Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 2 A 3140/83
Tenor
Die Berufung des Klägers wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks xxx, xxxStraße xxx, auf dem sich sein landwirtschaftlicher Betrieb mit Wohn- und Wirtschaftsgebäuden befindet. Durch Bescheid vom 11. April 1982 zog ihn der Beklagte zu kommunalen Benutzungsgebühren für die Ableitung von Niederschlagswasser in die städtische Entwässerungsanlage heran und zwar in Höhe von 384,-- DM für das Jahr 1981 und in Höhe von 416,-- DM für das Jahr 1982. Dieser Heranziehung zur Niederschlagswassergebühr liegt der Maßstab der bebauten oder befestigten Grundstücksfläche zugrunde, die beim Kläger 640 qm beträgt. Nach den Feststellungen des Beklagten umfassen die bebaute Fläche 360 qm und die befestigte Hoffläche 280 qm. Der Gebührensatz beläuft sich für 1981 auf 0,60 DM und für 1982 auf 0,65 DM je qm.
3Mit Schreiben vom 10. Mai 1982 bat der Kläger, ihm die auf die befestigte Hoffläche entfallende Niederschlagswassergebühr "im Zuge einer Billigkeitsentscheidung" zu erlassen und machte geltend: Als Folge des Straßenausbaues (Anlegen eines erhöhten Gehweges zwischen seinem Hofgrundstück und der Straßenfahrbahn) sei das zuvor vorhandene natürliche Gefälle seiner Hoffläche zur Straße beseitigt worden; er sei gezwungen gewesen, auf eigene Kosten durch Installieren eines Einlaufschachtes auf seinem Grundstück die Abflußmöglichkeit zum Straßensammelkanal wieder herzustellen. Von höher gelegenen Hofflächen der Nachbargrundstücke, die auch jetzt noch natürliches Gefälle zur Fahrbahn hätten, fließe das Niederschlagswasser weiterhin in die öffentliche Kanalisation, ohne daß der Beklagte hierfür (hinsichtlich der Hoffläche) Benutzungsgebühren erhebe. Seine Gebührenheranziehung sei daher eine unbillige Benachteiligung.
4Mit Schreiben vom 25. Mai 1982 lehnte der Beklagte diesen Antrag ab, wobei er ausführte, die Veranlagung sei gemäß der für die Ableitung von Niederschlagswasser anzuwendenden Satzungsregelung (§ 2 Abs. 7 der Gebührensatzung) erfolgt; eine Unbilligkeit liege somit nicht vor.
5Aufgrund eines weiteren Schreibens des Klägers vom 5. Juni 1982, in dem dieser um einen "rechtsmittelfähigen Bescheid" bat, erließ der Beklagte am 7. September 1982 einen Widerspruchsbescheid, mit dem er den "Widerspruch vom 5. Juni 1982" zurückwies. Zur Begründung führte der Beklagte im wesentlichen aus: Der nach der Gebührensatzung auf die Niederschlagswasserableitung anzuwendende Maßstab der bebauten oder befestigten Fläche sei ein nach § 6 Abs. 3 Satz 2 KAG gültiger Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Befestigte Fläche im Sinne dieser Satzungsregelung seien die Flächen, auf denen das Niederschlagswasser nicht versickere, sondern durch entsprechende Leitungen dem städtischen Kanalnetz zugeführt werde. Bei Grundstücken, von denen infolge ihres Gefälles zur Straße das Niederschlagswasser auf die Straße abfließe und (erst) dort dem städtischen Kanalnetz zugeführt werde, sei dieser satzungsmäßige Gebührentatbestand nicht erfüllt. Die Tatsache, daß bei diesen Grundstücken andere Gefälleverhältnisse vorlägen, begründe keine Gebührenbefreiung für den Kläger.
6Mit der daraufhin erhobenen Klage hat der Kläger in seiner Klageschrift begehrt, den Bescheid des Beklagten vom 25. Mai 1982, sowie den Widerspruchsbescheid vom 7. September 1982 aufzuheben. Das Verwaltungsgericht hat das Klagebegehren so aufgefaßt, daß der Kläger beantragt hat,
7den Grundbesitzabgabenbescheid des Beklagten vom 11. April 1982 betreffend Regenwassergebühren für 1981 und 1982 sowie den Widerspruchsbescheid vom 7. September 1982 aufzuheben.
8Der Beklagte hat beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Er hat geltend gemacht: Nachbarn des Klägers, bei deren Hofflächen noch natürliches Gefälle zur Straße bestehe, so daß das Niederschlagswasser ungehindert abfließe, könne er nicht zur Niederschlagswassergebühr bezüglich dieser Flächen heranziehen. Denn in diesen Fällen sei der satzungsmäßige Gebührentatbestand nicht verwirklicht, weil es an einer abwassertechnischen Verbindung (Grundstücksanschlußleitung) für das Ableiten des Niederschlagswassers der Hofflächen fehle. Solange dies der Fall sei, bestehe kein Benutzungsverhältnis und damit auch kein gebührenpflichtiger Tatbestand, der das Einleiten von Niederschlagswasser der Hoffläche in den städtischen Straßensammelkanal zum Gegenstand habe.
11Durch das dem Kläger am 14. Oktober 1983 zugestellte Urteil, auf dessen Inhalt verwiesen wird, hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.
12Hiergegen richtet sich die Berufung, zu deren Begründung der Kläger u.a. vorträgt: Das der streitigen Heranziehung zugrunde liegende Ortsrecht sei ungültig. Der Beklagte habe nämlich zu Unrecht bei der der Ermittlung des Gebührensatzes (0,60 und 0,65 DM) zugrunde liegenden Kalkulation die Niederschlagswassermenge derjenigen Anlieger nicht berücksichtigt, deren Niederschlagswasser infolge bestehenden natürlichen Gefälles ohne Grundstücksanschlußleitung in den Straßensammelkanal fließe. Diese Anlieger nähmen jedoch in gleicher Weise die öffentliche Abwasseranlage in Anspruch. Sie leiteten faktisch ihre Niederschlagswasser ein; infolgedessen bestehe im Ergebnis kein Unterschied zu ihm, dem Kläger, der nur infolge Erhöhen des Gehweges einen Einlaufschacht habe herstellen müssen, um das Niederschlagswasser wie zuvor dem Straßensammelkanal zuleiten zu können. Ein Einbeziehen der befestigten Flächen dieser das natürliche Gefälle nutzenden Anlieger in die Gebührenkalkulation hätte einen niedrigeren Gebührensatz zur Folge gehabt. Wegen dieser unterschiedlichen gebührenrechtlichen Behandlung von entwässerungstechnisch gleichgelagerten Sachverhalten verstoße die streitige Heranziehung auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
13Seine Anfechtungsklage richte sich gegen die rechtswidrige Heranziehung als solche; nur hilfsweise rüge er außerdem eine in der Heranziehung liegende sachliche Unbilligkeit.
14Der Kläger beantragt,
151. das Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 30. September 1983 abzuändern und den Grundbesitzabgabenbescheid des Beklagten vom 11. April 1982 betreffend Regenwassergebühren für 1981 und 1982 sowie den Widerspruchsbescheid vom 7. September 1982 aufzuheben;
162. hilfsweise, das Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger die Regenwassergebühren in Höhe von 384,-- DM für 1981 und in Höhe von 416,-- DM für 1982 zu erlassen sowie den Widerspruchsbescheid vom 7. September 1982 aufzuheben.
17Der Beklagte beantragt,
18die Berufung zurückzuweisen.
19Er trägt vor, daß er das Begehren so aufgefaßt habe, daß der vom Kläger gestellte Antrag auf Erlaß der Niederschlagswassergebühr gegen den Heranziehungsbescheid als solchen gerichtet und nicht nur als Antrag auf Erlaß wegen sachlicher Unbilligkeit aufzufassen gewesen sei. Sowohl im Heranziehungs- als auch im Widerspruchsverfahren sei allerdings zugleich geprüft worden, ob ein Anspruch auf Gebührenerlaß wegen sachlicher Unbilligkeit bestehe. Er, der Beklagte, habe daher die Klage als Anfechtungsklage gegen die Heranziehung aufgefaßt. Das klageabweisende Urteil sei zu Recht ergangen, so daß die Berufung keinen Erfolg haben könne. Bei Aufstellen der Gebührenbedarfsberechnung (Kalkulation) seien nur die Abwassermengen der bebauten und befestigten Flächen berücksichtigt worden, die über eine unmittelbare abwassertechnische Verbindung Niederschlagswasser in den Straßensammelkanal einleiten. Das sei bei dem Kläger bezüglich der Hofflächen der Fall. Bei den vom Kläger erwähnten Nachbargrundstücken fließe jedoch wegen des auch jetzt noch bestehenden natürlichen Gefälles das Niederschlagswasser der Hoffläche über den angrenzenden Gehweg auf die Fahrbahn ab. Diese Grundstücke seien insoweit (Entwässern der befestigten Hoffläche) nicht mit einer eigenen abwassertechnischen Verbindung (Grundstücksanschluß an den Straßensammelkanal) angeschlossen. Diese Entwässerungssituation habe vor Anlegen des Gehweges auch beim Kläger bestanden; deshalb werde er nunmehr erstmalig zur Benutzungsgebühr bezüglich der befestigten Hoffläche herangezogen.
20Der Vertreter des öffentlichen Interesses hat zu der Streitsache nicht Stellung genommen.
21Sämtliche Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts, insbesondere des Parteivorbringens in beiden Rechtszügen wird auf die Gerichtsakten, ferner auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und Satzungsunterlagen des Beklagten Bezug genommen.
23Entscheidungsgründe:
24Die zulässige Berufung, über die der Senat gemäß §§ 101 Abs. 2, 125 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
25Die in erster Linie erhobene Anfechtungsklage ist zulässig.
26Allerdings hat der anwaltlich vertretene Kläger in der Klageschrift vom 6. Oktober 1982 lediglich beantragt, den (nur) einen Billigkeitserlaß ablehnenden Bescheid vom 25. Mai 1982 sowie den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 7. September 1982 aufzuheben. Eine Änderung des Klageantrages im ersten Rechtszug ist den Akten nicht zu entnehmen. Wenn das Verwaltungsgericht gleichwohl das Klagebegehren dahin deutete, daß der Grundbesitzabgabenbescheid vom 11. April 1982 hinsichtlich der Regenwassergebühr angefochten werden sollte, hätte es nahegelegen, auf eine entsprechende Berichtigung des Klageantrages hinzuwirken (§ 86 Abs. 3 VwGO). Der Kläger hat jedoch im Berufungsverfahren ausdrücklich (auch) beantragt, den Grundbesitzabgabenbescheid vom 11. April 1982 betreffend Regenwassergebühren für 1981 und 1982 aufzuheben. Hierin liegt eine Klageänderung in Form der Klageerweiterung, die zulässig ist, weil ihr der Beklagte jedenfalls mit seinem Schriftsatz vom 25. Juli 1985 zugestimmt hat (§ 91 Abs. 1 VwGO). Mit diesem Schriftsatz hat der Beklagte ferner vorgetragen, er habe den Antrag des Klägers auf Erlaß der Kanalbenutzungsgebühren aus Billigkeitsgründen auch als Widerspruch gegen den Heranziehungsbescheid angesehen. Damit hat der Beklagte den Widerspruchsbescheid vom 7. September 1982 jedenfalls nachträglich dahin ergänzt, daß (auch) der (angenommene) Widerspruch des Klägers gegen den Heranziehungsbescheid vom 11. April 1982 zurückgewiesen werden sollte. Das nach § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO erforderliche Vorverfahren ist somit durchgeführt worden.
27Die Anfechtungsklage ist jedoch unbegründet, weil die durch den Bescheid vom 11. April 1982 erfolgten Heranziehungen zur Regenwassergebühr für 1982 und 1983 rechtmäßig sind.
28Rechtsgrundlage dieses Heranziehungsbescheides für 1982 und 1983 ist die Satzung der Stadt xxx über die Erhebung von Gebühren für die Entwässerung von Grundstücken vom 17. Dezember 1980 in der Fassung der 1. Änderungssatzung vom 17. Dezember 1981 - EGS -. Gegen die Gültigkeit dieser Satzung bestehen im Hinblick auf ihre hier anzuwendenden Bestimmungen weder formelle noch materielle Bedenken. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EGS erhebt die Stadt xxx für die Inanspruchnahme ihrer öffentlichen Grundstücksentwässerungsanlage (Abwasseranlage) Benutzungsgebühren, und zwar für die Ableitung von Schmutzwasser und Niederschlagswasser jeweils getrennte Gebühren. Gebührenmaßstab für die Schmutzwasserableitung ist die dem Grundstück zugeführte Frischwassermenge (Frischwasser- oder Wasserverbrauchsmaßstab). Die hier allein streitige Gebühr für die Ableitung von Niederschlagswasser (Regenwasser) bemißt sich gemäß § 2 Abs. 7 EGS nach dem Maßstab der bebauten und befestigten Grundstücksfläche "von der Niederschlagswasser in die öffentliche Abwasseranlage gelangt (angeschlossene Grundstücksfläche)." Die Gebühr beträgt je qm angeschlossene Grundstücksfläche ab 1. Januar 1981 0,60 DM und ab 1. Januar 1982 0,65 DM. Mit der durch die Satzung vom 17. Dezember 1980 erfolgten Einführung einer getrennten Maßstabsregelung (Schmutzwasser einerseits, Niederschlagswasser andererseits) anstelle des bis dahin auch auf die Niederschlagswassereinleitung angewandten Wasserverbrauchsmaßstabes sind etwaige früher bestehende Zweifel an der Gültigkeit des auf die Niederschlagswasserbeseitigung anzuwendenden Gebührenmaßstabes von vornherein ausgeräumt.
29Gegen die Ermittlung der Gebührensätze von 0,60 und 0,65 DM für die Bemessung der Niederschlagswassergebühr bestehen keine rechtlichen Bedenken. Wie sich aus der der Beschlußfassung durch den Rat zugrunde liegenden Berechnungsgrundlage (Gebührenkalkulation) ergibt, sind von den Gesamtkosten der Niederschlagswasserbeseitigung etwa 32% für die Ableitung des Niederschlagswassers von öffentlichen Verkehrsflächen in Abzug gebracht worden; die zur Niederschlagswassergebühr herangezogenen Grundstückseigentümer werden daher mit diesem Kostenanteil nicht belastet.
30Die Ermittlung der für die Bemessung der Niederschlagswassergebühr festgesetzten Gebührensätze (0,60 und 0,65 DM) ist auch im übrigen rechtsfehlerfrei. Zwar war im Zeitpunkt der Kalkulation des Gebührensatzes von 0,60 DM die Summe der an die städtische Entwässerungsanlage angeschlossenen bebauten und befestigten Grundstücksflächen noch nicht ermittelt. Die vom Beklagten versandten Fragebögen, in denen der Grundstückseigentümer seine an die städtische Entwässerungsanlage angeschlossenen bebauten und befestigten Flächen anzugeben hatte, gingen erst im Laufe des Jahres 1981 beim Beklagten ein, so daß er bis dahin auf verhältnismäßig grobe Schätzungen, sowie auf Erfahrungswerte von benachbarten Städten angewiesen war, was die Gebührenkalkulation für das Jahr 1981 mit einem nicht unerheblichen Unsicherheitsfaktor belastete; denn der Ortsgesetzgeber muß bei Kalkulation des Gebührensatzes die für seine eigene Gemeinde maßgeblichen örtlichen Verhältnisse ermitteln. Im Zusammenhang mit dem Kostenüberschreitungsverbot (§ 6 Abs. 1 Satz 3 KAG) kommt es zwar auf die Verhältnisse bei der Billigung der Gebührenkalkulation durch den Rat einschließlich der zu dieser Zeit bestehenden Unsicherheitsfaktoren an und nicht auf spätere Erkenntnisse.
31Vgl. Urteil des Senats vom 26. Februar 1982 - 2 A 1667/79 -, Gemeindehaushalt (Gemht) 1983, 113 = Hessische Städte- und Gemeindezeitung (HSGZ) 1982, 268 = Städte- und Gemeinderat (StGR) 1982, 240 = Zeitschrift für kommunale Finanzen (ZKF) 1983, 112.
32Gleichwohl empfiehlt es sich für den Regelfall bei Umstellung des Bemessungssystems auf getrennte Maßstäbe zunächst das Vorliegen verläßlicher Unterlagen abzuwarten. Hier hatte der Beklagte bei der für die Beschlußfassung durch den Rat angefertigten Gebührenkalkulation für das Jahr 1981 jedoch nicht nur das Zahlenmaterial von Nachbargemeinden mit im wesentlichen gleichgelagerten örtlichen Verhältnissen zur Verfügung, sondern auch Unterlagen, die einigen Aufschluß über die eigenen örtlichen Verhältnisse gaben, wie etwa Datenmaterial über die Kosten der Regenwasserableitung und den prozentualen Anteil dieser Kosten an den Gesamtkosten der Abwasserbeseitigung. Dieses Datenmaterial reichte insgesamt aus, um in einer den Anforderungen des § 6 Abs. 1 Satz 3 KAG genügenden Weise den Gebührenbedarf und das Gebührenaufkommen für 1981 veranschlagen zu können. Dies wird auch durch die Gebührenkalkulation für das Jahr 1982 bestätigt. Hiernach stimmen nämlich die im Jahre 1981 von den Grundstückseigentümern übermittelten Flächenangaben mit der im Vorjahr (Ende 1980) vom Beklagten veranschlagten Größe der angeschlossenen bebauten und befestigten Flächen des Stadtgebietes im wesentlichen überein.
33Ebensowenig bestehen rechtliche Bedenken gegen die Festsetzung des ab 1. Januar 1982 geltenden höheren Gebührensatzes von 0,65 DM/qm für die Niederschlagswassergebühr. Die Anhebung um 0,05 DM beruht darauf, daß der Beklagte bei Aufstellen der Gebührenbedarfsberechnung für 1982 den für 1981 zugrunde gelegten Zinssatz von 6% (kalkulatorischer Zins für das aufgewandte Kapital) als zu niedrig erachtete und ihn deshalb auf 7% angehoben hat, was im Hinblick auf das allgemeine Zinsniveau des Jahres 1981 unbedenklich erscheint.
34Vgl. zum Ansatz eines solchen einheitlichen kalkulatorischen Zinses für das aufgewandte Kapital: Urteil des Senats vom 26. Februar 1982 - 2 A 1667/79 -, aaO; Bauernfeind/Zimmermann, KAG NW, 2. Aufl., § 6 Rdnr. 27.
35Der Senat übersieht nicht, daß sich nach Auswertung sämtlicher von den Grundstückseigentümern zurückgesandten Fragebögen Daten ändern können, die der Gebührenkalkulation 1982 zugrunde gelegen haben. Das wird zwar den Rat der Stadt xxx veranlassen, die dann anstehende Gebührenbedarfsberechnung daraufhin zu überprüfen. Sollten sich erhebliche Abweichungen ergeben, berührt dies aber nicht die Rechtmäßigkeit der Festsetzung des Gebührensatzes für das Jahr 1982. Denn die Rechtmäßigkeit der Veranlagung der voraussichtlichen Kosten und der Maßstabseinheiten, sowie des aus ihnen ermittelten Gebührensatzes richtet sich - wie bereits ausgeführt - nach den Erkenntnissen im Zeitpunkt der Veranschlagung.
36Entgegen den Einwendungen des Klägers in seiner Berufungsbegründung ergeben sich auch nicht deshalb Bedenken gegen die Gebührenkalkulation, weil bei einigen Grundstückseigentümern das Niederschlagswasser der befestigten Hoffläche nicht über eine Grundstücksanschlußleitung zum Straßensammelkanal, sondern über das natürliche Gefälle zur Straße abfließt und dort über Straßengullies in die Fahrbahnentwässerung gelangt, die über denselben Mischwasserkanal erfolgt, der auch die Grundstücksabwässer (Schmutz- und Niederschlagswasser) aufnimmt. Wie der Beklagte hierzu unwiderlegt und glaubhaft vorgetragen hat, ist die Summe der befestigten Flächen, die im Stadtgebiet auf diese Weise mittels natürlichen Gefälles über die Straßenentwässerung ihr Niederschlagswasser in Straßensammelkanäle abfließen lassen, so gering, daß auch deren Berücksichtigung die Höhe des Gebührensatzes nicht hätte beeinflussen können. Davon abgesehen hat der Beklagte mit einem Anteil von 32% für das Entwässern der öffentlichen Verkehrsflächen diesen Kostenanteil, der den Gebührenhaushalt nicht belastet, so reichlich bemessen, daß Kosten der Beseitigung des von einigen Hofgrundstücken auf die Fahrbahn abfließenden Niederschlagswassers hierbei mit erfaßt sind. Die zur Niederschlagswassergebühr herangezogenen Grundstückseigentümer werden infolgedessen mit diesen Kosten keinesfalls belastet.
37Im übrigen wäre der Beklagte auch nicht verpflichtet, das über die Fahrbahnentwässerung abfließende Niederschlagswasser angrenzender Hofflächen in die Gebührenkalkulation einzubeziehen und damit von einer größeren zu entwässernden Gesamtfläche des Gemeindegebietes auszugehen. Mit seinem gegenteiligem Vorbringen übersieht der Kläger, daß der in seiner Straße (Dxxxstraße des Ortsteils xxx) verlegte Mischwasserkanal rechtlich zwei voneinander zu unterscheidenden Einrichtungen dient und infolgedessen verschiedenen Zwecken gewidmet ist.
38Einmal dient der Kanal der Fahrbahnentwässerung und ist insoweit rechtlich Bestandteil des Straßenkörpers der Dxxxstraße (§ 2 Abs. 2 Ziff. 1 a Straßen- und Wegegesetz des Landes NW - StrWG - jetzt gültig in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. August 1983, GV NW 306). Die hierdurch entstehenden Kosten für Unterhaltung des Kanals und Beseitigung des Fahrbahnoberflächenwassers werden aus allgemeinen Haushaltsmitteln finanziert, somit nicht durch das Aufkommen aus der von den Grundstückseigentümern zu entrichtenden (hier allein streitigen) Niederschlagswassergebühr. Diese Fahrbahnentwässerungskosten sind nach dem bereits Ausgeführten bei der Gebührenkalkulation in Höhe von 32% der Gesamtkosten für die Niederschlagswasserbeseitigung berücksichtigt worden.
39Zum anderen ist der in der Straße vor dem Grundstück des Klägers liegende Mischwassersammelkanal Bestandteil der städtischen Grundstücksentwässerungsanlage im Sinne von § 1 Abs. 1, 2 der Satzung der Stadt xxx über die Entwässerung der Grundstücke und den Anschluß an die öffentliche Entwässerungsanlage vom 21. Dezember 1971 Entwässerungssatzung - ES -. Insoweit ist der in der Straße verlegte Kanal als Folge dieser ortsrechtlichen Regelung zugleich für die Zwecke der Entwässerung angrenzender, an die städtische Entwässerungsanlage angeschlossener Grundstücke gewidmet. Die der Stadt durch Betreiben ihrer Grundstücksentwässerungsanlage entstehenden Kosten sind nach § 6 Abs. 1 und 2 KAG bei Ermittlung und Festsetzung des Gebührensatzes für die Niederschlagswassergebühr zugrunde zu legen. Da das veranschlagte Gebührenaufkommen die voraussichtlichen Kosten der städtischen Grundstücksentwässerungsanlage (i.S. von § 1 ES) in der Regel decken soll (§ 6 Abs. 1 Satz 1 und 3 KAG), hat die Stadt xxx den Gebührensatz so zu bemessen, daß die Gesamtheit der Gebührenpflichtigen diese Kosten trägt.
40Gebührenpflichtig sind jedoch nur Benutzer der städtischen Entwässerungsanlage; das sind diejenigen, deren Grundstücksabwasserleitungen in einer den Anforderungen des Ortsrechts entsprechenden Weise an den der Entwässerung angrenzender Grundstücke bestimmten Straßensammelkanal (leitungsmäßig) angeschlossen sind und über diese leitungsmäßige Verbindung Abwasser (Niederschlags- oder Schmutzwasser) einleiten. Hierzu gehört der Kläger (auch) mit seinen Hofflächen, die über den auf dem Grundstück von ihm installierten Einlaufschacht entwässert werden. Solange das auf der Hoffläche des Klägers niedergehende Regenwasser infolge des natürlichen Gefälles auf die Straße lief und dort zusammen mit dem auf der Straße niedergehenden Niederschlagswasser über Straßenabläufe (Straßengullies) in den in der Straße verlegten Kanal gelangte, war der Kläger nicht im Rechtssinne an die städtische Entwässerungsanlage angeschlossen. Es fehlte nämlich an einer abwassertechnischen Verbindung zwischen dem Grundstück und der städtischen Entwässerungsanlage, d.h. einer Verbindung, die ihrer Funktion und Bestimmung nach dem Transport von Grundstücksabwässern zur gemeindlichen Abwasseranlage diente.
41Vgl, Urteil des Senats vom 14. Juli 1975 - II A 502/73 -, OVGE 31, 162 (163) = Recht der Landwirtschaft (RdL) 1976, 52.
42Dem Kläger kamen lediglich das ohnehin vorhandene Gefälle seiner Hoffläche und die Straßenoberfläche zugute. Unter diesen Umständen handelte es sich seiner Zeit auch nicht um einen mittelbaren Anschluß, d.h. um eine abwassertechnische Verbindung des Grundstücks mit der städtischen Entwässerungsanlage durch die Mitbenutzung einer fremden Anschlußleitung (§ 10 Abs. 2 ES).
43Vgl. das o.a. Urteil des Senats vom 14. Juli 1975, aaO.
44Die Entwässerungssituation war vielmehr dadurch gekennzeichnet, daß Regenwasser von einem nicht angeschlossenen Grundstück ohne eine hierzu bestimmte Vorrichtung auf ein angeschlossenes Grundstück (hier: das Straßengrundstück) lief. Eine solche Situation braucht in der Gebührenkalkulation nicht - weder bei der Ermittlung der Kosten der Regenwasserbeseitigung noch bei der Ermittlung der für die Gebührenbemessung maßgeblichen bebauten und befestigten Grundstücksflächen - berücksichtigt zu werden.
45Daß sich die Entwässerungssituation des klägerischen Grundstückes infolge des Ausbaus der Straße verändert hat, ist für die Entscheidung des vorliegenden Gebührenrechtsstreits unerheblich. Entscheidend ist vielmehr, daß das Niederschlagswasser seiner Hoffläche nunmehr mittels einer leitungsmäßigen Verbindung vom Grundstück zum städtischen Straßensammelkanal abgeleitet wird, die auf jeden Fall die Voraussetzungen des § 10 ES erfüllt. Ob der Kläger zum Anlegen des Einlaufschachtes wegen des unterbrochenen Gefälles gezwungen war, ist rechtlich bedeutungslos. Das für das Benutzungsgebührenrecht maßgebliche Tatbestandselement der Willentlichkeit der Benutzung stellt nicht auf die Motivation des Willens ab, sondern nur darauf, daß eine (bewußte) Inanspruchnahme der Leistung der gemeindlichen Einrichtung vorliegt (hier Entwässern der Hoffläche durch die städtische Grundstücksentwässerungsanlage).
46Nach alledem hat der Kläger im hier streitigen Veranlagungszeitraum (1981 und 1982) den Gebührentatbestand (Niederschlagswasserbeseitigung) auch unter Zugrundelegen der befestigten Hoffläche von 280 qm erfüllt, so daß die Gebührenheranziehung bezüglich dieser Fläche rechtmäßig ist. Seine mit dem Hauptantrag erhobene Anfechtungsklage bleibt daher erfolglos.
47Die Klage ist auch mit dem hilfsweise gestellten Antrag unbegründet. Denn der Beklagte ist nicht verpflichtet, die streitige Gebühr ganz oder teilweise aus Billigkeitsgründen zu erlassen. Nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 b KAG in Verbindung mit § 163 Abgabenordnung 1977 (AO 1977) können Abgaben niedriger festgesetzt werden, wenn die Erhebung der Abgabe nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Eine solche Unbilligkeit kann sich aus der Person des Abgabepflichtigen (z.B. Existenzgefährdung infolge der Abgabenerhebung) oder aus der Natur der Sache ergeben, d.h. dann wenn die Abgabenerhebung in einem Einzelfall, der einen gesetzlichen Abgabentatbestand erfüllt, mit dem Sinn und Zweck des Abgabengesetzes unvereinbar ist und dadurch den Wertungen des Gesetzgebers zuwiderläuft. Gründe für eine persönliche Unbilligkeit sind hier nicht geltend gemacht und in Anbetracht des verhältnismäßig niedrigen Abgabenbetrages auch nicht anzunehmen, so daß nur eine sogenannte sachliche Unbilligkeit in Betracht kommen könnte. Der Beklagte hat jedoch ermessensfehlerfrei das Vorliegen einer sachlichen Unbilligkeit verneint. Nach dem Vorbringen des Klägers sieht dieser eine Unbilligkeit darin, daß er - anders als Nachbarn, die ihre Hoffläche ohne Grundstücksanschlußleitung mittels vorhandenen natürlichen Gefälles entwässern - zur Niederschlagswassergebühr herangezogen wird. Hierin liegt jedoch keine den Wertungen des Gesetzgebers zuwiderlaufende oder dem Sinn und Zweck, der hier angewandten Gebührenvorschriften widersprechende Abgabenbelastung. Den Wertungen des Gesetzgebers - des Landesgesetzgebers und des Ortsgesetzgebers - entspricht es nicht, daß ein Grundstückseigentümer, der den Gebührentatbestand verwirklicht, die Gebühr deshalb nicht zahlt, weil er ohne eine Straßenbaumaßnahme der Gemeinde die öffentliche Einrichtung nicht hätte in Anspruch nehmen müssen. Die Ursachen für die Notwendigkeit eines Regenwasseranschlusses mögen im Hinblick auf etwaige Entschädigungsansprüche gegenüber dem Träger der Straßenbaulast von Bedeutung sein; sie beeinflussen jedoch nicht das Gebührenschuldverhältnis zwischen dem angeschlossenen Grundstückseigentümer und dem Träger der Abwasseranlage. Die Heranziehung des Klägers zur Niederschlagswassergebühr ist somit sachlich nicht unbillig.
48Die Berufung war daher mit der sich aus § 154 Abs. 2 VwGO ergebenden Kostenentscheidung zurückzuweisen.
49Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nach §§ 132 Abs. 2, 137 VwGO nicht vorliegen.
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