Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 4 A 1063/82
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
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Tatbestand:
2Die beigeladene Schützenbruderschaft beantragte unter dem 26. Januar 1981 die Festsetzung des ... Volks- und Heimatfestes 1981 (Schützenfest mit Kirmes) als Volksfest gemäß den §§ 60 b, 69 Gewerbeordnung (GewO). Das Schützenfest war für die Zeit von Samstag, dem 13. Juni 1981 bis einschließlich Dienstag, dem 16. Juni 1981 geplant und sollte auf einem Platz südlich der Bundesautobahn A 52 östlich der Landstraße L 154 in unmittelbarer Nähe der ... Straße in ... stattfinden. Das fragliche Gelände liegt im Bereich des Bebauungsplanes Nr. 2 "An der alten Mühle", Teilabschnitt A vom 23. März 1974, der die für die Festveranstaltung und die für ihre Besucher als Parkplätze zur Verfügung gehaltenen Flächen wie folgt ausweist:
3Gemarkung ..., Flur 18
4Flurstück 936: Fläche für Schulsport, Verkehrsgarten, Kinderspielplatz;
5Flurstücke 938, 947, 948: Allgemeines Wohngebiet (WA), IV, g;
6Flurstücke 940-943: Reines Wohngebiet (WR), I.
7Wegen der Einzelheiten der Lage des Festplatzes und der planerischen Festsetzungen wird auf die von dem Beklagten vorgelegten Katasterkarten und den Bebauungsplan 2 A verwiesen. Die Wohnbebauung des durch den genannten Bebauungsplan festgesetzten reinen Wohngebietes setzt unmittelbar jenseits der den Festplatz nach Osten und Süden begrenzenden Straßen oder Wege ein.
8Entsprechend dem Antrag vom 26. Januar 1981 erließ der Beklagte am 5. Juni 1981 einen Festsetzungsbescheid, der Gegenstand, Zeit, Öffnungszeit und Platz des ... Volks- und Heimatfestes 1981 regelte. Es war bestimmt, daß die im Wohngebiet liegenden unbebauten Grundstücke Flurstücke 938, 940-943, 947 und 948 für die Zeit der Veranstaltung als Parkplätze in Anspruch genommen werden sollten. Die Öffnungszeiten des Volksfestes waren wie folgt geregelt:
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| 1.) | Veranstaltungen im Sinne der §§ 55 Abs. 1 Nr. 3, 60 b GewO mit Ausnahme der unter 2.) genannten Betriebe: täglich von 11.00-24.00 Uhr | |
| 2.) | Schützenzelt, Getränkepavillons, Imbißwagen und -stände: am 13., 14. und 15. Juni jeweils von 7.00-2.00 Uhr des folgenden Tages; am 16. Juni von 7.00-1.00 Uhr des folgenden Tages. |
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Die Festsetzung der Öffnungszeiten war verbunden mit einer zeitlich entsprechenden gaststättenrechtlichen Sperrzeitverkürzung und einer zeitlich entsprechenden Ausnahmegenehmigung für musikalische Darbietungen im Schützenzelt nach den §§ 9, 10 und 14 des Gesetzes zum Schütze vor Luftverunreinigungen, Geräuschen und ähnlichen Umwelteinwirkungen (Landes-Immissionsschutzgesetz - LImSchG - vom 180 März 1975, GV NW 232).
11Wegen der weiteren Einzelheiten der Festsetzung wird auf den Bescheid des Beklagten vom 5. Juni 1981 Bezug gekommen.
12Zur Begründung führte der Beklagte an, das ... Schützenfest sei eine Traditionsveranstaltung, die seit Jahrhunderten durchgeführt werde. Durch die in der Festsetzung enthaltenen Beschränkungen sei in hinreichendem Maße gewährleistet, daß die dem Festplatz benachbarten Wohngebiete nicht unzumutbar belästigt würden. Die durch die in die Nachtstunden hineinreichenden Öffnungszeiten notwendigen gaststätten- und immissionsschutzrechtlichen Erlaubnisse seien zu erteilen, weil das öffentliche Interesse an der Durchführung der Traditionsveranstaltung das private Interesse überwiege.
13Gegen diesen Bescheid erhoben die Kläger, sämtlich Eigentümer von mit Wohnhäusern bebauten Grundstücken, die in unmittelbarer Nachbarschaft des Festplatzes an der ... Straße, am Stichweg zur ... Straße (Flurstück 748) bzw. am ... Weg liegen, mit Schreiben vom 11. Juni 1981 Widerspruch, über den vor Durchführung des Schützenfestes jedoch nicht mehr entschieden wurde.
14Durch Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 1981, zugestellt am 28. Juli 1981, stellte der Oberkreisdirektor des Kreises die Erledigung des Widerspruches fest und legte der Stadt die Kosten des Widerspruchsverfahrens auf, weil er den Festsetzungsbescheid wegen der Regelung über die Öffnungszeiten für rechtswidrig hielt.
15Die Kläger haben am 28. August 1981 Fortsetzungsfeststellungsklage erhoben und vorgetragen: Die Festsetzung des Schützenfestes sei dem Grunde nach und in ihren Einzelheiten rechtswidrig. Die Durchführung der Veranstaltung verstoße gegen Bauplanungsrecht. Zudem sei die Lärmentwicklung, die an den Veranstaltungstagen jeweils bis zum frühen Morgen andauere, unerträglich.
16Die Kläger haben beantragt,
17festzustellen, daß der Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 5. Juni 1981 rechtswidrig gewesen ist.
18Der Beklagte hat beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat der Klage durch Urteil vom 2. März 1982 stattgegeben. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes verwiesen.
21Gegen das am 29. März 1982 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 29. April 1982 Berufung eingelegt.
22Der Beklagte beantragt,
23das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
24Die Kläger beantragen,
25die Berufung zurückzuweisen.
26Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
27Das Gericht hat die Akten 3 K 3500/80, 3 L 633/78, 3 L 676/80, 3 L 622/81, 3 L 796/82, 3 L 858/83 Verwaltungsgericht Düsseldorf, beigezogen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
28Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird ergänzend auf die von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge, den Inhalt der beigezogenen Akten und der Gerichtsakten Bezug genommen.
29Entscheidungsgründe:
30Die Berufung ist unbegründet.
31Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.
32Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ist entsprechend anwendbar, wenn sich der angefochtene Verwaltungsakt vor Klageerhebung erledigt hat.
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| Bundesverwaltungsgericht (BVerwG). Urteil vom 9. Februar 1967 - I C 49/64 -, Amtliche Entscheidungssammlung (BVerwGE), Bd. 26, 161 (165); Urteil vom 1. Juli 1975 - I C 35.70 -, BVerwGE 49, 36 (39). |
34
Das für die Erhebung einer Fortsetzungsfeststellungsklage notwendige Feststellungsinteresse folgt aus dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr. Wie die Rechtsstreitigkeiten der Folgejahre (3 L 796/82, 3 L 858/83 Verwaltungsgericht Düsseldorf) und die beabsichtigte Änderung des Bebauungsplanes 2 A der Stadt ... zeigen, will der Beklagte an dem umstrittenen Festplatz festhalten. Zudem sind zwar in den Jahren 1982 und 1983 die streitigen Regelungen über die Öffnungszeiten gegenüber den Jahren 1981 modifiziert worden. Die Änderungen sind jedoch aus der Sicht der Kläger unerheblich, weil die neuen Öffnungszeiten ebenfalls tiefer in die Nacht hineinreichen als sie - die Kläger - dies für zumutbar halten. Der Beklagte hat im übrigen in der mündlichen Verhandlung erklärt, er wolle in Zukunft die Öffnungszeit wieder auf 2 Uhr ausdehnen.
35Die Klage ist begründet. Der Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 5. Juni 1981 war rechtswidrig und verletzte die Kläger in ihren Rechten.
36Rechtsgrundlage für die Festsetzung des Volks- und Heimatfestes sind die §§ 60 b, 69, 69 a GewO. Nach §§ 60 b Abs. 2, 69 Abs. 1 GewO hat die zuständige Behörde - hier gemäß Nr. 1.34 der Anlage zur Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten auf dem Gebiet der Gewerbeüberwachung vom 10. Dezember 1974 (GV NW 1558) in der Fassung der 3. Änderungsverordnung vom 26. April 1977 (GV NW 170) der Beklagte als örtliche Ordnungsbehörde - ein Volksfest auf Antrag des Veranstalters nach Gegenstand, Zeit, Öffnungszeit und Platz schriftlich festzusetzen. Der Antrag ist gemäß § 69 a Abs. 1 Nr. 3 GewO abzulehnen, wenn die Durchführung der Veranstaltung dem öffentlichen Interesse widerspricht, insbesondere der Schutz der Veranstaltungsteilnehmer vor Gefahren für Leben und Gesundheit nicht gewährleistet ist oder sonstige erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu befürchten sind.
37Der angefochtene Festsetzungsbescheid hätte mit dem Inhalt, mit dem er ergangen ist, nicht erlassen werden dürfen, weil die Durchführung der festgesetzten Veranstaltung erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit im Sinne des § 69 a Abs. 1 Nr. 3 GewO befürchten ließ. Auf die Nichtbeachtung des § 69 a Abs. 1 Nr. 3 GewO können sich die Kläger im vorliegenden Fall berufene §§ 69, 69 a Abs. 1 Nr. 3 GewO sind nachbarschützend jedenfalls insoweit, als die zuständige Behörde im Rahmen der Festsetzung Rechtsvorschriften zu prüfen hat, die ihrerseits nachbarschützenden Charakter haben.
38Die Festsetzung eines Volksfestes ist ein Verwaltungsakt, der sich an den Veranstalter richtet und unbeschadet sonstiger öffentlich-rechtlicher Erlaubnis-, Genehmigungs- oder Anzeigeerfordernisse sowie privater Abwehransprüche ergeht.
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| Vgl. Landmann-Rohmer-Bender, Loseblattkommentar zur Gewerbeordnung, Bd. 1, § 69 Rdnr. 10, 11; Begründung des Regierungsentwurfes des Gesetzes zur Änderung des Titels IV der Gewerbeordnung vom 14. Juli 1975, Bundestagsdrucksache (BTDS) 7/3859, Abs. 2, 3 und 4 der Begründung zu § 69 Abs. 1, abgedruckt bei Fuhr, Loseblattkommentar zur Gewerbeordnung, Bd. II, Vorbemerkung zu § 69; Fröhler-Kormann, Kommentar zur Gewerbeordnung, § 69 Rdnr. 7 a.E. |
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Allerdings ist die Festsetzung kein rechtliches Erfordernis für die Durchführung der Veranstaltung. Diese kann durch entsprechende Festsetzung auch als "privates Volksfest" stattfinden.
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| Landmann-Rohmer-Bender, a.a.O., § 69 Rdnrn. 2, 13. |
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Aus dieser rechtlich eingeschränkten Bedeutung der Marktfestsetzung und der Unbestimmbarkeit des über die Person des Veranstalters hinaus betroffenen Personenkreises wird zum Teil geschlossen, die §§ 69, 69 a GewO beinhalteten keinerlei Drittschutz, auch nicht zugunsten etwa belästigter Nachbarn.
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| Fröhler-Kormann, § 69 Rdnr. 7 a.E. |
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Das trifft in dieser generellen Form jedoch nicht zu. Die §§ 69, 69 a GewO enthalten jedenfalls zum Teil Regelungen, die zum Schutz der von der Veranstaltung betroffenen Anlieger in der Nachbarschaft des Festplatzes erlassen worden sind.
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| Zu den Voraussetzungen an drittschützende Normen generell: Kopp, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl., § 113 Rdnr. 21. |
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Der Nachbarschutz durch die §§ 69, 69 a GewO ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Wortlaut dieser Vorschriften, folgt aber aus - dem Zusammenhang mit den zu ihrer Ausfüllung heranzuziehenden Rechtsnormen. Im Rahmen des § 69 a Abs. 1 Nr. 3 GewO ist die Vereinbarkeit der Durchführung eines Volksfestes mit den Belangen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung festzustellen. Der Begriff der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung deckt sich mit demjenigen des allgemeinen Ordnungsrechtes. Schutzgut der öffentlichen Sicherheit ist unter anderem die gesamte Rechtsordnung. Die Festsetzungsbehörde hat deshalb beispielsweise die Einhaltung der Vorschriften der Bauleitplanung und des Immissionsschutzes bereits bei Erlaß der Festsetzung zu berücksichtigen.
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| Vgl. dazu amtliche Begründung, BTDS 7/3859, a.a.O., zu § 69 a Abs. 1; Ausführungsanweisung zum Titel 4 der Gewerbeordnung vom 27. Mai 1977, 7/B2-66-2-26/77 (MBl NW, 648 ff.) Ordnungsnummer 3.2.2. |
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Soweit diese Rechtsvorschriften nachbarschützenden Charakter haben, gilt dies auch für die §§ 69, 69 a GewO.
49Dem (relativen) Nachbarschutz der Vorschriften über die Marktfestsetzung steht nicht entgegen, daß § 69 Abs. 1 Nr. 3 GewO die öffentliche Sicherheit als Unterfall des allgemeinen öffentlichen Interesses behandelt, dem die Durchführung der Veranstaltung nicht widersprechen darf. Weil § 69 a GewO über das Tatbestandsmerkmal der öffentlichen Sicherheit die Einbeziehung von durch Rechtsvorschriften geschützten Belangen der dem Festplatz benachbarten Anlieger ermöglicht und der Widerspruch der Veranstaltung zum öffentlichen Interesse deshalb gerade in der Verletzung der Rechte der Nachbarn liegen kann, ist davon auszugehen, daß insoweit § 69 a Abs. 1 Nr. 3 GewO zumindest auch zum Schutz dieses Personenkreises und nicht ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit erlassen worden ist.
50Der Nachbarschutz scheitert schließlich nicht daran, daß die Veranstaltung auch unabhängig von der Festsetzungsverfügung durchgeführt werden kann. Obwohl die Möglichkeit besteht, ein Volksfest als "Privatveranstaltung" abzuhalten, und der Nachbar sich unabhängig von einer behördlichen Festsetzung gegen die Durchführung auf zivilrechtlichem Wege zur Wehr zu setzen vermag (§ 906 BGB), können die Festsetzungsverfügung und die mit der Durchführung der Veranstaltung verbundenen Beeinträchtigungen nicht losgelöst voneinander betrachtet werden. Die Festsetzung nach § 69 GewO verleiht die sogenannten Marktprivilegien.
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| Vgl. Landmann-Rohmer, Bender, a.a.O., § 69 Rdnr. 13, 14, |
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die die Veranstaltung wirtschaftlich oft erst ermöglichen. Die Festsetzungsverfügung ist damit zumindest mitursächlich für eventuelle negative Auswirkungen auf Nachbargrundstücke des Festplatzes.
53Soweit der angefochtene Bescheid vom 5. Juni 1981 den Platz des Volksfestes bestimmte, haben die Kläger keinen Anspruch auf Feststellung, daß die Festsetzung nach § 69 a Abs. 1 Nr. 3 GewO rechtswidrig war. Die Durchführung des ... "Volks- und Heimatfestes 1981" bedeutete wegen der Benutzung des Platzes entgegen der Ansicht der Kläger keine erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit auf die die Kläger sich berufen können. Nachbarschützende Vorschriften der Bauleitplanung waren nicht verletzt.
54Soweit die Nutzung des Platzes im Widerspruch zu den im Bebauungsplan Nr. 2 A enthaltenen Ausweisungen "Schulsportgelände und Verkehrsgarten" stehen, liegt keine Rechtsverletzung der Kläger vor. Diese planerischen Ausweisungen sind nicht zum Schütze der Nachbarn erlassen.
55Nachbarschützenden Charakter hat die angrenzende Ausweisung als reines oder allgemeines Wohngebiet. Diese Ausweisungen schließen die Veranstaltung eines Volksfestes mit Kirmes jedoch nicht aus.
56Das Volksfest ist als solches keine bauliche Anlage im Sinne des § 29 Bundesbaugesetz (BBauG). Bauliche Anlagen sind Einrichtungen, die in einer auf Dauer gedachten Weise künstlich mit dem Erdboden verbunden sind.
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| BVerwG, Urteil vom 31. August 1973, - IV C 33.71 -, BVerwGE 44, 59. |
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Abgesehen davon, daß das Volksfest als Ausdruck menschlicher Betätigung keine "Anlage" sein kann, erfüllen nicht einmal die mit der Durchführung notwendig verbundenen Einrichtungen wie Festzelt, Kirmesattraktionen, Getränke- und Imbißstände diese Voraussetzungen, weil sie lediglich befristet auf dem Platz der Veranstaltung aufgestellt werden.
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| Vgl. Ernst-Zinkhahn-Bielenberg, Loseblattkommentar zum Bundesbaugesetz, Bd. II, § 29 Rdnr. 5. |
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Ob der Festplatz als solcher, etwa wegen der festen Installation von Versorgungseinrichtungen oder des Baus einer festen Bodenplatte für das Festzelt eine bauliche Anlage ist, kann offen bleiben. Die bauliche Herrichtung des Platzes ist nicht Gegenstand der Festsetzung im Sinne der §§ 69, 69 a GewO.
61Die Feststellung, daß das vorliegend streitige Volksfest keine bauliche Anlage ist, hindert allerdings nicht die Prüfung, ob es als sonstige Nutzung gegen Bauplanungsrecht verstößt.
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| Vgl. Grauvogel in: Kohlhammers Kommentar zum Bundesbaugesetz, Bd. 2, § 29 Rdnr. 26. |
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Bebauungspläne entfalten auch für sonstige Nutzungen Negativwirkungen insoweit, als durch sie die plangemäße Nutzung verhindert oder erheblich erschwert würde oder die sonstige Nutzung wahrhaft baugebietswidrig ist und die vorhandene Situation mehr als nur geringfügig verschlechtert.
64
| BVerwG, Urteil vom 2. März 1973 - IV C 40.71 -, BVerwGE 42, 30 = Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl) 1973, 636; Urteil vom 28. April 1978 - 4 C 59.75 -, DVBl 1979, 149. |
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Eine derart planwidrige Nutzung durch die Durchführung des Volksfestes liegt jedoch nicht vor. Dabei läßt der Senat ausdrücklich offen, ob der Bebauungsplan Nr. 2 A der Stadt Kaarst rechtswirksam oder nichtig ist.
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| Vgl. Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 14. Mai 1981 - 9 K 1579/80 -. |
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Das Volksfest verhindert oder erschwert eine plangemäße Nutzung des reinen Wohngebietes nicht, noch verschlechtert es die Situation des Wohngebietes mehr als geringfügig. Das gilt unabhängig davon, ob wegen der Lage des eigentlichen Festplatzes außerhalb des Wohngebietes die Grundsätze des "gebietsübergreifenden Nachbarschutzes" anwendbar sind,
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| Ernst-Zinkhahn-Bielenberg, a.a.O., § 31 Rdnr. 141; Grauvogel, a.a.O., § 31 Rdnr. 25, Gelzer, Bauplanungsrecht, Rdnr. 837, |
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oder ob wegen der mit der Veranstaltung verbundenen Inanspruchnahme von Parkplätzen innerhalb des Wohngebietes angeommen werden muß, das Volksfest finde jedenfalls teilweise im Wohngebiet statt.
70Die Veranstaltung des ... Volks- und Heimatfestes 1981 in der Nähe oder innerhalb des den Restplatz umschließenden Wohngebietes steht nicht in erheblichem Widerspruch zur Eigenart dieses Gebietes. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, daß das Volksfest lediglich ein- oder zweimal im Jahr für wenige Tage stattfindet. Angesichts der zeitlich beschränkten Auswirkungen kann eine erhebliche Verschlechterung der Situation nur dann vorliegen, wenn das Gebiet besondere Wohnruhe gewährleistet und dadurch schon Störungen geringeren Umfangs die Wohnlage fühlbar entwerten. Das ist jedoch nicht der Fall. Nach Lage und Umgebung handelt es sich nicht um einen Bereich, der sich durch absolute Wohnruhe und verkehrsarme Straßen auszeichnet. Die plangemäße Nutzung des Festplatzes als Schulsportgelände und Verkehrsgarten führt tagsüber zu Lärmbelästigungen, die zwar in ihrem Ausmaß geringer sind als die von einem Volksfest ausgehenden, dafür jedoch nahezu das ganze Jahr über regelmäßig wiederkehren. Das Wohngebiet befindet sich zudem in unmittelbarer Nähe erheblich befahrener Verkehrswege (Bundesautobahn A 52, Landstraße L 154), die ein absolut ruhiges Wohnen nicht zulassen.
71Das Ergebnis ändert sich nicht, wenn der Bebauungsplan 2 A der Stadt Kaarst nichtig ist. Im unbeplanten Innenbereich (vgl. § 34 BBauG) besteht Nachbarschutz nur insoweit, als der Eigentumsschutz des Nachbarn berührt und seine Grundstückssituation schwer und unerträglich verschlechtert wird.
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| Ernst-Zinkhahn-Bielenberg, a.a.O., § 34 Rdnr. 85, m.w.N. |
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Entsprechend den Ausführungen zur planwidrigen Nutzung des Festplatzes ist für eine derart schwerwiegende Beeinträchtigung nichts ersichtlich.
74Aus dem in § 34 BBauG wurzelnden Gebot der Rücksichtnahme,
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| BVerwG, Urteil vom 13. März 1981 - 4 C 1.78 -, Baurecht 1981, 354; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NW), Urteil vom 21. April 1983 - 11 A 424/82 -, |
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schließlich ergibt sich ebenfalls nichts zugunsten der Kläger. Die in diesem Zusammenhang an Hand des Kriteriums der Zumutbarkeit vorzunehmende Interessenabwägung ergibt, daß der Beklagte auch unter Berücksichtigung schutzwürdiger Belange der Nachbarschaft nicht rücksichtslos handelt, wenn er ein- bis zweimal im Jahr ein Traditionsfest in einem dazu aufgrund der Gesamtsituation nicht gänzlich ungeeigneten Wohngebiet veranstaltet.
77Die Festsetzungsverfügung vom 5. Juni 1981 war jedoch rechtswidrig und verletzte die Kläger in ihren Rechten, weil die Veranstaltung wegen ihrer täglichen Dauer erheblich die öffentliche Sicherheit störte. Der mit der Durchführung des Volksfestes verbundene Lärm zur Nachtzeit bedeutete einen schweren Verstoß gegen §§ 9 Abs. 1, 10 Abs. 1 LImSchG NW, den der Beklagte zum Schütze der Kläger durch eine andere Öffnungszeitenregelung hätte eindämmen müssen.
78Nach § 9 Abs. 1 LImSchG NW sind Inder Zeit von 22 bis 6 Uhr Betätigungen verboten, welche die Nachtruhe zu stören geeignet sind. § 10 Abs. 1 LImSchG NW verbietet es, Geräte, die der Schallerzeugung oder Schallwiedergabe dienen (Musikinstrumente, Tonwiedergabegeräte und ähnliche Geräte), in einer Lautstärke zu betreiben, daß unbeteiligte Personen gestört werden.
79§§ 9 Abs. 1, 10 Abs. 1 LImSchG NW sind nachbarschützend. Das folgt aus dem Zweck dieser Vorschriften. Die Beseitigung nächtlicher Lärmquellen und die Drosselung der Geräuschentwicklung schallerzeugender Geräte liegt in erster Linie im Interesse der durch den Lärm unmittelbar betroffenen Umgebung.
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| Vgl. Oberlandesgericht Köln, Beschluß vom 28. Oktober 1977, Ss 726 Bz/77, Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR) 1978, S. 250; zum alten Recht vgl. Wiethaup, Lärmbekämpfung in der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1967, S. 162. |
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Der auf die Nachbarschaft bezogene Schutzzweck des Landesimmissionsschutzgesetzes hat im übrigen durch die Verweisung der §§ 1, 2 LImSchG NW auf § 3 BImSchG auch gesetzlich Ausdruck gefunden.
82Gemäß § 9 Abs. 1 LImSchG NW war die Durchführung des unzweifelhaft mit ruhestörendem Lärm verbundenen Volksfestes über 22 Uhr hinaus verboten. Zusätzlich war gemäß § 10 Abs. 1 LImSchG NW die Benutzung von Musikinstrumenten und Tonwiedergabegeräten auf dem Veranstaltungsplatz jedenfalls zur Nachtzeit grundsätzlich unzulässig. Da nach dem Inhalt der festgesetzten Öffnungszeiten das Volksfest an allen Veranstaltungstagen länger als 22 Uhr andauerte, lag grundsätzlich ein Verstoß gegen die Rechtsordnung und damit eine Störung der öffentlichen Sicherheit im Sinne des § 69 a Abs. 1 Nr. 3 GewO vor.
83Etwas anderes gilt nur dann, wenn im gleichen zeitlichen Umfange wie die festgesetzten Öffnungszeiten eine Ausnahme nach den §§ 9 Abs. 2 Satz 2, 10 Abs. 3 LImSchG NW zugelassen werden konnte.
84Die Befugnis zu einer Ausnahme im Umfang der für 1981 festgesetzten Öffnungszeiten bestand jedoch nicht. Dabei kann offen bleiben, ob eine Ausnahmegenehmigung überhaupt beantragt worden ist und ob die tatbestandlichen Voraussetzungen der §§ 9 Abs. 2, 10 Abs. 3 LimSchG NW vorlagen. Bei der über den Umfang der Ausnahme im Rahmen der Ermessensausübung vorzunehmenden Interessenabwägung hat der Beklagte die Interessen an der Durchführung des Volksfestes zur Nachtzeit in unvertretbarer Weise überbewertet und damit von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (vgl. § 114 VwGO).
85Im Rahmen der Ermessensentscheidung über eine Ausnahme nach den §§ 9 Abs. 2 Satz 2, 10 Abs. 3 LImSchG NW ist der ungestörten Nachtruhe im Hinblick auf den Gesundheitsschutz der Bevölkerung ein hohes Gewicht beizumessen.
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| Vgl. Boisser-Oels-Hansmann-Schmitt, a.a.O., LImSchG NW, § 9 Rdnr. 3.1. |
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Das entspricht nicht nur der gesetzgeberischen Absicht, sondern auch den Bedürfnissen der modernen Arbeits- und Freizeitwelt. Mit dem allgemein gestiegenen alltäglichen Lärmpegel geht die Notwendigkeit einher, wenigstens die Nachtruhe nach Möglichkeit ungestört zu lassen. Das gilt insbesondere innerhalb oder in der Nähe reiner Wohngebiete. Selbst wenn Wohngebiete tagsüber bis zu einem gewissen Grade lärmvorbelastet sind, herrscht dort nachts besondere Stille. Im vorliegenden Fall ist das nicht anders. Schulsport oder Verkehrsunterricht finden nur tagsüber statt und auch der Lärm der Verkehrswege ebbt nachts deutlich ab. Angesichts dieser Umstände durfte der Beklagte Ausnahmen von der Wahrung der Nachtruhe nicht weitergehend zulassen, als dies bei Abwägung mit dem Veranstaltungsinteresse des Volksfestes unter strikter Wahrung der Verhältnismäßigkeit unvermeidbar erschien.
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| Vgl. zu den Auswirkungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf hoheitliche bewirkte Immissionen: OVG NW, Urteil vom 10. September 1982 - 15 A 654/79 -, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 1983, 356 (357) m.w.N. |
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Öffnungszeiten, wie sie der Beklagte im Rahmen der Festsetzung des ... Volks- und Heimatfestes 1981 gewählt hat, waren auch zu den in der Begründung des Bescheides genannten Zwecken nicht unvermeidbar. Der Beklagte hat eine sehr weitgehende Regelung getroffen und, wie das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat, an vier Tagen hintereinander die Nachtruhe, noch dazu überwiegend in Nächten vor oder zwischen Arbeitstagen, (unter Einrechnung der Dauer des Auflösungslärms einer Veranstaltung wie der vorliegenden) auf drei bis vier Stunden verkürzt. Damit vernachlässigte der Beklagte die Belange der Nachbarn für die Dauer des Festes nahezu vollständig, ohne daß sachliche Gründe mit erheblichem Gewicht dies stützen konnten. Die von dem Beklagten vorgetragenen bürgerverbindenden Aufgaben eines Volksfestes lassen sich auch zur Tages- oder Abendzeit erfüllen, insbesondere, wenn das Fest vier Tage lang andauert. Was den Gesichtspunkt der Traditionspflege angeht, ist festzuhalten, daß Tradition und Brauchtums sich den veränderten Lebensbedingungen anpassen und auf die besondere Schutzbedürftigkeit einer enger zusammengerückten Wohnbebauung Rücksicht nehmen müssen. Ob dies auch dann gilt, wenn dadurch die Pflege des Brauchtums in ihrem Kern getroffen wird, kann offen bleiben. Dafür ist, jedenfalls was die Auswirkungen verkürzter Öffnungszeiten angeht, vorliegend nichts ersichtlich.
90Die Störung der öffentlichen Sicherheit war auch erheblich im Sinne des § 69 a Abs. 1 Nr. 3 GewO. Die Veranstaltung beeinträchtigt angesichts der Intensität und Dauer der Lärmentwicklung die gesetzlich geschützte Nachtruhe nachhaltig. Die Störung wiegt nicht weniger schwer als die Verursachung der durch § 69 a Abs. 1 Nr. 3 GewO im übrigen ausdrücklich als Regelbeispiel erwähnten Gefahren für die Gesundheit der Veranstaltungsteilnehmer. Das ergibt sich schon daraus, daß §§ 9 und 10 LimSchG NW selbst der Abwehr von Gesundheitsgefahren dienen. Des Nachweises einer konkreten Gefahr für die Gesundheit der Nachbarn des Festplatzes bedarf es entgegen der Ansicht des Beklagten nicht. §§ 9, 10 LImSchG NW dienen der Abwehr abstrakter Gefahren, die durch Lärm zur Nachtzeit oder durch bestimmte Lärmquellen hervorgerufen werden.
91Der Senat ist gehindert, eine Öffnungszeitenregelung für das ... Volks- und Heimatfest 1981 anzugeben, die keine erheblichen Störungen der öffentlichen Sicherheit im Sinne des § 69 a Abs. 1 Nr. 3 GewO mit sich gebracht hätte. Die Frage der Öffnungszeiten hängt, wiewohl die Festsetzung gewerberechtlich als gebundene Entscheidung ergeht, untrennbar mit der Zulassung einer Ausnahme nach den §§ 9 Abs. 2 Satz 2, 10 Abs. 3 LImSchG NW zusammen, die im Ermessen des Beklagten steht, dem das Gericht nicht vorgreifen darf.
92Die rechtswidrige Festsetzung der Öffnungszeiten bewirkte die Rechtswidrigkeit der Festsetzungsverfügung vom 5. Juni 1981 insgesamt. Die Festsetzung einer Marktveranstaltung oder eines Volksfestes nach § 69 GewO ist unteilbar und ohne Regelungen der Öffnungszeiten unvollständig und damit unwirksam.
93Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.
94Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
95Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
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