Beschluss vom Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht (11. Senat) - 11 MC 186/17
Tenor
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstands für das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
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Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtschutz gegen die von der Antragsgegnerin verfügte Beschränkung des Geltungsbereichs ihres Reisepasses für Reisen nach Afghanistan.
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Die Antragstellerin ist Vorsitzende des Vereins B. e. V., dessen satzungsmäßiger Zweck die humanitäre Hilfe für Menschen in Afghanistan ist. Nach ihren Angaben reist sie seit 25 Jahren regelmäßig in dieses Land und speziell nach Kunduz. Im Sommer 2016 lagen den Sicherheitsbehörden Erkenntnisse darüber vor, dass im Raum Kunduz bezogen auf die Antragstellerin Entführungspläne einer lokalen Gruppierung mit anschließenden Lösegeldforderungen gegen die Bundesrepublik Deutschland bestehen. Da die Antragstellerin nach den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden ihre Ausreise nach Kunduz plante, schränkte die Antragsgegnerin aufgrund der behördlichen Erkenntnisse und wegen der allgemein als extrem gefährlich eingestuften Sicherheitslage in Afghanistan gerade für deutsche Staatsangehörige mit Bescheid vom 12. September 2016 den Geltungsbereich des Reisepasses der Antragstellerin gemäß § 8 PassG i. V. m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 und Abs. 2 Satz 1 PassG wegen einer Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland dergestalt ein, dass eine Ausreise aus dem Bundesgebiet nach Afghanistan unmittelbar oder über ein Drittland nicht gestattet ist (Ziffer 1.). Die Antragsgegnerin befristete diese Beschränkung zunächst bis zum 1. September 2017 (Ziffer 2.) und forderte die Antragstellerin unter Androhung unmittelbaren Zwangs zugleich auf, ihren Reisepass unverzüglich zur Sicherstellung zu überlassen (Ziffer 3.); insoweit ordnete sie die sofortige Vollziehung an (Ziffer 4.).
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Auf die Klage der Antragstellerin hat das Verwaltungsgericht Braunschweig nach Durchführung einer Beweiserhebung mit Urteil vom 4. April 2017 - 4 A 383/16 - den Bescheid vom 12. September 2016 aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Erpressung von Lösegeld für einen deutschen Staatsangehörigen nach dessen Entführung gefährde zwar die sonstigen erheblichen Belange der Bundesrepublik Deutschland. Auch bestehe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme eine erhebliche Gefährdung der Antragstellerin durch Entführung von regierungsfeindlichen Kräften bei einer Ausreise nach Afghanistan, die durch die von der Antragstellerin vorgebrachten Eigenschutzmaßnahmen vor Ort nicht beseitigt werde. Die Antragstellerin sei aber nach allgemeinen Grundsätzen des Polizei- und Ordnungsrechts nicht unmittelbare Verursacherin der Gefahr und auch nach den Grundsätzen der Zweckveranlassung und der Anscheinsgefahr letztlich nicht verantwortlich für eine etwaige Entführung und sich eventuell anschließende Lösegeldforderungen gegen die Bundesrepublik Deutschland.
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Gegen dieses Urteil führt die Antragsgegnerin die von dem Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Berufung - 11 LC 177/17 -, über die noch nicht entschieden ist.
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Am 23. Juni 2017 hat die Antragstellerin bei dem beschließenden Gericht als Gericht der Hauptsache um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht und zur Begründung im Wesentlichen angeführt, ihre persönliche Anwesenheit bei den Hilfsprojekten in Afghanistan vor Ort sei zur Abnahme und Kontrolle bereits fertiggestellter Projekte und Planung zukünftiger Projekte dringend erforderlich. Daher überwiege im Rahmen einer Interessenabwägung ihr Interesse, ihre humanitären Projekte weiter betreiben zu können, das Aussetzungsinteresse der Antragsgegnerin. Zudem sei der Bescheid der Antragsgegnerin rechtswidrig. Die Antragsgegnerin habe die Anordnung der sofortigen Vollziehung ihres Bescheides nicht hinreichend begründet.
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Die Antragstellerin beantragt,
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die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 12. September 2016 anzuordnen bzw. wiederherzustellen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Sie tritt dem Vorbringen der Antragstellerin entgegen.
II.
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Der zulässige, insbesondere bei dem beschließenden Gericht als Gericht der Hauptsache gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO (vgl. hierzu Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 80, Rdnr. 115) zu Recht anhängig gemachte Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes hat in der Sache keinen Erfolg.
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Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann durch das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO, in denen die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes im öffentlichen Interesse von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, besonders angeordnet wurde, ganz oder teilweise wiederhergestellt werden. In den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage ganz oder teilweise anordnen. Die gerichtliche Entscheidung ergeht dabei auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das private Aussetzungsinteresse einerseits und das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen der Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes Bedeutung erlangen. Lässt sich bei der gebotenen summarischen Überprüfung die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ohne weiteres feststellen, ist sie also offensichtlich, so ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs wiederherzustellen bzw. anzuordnen, weil an der sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheides kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erweist sich der angefochtene Bescheid als offensichtlich rechtmäßig, bedarf es in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse von der Behörde im Einzelfall angeordnet wurde, noch eines besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung, das mit dem Interesse am Erlass eines Verwaltungsaktes in der Regel nicht identisch ist, sondern vielmehr ein qualitativ anderes Interesse ist. Insbesondere in Fällen der Gefahrenabwehr kann dieses besondere Vollzugsinteresse mit dem Interesse am Erlass des Bescheides selbst identisch sein. Lässt sich die Rechtmäßigkeit bei summarischer Prüfung nicht eindeutig beurteilen, bedarf es schließlich einer allgemeinen Interessenabwägung im Sinne einer Folgenabwägung. Dabei sind die Folgen gegenüberzustellen, die einerseits eintreten, wenn dem Antrag stattgegeben wird, der Bescheid sich aber später im Hauptsacheverfahren als rechtmäßig erweist bzw. die andererseits eintreten, wenn der Antrag abgelehnt wird, der Bescheid sich aber später im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweist (s. zum Prüfungsmaßstab Puttler, in: Sodan/Ziekow, a. a. O., § 80, Rdnr. 137 ff. m. w. N.).
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Nach diesen Maßstäben erweist sich der Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes als unbegründet. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes das private Interesse der Antragstellerin an einem einstweiligen Aufschub der Vollziehung. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschränkung des Geltungsbereichs des Reisepasses der Antragstellerin offensichtlich rechtmäßig oder rechtswidrig ist (dazu 1.). Bei der deshalb unabhängig von den Erfolgsaussichten in der Hauptsache vorzunehmenden allgemeinen Interessenabwägung überwiegt zurzeit das Interesse an der Vollziehung der streitgegenständlichen Anordnungen das Interesse der Antragstellerin an der Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage (dazu 2.).
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1. Nach der im Rahmen dieses Verfahrens allein vorzunehmenden summarischen Prüfung kann der Senat nicht feststellen, dass der angefochtene Bescheid der Antragsgegnerin vom 12. September 2016 offensichtlich rechtmäßig oder rechtswidrig ist.
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1.1 Der Vortrag der Antragstellerin, die Antragsgegnerin habe die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise begründet, greift nicht durch.
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Nach § 14 PassG haben Anfechtungsklagen gegen die Beschränkung des Geltungsbereichs des Passes keine aufschiebende Wirkung, sodass nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen Ziffer 1. und 2. des Bescheides der Antragsgegnerin vom 12. September 2016 bereits von Gesetzes wegen entfällt mit der Folge, dass es einer gesonderten Begründung nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht bedarf.
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Im Übrigen hat die Antragsgegnerin die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Aufforderung zur unverzüglichen Aushändigung des Reisepasses (Ziffer 3.) in einer den Erfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise begründet. Das mit dieser Vorschrift normierte Erfordernis einer schriftlichen Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes soll neben der Information des Betroffenen und des mit einem eventuellen Aussetzungsantrag befassten Gerichts vor allem die Behörde selbst mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zwingen, sich des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung bewusst zu werden und die Frage des Sofortvollzuges besonders sorgfältig zu prüfen. Die Anforderungen an den erforderlichen Inhalt einer solchen Begründung dürfen hierbei nicht überspannt werden. Die Begründung muss einen bestimmten Mindestinhalt aufweisen. Dazu gehört insbesondere, dass sie sich - in aller Regel - nicht lediglich auf eine Wiederholung der den Verwaltungsakt tragenden Gründe, auf eine bloße Wiedergabe des Textes des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO oder auf lediglich formelhafte, abstrakte und letztlich inhaltsleere Wendungen, namentlich solche ohne erkennbaren Bezug zu dem konkreten Fall, beschränken darf. Demgegenüber verlangt § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht, dass die für das besondere Vollzugsinteresse angeführten Gründe auch materiell überzeugen, also inhaltlich die getroffene Maßnahme rechtfertigen (Puttler, in: Sodan/Ziekow, a. a. O., § 80, Rdnr. 96 ff.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 8.11.2016 - 8 B 1395/15 , juris, Rdnr. 8, jeweils m. w. N.).
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Gemessen daran ist die Begründung der Vollziehungsanordnung nicht zu beanstanden. Sie weist einen hinreichenden Bezug zum Einzelfall auf und erschöpft sich nicht in einer Wiederholung des Gesetzestextes. Die Antragsgegnerin hat zur Begründung ausgeführt, dass die Gefahrenabwehr ins Leere laufen würde, wenn die Ausreise der Antragstellerin nach Afghanistan bis zum Eintritt der Bestandskraft des Bescheides noch zulässig wäre. Mit der Absicht ihrer Ausreise nach Afghanistan verursache die Antragstellerin eine Gefährdung hochrangiger Rechtsgüter, die eine sofortige wirksame Gefahrenabwehr erfordere. Diese Ausführungen geben zu erkennen, dass die Antragsgegnerin die Anordnung der sofortigen Vollziehung fallbezogen erwogen hat und sich dabei des Ausnahmecharakters einer solchen Anordnung bewusst geworden ist.
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Darüber hinaus kann im Recht Gefahrenabwehr, dem auch das Passrecht zuzuordnen ist, im Regelfall das besondere öffentliche Vollzugsinteresse nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO mit dem Interesse am Erlass des Verwaltungsakts zusammenfallen. Soll im Gefahrenabwehrrecht schwerwiegenden Risiken vorgebeugt werden, besteht an der sofortigen Vollziehbarkeit der Maßnahmen zur Bekämpfung der Risiken ein besonderes öffentliches Interesse, um die beabsichtigte Gefahrvermeidung sicherzustellen und nicht bis zum Abschluss eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens den risikobehafteten Sachverhalt ohne entsprechende Schutzmaßnahmen dulden zu müssen.
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1.2 Es ist offen, ob der angefochtene Bescheid der Antragsgegnerin rechtmäßig ist.
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Die Beschränkung des Reisepasses der Antragstellerin beruht auf §§ 8, 7 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3, Abs. 2 Satz 1 PassG. Nach § 8 PassG kann dem Inhaber ein Pass entzogen werden, wenn Tatsachen bekannt werden, die nach § 7 Abs. 1 PassG die Passversagung rechtfertigen würden. Nach der hier allein in Betracht kommenden Fallgruppe des § 7 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 PassG ist der Pass zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passbewerber sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Von der Passversagung ist gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 PassG abzusehen, wenn sie unverhältnismäßig ist, insbesondere wenn es genügt, den Geltungsbereich zu beschränken.
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Fraglich ist, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Eingriffsermächtigung gegeben sind. Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich. Bei der Entziehung und der räumlichen Beschränkung des Geltungsbereichs des Reisepasses handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, da die Maßnahmen sich nicht in einer einmaligen Anordnung erschöpfen, sondern für den Passinhaber dauerhafte Wirkung entfalten (OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 4.5.2015 - 19 A 2097/14 -, NJW 2016, 518, juris, Rdnr. 23 ff. m. w. N.). Im vorliegenden Fall sind Tatsachen bekannt geworden, die die Annahme begründen könnten, die Antragstellerin werde durch die beabsichtigte Ausreise nach Afghanistan sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden.
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Der Begriff der sonstigen erheblichen Belange der Bundesrepublik Deutschland ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Vorliegen voller gerichtlicher Nachprüfung unterliegt. Er umfasst Sachverhalte, die in ihrer Erheblichkeit den beiden anderen in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG genannten Tatbestandsalternativen der Gefährdung der inneren und äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland nahekommen. Die Belange müssen so gewichtig sein, dass die Passbehörde sie aus zwingenden staatspolitischen Gründen der freiheitlichen Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland gegenüber dem Grundrecht des Passinhabers aus Art. 2 Abs. 1 GG auf freie Ausreise aus dem Bundesgebiet voranstellen muss.
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Der Passinhaber gefährdet sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland unter anderem dann, wenn bestimmte Tatsachen die Prognose rechtfertigen, er werde sich im Ausland an Gewalttätigkeiten beteiligen, die geeignet sind, die auswärtigen Beziehungen oder unter besonderen Umständen auch das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland zu schädigen (vgl. hierzu etwa OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 4.5.2015 - 19 A 2097/14 -, a. a. O., juris, Rdnr. 28 ff. m. w. N.; VG Aachen, Beschl. v. 31.3.2016 - 8 L 1094/15 -, juris, Rdnr. 20 ff.; VG Braunschweig, Urt. v. 7.9.2016 - 5 A 99/15 -, juris, Rdnr. 33, wegen beabsichtigter Beteiligung am militanten „Jihad“). Hiervon kann bei der Antragstellerin keine Rede sein.
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Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass eine Gefährdung der sonstigen erheblichen Belange der Bundesrepublik Deutschland in dem oben aufgezeigten Sinn auch dann vorliegt, wenn der Passinhaber sich durch eine Ausreise aus dem Bundesgebiet und Einreise in ein bestimmtes Land der ernstzunehmenden Gefahr der Entführung durch radikale Gruppen mit dem Ziel der Erpressung der Bundesrepublik Deutschland zum Zweck der Zahlung von Lösegeld oder sonstiger Gegenleistungen von staatlicher Seite aussetzt (bejahend VG Stuttgart, Beschl. v. 8.3.2010 - 11 K 67/10 -, juris, Rdnr. 27). Es stellt sich die Frage, ob dieser Fall der drohenden Nötigung eines Verfassungsorgans der Bundesrepublik Deutschland durch Dritte sich von den Fällen unterscheidet, in denen Passinhaber im Ausland in einer lediglich nicht wünschenswerten Weise wie etwa Betteln oder Trampen ohne ausreichende finanzielle Mittel aufzutreten beabsichtigen.
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Zudem bedarf die vom Verwaltungsgericht als entscheidungserheblich angesehene Frage, ob bei der hier vorliegenden Fallgruppe der drohenden Erpressung von Lösegeld für einen deutschen Staatsangehörigen nach dessen Entführung im Ausland zu berücksichtigen ist, dass nicht die Reise des Passinhabers ins Ausland selbst sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar gefährdet, einer näheren Prüfung im Berufungsverfahren. Richtig ist zwar, dass eine derartige Gefährdung sich erst durch das Hinzutreten der befürchteten Entführung und der sich daran eventuell anschließenden Forderungen verwirklicht. Anders als das Verwaltungsgericht sieht der Senat nach summarischer Prüfung die Verantwortlichkeit des Passinhabers in einem solchen Fall aber durchaus als möglich an. Schutzgut sind insoweit die sonstigen erheblichen Belange der Bundesrepublik Deutschland. Dieses Schutzgut wird zwar unzweifelhaft durch die potentiellen Entführer verletzt. Der Passinhaber kann aber nicht in Gänze von der Verantwortlichkeit freigesprochen werden, selbst wenn er seine Entführung nicht selbst ins Werk setzt oder seinerseits nicht direkt Forderungen an die Bundesrepublik Deutschland stellt. Auch das Verwaltungsgericht sieht an anderer Stelle die sonstigen erheblichen Belange der Bundesrepublik Deutschland durch die Erpressung von Lösegeld für einen deutschen Staatsangehörigen nach dessen Entführung im Ausland ausdrücklich als gefährdet an. In diesem Zusammenhang wird weiter den vom Verwaltungsgericht aufgeworfenen Fragen nachzugehen sein, ob und inwieweit die im allgemeinen Gefahrenabwehrrecht entwickelten Institute der Zweckveranlassung und der Anscheinsgefahr eine durchgreifende Verantwortlichkeit der Antragstellerin als Passinhaberin begründen oder ausschließen.
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Und schließlich wird der Senat in dem Berufungsverfahren näher in den Blick nehmen müssen, ob eine erhebliche Gefährdung der Antragstellerin durch Entführung von regierungsfeindlichen Kräften bei einer Ausreise nach Afghanistan besteht. Obwohl für diese Annahme Einiges spricht und auch das Verwaltungsgericht hiervon ausdrücklich ausgegangen ist, lässt der Senat diese Frage und die übrigen aufgeworfenen Fragestellungen ebenso wie die Frage, ob der Antragsgegnerin bei ihrer Entscheidung Ermessensfehler unterlaufen sind, im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes dahinstehen.
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2. Denn ungeachtet der als offen zu bewertenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache fällt die Interessenabwägung im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens auf der Grundlage einer an der Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zulasten der Antragstellerin aus. Die Folgen, die bei einer Stattgabe zugunsten des Antrages der Allgemeinheit drohen können, wiegen schwerer als die Folgen einer Ablehnung des Antrages für die Antragstellerin.
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Bei Ablehnung des Antrages auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes kann die Antragstellerin zurzeit bis einschließlich 1. September 2017 nicht nach Afghanistan einreisen und ist vorläufig daran gehindert, ihre humanitäre Arbeit vor Ort persönlich fortzusetzen. Dem sind die Folgen gegenüberzustellen, die einerseits eintreten, wenn dem Antrag stattgegeben wird, der angefochtene Bescheid sich aber später im Hauptsacheverfahren als rechtmäßig erweist. Es kann in der Zwischenzeit bis zum Abschluss eines Hauptsacheverfahrens nicht ausgeschlossen werden, sondern ist aufgrund der weder von der Antragstellerin noch vom Verwaltungsgericht in Zweifel gezogenen Hinweislage sogar wahrscheinlich, dass sich die Gefahr einer Entführung der Antragstellerin in Afghanistan durch eine regierungsfeindliche Gruppierung mit anschließender Lösegeldforderung gegenüber der Bundesrepublik Deutschland realisiert. Ein solches Szenarium hätte enorme nachteilige Folgen für die Allgemeinheit und für Dritte, nicht zuletzt auch für die Antragstellerin. Da die Antragsgegnerin die streitgegenständliche Beschränkung des Geltungsbereichs des Reisepasses der Antragstellerin bis zum 1. September 2017 befristet hat, ist es dieser zuzumuten, ihre Einreise nach Afghanistan bis zu diesem Datum aufzuschieben. Es ist von der Antragstellerin weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass es ihr unzumutbar ist, diesen noch verbleibenden kurzen Zeitraum von nunmehr noch knapp acht Wochen abzuwarten.
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