort. Er geriet wiederholt mit Beitragszahlungen in Verzug.

3

Mit Schreiben vom 16. November 2012, dem Kläger durch Postzustellungsurkunde am 19. November 2012 zugestellt, mahnte der Beklagte die Zahlung der fälligen Beiträge für die Monate Juli bis November 2012 nebst Zinsen, Säumniszuschlägen und Kosten an und forderte den Kläger auf, diese innerhalb eines Monats nach Zustellung der Mahnung zu zahlen. Der Beklagte wies den Kläger darauf hin, dass bei nicht fristgerechter Zahlung die freiwillige Mitgliedschaft beendet werden könne. Mit Bescheid vom 10. Januar 2013, dem Kläger durch Postzustellungsurkunde zugestellt am 11. Januar 2013, beendete der Beklagte die freiwillige Mitgliedschaft des Klägers.

4

Die auch gegen diesen Bescheid gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Hiergegen richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung.

II.

5

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.

6

Der Antrag genügt bereits nicht den Anforderungen, die § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO an die Darlegung der Zulassungsgründe stellt. Nach dieser Vorschrift sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Berufung kann nach § 124 Abs. 2 VwGO nur aus den dort genannten Gründen zugelassen werden. Es ist mithin in der Begründung des Zulassungsantrages darzulegen, ob die Zulassung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), wegen Abweichung der erstinstanzlichen Entscheidung von einer Entscheidung eines der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO bezeichneten Gerichte und/oder wegen eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) beantragt wird. Ferner muss im Einzelnen unter konkreter Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung begründet werden, weshalb der benannte Zulassungsgrund erfüllt ist (vgl. Senatsbeschl. v. 23.2.2011 - 8 LA 18/11 -, juris Rn. 2; Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 124a Rn. 90 f. (Stand: September 2004) jeweils m.w.N.).

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Diesen Anforderungen wird die vom Kläger mit Schriftsatz vom 15. Januar 2015 innerhalb der Frist nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO gegebene Begründung nicht gerecht. Denn darin wird mit keinem Wort dargelegt, auf welchen der gesetzlichen Zulassungsgründe der Zulassungsantrag gestützt werden soll. Keine der fünf Fallgruppen des § 124 Abs. 2 VwGO ist nach Ziffer oder Wortlaut benannt oder auf sonstige Weise hinreichend erkennbar in Bezug genommen worden. Auch mit der bloßen Kritik an der erstinstanzlichen Entscheidung hat der Kläger den Berufungszulassungsgrund der ernstlichen Zweifel nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt (vgl. Senatsbeschl. v. 15.3.2010 - 8 LA 32/10 -; Hamburgisches OVG, Beschl. v. 24.4.1998 - Bf V 97/97 -, NordÖR 1998, 305, 306). Es ist grundsätzlich nicht Aufgabe des Gerichts, das Zulassungsvorbringen den möglicherweise in Betracht kommenden Zulassungsgründen zuzuordnen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.8.2010 - 1 BvR 2309/09 -, juris Rn. 12).

8

Auch die nachträgliche Ergänzung des Klägers im Schriftsatz vom 24. März 2015, er mache (auch) den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung geltend, vermag seinem Berufungszulassungsantrag nicht mehr zur Zulässigkeit zu verhelfen. Denn diese Ergänzung ist nicht innerhalb der bereits am 16. März 2015 abgelaufenen Darlegungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO vorgenommen worden. Ergänzungen betreffend die Darlegung eines Zulassungsgrundes sind nach Ablauf der genannten Frist nur zu berücksichtigen, soweit der konkrete Zulassungsgrund bereits in offener Frist den Mindestanforderungen entsprechend dargelegt worden ist (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 28.10.2008 - 6 AD 2/08 -, NVwZ-RR 2009, 360; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl., § 124a Rn. 48 jeweils m.w.N.), woran es hier gerade fehlt.

9

Im Übrigen liegen die nach dem Vorbringen des Klägers einzig in Betracht kommenden Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (1.) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (2.) in der Sache auch nicht vor.

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1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind zu bejahen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.12.2009 - 2 BvR 758/07 -, BVerfGE 125, 104, 140). Die Richtigkeitszweifel müssen sich dabei auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, NVwZ-RR 2004, 542, 543). Eine den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügende Darlegung dieses Zulassungsgrundes erfordert, dass im Einzelnen unter konkreter Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ausgeführt wird, dass und warum Zweifel an der Richtigkeit der Auffassung des erkennenden Verwaltungsgerichts bestehen sollen. Hierzu bedarf es regelmäßig qualifizierter, ins Einzelne gehender, fallbezogener und aus sich heraus verständlicher Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes auseinandersetzen (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 3.4.2013 - 13 LA 34/13 -, juris Rn. 2; Beschl. v. 24.3.2009 - 10 LA 377/08 -, juris Rn. 2; Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., Rn. 100).

11

Der Kläger wendet gegen die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils ein, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht die Beendigung seiner Mitgliedschaft im beklagten Rechtsanwaltsversorgungswerk angenommen.

12

Das satzungsmäßige Verfahren zur Beendigung der freiwilligen Mitgliedschaft bei Beitragsrückständen sei rechtswidrig. Die danach geltende Monatsfrist zum Ausgleich von Beitragsrückständen sei angesichts der Bedeutung einer Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung für das einzelne Mitglied einerseits und andererseits der Auswirkungen geringfügiger Beitragsrückstände auf das Finanzierungssystem der Versorgungseinrichtung unverhältnismäßig kurz. Der Beklagte verwalte ein Milliardenvermögen; die von ihm - dem Kläger - geschuldeten Beiträge beliefen sich demgegenüber nur auf wenige Hundert Euro. Bei einer Beendigung der Mitgliedschaft müsse das Mitglied zudem von der öffentlichen Sozialfürsorge aufgefangen werden.

13

Der Beklagte habe auch sein Ermessen, die freiwillige Mitgliedschaft wegen Beitragsrückständen zu beenden, fehlerhaft ausgeübt. Die Beendigung der Mitgliedschaft beruhe auf sachfremden Erwägungen. Der Beklagte beende seit 2013 vermehrt freiwillige Mitgliedschaften, um sein "Portfolio wie Banken zu bereinigen". Im Übrigen habe er - der Kläger - die rückständigen Beiträge bereits am 18. Januar 2013 gezahlt. Vorher sei ihm eine fristgerechte Zahlung nicht möglich gewesen. Aufgrund einer notwendigen Operation im August 2012 und einer verzögerten Genesung habe er erst ab Mitte 2013 wieder umfassend arbeiten können. Während dieses Zeitraums sei es in Spitzenzeiten zu Verzögerungen von bis zu zwei Wochen gekommen. Wegen dieser Umstände sei der Beklagte verpflichtet gewesen, ihm Wiedereinsetzung in die versäumte satzungsrechtliche Frist zu gewähren.

14

Diese Einwände begründen nach dem eingangs dargestellten Maßstab ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nicht. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Bescheid des Beklagten vom 10. Januar 2013 über die Beendigung der freiwilligen Mitgliedschaft des Klägers im beklagten Rechtsanwaltsversorgungswerk Niedersachsen rechtmäßig ist.

15

Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des mit einer Anfechtungsklage angegriffenen Bescheides ist - vorbehaltlich abweichender Regelungen im materiellen Recht - die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.8.2005 - BVerwG 6 C 15.04 -, BVerwGE 124, 110, 113; Urt. v. 28.7.1989 - BVerwG 7 C 39.87 -, BVerwGE 82, 260, 261; Senatsurt. v. 15.6.2010 - 8 LB 115/09 -, juris Rn. 27 ff. jeweils m.w.N.). Den danach hier anzuwendenden Bestimmungen des Gesetzes über das Niedersächsische Versorgungswerk der Rechtsanwälte - RVNG - in der Fassung vom 14. März 1982 (Nds. GVBl. S. 65) und der Satzung des Niedersächsischen Versorgungswerks der Rechtsanwälte - RVS - vom 4. September 1996 (Nds. RPfl. 1997, 241) in der zuletzt am 16. November 2009 (Nds. RPfl. S. 389) geänderten Fassung ist für die streitgegenständliche Frage der Beendigung einer freiwilligen Mitgliedschaft wegen Beitragsrückständen nicht zu entnehmen, dass es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit auf einen anderen Zeitpunkt als den der letzten Verwaltungsentscheidung ankommen soll. § 10 Abs. 4 RVS bestimmt zwar, dass der Bescheid, mit dem die Beendigung der freiwilligen Mitgliedschaft angeordnet wird, erst mit Ablauf des Monats wirksam wird, in dem er bestandskräftig geworden ist. Hiermit hat der Satzungsgeber aber ersichtlich nur den Zeitpunkt bestimmt, in dem die Rechtsfolgen einer Beendigung der Mitgliedschaft insbesondere mit Blick auf die Pflicht zur Zahlung von Beiträgen eintreten sollen (vgl. Eichele/Stamp, Rechtsanwaltsversorgung Rheinland-Pfalz, 2010, § 8 Rn. 6). Eine abweichende Bestimmung des - für die verwaltungsgerichtliche Entscheidung maßgeblichen - Zeitpunkts, in dem die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Beendigung der Mitgliedschaft vorliegen müssen, ist hingegen nicht getroffen worden. Mit Blick auf die in § 10 Abs. 3 Buchst. b RVS bestimmten tatbestandlichen Voraussetzungen liegt es vielmehr nahe, dass es für deren Vorliegen allein auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung ankommen soll.

16

Nach § 10 Abs. 3 Buchst. b RVS endet die freiwillige Mitgliedschaft durch schriftlichen Bescheid des Versorgungswerks, der nur im Falle des Zahlungsrückstandes mit mindestens drei Monatsbeiträgen zulässig ist (Satz 1). Er setzt voraus, dass das freiwillige Mitglied wegen eines Beitragsrückstands gemahnt wurde und der Zahlungsaufforderung innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung nicht nachgekommen ist (Satz 2). Die Mahnung muss auf die Rechtsfolge des Zahlungsrückstandes hinweisen (Satz 3).

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Ernstliche Zweifel an der Wirksamkeit dieser Satzungsbestimmung bestehen nicht (a.), die in ihr formulierten tatbestandlichen Voraussetzungen sind erfüllt (b.) und der Ermessensentscheidung des beklagten Versorgungswerks, die freiwillige Mitgliedschaft des Klägers zu beenden, haften nach § 114 Satz 1 VwGO relevante Fehler nicht an (c.).

18

a. Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit und daraus folgende Unwirksamkeit dieser Satzungsbestimmung ergeben sich aus dem Zulassungsvorbringen des Klägers nicht.

19

Die nach der Satzungsbestimmung mögliche Beendigung der Mitgliedschaft im beklagten Rechtsanwaltsversorgungswerk gegen den Willen des Mitglieds greift nicht in durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtspositionen ein. Ansprüche und Anwartschaften aus dem berufsständischen Versorgungsrecht fallen zwar in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG, wenn es sich um vermögenswerte Rechtspositionen handelt, die nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts dem Rechtsträger als privatnützig zugeordnet sind, auf nicht unerheblichen Eigenleistungen beruhen und seiner Existenzsicherung dienen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 11.5.2005 - 1 BvR 368/97 -, NJW 2005, 2213; Beschl. v. 31.8.2004 - 1 BvR 1776/97 -, juris Rn. 8 f.; BVerwG, Urt. v. 21.9.2005 - BVerwG 6 C 3.05 -, NJW 2006, 711, 712; Senatsbeschl. v. 3.2.2012 - 8 LA 156/11 -, NJW 2012, 1899 jeweils m.w.N.). Ein Eingriff in den derart grundrechtlich geschützten Besitzstand setzt aber voraus, dass der angesparte Wert der Versorgungsanwartschaft beeinträchtigt wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.7.2010 - 1 BvL 11/06 u.a. -, BVerfGE 126, 369, 390 f.; Senatsbeschl. v. 30.7.2012 - 8 LA 149/11 -, juris Rn. 17). Anhaltspunkte für eine solche Beeinträchtigung erworbener Anwartschaften durch die Beendigung der freiwilligen Mitgliedschaft ergeben sich aus dem Zulassungsvorbringen des Klägers nicht. Die darüberhinausgehende bloße Aussicht, durch Zahlung weiterer Versorgungsabgaben und Zurücklegung weiterer Versicherungszeiten in einem bestimmten Versorgungssystem oder Versorgungswerk eine besonders ertragreiche Altersversorgung zu erlangen, ist eigentumsrechtlich hingegen nicht geschützt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 31.8.2004 - 1 BvR 285/01 -, NZS 2005, 253; Beschl. v. 25.2.1960 - 1 BvR 239/52 -, BVerfGE 10, 354, 371; BVerwG, Beschl. v. 10.6.1987 - BVerwG 1 B 26.87 -, juris Rn. 7 f.; Senatsbeschl. v. 30.7.2012, a.a.O.).

20

Auch ein Eingriff in die Berufsfreiheit des Klägers aus Art. 12 Abs. 1 GG liegt hier nicht vor. Den mit der Beendigung der freiwilligen Mitgliedschaft beim beklagten Rechtsanwaltsversorgungswerk verbundenen Folgewirkungen fehlt die für einen Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG erforderliche objektiv berufsregelnde Tendenz. Sie stehen allenfalls in einem losen Zusammenhang mit der Berufstätigkeit, so dass sie die eigentliche Berufsausübung nicht beeinflussen und der Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG nicht berührt ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 31.8.2004, a.a.O., S. 254 (zur Beendigung der Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung); Senatsbeschl. v. 30.7.2012, a.a.O., Rn. 18 (zur Beendigung der Pflichtmitgliedschaft in einem Versorgungswerk bei Begründung der Pflichtmitgliedschaft in einem anderen Versorgungswerk)).

21

Ein daher mit der Beendigung der freiwilligen Mitgliedschaft beim beklagten Rechtsan-waltsversorgungswerk allein verbundener Eingriff in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

22

Dem beklagten Rechtsanwaltsversorgungswerk ist durch den Gesetzgeber in § 1 Abs. 2 RVNG die Aufgabe zugewiesen, seinen Mitgliedern und deren Hinterbliebenen eine Versorgung zu gewährleisten. Die Mitglieder sollen insoweit wirtschaftlich abgesichert werden und auch dadurch ein leistungsfähiger Berufsstand erhalten werden. Die finanzielle Stabilität des Versorgungswerks ist daher ein wichtiger Gemeinwohlbelang (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.8.2007 - BVerwG 6 B 40.07 -, juris Rn. 9). Demzufolge liegt es nicht nur im besonderen Interesse des Versorgungswerks, sondern auch im öffentlichen Interesse, dass die Mitglieder die Mitgliedsbeiträge ordnungsgemäß entrichten. Denn diese bilden den Kapitalstock des Vermögens des Versorgungswerks, das zur Deckung der zu erbringenden Versorgungsleistungen und damit der Erfüllung der gesetzlichen Aufgabe dient (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.12.2013 - BVerwG 3 C 17.13 -, BVerwGE 148, 344, 352).

23

Die Erfüllung der so beschriebenen gesetzlichen Aufgabe durch das Versorgungswerk kann gefährdet sein, wenn Mitglieder ihre Beiträge nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig leisten. Dafür ist es - entgegen der Annahme des Klägers - ohne Belang, dass der vom einzelnen Mitglied zu leistende Beitrag in Relation zu dem vom Versorgungswerk verwalteten Vermögen marginal erscheint. Denn es handelt sich um ein System solidarischer kollektiver Versorgung (vgl. Senatsbeschl. v. 30.7.2012, a.a.O., Rn. 19); es basiert auf der Erfüllung der Pflichten durch jedes einzelne Mitglied und ist in seiner Funktionsfähigkeit hiervon abhängig. Um die, wie gezeigt, im öffentlichen Interesse liegende Funktionsfähigkeit nicht zu gefährden, kann es daher - vorbehaltlich einer abweichenden Entscheidung des Gesetzgebers, die für freiwillige Mitglieder nicht ersichtlich ist - grundsätzlich verhältnismäßig sein, die Mitgliedschaft im Versorgungswerk gegen den Willen des Mitglieds zu beenden, wenn es seine Pflichten nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig erfüllt.

24

Eine solche verhältnismäßige Regelung zur Beendigung der freiwilligen Mitgliedschaft trifft § 10 Abs. 3 Buchst. b RVS. Die vorgesehene Beendigung der Mitgliedschaft ist zur Erreichung des im öffentlichen Interesse liegenden Zwecks, die Funktionsfähigkeit des Rechtsanwaltsversorgungswerks und damit der berufsständischen Versorgung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte durch rechtzeitige und vollständige Beitragszahlungen der Mitglieder zu sichern, erforderlich und auch unter Berücksichtigung des widerstreitenden Interesses des Mitglieds, selbst über den Fortbestand der Mitgliedschaft entscheiden zu dürfen, nicht unangemessen. Denn die Beendigung der freiwilligen Mitgliedschaft setzt eine nicht unerhebliche Verletzung der mitgliedschaftlichen Kernpflicht zur Zahlung der Beiträge (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 RVNG) voraus. Zudem muss dem Mitglied vor Beendigung der Mitgliedschaft eine Mahnung zugestellt werden: Eine Nachfrist von einem Monat zum Ausgleich der Beitragsrückstände muss fruchtlos verstrichen und das Mitglied muss auf die Rechtsfolge des Beitragsrückstandes hingewiesen worden sein. Dem Mitglied werden so die Folgen der Pflichtverletzung aufgezeigt und es wird seinem Willen und Handeln überlassen, auf den Fortbestand der Mitgliedschaft Einfluss zu nehmen. Entgegen der Auffassung des Klägers ist auch die für den Ausgleich der Beitragsrückstände bestimmte Nachfrist von einem Monat nicht zu beanstanden. Dabei geht der Senat davon aus, dass dem Satzungsgeber des beklagten Versorgungswerks - auch - insoweit ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Gestaltungsspielraum zusteht, dessen Grenzen erst bei willkürlicher Diskriminierung oder Privilegierung überschritten sind, und daher gerichtlich nicht zu überprüfen ist, ob der Satzungsgeber die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung gefunden hat (vgl. BVerfG, Beschl. v. 28.11.1997 - 1 BvR 324/93 -, NJW-RR 1999, 134; BVerwG, Urt. v. 5.12.2000 - BVerwG 1 C 11.00 -, NJW 2001, 1590, 1591 f.; Senatsbeschl. v. 13.1.2011 - 8 PA 241/10 -, juris Rn. 11; Bayerischer VGH, Urt. v. 16.8.1999 - 9 B 96.2276 -, juris Rn. 35; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 27.11.1996 - 9 S 1152/96 -, NJW-RR 1997, 630).

25

Hier erweist sich die Nachfrist von einem Monat nicht als willkürlich. Sie ist vielmehr regelmäßig ausreichend, um liquide Mittel zur Erfüllung der Beitragsforderungen zu gestatten oder ausnahmsweise bei dem Beklagten eine Stundung der Beitragsforderungen zu beantragen (vgl. zu dieser - von Satzungsregelungen unabhängigen - Möglichkeit: Senatsbeschl. v. 13.10.2011 - 8 ME 173/11 -, juris Rn. 15 mit weiten Nachweisen). Unabhängig davon ist die Nachfrist nicht isoliert, sondern im Zusammenhang mit den vorausgegangenen mehrmonatigen Zeiträumen zu betrachten, in denen der Beitragsrückstand entstanden ist. In zeitlicher Hinsicht stehen dem Mitglied daher hinreichende Möglichkeiten zur Erfüllung der Beitragsforderungen zur Verfügung. Auch andere berufsständische Versorgungswerke haben eine ähnliche (vgl. etwa § 13 Abs. 2 Satz 3 der Alterssicherungsordnung der Ärztekammer Niedersachsen 2015; § 12 Abs. 5 Satz 3 der Alterssicherungsordnung der Apothekerversorgung Niedersachsen 2011; § 13 Abs. 2 Buchst. b der Alterssicherungsordnung der Tierärztekammer Niedersachsen 2014; § 10 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Satzung der Hanseatischen Rechtsanwaltsversorgung Bremen 2013) oder sogar kürzere (vgl. etwa § 12 Nr. 3 Buchst. b der Satzung für die Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenensicherung der Zahnärztekammer Niedersachsen 2014: 14 Tage) Nachfrist bestimmt (vgl. auch zur Angemessenheit einer vierzehntägigen Nachfrist bei der Beendigung der freiwilligen Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung aufgrund Beitragsrückständen: Hessisches LSG, Urt. v. 25.9.2006 - L 1 KR 204/05 -, juris Rn. 22).

26

b. Die sich aus der danach wirksamen Regelung § 10 Abs. 3 Buchst. b RVS ergebenden tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Beendigung der freiwilligen Mitgliedschaft sind hier erfüllt.

27

Der Kläger leistete Beitragszahlungen für die Monate Juli bis November 2012 und damit, wie von § 10 Abs. 3 Buchst. b Satz 1 RVS gefordert, für mindestens drei Monate nicht. Wegen dieses Beitragsrückstands mahnte der Beklagte den Kläger gemäß § 10 Abs. 3 Buchst. b Satz 2 RVS mit Schreiben vom 16. November 2012, zugestellt durch Postzustellungsurkunde am 19. November 2012, und setzte eine Nachfrist von einem Monat. Das Schreiben enthält den nach § 10 Abs. 3 Buchst. b Satz 3 RVS erforderlichen Hinweis darauf, dass bei nicht fristgerechter Zahlung die freiwillige Mitgliedschaft beendet werden kann. Der Kläger glich die Beitragsrückstände nicht innerhalb der am 19. Dezember 2012 abgelaufenen Nachfrist aus.

28

c. Der sodann vom Beklagten im Bescheid vom 10. Januar 2013 getroffenen Ermessensentscheidung, die freiwillige Mitgliedschaft des Klägers zu beenden, haften nach § 114 Satz 1 VwGO relevante Fehler nicht an.

29

Die Entscheidung erweist sich insbesondere nicht als unverhältnismäßig; das Interesse des Klägers, selbst über den Fortbestand seiner Mitgliedschaft entscheiden zu dürfen, überwiegt das vom beklagten Versorgungswerk verfolgte Interesse, die Funktionsfähigkeit des Rechtsanwaltsversorgungswerks und damit der berufsständischen Versorgung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte durch rechtzeitige und vollständige Beitragszahlungen der Mitglieder zu sichern, nicht (vgl. zu den Anforderungen an die Ermessensausübung: Senatsbeschl. v. 6.8.2012 - 8 LA 200/11 -, V.n.b.).

30

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend herausgestellt, dass der Kläger bereits in der Vergangenheit in zahlreichen Fällen mit der Zahlung von Beiträgen in Verzug geraten war, etwa im Mai 2010 (Blatt 4 der Beiakte A), im Juni 2010 (Blatt 6 der Beiakte A), im Juli 2010 (Blatt 10 der Beiakte A), teilweise von August bis Oktober 2010 (Blatt 18 der Beiakte A), im November 2010 (Blatt 22 der Beiakte A) und von Dezember 2010 bis Juni 2011 (Blatt 27 und 30 der Beiakte A). Ihm ist vom Beklagten in den Schreiben vom 11. November 2010 (Blatt 18 der Beiakte A), vom 29. April 2011 (Blatt 27 der Beiakte A) und vom 22. Juni 2011 (Blatt 30 der Beiakte A) die Beendigung der freiwilligen Mitgliedschaft angekündigt worden. Den Bescheid vom 25. August 2011 (Blatt 34 der Beiakte A), mit dem die Mitgliedschaft bereits beendet worden war, hob der Beklagte nach einer Neuberechnung der Beiträge wieder auf (Blatt 51 der Beiakte A). Auch in der Folge geriet der Kläger aber mit der Zahlung der deutlich reduzierten Beiträge wiederholt in Verzug, etwa teilweise von Oktober 2011 bis Januar 2012 (Blatt 56 und 59 der Beiakte A), von April bis Juni 2012 (Blatt 64 der Beiakte A) und schließlich von Juli bis November 2012 (Blatt 72 der Beiakte A). Bei derartigen, über mehrere Jahre fortdauernden Verletzungen der mitgliedschaftlichen Pflicht zur rechtzeitigen und vollständigen Zahlung der Beiträge ist eine Beendigung der freiwilligen Mitgliedschaft durch das Versorgungswerk nicht unangemessen.

31

Eine andere Bewertung ist hier auch nicht mit Blick auf das vom Kläger geltend gemachte mangelnde Verschulden an der Einhaltung der Nachfrist geboten. Dabei kann der Senat dahinstehen lassen, ob eine förmliche Wiedereinsetzung in die versäumte Nachfrist gemäß § 1 Abs. 1 NVwVfG in Verbindung mit § 32 VwVfG überhaupt möglich ist (vgl. zur mangelnden Anwendbarkeit der genannten Bestimmungen bei einer Säumnis materieller Ausschlussfristen: BVerwG, Urt. v. 28.3.1996 - BVerwG 7 C 28.95 -, BVerwGE 101, 39, 42 ff.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 30.11.1990 - 5 A 2561/88 -, NVwZ 1992, 183 f.). Denn der Kläger hat mit seinem Zulassungsvorbringen ein mangelndes Verschulden nicht ansatzweise glaubhaft gemacht. Der alleinige Hinweis darauf, dass ihm eine Zahlung vor dem 18. Januar 2013 aufgrund einer notwendigen Operation im August 2012 und einer verzögerten Genesung bis Mitte 2013 (Sic ! Vgl. Schriftsatz v. 15.1.2015, dort S. 4) nicht möglich gewesen sei, ist bereits in sich widersprüchlich. Er ist auch anhand des in den Verwaltungsvorgängen dokumentierten Verhaltens des Klägers nicht ansatzweise nachzuvollziehen. Denn danach hat der Kläger auf die Erinnerung des Beklagten vom 26. November 2012, den Einkommensnachweis für das Jahr 2011 vorzulegen, unmittelbar am 1. Dezember 2012 reagiert (vgl. Blatt 76 der Beiakte A). Es fehlt daher jeglicher Anhaltspunkt, dass ihm in diesem Zeitpunkt krankheitsbedingt eine Überweisung der Beitragsrückstände nicht möglich gewesen ist.

32

Ein Ermessensfehler ergäbe sich schließlich nicht daraus, dass der Beklagte, ohne dass dies für den Senat ersichtlich ist, zahlreiche freiwillige Mitgliedschaften wegen Beitragsrückständen beendet hätte. Allein die gleichmäßige verwaltungspraktische Anwendung einer wirksamen satzungsrechtlichen Regelung auf vergleichbare Sachverhalte kann offensichtlich nicht willkürlich oder sachfremd sein.

33

2. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Eine solche grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine höchstrichterlich noch nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine obergerichtlich bislang ungeklärte Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich im Rechtsmittelverfahren stellen würde und im Interesse der Einheit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung durch das Berufungsgericht bedarf (vgl. Senatsbeschl. v. 11.7.2013 - 8 LA 148/12 -, juris Rn. 30; Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., § 124 Rn. 30 f. m.w.N.). Um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO darzulegen, hat der Zulassungsantragsteller die für fallübergreifend gehaltene Frage zu formulieren sowie näher zu begründen, weshalb sie eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat und ein allgemeines Interesse an ihrer Klärung besteht. Darzustellen ist weiter, dass sie entscheidungserheblich ist und ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten steht (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 17.2.2010 - 5 LA 342/08 -, juris Rn. 12; Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., § 124a Rn. 103 f.).

34

Diesen Anforderungen genügt das klägerische Zulassungsvorbringen nicht ansatzweise. Der Kläger hat eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage, der eine grundsätzliche Bedeutung zukommen soll, nicht formuliert. Der seinem Vorbringen allenfalls bei wohlwollender Auslegung zu entnehmenden Frage, ob die einmonatige (Nach-)Zahlungs-frist des § 10 Abs. 3 Buchst. b Satz 2 RVS vom Satzungsgeber verhältnismäßig bemessen ist, kommt eine die Zulassung der Berufung gebietende grundsätzliche Bedeutung nicht zu. Die Frage betrifft ausgelaufenes Recht (vgl. die Neufassung der Satzung des Rechtsanwaltsversorgungswerks Niedersachsen v. 18.12.2014, Nds. RPfl. S. 43 ff.) und ist im Übrigen, wie zu 1. ausgeführt, zu beantworten, ohne dass hierzu es der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

 


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