Beschluss vom Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht (10. Senat) - 10 LA 21/19

Tenor

 

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - Einzelrichterin der 1. Kammer - vom 20. Dezember 2018 wird abgelehnt.

 

 

 

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.

 

 

Gründe

1

Der Antrag der Beklagten, die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zuzulassen, hat keinen Erfolg. Denn der von ihr allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) liegt nicht vor.

 

 

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Eine Rechtssache ist nur dann im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG grundsätzlich bedeutsam, wenn sie eine höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfrage oder eine obergerichtlich bislang noch nicht beantwortete Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die im Rechtsmittelverfahren entscheidungserheblich ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf (GK-AsylG, Stand: November 2018, § 78 AsylG Rn. 88 ff. m.w.N.; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: November 2018, § 78 AsylG Rn. 21 ff. m.w.N.).

 

 

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Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG verlangt daher nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (u. a. Senatsbeschluss vom 13.09.2018 - 10 LA 349/18 -, juris Rn. 2 ff.):

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1. dass eine bestimmte Tatsachen- oder Rechtsfrage konkret und eindeutig bezeichnet,

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2. ferner erläutert wird, warum sie im angestrebten Berufungsverfahren entscheidungserheblich und klärungsbedürftig wäre und

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3. schließlich dargetan wird, aus welchen Gründen ihre Beantwortung über den konkreten Einzelfall hinaus dazu beitrüge, die Rechtsfortbildung zu fördern oder die Rechtseinheit zu wahren.

 

 

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Die Beklagte hat zur Begründung dieses Zulassungsgrunds die folgenden Fragen aufgeworfen:

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„ob die der Gefahrrealisierung entgegenstehende Einholung der Zusage bezüglich Zugangs zu Obdach, Nahrungsmitteln und sanitären Anlagen durch die Behörden des Mitgliedstaates dem Aufgabenbereich des Bundesamtes oder dem Aufgabenbereich der für die Durchführung der Überstellung zuständigen Ausländerbehörde unterfällt und
ob das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bei der Prognose einer zielstaatsbezogenen Gefährdung das Vorhandensein einer solchen Zusicherung einzubeziehen hat.“

 

 

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Diese Fragen verleihen der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Denn sie können ohne Weiteres bereits im Zulassungsverfahren beantwortet werden bzw. sind, soweit sie hier überhaupt entscheidungserheblich sind, auch bereits höchstrichterlich geklärt.

 

 

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Zum einen besteht in Dublin-Verfahren eine “Gesamtzuständigkeit“ des Bundesamts zur Prüfung inlandsbezogener und zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse (Senatsurteil vom 29.05.2018 - 10 LB 160/18 -, nicht veröffentlicht; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 20.06.2017 - 13 PA 104/17 -, juris Rn. 16 m.w.N; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 04.01.2017 - 11 S 2301/16 -, juris Rn. 19 m.w.N.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.07.2016 - 13 A 1859/14.A -, juris Rn. 125), wenn das Bundesamt eine Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG verfügt hat. Soweit die Beklagte zur Begründung des Zulassungsantrags auf die “neue Rechtslage“ abstellt, wonach eine Abschiebungsandrohung gemäß § 35 AsylG zu erfolgen habe, übersieht sie, dass das Bundesamt in dem angefochtenen Bescheid vom 8. Mai 2018 zu Recht eine Abschiebungsanordnung verfügt hat, weil der Asylantrag des Klägers gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG abgelehnt worden ist. Die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG darf - als Festsetzung eines Zwangsmittels - jedoch erst dann ergehen, wenn nach dem Wortlaut dieser Vorschrift „feststeht“, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Das Bundesamt hat damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse und somit auch zu prüfen, ob besonders schutzbedürftige Personen im Zielstaat einen gesicherten Zugang zu Obdach, Nahrungsmitteln und sanitären Anlagen haben und falls nicht, ob das sich daraus ergebende Abschiebungsverbot durch eine entsprechende Zusicherung der Behörde des Zielstaats entfällt. Insoweit besteht eine von der gewöhnlichen Rollenverteilung zwischen Bundesamt und Ausländerbehörde abweichende “Gesamtzuständigkeit“ des Bundesamts, die eine Entscheidung aus “einer Hand“ sichern soll.

 

 

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Zum anderen bezieht sich die Frage, ob für besonders schutzbedürftige Personen im Zielstaat ein gesicherter Zugang zu Obdach, Nahrungsmitteln und sanitären Anlagen besteht, ohnehin auf zielstaatsbezogene Tatsachen, die das Bundesamt in jedem Fall, also etwa auch bei anerkannten Schutzberechtigten und dem Ergehen einer Abschiebungsandrohung nach § 35 AsylG, zu klären hat. Kommt das Bundesamt zu der Feststellung, dass es zur Beseitigung eines ansonsten bestehenden Abschiebungsverbots einer Zusicherung bedarf, so obliegt es ihm, diese Zusicherung einzuholen. Etwas Anderes gilt nur für Umstände, die Gefahren betreffen, die sich im Einzelfall im Zusammenhang mit der Durchführung einer Abschiebung ergeben. Hierzu zählt jedoch nicht die Frage, ob besonders schutzbedürftige Flüchtlinge im Zielstaat Obdach, Nahrungsmittel und sanitäre Anlagen vorfinden (vgl. hierzu ausführlich BVerwG, Beschluss vom 08.08.2018 - 1 B 25.18 -, juris Rn. 17).

 

 

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und § 83b AsylG.

 

 

13

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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