Urteil vom Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht (1. Senat) - 1 LB 141/16
Tenor
Auf die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade – 2. Kammer – vom 16. Juli 2015 geändert und die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte und die Beigeladene vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen einen der Beigeladenen erteilten Bauvorbescheid zur Errichtung von drei Einfamilienhäusern bzw. drei Doppelhäusern auf den Flurstücken 62/3 und 63/6, Flur 22 der Gemarkung F.. Der Kläger bewirtschaftet das südöstlich daran angrenzende Grundstück im Rahmen seines Obstbaubetriebs.
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Auf die Bauvoranfrage der Beigeladenen erteilte der Beklagte unter dem 14. März 2013 einen Bauvorbescheid für die Errichtung von drei Einfamilienhäusern/3 Doppelhäusern. Der Vorbescheid enthält den Hinweis, dass Pflanzenschutz- und Lärmimmissionen von dem angrenzenden Obstbaubetrieb zu tolerieren seien. Der Vorbescheid wurde dem Kläger nicht zugestellt. Unter dem 5. Februar 2014 meldete sich das Niedersächsische Landvolk für den Kläger und fragte an, ob eine Baugenehmigung für diese Grundstücke erteilt worden sei. Mit Schreiben vom 11. Februar 2014 stellte der Beklagte den Vorbescheid an das Landvolk zu. Der Kläger legte unter dem 25. Februar 2014 Widerspruch ein. Der Beklagte wandte sich daraufhin an den Obstbauversuchsring des Alten Landes und bat um Stellungnahme, ob es sich bei dem zwischen den Grundstücken des Klägers und der Beigeladenen verlaufenden Graben um ein wasserführendes Gewässer handele, von dem bei der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln entsprechender Abstand zu halten sei. Unter dem 27. Juni 2014 nahm der Obstbauversuchsring dazu Stellung und führte aus, in Fachgutachten des Pflanzenschutzamtes der Landwirtschaftskammer Niedersachsen werde die Kombination eines 20 m breiten ungenutzten Pufferstreifens mit der Anlage einer immergrünen, dicht bewachsenen Hecke empfohlen, um garantierte Schadstofffreiheit zu erreichen. Für die pflanzenschutzrechtliche Bewertung sei auf die Sondergebietsverordnung für das Alte Land zu verweisen. Der hier anzutreffende Graben sei aufgrund einer aktuellen Bewertung durch einen Ortstermin als trockenfallende Mulde und damit nicht als Gewässer im pflanzenschutzrechtlichen Sinn zu bewerten. Eine trockenfallende Mulde führe nur nach Starkniederschlägen wenige Tage Wasser. Oberflächenwasser werde auch durch Abdrift nicht belastet, so dass die in der Sondergebietsverordnung aufgeführten Auflagen nicht greifen könnten.
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Unter dem 15. September 2014 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und führte zur Begründung aus, dass es sich bei den Grundstücken der Beigeladenen um Grundstücke innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils handele und damit die Obstplantage unmittelbar an eine Wohnbaufläche angrenze, für die eine gegenseitige Rücksichtnahme notwendig sei.
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Dagegen wandte sich der Kläger mit seiner Klage. Im Rahmen des Klageverfahrens legte der Kläger eine weitere Stellungnahme des Obstbauversuchsrings vom 3. Dezember 2014 vor, in der ein Schutzabstand von 20 m zu bewohnten Grundstücken empfohlen wurde, um die Folgen möglicher Abdrift beim Spritzen von Pflanzenschutzmitteln ausschließen zu können. Daneben wies der Obstbauversuchsring auf mögliche Lärmbelästigungen hin, die sowohl beim Betrieb der installierten Frostschutzberegnung auftreten könnten, als auch durch den auf einem Teil der angrenzenden Fläche vorhandenen Anbau von sogenannten Dachkirschen entstehe. Für diese werde die Anbaufläche mit einer Kunststofffolie in der Zeit von April bis Juli überspannt, um sie vor Regen zu schützen. Geräusche, die von dieser Folie erzeugt würden, könnten eine potentielle Lärmbelästigung darstellen durch auftretenden Regen und Resonanzgeräusche bei Wind.
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Der Kläger hat beantragt,
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den der Beigeladenen erteilten Bauvorbescheid vom 14. März 2013 und den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 15. September 2014 aufzuheben.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte hat im Rahmen des Verfahrens eine Stellungnahme des G. Binnenschleusenverbands vom 25. November 2014 vorgelegt, wonach auf den Grundstücken des Bauvorhabens ein verrohrter Vorfluter des G. Binnenschleusenverbands vorhanden sei und es wünschenswert sei, wenn die Mulden an den Grenzen der Grundstücke erhalten blieben, um bei eventuellen Starkregenereignissen das Wasser von den versiegelten Flächen zeitnah aufnehmen zu können (Bl. 64 GA).
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Unter dem 7. Mai 2015 erteilte der Beklagte auf einen Antrag der Beigeladenen vom Oktober 2014 eine Baugenehmigung für ein Doppelhaus auf dem Flurstück 62/3. Über den dagegen erhobenen Widerspruch des Klägers ist, soweit ersichtlich, noch nicht entschieden.
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Nach Ortsbesichtigung hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 16. Juli 2015 der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, bei den Baugrundstücken handele es sich nicht um dem Innenbereich zugehörige Grundstücke. Die zwischen den vorhandenen Gebäuden verbliebene Freifläche sei zu groß, um eine Baulücke darzustellen. Die Zulassung des Vorhabens der Beigeladenen verstoße gegen das Gebot der Rücksichtnahme, das einen angemessenen Interessenausgleich zwischen den Interessen des Klägers und der Beigeladenen gewähren müsse. Im Falle der Bebauung des Grundstücks müsse vom Kläger erwartet werden, zum Schutz der Nachbarschaft vor abdriftenden Pflanzenschutzmitteln mindestens einen 20 m breiten ungenutzten Pufferstreifen mit der Anlage einer dicht bewachsenen Hecke einzuhalten. Einen derartigen Abstand müsse der Kläger derzeit nicht einhalten, weil es sich bei der Mulde zwischen den beiden Grundstücken nicht um ein wasserführendes Gewässer handele, von dem entsprechende Abstände einzuhalten seien. Daraus ergebe sich, dass der Kläger damit zu mehr an Abstand verpflichtet würde, als er jetzt einhalten müsse. Da sich eine Verwehung von Pflanzenschutzmitteln auch bei Beachtung der guten fachlichen Praxis nicht vermeiden lasse, sei ein entsprechender Abstand erforderlich.
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Dagegen wenden sich der Beklagte und die Beigeladene mit ihren durch Beschluss des Senats vom 12. Oktober 2016 - 1 LA 189/15 - zugelassenen Berufungen.
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Der Beklagte und die Beigeladene tragen zur Begründung der Berufung vor, die zu bebauenden Flurstücke seien als Baulücke dem Innenbereich zuzuordnen, weil die vorhandene Bebauung den Eindruck der Zusammengehörigkeit und Geschlossenheit vermittele. Durch die Verbindungsfunktion zwischen den vorhandenen Gebäuden nehme das Grundstück an dem Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit teil. Die Fläche sei auch von der bereits vorhandenen Bebauung geprägt. Der im Osten der Grundstücke vorhandene Graben sei als ein Gewässer einzustufen, das mindestens gelegentlich Wasser führe und aus diesem Grund einen Abstand entsprechend der Pflanzenschutzverordnung für das Alte Land notwendig mache. Für den Kläger bedeute dies, dass er die erste Baumreihe auf seinem Grundstück nur mit Geräten behandeln dürfe, bei denen eine ausreichende Abdriftminderung vorhanden sei. Durch die Bebauung des Grundstücks ergebe sich für den Kläger damit keine Änderung.
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Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,
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das angegriffene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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beide Berufungen zurückzuweisen.
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Zur Begründung verweist er darauf, dass vom Verwaltungsgericht zutreffend für das beabsichtigte Bauvorhaben die Innenbereichslage verneint worden sei. Sowohl nach den Lageplänen als auch aufgrund des vor Ort zu treffenden persönlichen Eindrucks erweise sich der Abstand zwischen den vorhandenen Bauten als derart groß, dass von einer Klammerwirkung nicht mehr gesprochen werden könne. Der vorhandene Graben an der Ostseite dieser Grundstücke stelle nicht ein Gewässer dar, sondern eine Mulde. Er müsse mit gravierenden betrieblichen Einschränkungen rechnen aufgrund der herannahenden Wohnbebauung. Dazu habe der Obstbauversuchsring des Alten Landes ausführlich Stellung genommen und auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die sich durch Lärmbelastung ergeben würden, wenn im Zeitraum der Obstblüte entsprechend den Sonderregelungen im Bieneneinwanderungsgebiet Altes Land Pflanzenschutzmaßnahmen nur während der Nachtzeit durchgeführt werden könnten. Zudem sei auf Lärmbelästigung durch die Frostschutzberegnung und die Kunststofffolien der Dachkirschen zu verweisen. Aus fachlichen Gründen werde ein 20 m breiter Schutzabstand von der Obstproduktion bis zu bebauenden Grundstücken empfohlen entsprechend der Senats-Entscheidung vom 15. November 2001 - 1 MN 3457/01 -, UPR 2002, 151 = BauR 2002, 586 = BRS 64 Nr. 14.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Ergebnisses der Ortsbesichtigung wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll vom 12. Juni 2018 und die Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, die in ihren wesentlichen Teilen Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
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Die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen sind begründet. Der Kläger kann sich nicht auf einen Abwehranspruch gegenüber dem Bauvorhaben der Beigeladenen berufen.
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Zwar sind die zur Bebauung anstehenden Grundstücke dem Außenbereich zuzurechnen. Die Kriterien, nach denen zu beurteilen ist, ob ein Bebauungszusammenhang gegeben ist, sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Danach ist ein Bebauungszusammenhang gegeben, soweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz vorhandener Baulücke den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt. Diesen Bebauungszusammenhang stellen jedoch nur Bauwerke her, die optisch wahrnehmbar sind und ein gewisses Gewicht besitzen und dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen. Nebenanlagen, etwa zu landwirtschaftlichen oder sonstigen Hauptnutzungen, sind in aller Regel keine Bauten, die für sich genommen ein die Siedlungsstruktur prägendes Element darstellen (vgl. zuletzt etwa BVerwG, Urt. v. 30.6.2015 - 4 C 5.14 -, BRS 83 Nr. 74). Danach sind hier zwar „wahrnehmbare“ Bauwerke vorhanden mit den Wohngebäuden H. 16a und I. straße 1. Jedoch ist die Entfernung mit mehr als 100 m zwischen den beiden Wohngebäuden bereits so groß, dass von einem Zusammenhang nicht mehr die Rede sein kann. Der Abstand von der ersten Bebauung westlich des zur Bebauung vorgesehenen Grundstücks bis zum sogenannten „Ostgraben“ beträgt etwa ca. 40 m. Dieser sich nach den bloßen Maßangaben ergebende Eindruck eines größeren, nicht bebauten Areals hat sich in der Ortsbesichtigung dahin bestätigt, dass von einer großen Freifläche auszugehen ist, die nicht mehr von der vorhandenen Bebauung in einer Weise umschlossen wird, dass sich der Eindruck der Zusammengehörigkeit vermittelt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Scheunengebäude nördlich des Wohngebäudes I. straße 1 als nicht zum Aufenthalt dienendes Nebengebäude nicht geeignet ist, den Bebauungszusammenhang in nördlicher Richtung auf das Gebäude H. 16a herzustellen.
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Der Kläger ist jedoch durch die Bebauung dieser Grundstücke nicht schon deshalb in relevanter Weise beeinträchtigt, weil diese dem Außenbereich zuzurechnen ist. Denn der Inhaber eines im Außenbereich gelegenen privilegierten Betriebs hat keinen allgemeinen Abwehranspruch gegen im Außenbereich unzulässige Nachbarvorhaben (BVerwG, Beschl. v. 28.7.1999 – 4 B 38.99 –, BRS 62 Nr. 189).
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Heranrückende Wohnbebauung verletzt einem bestehenden emittierenden Betrieb gegenüber das Gebot der Rücksichtnahme, wenn ihr Hinzutreten die rechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen der Betrieb arbeiten muss, gegenüber der vorher gegebenen Lage verschlechtert. Das ist dann der Fall, wenn der Betrieb durch die hinzutretende Bebauung mit nachträglichen Auflagen rechnen muss (vgl. Beschl. d. Sen. v. 12.2.2013 - 1 ME 1/13 -, V.n.b.). Das ist indes nicht schon dann der Fall, wenn sich in der Nachbarschaft eines (privilegierten) Außenbereichsbetriebes nichtprivilegierte Nutzung ansiedelt. Nach der Rechtsprechung des BVerwG (vgl. z. B. B. v. 28.7.1999 - 4 B 38.99 -, NVwZ 2000, 552, JURIS-Rdnrn. 5 und 6) steht selbst einem privilegierten Außenbereichsnutzer kein Anspruch darauf zu, dass seine benachbarten Flächen Außenbereich bleiben. In dieser Annahme ist eingeschlossen: Der privilegierte Landwirt hat dementsprechend auch keinen Anspruch darauf, dass eine Lage, in der sich Dritte möglicherweise gegen sein Tun beschweren werden/können, erst gar nicht entsteht. Dass sich die hinzutretenden Nutzer gegen sein landwirtschaftliches Tun wenden und voraussichtlich/möglicherweise Beschwerden führen werden, reicht daher für sich nicht aus, um ein Abwehrrecht annehmen zu können. Hinzukommen muss vielmehr, dass diese Beschwerden nach dem derzeit absehbaren Stand der Dinge Erfolg haben (könnten/können). Das ist erst dann der Fall, wenn die nunmehr aufeinanderstoßenden Nutzungen miteinander nicht (mehr) verträglich sind. Der dazu erforderliche Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot (vgl. zum Folgenden Rieger, in: Schrödter, BauGB, Komm. 8. Aufl., § 35 Rdnrn. 233 f.; Dürr, in: Brügelmann, 82. Lfg. Mai 2012, § 35 Rdnr. 186 f.) kann nicht allein daraus hergeleitet werden, dass der Kläger auf seine durch § 35 Abs. 1 BauGB verbürgte Privilegierung und die fehlende Privilegierung des hinzutretenden Vorhabens verweist. Er kann mit anderen Worten nicht schlicht auf seine Privilegierung pochen und für diese den größtmöglichen „Cordon Sanitaire“ einfordern. Vielmehr kann auch ein privilegiertes Vorhaben nur verlangen, dass das hinzutretende auf seine Belange Rücksicht nimmt. Dabei wird zwar die Privilegierung entsprechend den Grundsätzen, die das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 25. Februar 1977 (- IV C 22.75 -, BVerwGE 52, 122, 125) entwickelt hat, in die Waagschale geworfen werden müssen („je triftiger, desto durchsetzungsfähiger“). Doch bar jeder Pflicht, selbst dann auf andere Rücksicht zu nehmen, wenn diese keine Privilegierung reklamieren können, wird/ist der Landwirt dadurch nicht. Sein Anspruch auf Wahrung des Rücksichtnahmegebots wird erst dann nicht (mehr) erfüllt, wenn das hinzutretende/neue Vorhaben infolge der dadurch hervorgerufenen Schutzansprüche sein privilegiertes „in Frage stellt“ oder zumindest „gewichtig beeinträchtigt“. Das ist hier nicht der Fall. Weder wird der Kläger mit spürbaren Folgen bei der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln Nachteile erleiden, wenn er dabei auf die Belange der Hinzutretenden Rücksicht zu nehmen hat, noch werden diese triftige Abwehransprüche wegen Lärm- und Lichteinflüssen geltend machen können. Dazu ist im Einzelnen auszuführen:
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Es ist nicht erkennbar, dass der Kläger mit Einschränkungen für seinen Betrieb auf dem an das in Aussicht genommene Baugrundstück angrenzenden Grundstück mit Einschränkungen rechnen muss, die über das hinausgehen, was der Kläger bereits derzeit leisten muss beziehungsweise auch leistet. Zwar ist davon auszugehen, dass bei der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln durch Verwehungen des Spritzmittels über die zu behandelnden Flächen hinaus ein Eintrag des Pflanzenschutzmittels durch sogenannten „Sprühnebel“ als Abdrift auch auf benachbarte Grundstücke erfolgen kann. Dem Anwender von Pflanzenschutzmitteln obliegt allerdings die Pflicht, diese Abdrift, soweit technisch möglich, zu verhindern. Nach §§ 3 und 6 des Pflanzenschutzgesetzes darf Pflanzenschutz „nur nach guter fachlicher Praxis durchgeführt werden“. Dafür sind vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft Grundsätze für die Durchführung der guten fachlichen Praxis aufgestellt worden, an die sich jeder Anwender zu halten hat. Dazu gehören nicht nur die Einhaltung bestimmter Abstände zu Grundstücken, die bewohnt sind oder von Menschen betreten werden, sondern auch die Verwendung von Geräten, die eine größtmögliche Verhinderung von Abdrift gewährleisten (früher maßgeblich: „Grundsätze für die Durchführung der guten fachlichen Praxis im Pflanzenschutz“, BAnz AT Nr. 76a v. 21.5.2010, vgl. auch Veröffentlichung dieser Grundsätze beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz; sowie: Bekanntmachungen über die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln mit Feldspritzgeräten im Randbereich von Zielflächen v. 16.10.2013, BAnz AT v. 25.10.2013 B7; jetzt und neuerdings maßgeblich: v. 13.11.2015, BAnz AT v. 13.11.2015 B4; v. 27.4.2016, BAnz AT v. 20.5.2016 B5; „Driftmindernde Technik – Anwendung von Pflanzenschutzmitteln mit abdriftmindernden Flachstrahldüsen“, Informationsblatt des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft v. Feb. 2017). Die jeweils im Einzelnen einzuhaltenden Abstände in Randbereichen zu Wohngrundstücken ergeben sich aus den Anwendungshinweisen für die jeweiligen Pflanzenschutzmittel, wie sie im Rahmen ihrer Zulassung durch das Bundesamt für Verbraucherschutz festgelegt werden (vgl. Pflanzenschutzmittelverzeichnis 2018, Teil 2 – Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit). Danach ist bei einem Einsatz abdriftmindernder Spritzdüsen in den jeweiligen Geräten mit einem Wirkungsgrad von 90 % der Abdriftminderung ein Abstand von 5 m zur jeweiligen Wohnbebauung oder durch Menschen nutzbare Grundstücke einzuhalten im Falle von Raumkulturen, zu denen die hier in Rede stehenden Obstkulturen gehören. Werden Düsen ohne Abdriftminderung eingesetzt, muss ein Abstand von 20 m eingehalten werden, wie er in dem vom Kläger genannten Beschluss des Senats vom 15. November 2001 (1 MN 3457/01, a.a.O.) - noch - für notwendig gehalten wurde.
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Nach seiner Darstellung verwendet der Kläger insbesondere in der Obstkultur, die dem zur Bebauung vorgesehenen Grundstück benachbart ist Geräte, die den genannten Ansprüchen genügen, so dass ein Abstand von 5 m ausreichend ist. Zu verweisen ist namentlich auf das Gerät Munckhof 106. Dieses ist nach der Äußerung des Obstbauversuchsrings des Alten Landes e. V. vom 1. Juni 2018, welche der Kläger seinem Schriftsatz vom 5. Juni 2018 beigefügt hatte, der 95%- Verlustminderungsklasse nach dem Julius-Kühn-Institut zuzurechnen (dort Nr. 292-01). Während der Ortsbesichtigung hatte der Kläger die Funktionsweise dahin erläutert, dass dieses eine „Rahmengerätschaft“ darstellt, mit der er drei Reihen auf einmal mit Pflanzenschutzmitteln versehen kann. Die Düsen weisen nach innen. Das hat zur Folge, dass es in diese sehr hohe Abdriftminderungsklasse hat eingeordnet werden können. Anlässlich der Ortsbesichtigung konnte festgestellt werden, dass der Abstand der ersten Baumreihe gegenüber der genannten Grenze bis zur Oberkante des zwischen den Grundstücken verlaufenden Grabens in Zusammenhang mit der Breite des Grabens, die etwa 5 m beträgt, diesen Abstandsanforderungen in vollem Umfang genügt. Die Grundstücksgrenze verläuft nach den Angaben aller Beteiligten an der Sohle des Grabens. Damit genügt der Kläger bei Ausbringung der Pflanzenschutzmittel insbesondere den Anforderungen, die hinsichtlich der bebauten Grundstücke im Norden und Süden, die benachbart zu seiner Fläche liegen, bereits derzeit einzuhalten sind. Soweit der Kläger befürchtet, dass durch eine auf die Nachbargrundstücke gerichtete Windrichtung eine Abdrift trotz aller technischen Vorsichtsmaßnahmen nicht zu vermeiden sei, erhöht sich seine Pflicht zur Rücksichtnahme zwar insoweit, als das zwischen den bebauten Grundstücken liegende Grundstück dann ebenfalls bebaut wäre. Jedoch ist es ihm im Hinblick darauf, dass bereits nördlich und südlich bebaute Grundstücke liegen, auf die Rücksicht zu nehmen ist, deshalb bereits jetzt verwehrt, ohne Rücksicht auf die Windrichtung in der westlichsten Reihe seiner Plantage Pflanzenschutzmittel aufzubringen. Dass diese - wie der Kläger geltend macht - einst für Angehörige von Obstanbaubetrieben genehmigt worden sein sollen, ist in diesem Zusammenhang irrelevant. Denn auch solche Bewohner darf der Kläger keinen Gesundheitsgefahren aussetzen. Die maßgebliche Frage ist damit die, welche materiellen Einbußen der Kläger erleiden wird, wenn er nicht nur im Norden und Süden der Flächen, d. h. auf die Gebäude südlich H. und nördlich I. Straße, sondern auch auf dem dazwischenliegenden, rund 120 m langen Teilstück die Randdüsen in einer Weise handhabt, welche das Abdriften nach Westen ausschließt. Auf Frage hat der Kläger indes weder diese Folgen noch diejenigen beziffern können, welche ihm die Rücksichtnahme auf die nördlich und südlich stehenden, soeben genannten Gebäude abverlangt. Unter diesen Umständen kann nicht angenommen werden, das streitige Vorhaben stelle, wie zur Abwehr erforderlich, seine privilegierte Tätigkeit in Frage oder beeinträchtige es zumindest in gewichtiger Weise.
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Auch hinsichtlich des Lärms ergeben sich für den Kläger keine Einschränkungen, die über das für ihn hinnehmbare Maß hinausgehen könnten. Sofern er darauf hinweist, dass er im Hinblick auf den Bienenschutz in bestimmten Zeiten des Jahres nur in der Nachtzeit Pflanzenschutzmittel aufbringen dürfe und der damit verbundene Lärm nicht zu vermeiden sei, handelt es sich insoweit nur um einzelne, selten auftretende und daher von der neuen Nachbarschaft hinzunehmende Ereignisse. Die vom Kläger weiter benannte Lärmquelle der Wasserberegnungsanlage, die im Frühjahr eingesetzt werde, um Frostschäden zu verhindern, und sowohl durch das Sprühgeräusch als auch durch das Motorengeräusch der Pumpe Lärm verursache, rechtfertigt keine andere Sichtweise. Es ist davon auszugehen, dass es sich um Lärm handelt, der Anwohner in der Nähe nicht erheblich beeinträchtigt, da er nur in Frostnächten verursacht wird, in denen Außenwohnbereiche nicht benutzt werden und Fenster im Allgemeinen geschlossen gehalten werden. Lärm, der durch die über den Dachkirschen angebrachten Plastikfolien sowohl bei Wind als auch bei Regen entstehen kann, wird sich auf die geplante Wohnbebauung nicht in einer Weise auswirken, die für den Kläger zu Lärmminderungsauflagen für seinen Betrieb führen könnte angesichts der Entfernung dieser Plantage von dem zu bebauenden Grundstück. Diese Plantage ist von dem Grundstück der Beigeladenen durch ein mit Apfelbäumen bestücktes Grundstück getrennt mit einer Breite von etwa 25 bis 30 m. Es kommt hinzu, dass das Baugrundstück nach seiner Bebauung in Randlage zum Außenbereich liegen wird. Das verpflichtet dessen Bewohner in verstärktem Umfang zur Hinnahme dieser außenbereichstypischen Geräusche.
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Hinsichtlich Lichteinwirkungen bei Arbeiten auf den Plantagen während der Nachtzeit sind für den Kläger ebenfalls Beschränkungen, die über das hinausgehen, was seinen Betrieb derzeit betrifft, nicht zu erwarten. Sofern sich Anwohner durch derartige Lichteinwirkungen etwa von Traktoren belästigt fühlen, sind diese „Beeinträchtigungen“ im Wege der „architektonischen Selbsthilfe“ leicht zu beheben und gehen im Übrigen nicht über das hinaus, was durch Straßenverkehr entsteht und von Anliegern in Ortslage hinzunehmen ist. Es kommt hinzu, dass der schmale Trecker bei diesem Vorgang parallel zu den Obstbaumreihen fahren wird/muss. Es ist daher nicht anzunehmen, dass mit diesen Tätigkeiten in nennenswertem oder gar abwehrfähigem Umfang Licht auf die benachbarten Flächen dringt. Selbst wenn das der Fall ist/sein sollte, wäre auch dies von den neuen Bewohnern als Folge der Randlage zum Außenbereich uneingeschränkt hinzunehmen.
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Soweit der Kläger befürchtet, bei heranrückender Wohnbebauung an seine Grundstücke durch Nachbarbeschwerden in seiner Arbeit beeinträchtigt zu werden, handelt es sich dabei zwar um lästige, ihn aber nicht mit rechtlichen Folgen belastende Beeinträchtigungen, die hinzunehmen ihm zumutbar ist. Ein Abwehranspruch schon gegen die Möglichkeit solcher Beschwerden könnte nur dann anerkannt werden, wenn ein Landwirt Anspruch darauf hätte, dass seine Nachbarflächen Außenbereich bleiben. Ein solcher Anspruch steht ihm aber nach der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht zu.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708, 711 ZPO.
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Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht erkennbar.
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