Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 15 A 924/86
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das angefochtene Urteil geändert.
Die Klagen werden in vollem Umfang abgewiesen.
Die Berufungen der Kläger werden zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu je 1/7.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Kläger zu 1. bis 6. beteiligten sich als von der Klägerin zu 7. aufgestellte Direktkandidaten an der Kommunalwahl vom 30. September 1984 im Gebiet der Beklagten. Sie waren zugleich für die von der Klägerin zu 7. eingereichte Reserveliste benannt. Der Kläger zu 1., der bis dahin zweiter stellvertretender Bürgermeister der Beklagten war, nahm den Spitzenplatz der Reserveliste ein.
3Die Kläger wenden sich gegen eine Reihe von Maßnahmen der Beklagten, in denen sie eine Verletzung ihres Rechtes auf Chancengleichheit bei der Wahlteilnahme sehen. Neben den im Antrag zu 3. bezeichneten Presseerklärungen und Pressegesprächen der Beklagten in den Monaten August und September 1984 greifen sie insbesondere die Herausgabe einer mit 1.000 Exemplaren aufgelegten Broschüre an, die Mitte August 1984 vom Oberstadtdirektor der Beklagten als "Umweltbericht 1984" der Öffentlichkeit vorgestellt, u.a. den Mitgliedern des Rates und der Bezirksvertretungen sowie den Ratsfraktionen überlassen und der Bürgerberatungsstelle zur Verteilung an interessierte Bürger zur Verfügung gestellt wurde. Sie beanstanden außerdem die Durchführung eines "Informationstages 1984" am 25. August 1984 mit den Themen "Schutz der Umwelt", "Stadtplanung", "Freizeit im Grünen" und "Verkehrssicherheit", für den die Beklagte durch Inserate in der Lokalpresse und durch Verteilung von Handzetteln geworben hatte. Eine weitere Verletzung der Chancengleichheit sehen sie darin, daß die von der Beklagten im Stadtmuseum veranstaltete Ausstellung "xxx 800 bis 1800 - 1.000 Jahre Geschichte der Stadt" am 20. September 1984 statt durch den Oberbürgermeister oder dessen Stellvertreter vom Spitzenkandidaten der CDU xxx in dessen damaliger Eigenschaft als Vorsitzender des Kulturausschusses eröffnet wurde.
4Die Kläger haben zur Begründung ihrer am 14. September 1984 erhobenen und mit Schriftsatz vom 21. Juni 1985 u.a. um den Antrag zu 4. erweiterten Klagen im wesentlichen vorgetragen: Mit den angegriffenen Maßnahmen habe die Beklagte die vom Bundesverfassungsgericht für die Tätigkeit der Bundesregierung aufgezeigten, der Sache nach aber auch für die Gemeinden gültigen Grenzen amtlicher Öffentlichkeitsarbeit überschritten und unter Verkürzung ihrer Wettbewerbschancen in den Wahlkampf eingegriffen. Der "Umweltbericht 1984" sei ein Arbeits-, Leistungs- und Erfolgsbericht gewesen, für dessen Herausgabe wenige Wochen vor der Wahl kein sachlicher Anlaß bestanden habe. Terminlich wie inhaltlich habe es sich um eine gezielt lancierte Wahlkampfhilfe zugunsten der CDU gehandelt, mit deren Kommunalwahlprogramm der Bericht abgestimmt gewesen sei und die den Bericht mangels gegenteiliger Vorkehrungen der Beklagten im Wahlkampf ungehindert habe verwenden können. Auch für den "Informationstag 1984" mit seiner starken inhaltlichen Ausrichtung auf die Fragen des Umweltschutzes, der zudem abweichend von früheren Gepflogenheiten mit beträchtlichem Aufwand durchgeführt worden sei, habe es keinen von der Sache gebotenen Anlaß gegeben. Gleiches gelte für eine Flut amtlicher Presseerklärungen und Pressegespräche, deren Gegenstand jeweils aktuelle Wahlkampfthemen gewesen seien und die angesichts der Rolle der Lokalpresse in einem Kommunalwahlkampf gesteigerten Einfluß auf die Wettbewerbsverhältnisse hätten haben können. Die Eröffnung der Ausstellung im Stadtmuseum durch den Vorsitzenden des Kulturausschusses sei ein Kompetenzverstoß zu Lasten des im Verhinderungsfall dafür zuständigen Klägers zu 1. gewesen und habe schon aus diesem Grund die Grenzen zulässiger Öffentlichkeitsarbeit überschritten.
5Die Kläger haben beantragt,
6festzustellen, daß die Beklagte unter Verletzung ihrer Rechte auf chancengleiche Teilnahme an der Kommunalwahl vom 30. September 1984 in den Wahlkampf eingegriffen hat, indem sie
71. am 16. August 1984 den "Umweltbericht 1984" herausgegeben, in der Lokalpresse vorgestellt und seitdem zur Abholung bereitgehalten hat,
82. am 25. August 1984 einen "Informationstag 84" zur Darstellung ihrer positiven Leistungen auf den Gebieten "Schutz der Umwelt", "Stadtplanung", "Freizeit im Grünen" und "Verkehrssicherheit" durchgeführt hat, der mit großformatigen Anzeigen in der Lokalpresse angekündigt wurde,
93. seit Ende der Sommerferien jeweils ohne Anlaß in verstärktem Maße die Lokalpresse mit amtlichen Pressemitteilungen zu aktuellen Wahlkampfthemen versorgt hat, und zwar
10a) zum Thema Umweltschutz durch
11- Pressemitteilung "Mit dem Fahrrad bis zur holländischen Grenze"
12- Pressemitteilung "Stadtreinigungsamt nimmt den Umweltschutz ernst"
13- Pressemitteilung "xxx Müllkonzept dient vielen Städten als Vorbild"
14- Pressemitteilung "Die neue Zentraldeponie wächst schneller"
15- Pressemitteilung "Die Stadt erschließt dem Wanderer die Landschaft bei xxx und xxx
16- Pressekonferenz und -besichtigung "Landschaftsplan xxx",
17b) zum Thema Arbeitslosigkeit und Wirtschaftsbedingungen in xxx durch
18- Pressemitteilung "Zahl der Beschäftigten konstant"
19- Pressemitteilung "xxx Steuerpflichtige zahlen am wenigsten"
20- Pressemitteilung "xxx ist ein attraktiver Standort für Unternehmen"
21- Pressemitteilung "xxx wirtschaftet solide",
22c) zum Thema Bürgernähe, Bürgerbeteiligung durch
23- Pressemitteilung "Stadtverwaltung stellt für die Stadterneuerung Bürgerberater ein"
24- Pressemitteilung "Bürgerberater bekommt viel Arbeit"
25- Pressegespräch zum Thema "Wohnumfeldverbesserung in der Innenstadt"
26und
27d) zum Thema Sport (-förderung) in xxx durch
28- Pressemitteilung "Sportförderungs-Richtlinie als Broschüre"
29- Pressemitteilung "Großer Sporthallenbau in xxx kommt mit 800.000,-- DM weniger aus",
304. die Begrüßunq der Gäste zur Eröffnung der Ausstellung "1000 Jahre xxx 800 bis 1800" am 20. September 1984 durch den damaligen Spitzenkandidaten der CDU xxx aussprechen ließ.
31Die Beklagte hat beantragt,
32die Klagen abzuweisen.
33Sie hat im wesentlichen geltend gemacht: Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung sei auf die Gemeinden allenfalls eingeschränkt übertragbar. Jedenfalls aber habe sie, die Beklagte, die vom Bundesverfassungsgericht aufgezeigten Grenzen zur unzulässigen Wahlwerbung mit den angegriffenen Maßnahmen nicht überschritten. Der "Umweltbericht 1984" sei kein Leistungsbericht, sondern eine nach Form und Inhalt neutrale Bestandsaufnahme gewesen, die als Grundlage für die künftige Arbeit von Rat und Verwaltung habe dienen sollen, deren Erstellung auf einen Auftrag des Rates zurückgehe und darin einen hinreichenden Anlaß habe. Der "Informationstag 1984" habe die Tradition der alljährlich durchgeführten Tage der offenen Tür fortgesetzt und sei terminlich mit den vom Minister für Wirtschaft und Verkehr mitveranstalteten Verkehrssicherheitstagen verbunden worden. Pressemitteilungen und Pressegespräche seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von den Beschränkungen amtlicher Öffentlichkeitsarbeit in der Vorwahlzeit ausgenommen; im übrigen habe für alle von den Klägern angegriffenen Presseerklärungen ein sachlicher Anlaß bestanden. Die Eröffnung der Ausstellung im Stadtmuseum durch den Vorsitzenden des Kulturausschusses habe ständiger Praxis in vergleichbaren Fällen entsprochen.
34Durch das angefochtene Urteil, auf das Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht dem zu 1. gestellten Antrag stattgegeben und die Klagen im übrigen abgewiesen.
35Dagegen haben die Kläger und die Beklagte Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie ihren jeweiligen erstinstanzlichen Vortrag wiederholen und weiter vertiefen.
36Die Kläger beantragen,
371. das angefochtene Urteil zu ändern und auf der Grundlage der in erster Instanz gestellten Anträge zu 2. bis 4. festzustellen, daß die Beklagte ihre Rechte auf chancengleiche Teilnahme an der Wahl vom 30. September 1984 verletzt hat, indem sie
38a) am 25. August 1984 einen "Informationstag 1984" zu den Themen "Schutz der Umwelt", "Stadtplanung", "Freizeit im Grünen" und "Verkehrssicherheit" veranstaltet hat,
39b) in den Monaten August und September 1984
40aa) zum Thema Umweltschutz
41die Pressemitteilungen
42"Mit dem Fahrrad bis zur holländischen Grenze",
43"Stadtreinigungsamt nimmt den Umweltschutz ernst",
44"xxx Müllkonzept dient vielen Städten als Vorbild",
45"Die neue Zentraldeponie wächst schneller",
46"Die Stadt erschließt dem Wanderer die Landschaft bei xxx und xxx"
47und die Pressekonferenz "Landschaftsplan xxx",
48bb) zum Thema Arbeitslosigkeit und Wirtschaftsbedingungen
49die Pressemitteilungen
50"Zahl der Beschäftigten konstant",
51"xxx Steuerpflichtige zahlen am wenigsten",
52"xxx ist ein attraktiver Standort für Unternehmen" und
53 xxx wirtschaftet solide",
54cc) zum Thema Bürgernähe und Bürgerbeteiligung
55die Pressemitteilungen
56"Stadtverwaltung stellt für die Stadterneuerung Bürgerberater ein",
57"Bürgerberater bekommt viel Arbeit"
58und die Pressekonferenz "Wohnumfeldverbesserung in der Innenstadt",
59dd) zum Thema Sportförderung
60die Pressemitteilungen
61"Sportförderungs-Richtlinie als Broschüre"
62und
63"Großer Sporthallenbau in xxx kommt mit 800.000,-- DM weniger aus"
64herausgegeben bzw. veranstaltet hat,
65c) die Eröffnung der Ausstellung "xxx 800 bis 1800 - 1.000 Jahre Geschichte der Stadt" am 20. September 1984 durch den damaligen Vorsitzenden des Kulturausschusses xxx vornehmen ließ.
662. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
67Die Beklagte beantragt,
681. das angefochtene Urteil zu ändern und die Klagen auch mit dem in erster Instanz gestellten Antrag zu 1. abzuweisen,
692. die Berufungen der Kläger zurückzuweisen.
70Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Akten VG Münster 2 L 455/84 und der von den Beteiligten vorgelegten Unterlagen verwiesen.
71Entscheidungsgründe:
72Die Berufung der Beklagten hat Erfolg, weil die Klagen auch mit dem in erster Instanz zu 1. gestellten Antrag abzuweisen sind. Die Berufungen der Kläger bleiben hingegen erfolglos; denn das Verwaltungsgericht hat die Klageanträge zu 2. bis 4. zu Recht abgewiesen.
73I.
74Die Klagen der Kläger zu 1. und zu 4. bis 7. sind als Feststellungsklagen gemäß § 43 Abs. 1 VwGO zulässig. Die Beteiligten streiten über das Bestehen eines Rechtsverhältnisses im Sinne dieser Vorschrift, weil die Kläger eine Verletzung ihres subjektiven Rechtes auf chancengleiche Wahlteilnahme durch bestimmte Handlungen der Beklagten geltend machen und die Beklagte in Abrede stellt, die ihr durch dieses Recht gezogenen Grenzen überschritten zu haben. Das berechtigte Interesse der Kläger zu 1. und zu 4. bis 7. an einer baldigen Feststellung ergibt sich aus der Gefahr, daß wegen des Rechtsstandpunktes der Beklagten mit einer Wiederholung ähnlicher Handlungen vor der 1989 anstehenden Kommunalwahl zu rechnen ist, an der sich nicht nur die Klägerin zu 7. mit einem Wahlvorschlag, sondern voraussichtlich auch die Kläger zu 1. und zu 4. bis 6. durch erneute Kandidatur beteiligen wollen. Sie können ihr Begehren auch nicht ebenso gut mit einer Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Eine allenfalls in Betracht zu ziehende Unterlassungsklage vor der bevorstehenden Kommunalwahl würde sie zur Bezeichnung bestimmter, von der Beklagten zu unterlassender Handlungen zwingen, die für die Kläger jedoch weder ihrem Gegenstand noch dem Zeitpunkt nach hinreichend vorhersehbar sind, und hätte den weiteren Nachteil, daß eine rechtskräftige Entscheidung vor der Wahl nicht zu erwarten wäre.
75Demgegenüber sind die Klagen der Kläger zu 2. und 3. unzulässig, weil diese ein berechtigtes Interesse an einer baldigen Feststellung nicht geltend machen können. Da sie gegenwärtig nicht die Absicht haben, sich bei einer Kommunalwahl im Gebiet der Beklagten erneut zur Wahl zu stellen, brauchen sie künftige Beeinträchtigungen des in Anspruch genommenen Rechtes auf chancengleiche Wahlteilnahme durch Handlungen der Beklagten nicht zu befürchten. Sonstige Umstände, die ein Feststellungsinteresse begründen könnten, liegen nicht vor. Mit dem bloßen Hinweis auf die Bedeutung einer Sachentscheidung für die künftige politische Arbeit auch der Kläger zu 2. und 3. ist lediglich ein Interesse am Ausgang des Rechtsstreites dargelegt, das auch jeder beliebige Dritte haben kann, der am politischen Geschehen aktiv teilnimmt. Ein darüberhinausgehendes Interesse der Kläger zu 2. und 3. an einer Klärung der Streitfragen gerade gegenüber der Beklagten ergibt sich daraus nicht.
76II.
77Die Klagen der Kläger zu 1. und zu 4. bis 7. sind unbegründet.
78Rechtsgrundlage des mit der Klage verfolgten Rechtes auf chancengleiche Wahlteilnahme sind § 29 Abs. 1 GO i.V.m. §§ 7, 12 KWahlG und Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. § 15 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 KWahlG. Nach § 29 Abs. 1 GO, der den bundesverfassungsrechtlichen Auftrag in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG für die Wahlen zum Rat einer Gemeinde in Landesrecht umsetzt,
79vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 5. April 1952 - 2 BvH 1/52 -, BVerfGE 1, 208 (236); OVG NW, Urteil vom 14. Februar 1962 - III A 726/61 -, OVGE 18, 1 f.,
80werden die Ratsmitglieder in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Hieraus folgt für den einzelnen Wahlbewerber, der wie die Kläger zu 1. bis 6. die Wählbarkeitsvoraussetzungen der §§ 12 und 7 KWahlG erfüllt, ein Recht auf chancengleiche Teilnahme an der Kommunalwahl,
81vgl. z.B. BVerfG, Urteil vom 2. November 1960 - 2 BvR 504/60 -, BVerfGE 11, 351 (360 f, 364),
82das auch für die Wahlvorbereitung einschließlich der Wahlwerbung Geltung beansprucht.
83Vgl. BVerfG, Urteil vom 2. März 1977 - 2 BvE 1/76 -, BVerfGE 44, 125 (146); Beschluß vom 23. Februar 1983 - 2 BvR 1765/82 -, BVerfGE 63, 230 (242).
84Dieses Recht steht gemäß Art 21 Abs. 1 Satz 1 GG in gleicher Weise und im selben Umfang auch den politischen Parteien zu. Deren verfassungsrechtlich garantierte Befugnis zur Mitwirkung bei der politischen Willensbildung des Volkes, die sich nicht nur auf die Bundestagswahlen, sondern auch auf die in den Ländern und in den Kommunen stattfindenden Wahlen erstreckt,
85vgl. BVerfG, Urteil vom 5. April 1952, a.a.O., 227; Beschluß vom 7. Mai 1957 - 2 BvH 1/56 -, BVerfGE 6, 367 (372 f, 375); Beschluß vom 16. Juli 1969 - 2 BvH 1/67 -, BVerfGE 27, 10 (17),
86erfordert es, daß sie, soweit irgend möglich, mit gleichen Chancen auch an dem der Wahl vorausgehenden Wahlkampf teilnehmen können.
87Vgl. BVerfG, Urteil vom 2. März 1977, a.a.O., 144 ff.
88Die sich daraus im Einzelfall ergebenden Leistungs- und Abwehrrechte stehen für die hier streitige Kommunalwahl der Klägerin zu 7. als der für die Ausübung des Wahlvorschlagsrechtes aus § 15 Abs. 1 Satz 2 KWahlG zuständigen örtlichen Untergliederung der SPD (§ 15 Abs. 2 Satz 1 KWahlG) zu.
89Das Recht auf chancengleiche Teilnahme an einer Wahl kann insbesondere in seiner hier interessierenden Ausprägung der Wettbewerbsgleichheit im Wahlkampf in vielfältiger Weise beeinträchtigt werden. Neben den Eingriffen Dritter
90- vgl. dazu Seifert, Bundeswahlrecht, 3. Aufl. 1976, S. 58 (Art. 38 GG Rdnr. 29) und S. 410 ff.; ferner BVerfG, Beschluß vom 10. April 1984 - 2 BvC 2/83 -, NJW 1984, 2201 -
91sind vor allem Maßnahmen von Hoheitsträgern geeignet, chancenmindernd in den Wahlkampf einzuwirken. Geschehen kann dies nicht nur durch die einseitige Bevorzugung oder Benachteiligung bestimmter Wahlbewerber bei der Gewährung öffentlicher Leistungen
92- vgl. z.B. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Mai 1983 - 1 S 965/83 -, NVwZ 1985, 671; Urteil des Senats vom 4. Oktober 1985 - 15 A 1215/84 -, bestätigt durch BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1986 - 7 C 86.85 -, BVerwGE 75, 79 -
93und in hoheitlicher Funktion abgegebene wahlbezogene Erklärungen von Amtswaltern
94- vgl. z.B. VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 7. November 1983 - 1 S 1311/83 -, DVBl. 1985, 170, und vom 2. Dezember 1985 - 1 S 2428/85 -, ESVGH 36, 109 -,
95sondern auch durch der Öffentlichkeitsarbeit zuzurechnende Maßnahmen eines Hoheitsträgers,
96vgl. BVerfG, Urteil vom 2. März 1977, a.a.O., 147 ff.,
97wie sie im vorliegenden Fall Gegenstand der Anträge zu 1. bis 3. sind. Denkbar ist auch, daß sonstige hoheitliche Handlungen, die - wie der im Antrag zu 4. bezeichnete Vorgang - ihrer Art nach weder einen unmittelbaren noch einen mittelbaren Bezug zur Wahl haben, chancenbeeinträchtigende Folgen nach sich ziehen.
98Vgl. BVerfG, Beschluß vom 3. Juni 1975 - 2 BvC 1/74 -, BVerfGE 40, 11 (38/39).
991. Die mit den Anträgen zu 1. bis 3. angegriffenen Maßnahmen der gemeindlichen Öffentlichkeitsarbeit sind an den Kriterien zu messen, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 2. März 1977, a.a.O., 147 ff, entwickelt hat. In dieser Entscheidung ist bezogen auf die Bundesregierung dargelegt, daß deren Öffentlichkeitsarbeit nicht nur zulässig, sondern notwendig ist, jedoch auch ihre Grenzen hat:
100Öffentlichkeitsarbeit müsse sich im Rahmen des Aufgaben- und Zuständigkeitsbereiches der Regierung bewegen und - angesichts deren Sachverantwortung gegenüber dem ganzen Volk - jeder offenen oder versteckten Werbung für die eine oder andere Seite der miteinander konkurrierenden politischen Kräfte enthalten.
101Eine weitere Grenze liege dort, wo die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung zur Wahlwerbung werde. Anhaltspunkte für eine Grenzüberschreitung seien etwa der Inhalt und die äußere Form amtlicher Anzeigen oder Druckschriften. Inhaltlicher Beleg für den parteiergreifenden Charakter einer Veröffentlichung könne sein, daß die Regierung sich als von bestimmten Parteien getragen darstelle, für diese oder für ihr Verbleiben im Amt Werbung treibe oder sich über oppositionelle Bewerber mit negativem Akzent äußere. Der Form nach könne unzulässige Wahlwerbung deutlich werden durch die reklamehafte Aufmachung von Druckschriften mit spärlichem Informationsgehalt oder durch eine Häufung amtlicher Veröffentlichungen, die mehr der Sympathiewerbung für die Regierungsmitglieder als der Befriedigung eines sachorientierten Informationsbedürfnisses dienlich seien.
102Über diese stets zu beachtenden Grenzen hinaus könnten in der unmittelbaren Vorwahlzeit auch nach Inhalt und Form neutral gehaltene Veröffentlichungen zur unzulässigen Wahlwerbung werden. Denn auch solche Veröffentlichungen stünden nicht frei im politischen Raum, sondern entfalteten regelmäßig Wirkungen zugunsten der regierungstragenden Parteien. Wann insoweit die Grenze zur unzulässigen Wahlwerbung überschritten werde, sei nicht allgemeingültig festzulegen, sondern hänge von Zahl und Umfang solcher Maßnahmen, der Nähe des Wahlzeitpunktes und der Intensität des Wahlkampfes ab. Je näher der Wahlzeitpunkt heranrücke, desto mehr trete die Aufgabe einer durch Öffentlichkeitsarbeit bewirkten Sachinformation des Bürgers hinter das Gebot zurück, die Willensbildung des Volkes vor einer Wahl von staatlicher Einflußnahme freizuhalten. Das daraus herzuleitende Gebot äußerster Zurückhaltung in der "heißen Phase des Wahlkampfes", das in zeitlicher Hinsicht in etwa dann einsetze, wenn der Wahltag bestimmt werde, erfordere den Verzicht auf jegliche Öffentlichkeitsarbeit in der Form sogenannter Arbeits-, Leistungs- und Erfolgsberichte. Unzulässig sei auch eine mittelbare Beeinflussung des Wahlkampfes von amtlicher Seite, etwa indem den Wahlbewerbern amtliche Druckwerke zur Verwendung im Wahlkampf überlassen würden. Da die amtlichen Äußerungen der Regierung in der politischen Wirklichkeit nicht selten übereinstimmten mit Wahlkampfaussagen der sie tragenden Parteien, sei die Regierung verpflichtet, Vorkehrungen zu treffen, daß für Zwecke der Öffentlichkeitsarbeit hergestellte Druckwerke nicht von den Parteien oder den sie unterstützenden Gruppen zur Wahlwerbung eingesetzt werden.
103Ausgenommen von diesen Beschränkungen der Öffentlichkeitsarbeit seien - auch in unmittelbarer Vorwahlzeit - amtliche Veröffentlichungen, die aus akutem Anlaß geboten seien. Den Regierungsmitgliedern sei es im übrigen nicht versagt, sich in amtlicher Funktion über Rundfunk, Fernsehen oder die Presse an die Öffentlichkeit zu wenden. Auch ihre Teilnahme am Wahlkampf außerhalb dieser Funktion sei unbedenklich.
104Diese Maßstäbe zur Abgrenzung zulässiger Öffentlichkeitsarbeit von verbotener Wahlbeeinflussung sind in der späteren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
105- vgl. den Beschluß vom 23. Februar 1983, a.a.O., 242 ff. -
106bekräftigt, von der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung der Länder
107- vgl. VerfGH Saarland, Urteil vom 26. März 1980 - Lv 1/80 -, NJW 1980, 2181 (2182 f.); StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Februar 1981 - GR 1/80 -, ESVGH 31, 81 (85 ff.); StGH Bremen, Entscheidung vom 30. November 1983 - St 1/83 -, DVBl. 1984, 221 (222 f.); VerfGH NW, Urteil vom 15. Februar 1985 - VerfGH 8/84 -, DVBl. 1985, 691,
108übernommen, im Schrifttum zustimmend aufgegriffen
109- vgl. z.B. Zuck, ZRP 1977, 144 ff.; Häberle, JZ 1977, 361 ff.; Seifert, DÖV 1977, 288 ff.; Berkemann, JR 1977,445 (454), und EuGRZ 1977, 189 (191 f.); Kempen, Der Staat 1979, 81 ff. -
110und in der Praxis - soweit ersichtlich - weitgehend befolgt worden.
111Vgl. z.B. die auch die kommunale Praxis betreffenden Berichte von Zurnieden, Städtetag 1980, 721 ff., und Bengel, BWVPr 1981, 281 ff.; ferner Kommunalpolitische Blätter 1981, 225 u. 347 f.
112Sie haben Geltung auch für die Gestaltung der Öffentlichkeitsarbeit einer Gemeinde.
113Ebenso wie Bund und Länder sind auch die Gemeinden berechtigt und verpflichtet, zum Zwecke sachbezogener Information ihren Einwohnern gegenüber Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. Dahingehende ausdrückliche Bestimmungen enthält die Gemeindeordnung insbesondere in § 6b Abs. 1 und Abs. 2, aber z.B. auch in § 13b Abs. 1 Satz 1 f) und in § 37 Abs. 2. Als Mittel der Bürgerinformation nennt die Verwaltungsvorschrift zu § 6 b GO (Runderlaß des Innenministers vom 4. September 1984, MBl NW 1984, 1156) neben der Einwohnerversammlung öffentliche Anhörungen, Flugblattaktionen und Bürgerbriefe. Dem entspricht § 5 Abs. 1 der Hauptsatzung der Beklagten vom 2. Juli 1975 i.d.F. der Änderungssatzung vom 30. September 1981, die zusätzlich die schriftliche Unterrichtung der Haushalte, Presseveröffentlichungen, Bekanntmachungen und Informationsschriften erwähnt. Der Sinn all dessen besteht darin, den Bürger nicht auf die Rolle des bloßen Zuschauers zu beschränken, sondern ihn an den von der Gemeinde zu treffenden Entscheidungen im Rahmen des Möglichen zu beteiligen. Grundvoraussetzung dieses Anliegens ist eine sachgerechte Unterrichtung des Bürgers über die kommunalen Angelegenheiten. Wird diese Pflicht von der Gemeinde erfüllt, so ist damit zugleich die Möglichkeit gegeben, einer anderenfalls zu befürchtenden Entfremdung zwischen der Verwaltung der Gemeinde und deren Einwohnern entgegenzuwirken.
114Vgl. zum ganzen den der Einfügung des § 6 b GO in die Gemeindeordnung vorausgegangenen Gesetzentwurf der Landesregierung vom 6. April 1978, Landtagsdrucksache 8/3152, S. 2, 55 u. 58; ferner die vom Hauptausschuß des Deutschen Städtetages am 8. März 1988 neugefaßten "Leitsätze zur städtischen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit 1988", Städtetag 1988, 239.
115Ebenso wie die Öffentlichkeitsarbeit von Bund und Ländern ist auch die gemeindliche Öffentlichkeitsarbeit geeignet, zugunsten der einen oder anderen Seite der in der Gemeinde miteinander konkurrierenden politischen Kräfte in die Wahlwerbung einzugreifen. Denn die Grundbedingungen politischen Handelns sind in einer demokratisch verfaßten, nach den Grundsätzen parlamentarischer Repräsentation organisierten Gemeinde prinzipiell keine anderen als in Bund und Ländern.
116Vgl. dazu auch Meyer, Kommunalwahlrecht, in Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, 2. Aufl. 1982, Band 2, S. 37 (51 ff.).
117Die von der Beklagten hervorgehobenen Besonderheiten in der organschaftlichen Stellung der an der Spitze der Gemeindeverwaltung stehenden Beamten rechtfertigen keine andere Beurteilung. Daß der Gemeindedirektor und die Beigeordneten vom Rat auf die Dauer von acht Jahren gewählt sind (§ 49 Abs. 2 Satz 1 GO), während die Ratsmitglieder nur für fünf Jahre gewählt werden (§ 29 Abs. 1 Satz 1 GO), hat zur Folge, daß Gemeindedirektor und Beigeordnete von einer Wahl zu der Vertretungskörperschaft nicht unmittelbar betroffen werden. Das Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit von zwei Dritteln erschwert dem neu gewählten Rat trotz einer eventuell eingetretenen Änderung der Mehrheitsverhältnisse darüberhinaus die vorzeitige Abberufung der leitenden Beamten der Gemeinde (§ 49 Abs. 4 GO). Hinzu tritt die Befugnis des Gemeindedirektors, rechtswidrige Ratsbeschlüsse zu beanstanden (§ 39 Abs. 2 GO). All das zeigt, daß die Verwaltungsspitze der Gemeinde von der jeweiligen Ratsmehrheit in geringerem Maße abhängig ist, als dies bei einer Bundes- und Landesregierung in bezug auf die jeweilige Parlamentsmehrheit der Fall ist. Gleichwohl sind diese Unterschiede angesichts der politischen Wirklichkeit und wegen der grundsätzlichen Allzuständigkeit des Rates (§ 28 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 GO), dessen Kontrollbefugnissen gegenüber der Verwaltung (§ 40 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1), der darüberhinaus bestehenden Auskunfts- und Unterrichtungsrechte (vgl. z.B. § 46, § 47 Abs. 2 GO) und der Zitierbefugnis in § 48 Abs. 1 Satz 2 GO nicht überzubewerten. Auch ungeachtet dessen haben die aufgezeigten Unterschiede Auswirkungen nur insoweit, als die Motivation der an der Spitze der Gemeinde stehenden Beamten, in den einer Kommunalwahl vorausgehenden Wahlkampf zugunsten der bisherigen Ratsmehrheit einzugreifen, geringer ausgeprägt sein kann als das entsprechende Interesse einer Bundes- oder Landesregierung. Das mag in tatsächlicher Hinsicht die Erwartung rechtfertigen, daß solche Eingriffe bei einer Kommunalwahl seltener sind als bei Wahlen im Bund und in den Ländern,
118vgl. hierzu auch Zurnieden, a.a.O., 721,
119ändert an der chancenmindernden Wirkung solcher Eingriffe indes nichts, wenn sie gleichwohl vorkommen. Im Gegenteil kann eine Grenzüberschreitung der für die Gemeinde handelnden Verwaltung für die in der bisherigen Opposition stehenden Wahlbewerber sogar nachteiligere Auswirkungen haben, als dies bei entsprechenden Vorgängen auf Bundes- oder Landesebene zu befürchten ist. Denn die oben aufgezeigten Besonderheiten in der kommunalverfassungsrechtlichen Stellung der leitenden Verwaltungsbeamten mag gerade bei einem diese Stellung bedenkenden Wahlbürger den Eindruck erwecken, daß die amtlichen Verlautbarungen der Gemeinde den Vorzug neutraler Information haben, und den Blick auf eine darin im Einzelfall möglicherweise enthaltene versteckte Wahlwerbung verstellen können.
120Die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstäbe zur Begrenzung amtlicher Öffentlichkeitsarbeit sind auf diejenige der Kommunen deshalb uneingeschränkt übertragbar.
121Ebenso im Ergebnis: BayVGH, Urteil vom 22. Juni 1983 - Nr. 4 B 80 A. 1769 -, VGHE 36, 67; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 7. November 1983, a.a.O., 170; Seifert, DÖV 1977, 288 (290).
122a) Mit den in den Anträgen zu 1. und 2. bezeichneten Maßnahmen hat die Beklagte die Grenzen zulässiger Öffentlichkeitsarbeit danach teilweise überschritten.
123Der mit dem Antrag zu 1. angegriffene Umweltbericht durfte weder in der unmittelbaren Vorwahlzeit herausgegeben noch - wie hier geschehen - den Wahlbewerbern zur ungehinderten Verwendung auch zu Wahlkampfzwecken überlassen werden.
124Allerdings kann dieser Bericht nicht als eine Publikation eingeordnet werden, die schon nach ihrem Inhalt oder nach ihrer äußeren Aufmachung den Charakter eines parteiergreifenden Werbemittels besaß.
125Inhaltlich handelt es sich, wie die Beklagte zu Recht hervorhebt, um einen zwar umfangreichen, der komplexen Materie angepaßten, gleichwohl aber nicht aus dem Rahmen des üblichen fallenden Verwaltungsbericht, wie er auch in anderen Gemeinden als Bestandsaufnahme, Arbeitsgrundlage und zum Zwecke der Bürgerinformation erstellt zu werden pflegt. Er enthält an keiner Stelle direkte oder indirekte Aussagen zugunsten oder zu Lasten der einen oder anderen Partei oder bestimmter Wahlbewerber. Die Kläger selbst stellen diese Einschätzung nicht substantiiert in Frage. Soweit sie die Auffassung vertreten, der Bericht sei eine "gezielt lancierte Wahlkampfhilfe" für die Mehrheitspartei gewesen, geht dies schon deshalb fehl, weil die als Beleg angeführten Textpassagen nur die Behauptung stützen sollen, daß der Bericht an vielen Stellen zu allgemein gehalten oder auf die Wiedergabe positiver Befunde beschränkt worden sei. Die Richtigkeit dessen unterstellt, würde weder das eine noch das andere den Vorwurf der Kläger rechtfertigen. Dies versteht sich für die angeblich zu allgemein gehaltenen Teile des Berichtes von selbst und folgt im übrigen daraus, daß etwaige Unvollständigkeiten des Berichtes zwar dessen Tauglichkeit als Arbeitsgrundlage für Rat und Verwaltung beeinträchtigen könnten, In bezug auf seine hier in erster Linie Interessierende Verwendung als Bürgerinformation aber im Interesse der Lesbarkeit ohnehin nicht in jeder Hinsicht vermeidbar waren.
126Vgl. hierzu den zutreffenden Hinweis von Bengel, a.a.O., 283, daß auch amtliche Publikationen notwendigerweise selektiv sein müssen; in ähnliche Richtung zielend die Bemerkung von Zuck, a.a.O., 147, daß Öffentlichkeitsarbeit auf den Empfängerhorizont aller Bürger abgestellt sein dürfe.
127Die inhaltliche Grenze zur Wahlwerbung könnte im letztgenannten Zusammenhang allenfalls dann überschritten sein, wenn in dem Bericht eine einseitige Auswahl positiver Feststellungen enthalten und problematische Gesichtspunkte gänzlich oder im wesentlichen unterdrückt wären. Daß davon keine Rede sein kann, wird hinlänglich belegt u.a. durch die von der Beklagten angeführten Textteile, die - etwa mit den Problemen der Schadstoffanreicherungen im Boden, der partiellen Verschlechterung der Gewässergüte und der Luftbelastung - negative Befunde und entsprechenden Handlungsbedarf herausstellen.
128Auch die äußere Aufmachung des Berichtes enthält keine Anzeichen einer parteiergreifenden Werbeschrift. Reklamehafte Bebilderung und schlagzeilenartige Aussagen sind ebenso vermieden wie auf Sympathiewerbung oder Popularitätssteigerung zugunsten bestimmter Gruppen oder Personen angelegte Textpassagen. Stattdessen entspricht das äußere Erscheinungsbild dem eine Vielzahl von tatsächlichen Informationen vermittelnden Inhalt, der beim Leser ein nicht unerhebliches Maß an sachbezogenem Interesse und Aufmerksamkeit voraussetzt und im Verhältnis zur Aufmachung eindeutig im Vordergrund steht.
129Hieraus folgt, daß eine Veröffentlichung des Berichtes außerhalb der unmittelbaren Vorwahlzeit unbedenklich gewesen wäre.
130Seine Herausgabe am 15./16. August 1984, also etwa 6 Wochen vor dem Wahltag am 30. September 1984, überschritt jedoch die der Beklagten gezogenen Grenzen.
131Unerheblich für diese Feststellung ist, wann bei der hier streitigen Kommunalwahl die "heiße Phase" des Wahlkampfes begonnen hatte, in der die Träger öffentlicher Gewalt zu äußerster Zurückhaltung verpflichtet sind. Denn etwa 6 Wochen vor der Wahl war dieser Zeitpunkt jedenfalls erreicht. Der Senat kann deshalb offenlassen, ob die Annahme des Verwaltungsgerichts zutrifft, der Runderlaß des Innenministers vom 4. Juni 1984 über die "Vorbereitung und Durchführung" der Wahl (MBl. NW 1984, 688) sei der hier maßgebliche Orientierungspunkt gewesen, obgleich die Bestimmung des Wahltages schon mit der Bekanntmachung des Innenministers vom 26. August 1983 (veröffentlicht am 20. September 1983, MBl. NW 1983, 1906) erfolgt war.
132Nicht entscheidungserheblich ist ferner, ob der Umweltbericht als "Arbeits-, Leistungs- und Erfolgsbericht" im Sinne des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes vom 2. März 1977, a.a.O., 152, angesehen werden kann. Denn solche Berichte stellen nur Beispiele für unzulässige Publikationen in der unmittelbaren Vorwahlzeit dar. Entscheidend ist demgegenüber, ob die Herausgabe des Berichtes das Gebot äußerster Zurückhaltung im nahen Vorfeld der Wahl verletzt hat oder durch einen akuten Anlaß geboten erschien.
133Diese Frage ist zu Lasten der Beklagten zu beantworten. Wird mit dieser davon ausgegangen, daß der Bericht auf der Grundlage eines ordnungsgemäß zustandegekommenen Beschlusses der Vertretungskörperschaft erstellt worden ist, lag gleichwohl kein hinreichender Grund dafür vor, ihn wenige Wochen vor dem Wahltag der Öffentlichkeit zu präsentieren. Die von der Beklagten hierzu gemachten Angaben betreffen allein die Fragen, aus welchen Gründen überhaupt ein Umweltbericht erstellt worden ist und in welcher zeitlichen Abfolge die dazu notwendigen Arbeitsgänge stattgefunden haben. Nicht dargelegt ist, daß für die Fertigstellung und Publikation des Berichtes eine zeitliche Zielvorgabe etwa in Gestalt eines entsprechenden Ratsbeschlusses bestand. Noch weniger ersichtlich sind die sachlichen Gründe, die eine Herausgabe des Berichtes gerade im nahen Vorfeld der Wahl und einen Ratsbeschluß mit einer dahingehenden Anordnung hätten rechtfertigen können. Angesichts dessen hätte es der Beklagten freigestanden, auf eine Herausgabe des Berichtes im August (oder September) 1984 zu verzichten und seine Veröffentlichung auf die Zeit nach der Wahl zu verschieben.
134Hierzu war die Beklagte aufgrund des Gebotes äußerster Zurückhaltung in der unmittelbaren Vorwahlzeit auch verpflichtet. Wie oben dargelegt, sind auch inhaltlich und in der Form neutral gehaltene amtliche Publikationen kurze Zeit vor einer Wahl geeignet, die Wettbewerbsverhältnisse im Wahlkampf zu Gunsten der in der bisherigen Mehrheit stehenden Bewerber zu verbessern. Solche Auswirkungen konnten auch von der Herausgabe des Umweltberichtes ausgehen. Nach den unwidersprochenen und in mehrfacher Hinsicht belegten Angaben der Kläger waren die Fragen des Umweltschutzes und der Umweltpolitik vor der Wahl vom 30. September 1984 ein zentrales Wahlkampfthema, dem sich auch die Mehrheitspartei der CDU und deren Spitzenkandidat in verstärktem Maße zugewandt hatten. Eine der wesentlichen Wahlkampfaussagen der CDU bestand ausweislich ihres Kommunalwahlprogramms und der Äußerungen ihres Spitzenkandidaten darin, daß die Stadt xxx "seit Jahrzehnten eine konsequente Grünpolitik betrieben" habe, "heute ... ohne größere Umweltprobleme" dastehe, "als Stadt im Grünen auch in Zukunft zu bewahren und zu erhalten" sei und bei einem Fortbestand der langjährigen CDU-Mehrheit "die kommenden Probleme ... mit neuen und qualifizierten Antworten besser lösen könne als die SPD und die GAL mit ihren Rezepten zu mehr Verwaltung, mehr Bürokratie und mehr Gängelung des Bürgers". Der Umweltbericht war geeignet, die erstgenannten Aussagen zu bestätigen und seine Leser von der Richtigkeit der von der CDU vertretenen Politik zu überzeugen. Denn er kam nach seinem Vorwort des Oberstadtdirektors und nach seinen einleitenden Feststellungen zu dem zusammenfassenden Ergebnis, "daß das jahrelange Bemühen von Rat und Verwaltung, bei ihren Entscheidungen und Maßnahmen den Belangen des Umweltschutzes Rechnung zu tragen, in xxx zu einer positiven Umweltbilanz geführt hat". Mit dieser Aussage in einem besonders sensiblen Bereich der kommunal politischen Auseinandersetzungen konnte der Umweltbericht - ungeachtet der Neutralität seines Inhaltes und seiner Aufmachung - die Bedeutung einer Wahlkampfhilfe zugunsten der Mehrheitspartei erlangen. Das hätte der Beklagten Anlaß sein müssen zu der Prüfung, ob seine Herausgabe wenige Wochen vor der Wahl wirklich unerläßlich war.
135Vgl. in diesem Zusammenhang und zu diesem Maßstab auch VGH Baden- Württemberg, Urteil vom 2. Dezember 1985, a.a.O., 111.
136Da dies, wie oben dargelegt, nicht der Fall war, hätte die Beklagte eine Herausgabe bis zur Beendigung der Wahl zurückstellen müssen.
137Vgl. auch das von Zurnieden, a.a.O., 723, erwähnte Beispiel der Stadt Bonn, die in einem ähnlichen Fall dementsprechend verfahren ist.
138Mit dem Zurückhaltungsgebot war außerdem nicht vereinbar, daß die Beklagte den Umweltbericht den Mitgliedern des Rates und der Bezirksvertretungen sowie den Ratsfraktionen überlassen hat, ohne Vorkehrungen gegen eine Verwendung des Berichtes zu Wahlkampfzwecken zu treffen. Wie oben näher dargelegt, war die Beklagte verpflichtet, sich jeder vermeidbaren auch indirekten Einflußnahme auf den Wahlkampf zu enthalten. Die Überlassung des Berichtes an den genannten Personenkreis konnte solche mittelbaren Auswirkungen haben, weil davon ausgegangen werden kann, daß dieser Personenkreis überwiegend oder doch zu einem nicht unerheblichen Teil aktiv am Wahlkampf beteiligt war, der Bericht ein zentrales Thema des Wahlkampfes betraf und - wie bereits ausgeführt - mit seinen Aussagen die Position der Mehrheitspartei unterstützen konnte. Diese Einschätzung wird bestätigt z.B. durch die Zitierung des Berichtes in Wahlkampfveranstaltungen der Mehrheitspartei und durch die wörtliche Wiedergabe der einleitenden Feststellungen des Berichtes in einem Wahlkampfpapier des Kreisverbandes der Jungen Union. Daß der Bericht nach den Angaben der Beklagten in erster Linie zu dienstlichen Zwecken bestimmt war, konnte ihre Handlungsweise nicht rechtfertigen. Denn ihr wäre es möglich gewesen, für einen auf den dienstlichen Bereich beschränkten Gebrauch des Berichtes Vorsorge zu treffen. Eine insoweit z.B. denkbare Verpflichtung des Empfängerkreises, eine außerdienstliche Verwendung des Berichtes bis zur Wahl zu unterlassen, wäre zugleich ein geeignetes Mittel gewesen, die in dem Bericht enthaltenen aktuellen Informationen den damit dienstlich befaßten Personen sogleich nach Fertigstellung zur Verfügung zu stellen.
139Auch die Veranstaltung des im Antrag zu 2. bezeichneten "Informationstages 1984" hätte unterbleiben müssen. Zwar liegen insoweit ebenfalls keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die Veranstaltung nach Inhalt oder Form der Wahlwerbung für bestimmte Wahlbewerber dienen sollte; gleichwohl war sie geeignet, solche Auswirkungen nach sich ziehen. Ihre die Grenzen zulässiger Öffentlichkeitsarbeit überschreitende Bedeutung erlangte sie dadurch, daß ein akuter Anlaß für die Veranstaltung etwa 5 Wochen vor der Wahl nicht gegeben war.
140Die Beklagte und ihr folgend das Verwaltungsgericht haben für ihre gegenteilige Betrachtung hauptsächlich angeführt, der "Informationstag 1984" habe die Tradition früherer Veranstaltungen fortgesetzt, die als "Tage der offenen Tür" in den Vorjahren stattgefunden hätten, und sei zudem veranlaßt gewesen durch die Einbindung in die vom Minister für Wirtschaft und Verkehr mitveranstalteten Verkehrssicherheitstage in der Zeit vom 23. bis 25. August 1984. Weder das eine noch das andere läßt einen - gemessen am Gebot äußerster Zurückhaltung - hinreichenden sachlichen Anlaß für die Veranstaltung gerade in der unmittelbaren Vorwahlzeit erkennen. Nach den unwidersprochenen Angaben der Kläger haben "Tage der offenen Tür" in den Vorjahren jeweils schon vor den Sommerferien stattgefunden; die von der Beklagten hierzu vorgelegte Liste weist aus, daß daneben weitere Veranstaltungen mit ähnlicher Zielsetzung durchgeführt worden sind. Bestimmte zeitliche Vorgaben, etwa in Gestalt eines traditionell feststehenden Zeitpunktes für einen "Tag der offenen Tür", gab es für den "Informationstag 1984" daher nicht. Der Hinweis der Beklagten auf den Termin der Sommerferien 1984 besagt nichts Gegenteiliges, well nicht ernstlich angenommen werden kann, daß eine Durchführung vor den Ferien (oder nach der Wahl) aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen oder wegen zu geringen Zuspruches der Bevölkerung keinen Sinn gehabt hätte. Die Veranstaltung der Verkehrssicherheitstage mag einen äußeren Anlaß für eine organisatorische Verbindung mit dem Informationstag abgegeben haben. Sachlich geboten oder gar zwingend war eine solche Verbindung aber schon deshalb nicht, weil die Gegenstände der Veranstaltungen wenig oder nichts gemeinsam hatten und eine Verbindung etwaigen Interessenten für beide Themenbereiche sogar hinderlich sein konnte; zum Fehlen hinreichender zeitlicher Vorgaben für eine Terminierung gerade in der unmittelbaren Vorwahlzeit tritt hinzu, daß der Informationstag von einer durch frühere Veranstaltungen etwa begründeten Tradition auch der Art nach abwich. Nach der eigenen Einschätzung der Beklagten wurden insbesondere mit den kostenlosen Besichtigungsfahrten zu verschiedenen Mülldeponien und den begleitenden fachkundigen Führungen "neue Wege" der Bürgerinformation beschritten, die nach der Eröffnungsansprache des Bürgermeisters die Bedeutung eines "Experimentes" besaßen und ein Programm bieten sollten, "das beim Bürger in der Form des Informationstages noch nicht eingeführt" war.
141Die Eignung des Informationstages, die Wettbewerbschancen bei der Wahl zugunsten der Mehrheitspartei zu beeinflussen, folgt aus dessen Thematik. Ein wesentlicher Schwerpunkt der Bürgerinformation, der aus den von der Beklagten verteilten Einladungsschreiben hervorgeht und sich in der Presseberichterstattung widerspiegelte, war der "Schutz der Umwelt"; die weiteren Themen "Freizeit im Grünen" und "Stadtplanung" wiesen Überschneidungen mit diesem Themenbereich auf oder standen ihm zumindest nahe. Im Blick darauf, daß die damit angesprochenen Fragen auch einen wichtigen Bereich der im Wahlkampf geführten Auseinandersetzungen berührten, war der Informationstag geeignet, die von der Mehrheitspartei vertretene Position zu stützen und deren Aussage zu verifizieren, daß der Schutz der Umwelt schon seit langem ein Anliegen ihrer Politik gewesen sei und deshalb in diesem Bereich eine positive Bilanz ihrer bisherigen Arbeit gezogen werden könne.
142Die danach vorliegenden Grenzüberschreitungen haben indes zu keiner Rechtsverletzung zu Lasten der Kläger geführt. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 2. März 1977, a.a.O., 156, In der Gestaltung der Öffentlichkeitsarbeit eines Hoheitsträgers eine Rechtsverletzung dann gesehen, wenn "eine ins Gewicht fallende Häufung und Massivität offenkundiger Grenzüberschreitungen" festzustellen ist.
143Ebenso VerfGH Saarland, Urteil vom 26. März 1980, a.a.O., 2182 f.; StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Februar 1981, a.a.O., 86; StGH Bremen, Entscheidung vom 30. November 1983, a.a.O., 224.
144Mit diesen Einschränkungen, die sich aus dem dort zu beurteilenden, mit dem hier vorliegenden Tatbestand nicht vergleichbaren Fall einer Flut regierungsamtlicher Anzeigenserien und sonstiger Publikationen erklären, ist zwar kein allgemein feststehender, für jede Fallgestaltung gültiger Maßstab beschrieben. Nicht ausgeschlossen wird dadurch z.B., daß auch einmalige Grenzüberschreitungen von besonderem Gewicht das Recht auf Chancengleichheit bei der Wahlteilnahme verletzen können.
145Vgl. StGH Bremen, Entscheidung vom 30. November 1983, a.a.O., 224; vgl. ferner VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 7. November 1983, a.a.O., 172, und vom 2. Dezember 1985, a.a.O., 111.
146Die grundsätzliche Berechtigung einer einschränkenden Betrachtung bei der Frage der Rechtsverletzung wird dadurch aber nicht berührt. Sie ist veranlaßt durch die Notwendigkeit einer Grenzziehung, die Abgrenzungsschwierigkeiten im Einzelfall nach Möglichkeit vermeidet
147- vgl. BVerfG, Urteil vom 2. März 1977, a.a.O., 155/156 -
148und Rücksicht nimmt auf die Sachbedingungen praktischen Verwaltungshandelns.
149Eine Anerkennung weiterreichender Ansprüche hätte zur Folge, daß nahezu jede Maßnahme amtlicher Öffentlichkeitsarbeit in der Vorwahlzeit, sei sie auch noch so unbedeutend, zur gerichtlichen Kontrolle gestellt werden könnte. Dies würde die Versuchung nahelegen, den Wahlkampf in den Gerichtssaal zu tragen und vorläufige Rechtsschutzverfahren allein mit dem Ziel einzuleiten, einen günstigen gerichtlichen Ausspruch als Werbemittel im Wahlkampf auszunutzen. Dies wiederum könnte zur Folge haben, daß die gemeindliche Öffentlichkeitsarbeit in der Vorwahlzeit wegen der damit verbundenen Risiken praktisch erliegen würde. Weder das eine noch das andere wäre zu rechtfertigen.
150Die danach gebotenen Einschränkungen bei der Frage der Rechtsverletzung sind um so mehr gerechtfertigt, als ein hoheitliches Einwirken auf die Wahlwerbung, dessen Intensität den vom Bundesverfassungsgericht bezeichneten Grad nicht erreicht, in der Regel allenfalls unwesentlichen Einfluß auf das Wahlergebnis haben kann. Auch solche Grenzüberschreitungen sind zwar wegen der darin liegenden Verletzung objektiven Rechtes rechtswidrig. Sie begründen aber keine subjektiven Abwehrrechte der Wahlbewerber, die aus dem Gebot der Chancengleichheit im Wahlwettbewerb herzuleiten wären.
151Die Feststellung einer Rechtsverletzung zum Nachteil eines Wahlbewerbers und die Zuerkennung eines subjektiven Abwehrrechtes müssen deshalb davon abhängig gemacht werden, daß amtliche Öffentlichkeitsarbeit die Grenzen zur unzulässigen Wahlwerbung in einem ins Gewicht fallenden, spürbare Auswirkungen auf das Wahlergebnis nahelegenden Umfang überschritten hat bzw. zu überschreiten droht.
152Gemessen daran haben die hier aufgezeigten Grenzüberschreitungen weder für sich betrachtet noch in ihrer Zusammenschau die Rechte der Kläger verletzt.
153Der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung, die Herausgabe des Umweltberichtes sei eine deutliche Grenzüberschreitung von ebenso deutlichem Gewicht gewesen, vermag der Senat nicht zu folgen.
154Die Beklagte hat den Umweltbericht der Öffentlichkeit in der Weise zugänglich gemacht, daß sie den Bericht für daran interessierte Bürger in ihrer Bürgerberatungsstelle lediglich bereitgehalten hat. Die Verbreitung des Berichtes wurde zusätzlich dadurch eingeschränkt, daß der Bürgerberatungsstelle nur etwa 230 Exemplare zur Verfügung standen, für deren Abgabe außerdem eine Schutzgebühr von 3,-- DM erhoben wurde. Die unmittelbare Öffentlichkeitswirkung, die mit dem Bericht erzielt wurde, war dementsprechend denkbar gering: verkauft wurden bis zum Wahltag nur ca. 100 Exemplare.
155Vgl. zu diesem Gesichtspunkt auch StGH Bremen, Entscheidung vom 30. November 1983, a.a.O., 224.
156Nichts anderes gilt für die mittelbare Öffentlichkeitswirkung, die der Bericht durch seine Verwendung im Wahlkampf entfaltet haben kann. Wenn die Kläger lediglich drei Einzelfälle angeführt haben, in denen der Bericht von Mitgliedern oder Anhängern der Mehrheitsfraktion als Wahlkampfmittel eingesetzt worden ist, so verdeutlicht dies, daß die Eignung des Berichtes als Wahlkampfhilfe nicht überschätzt werden darf. Seinen hauptsächlichen Grund dürfte das darin haben, daß der Bericht - wie oben dargelegt - weder in seinem Inhalt noch in seiner Form als parteiergreifendes Werbemittel konzipiert war. Das schränkte einerseits seine Verwendbarkeit im mehr auf vereinfachende und zugleich einprägsame Aussagen angelegten Wahlkampf für die Mehrheitspartei ein. So haben die von den Klägern mit umfangreichen Ausführungen angegriffenen Einzelfeststellungen des Berichtes im Wahlkampf offensichtlich keine Rolle gespielt, und allein die zusammenfassende Einleitung ist von der Mehrheitspartei gelegentlich für die Richtigkeit ihrer Position zitiert worden. Auf der anderen Seite hatten auch die Wahlbewerber der übrigen Parteien die Möglichkeit, sich etwa mit der Begründung auf den Bericht zu berufen, daß ihre Vertreter an den dort aufgeführten positiven Leistungen - gegebenenfalls maßgeblich - beteiligt gewesen seien oder auf die in dem Bericht enthaltenen negativen Feststellungen schon früher hingewiesen und - angesichts der bisherigen Mehrheitsverhältnisse erfolglos - Abhilfe verlangt hätten.
157Ähnlich zu bewerten ist auch die Bedeutung des Informationstages für die Wettbewerbsverhältnisse im Wahlkampf. Angesichts seiner neutralen Gestaltung konnte der Informationstag das Meinungsbild der Wahlbürger zugunsten der Mehrheitspartei - wie oben dargelegt - allein wegen seiner Thematik beeinflussen. Dieser Einfluß war so beschaffen, daß er mehr der Sympathiewerbung dienen als die Sachaussagen der Mehrheitspartei unterstützen konnte, und erreichte zudem angesichts der Besucherzahlen von nicht mehr als 300 bzw. 400 Personen (Westfälische Nachrichten vom 27. August 1984) nur einen verhältnismäßig kleinen Teil der Wahlberechtigten. Von einer ins Gewicht fallenden Einflußnahme auf den Wahlkampf kann daher auch insoweit nicht ausgegangen werden.
158Hieraus folgt, daß die Handlungen bzw. Unterlassungen der Beklagten im Zusammenhang mit der Herausgabe des Umweltberichtes ebenso wie die Veranstaltung des Informationstages jeweils für sich betrachtet von untergeordneter Bedeutung waren.
159Auch in ihrem Zusammenwirken haben die Grenzüberschreitungen der Beklagten nicht den Grad erreicht, jenseits dessen von einem massiven Eingriff in den Wahlkampf gesprochen werden kann. Bei einer sämtliche Umstände in den Blick nehmenden Gesamtbetrachtung haben die streitigen Maßnahmen wegen ihres wahlnahen Zeitpunktes, ihrer oben dargelegten Relevanz für die Gegenstände der parteipolitischen Auseinandersetzung und ihrer zeitlichen Konzentration in der 2. Augusthälfte 1984 dazu geführt, daß die Leistungen der städtischen Umweltpolitik nachdrücklich in das Bewußtsein eines Teiles der Wahlbürger gerückt worden sind. Angesichts dieses in der Lokalpresse als "grüne Verwaltungsoffensive" qualifizierten Vorganges (xxx-Zeitung vom 18. August 1984) lassen sich Einflüsse auf die Meinungsbildung der Wähler zwar nicht ausschließen. Nach Zahl, Art und Umfang fielen die der Beklagten anzulastenden Handlungen gleichwohl nicht ins Gewicht. Bei insgesamt allenfalls drei Grenzüberschreitungen, von denen zudem zwei mit dem Umweltbericht denselben Gegenstand betrafen, kann insbesondere von einer Häufung keine Rede sein. Auch sind die der gemeindlichen Öffentlichkeitsarbeit gezogenen Grenzen von der Beklagten in keinem Falle in eindeutiger oder massiver Weise, sondern angesichts der nach Form und Inhalt stets gewahrten Neutralität nur geringfügig überschritten worden. In allen Fällen war schließlich - wie oben ausgeführt - die Öffentlichkeitswirkung von sehr begrenztem Umfang. Hiernach waren die mit den Anträgen zu 1. und 2. angegriffenen Maßnahmen ungeeignet, mehr als unwesentliche Auswirkungen auf das Wahlergebnis nach sich zu ziehen.
160b) Die im Antrag zu 3. bezeichneten Maßnahmen der Beklagten waren rechtmäßig. Eine Rechtsverletzung zum Nachteil der Kläger kann demgemäß schon deshalb nicht festgestellt werden.
161Mit Recht hat das Verwaltungsgericht darauf abgehoben, daß nach den eingangs dargelegten Grundsätzen im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 1977, a.a.O., 154/155, amtliche Öffentlichkeitsarbeit auch im nahen Vorfeld einer Wahl dann unbedenklich ist, wenn sie sich nicht unmittelbar an den Wahlbürger wendet, sondern sich - wie im vorliegenden Fall - in der Gestalt von schriftlichen Presseerklärungen oder mündlichen Äußerungen gegenüber der Presse vollzieht. Die vom Bundesverfassungsgericht aufgezeigten Grenzen amtlicher Öffentlichkeitsarbeit sind das Ergebnis einer Abwägung, die die damit verfolgten, im Allgemeininteresse liegenden und von der Rechtsordnung gebilligten Zwecke in Beziehung setzt zu der von ihr vor allem in der Vorwahlzeit ausgehenden Gefahr, daß die Wettbewerbschancen der miteinander konkurrierenden Wahlbewerber zugunsten oder zu Lasten einer Seite verändert werden. Diese Abwägung ist wegen des Rechtes und der Pflicht auch der Kommunen zur Durchführung von Öffentlichkeitsarbeit in gleicher Weise für die Rechtsverhältnisse der Gemeinden nötig und führt - wie oben dargelegt - zu denselben Maßstäben wie auf Bundes- oder Landesebene.
162Wenn hiernach gemeindliche Öffentlichkeitsarbeit in der mittelbaren Form von Presseerklärungen auch im nahen Vorfeld der Wahl grundsätzlich uneingeschränkt stattfinden darf, so steht die damit verbundene Selbstdarstellung der Gemeinde allerdings nicht frei im politischen Raum; vielmehr kann sie - ebenso wie unmittelbare Öffentlichkeitsarbeit außerhalb der Vorwahlzeit - die Wettbewerbschancen der miteinander konkurrierenden politischen Kräfte durchaus beeinflussen. Solche Auswirkungen sind aber begrenzt und müssen deshalb im Rahmen der dargestellten Abwägung grundsätzlich hingenommen werden.
163Vgl. in diesem Zusammenhang auch BVerfG, Urteil vom 2. März 1977, a.a.O., 151/152; Häberle, a.a.O., 367.
164Seinen wesentlichen Grund hat dies darin, daß Erklärungen gegenüber der Presse nicht unmittelbar auf die Meinungsbildung des Bürgers Einfluß nehmen, sondern Öffentlichkeitswirkung erst in der Gestalt entfalten können, die sie nach ihrer Umsetzung durch die Presse erhalten. Der Senat stimmt dem Verwaltungsgericht darin zu, daß dadurch die Gefahr einer werbenden Einflußnahme wesentlich gemildert wird und deshalb vernachlässigt werden kann.
165Ebenso Ladeur, DVBl. 1984, 224/225.
166Die Mittlerfunktion, die den Presseorganen in diesem Falle zukommt, hat zur Folge, daß die amtlichen Verlautbarungen des Hoheitsträgers sich zunächst der kritischen Betrachtung einer unabhängigen dritten Stelle aussetzen müssen, bevor sie an die Öffentlichkeit gelangen. Das hat im Regelfall Einfluß nicht nur auf den endgültigen Inhalt und die endgültige Form, in der sich eine amtliche Verlautbarung letztlich dem Bürger darbietet, sondern kann schon im Vorfeld dessen auf die für den Hoheitsträger handelnden Amtswalter disziplinierend wirken. Denn eine übermäßige Zahl von Presseerklärungen oder der tendenziöse Inhalt solcher Informationen können einer sich um objektive Berichterstattung bemühenden Presse Anlaß zu kritischen Meldungen geben, die in der Öffentlichkeit das Gegenteil dessen bewirken, was mit solchen Erklärungen beabsichtigt war.
167Vgl. dazu auch das von Kempen, a.a.O., 82/83, erwähnte Beispiel kritischer Pressemeldungen über den Umfang regierungsamtlicher Informationspolitik.
168Hieraus folgt, daß jedenfalls bei typisierender Betrachtung von einer Öffentlichkeitsarbeit in Gestalt von Presseerklärungen und Pressegesprächen nennenswerte Gefahren für die Chancengleichheit im Wahlwettbewerb nicht ausgehen.
169Vgl. insoweit auch den Bericht von Zurnieden, a.a.O., 722, über die in der Praxis der Presse- und Informationsämter aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 2. März 1977 gezogenen Konsequenzen.
170Die demgegenüber von den Klägern erhobenen Einwände rechtfertigen keine andere Beurteilung. Die Kläger meinen, da der einer Kommunalwahl vorausgehende Wahlkampf nicht im Fernsehen oder im Rundfunk, sondern hauptsächlich im Lokalteil der örtlichen Tageszeitungen ausgetragen werde, hätten die Presseerklärungen einer Gemeinde gegenüber denjenigen einer Bundes- oder Landesregierung gesteigerten Einfluß auf die Wettbewerbsbedingungen in der Vorwahlzeit. Das gelte besonders im Gebiet der Beklagten, weil die - auch in anderen Gemeinden nicht selten anzutreffende - Praxis der örtlichen Presseorgane dahingehe, solche Erklärungen unverändert und ohne Kenntlichmachung ihres Urhebers als redaktionelle Meldungen abzudrucken. Daraus läßt sich - den Vortrag der Kläger als richtig unterstellt - für ihr Begehren nichts herleiten. Eine gegenteilige Betrachtung liefe darauf hinaus, daß die der Öffentlichkeitsarbeit einer Gemeinde verbleibenden Spielräume abhängig wären von den Gepflogenheiten der jeweiligen örtlichen Presseorgane und mit deren Kritikvermögen und Kritikbereitschaft zu- bzw. abnähmen. Es liegt auf der Hand, daß dies mit der in anderem Zusammenhang bereits hervorgehobenen Notwendigkeit einer Grenzziehung, die Unklarheiten im Einzelfall nach Möglichkeit vermeldet, nicht zu vereinbaren wäre. Es tritt hinzu, daß das Verhalten der örtlichen Presseorgane von einer Vielzahl gesellschaftlicher, ökonomischer und politischer Faktoren abhängig ist, die ihrerseits Ausfluß der die jeweilige örtlichen Situation prägenden Verhältnisse sind. Solche z.B. in der Bevölkerungsstruktur einer Gemeinde oder in einer etwaigen politischen Grundhaltung ihrer Einwohnerschaft liegende Sachbedingungen müssen die im Wahlkampf miteinander konkurrierenden Kräfte als notwendige Vorgegebenheiten politischen Handelns hinnehmen. Ein Anspruch darauf, daß die Gemeinden als Träger öffentlicher Gewalt auf derartige Sachbedingungen - sei es auch nur durch die Gestaltung Ihrer Informationstätigkeit gegenüber der Ortspresse - mit dem Ziel eines Ausgleiches einwirken, kann ihnen daher nicht zuerkannt werden.
1712. Auch der Antrag zu 4. Ist unbegründet.
172Wird zugunsten der Kläger unterstellt, daß die Eröffnung der Ausstellung vom 20. September 1984 in die Zuständigkeit des Klägers zu 1. als des damaligen zweiten Stellvertreters des Oberbürgermeisters fiel, so könnte die Übertragung dieser Aufgabe auf den Vorsitzenden des Kulturausschusses mangels Zustimmung des Klägers zu 1. dessen organschaftliche Kompetenzen verletzt haben.
173Vgl. hierzu etwa von Loebell/Salmon, Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, 4. Aufl. Stand 1988, § 32 Erl. 6.
174Dem hätte der Kläger zu 1. - ein hinreichendes Feststellungsinteresse vorausgesetzt - mit einer Organklage begegnen können, die gegen den Oberbürgermeister als das nach der gemeindeverfassungsrechtlichen Kompetenzordnung allein in Betracht kommende Pflichtsubjekt zu richten gewesen wäre.
175Vgl. dazu Urteil des Senats vom 10. September 1982 - 15 A 1223/80 -, NVwZ 1983, 485.
176Daraus läßt sich für das mit dem Antrag zu 4. verfolgte Begehren indes nichts herleiten. Denn Gegenstand dieses Antrages ist die von den Klägern behauptete Verletzung des Rechtes auf chancengleiche Wahlteilnahme, das im Außenrechtskreis angesiedelt ist
177- vgl. BVerfG, Beschluß vom 14. Oktober 1987 - 2 BvR 64/87 -
178und durch Kompetenzverletzungen im Innenrechtsbereich grundsätzlich nicht berührt werden kann. Der demgegenüber von den Klägern erhobene Einwand, nach den eingangs dargelegten Grundsätzen des Bundesverfassungsgerichtes führe eine Kompetenzüberschreitung immer und in jedem Falle zu einer Verletzung der Chancengleichheit, beruht auf einer Fehlinterpretation dieser Grundsätze. Daß jeder Hoheitsträger sich in seiner Öffentlichkeitsarbeit auf die Angelegenheiten des eigenen Zuständigkeitsbereiches zu beschränken hat, besagt für eine Gemeinde lediglich, daß sie auch insoweit die Grenzen ihrer Befassungskompetenz nicht überschreiten darf. Eine Aussage in bezug auf das Verhalten einzelner Organe der Gemeinde kann darin nicht gesehen werden.
179Der Antrag zu 4. könnte danach allenfalls dann Erfolg haben, wenn in der Eröffnung der Ausstellung durch den damaligen Vorsitzenden des Kulturausschusses über einen etwaigen Innenrechtsverstoß hinaus eine unmittelbare Verletzung des Rechtes auf Chancengleichheit bei der Wahlteilnahme läge. Das aber läßt sich schon deshalb nicht feststellen, weil es an den tatsächlichen Voraussetzungen dafür fehlt.
180Keiner Erörterung bedarf insoweit, ob eine Verletzung der Chancengleichheit auch bei hoheitlichen Maßnahmen der vorliegenden Art, die sich außerhalb des Bereiches amtlicher Öffentlichkeitsarbeit bewegen und den eingangs genannten Fällen sonstiger Einflußnahmen auf den Wahlkampf zuzurechnen sind, mit dem Verwaltungsgericht nur dann bejaht werden kann, wenn ein offenkundiger und zugleich massiver Rechtsverstoß festzustellen ist. Ungeachtet dessen berührt ein hoheitliches Einwirken auf den Wahlkampf generell, also unabhängig von der Form der Einflußnahme, die subjektiven Rechte der Wahlbewerber jedenfalls dann nicht, wenn Auswirkungen auf das Wahlergebnis auszuschließen sind. Unter dieser Voraussetzung liegt weder ein Wahlanfechtungsgrund vor, der im Wahlprüfungsverfahren zur Ungültigkeit der Wahl führen könnte (vgl. § 40 Abs. 1b KWahlG), noch läßt sich aus dem Recht auf Chancengleichheit bei der Wahlteilnahme ein Anspruch darauf herleiten, daß solche Einwirkungen unterbleiben.
181Zu der insoweit doppelten Bedeutung des Erheblichkeitsgrundsatzes vgl. BVerfG, Beschluß vom 14. Oktober 1987 - 2 BvR 64/87 -; ferner Beschluß vom 3. Juni 1975, a.a.O., 38 f., 40 f.; Seifert, Bundeswahlrecht, 3. Aufl. 1976,S. 407 ff., 411; weltergehend aufgrund einer auch objektiv rechtliche Gesichtspunkte einbeziehenden Betrachtung: Zuck, a.a.O., 147.
182Die Annahme, die Eröffnung der Ausstellung in der kleinen Eingangshalle des Stadtmuseums habe Folgen für das Wahlergebnis haben können, ist lebensfremd. Aus der Sicht des Spitzenkandidaten der CDU verschaffte sie ihm lediglich eine von vielen Möglichkelten, sich in seiner damaligen Funktion als Ausschußvorsitzender der Öffentlichkeit zu präsentieren. Umgekehrt wurde dem Kläger zu 1. als dem Spitzenkandidaten der SPD dadurch eine von vielen Möglichkeiten zu einem öffentlichen Auftritt als stellvertretender Bürgermeister genommen. Dabei darf davon ausgegangen werden, daß die bisherigen Funktionen beider Kandidaten spätestens zur Zeit der Ausstellungseröffnung, also wenige Tage vor der Wahl, jedenfalls aufgrund des vorausgegangenen Wahlkampfes ohnehin jedem interessierten Wahlbürger wohlbekannt waren. Der Werbeeffekt eines zusätzlichen öffentlichen Auftrittes in amtlicher Funktion kann - die Berichterstattung in der örtlichen Presse eingeschlossen - unter diesen Umständen, soweit überhaupt vorhanden, nur äußerst gering gewesen sein. Auswirkungen auf das Wahlergebnis können danach ausgeschlossen werden.
183III.
184Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zu deren vorläufiger Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711, § 713 ZPO.
185Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 132 Abs. 2, § 137 Abs. 1 VwGO).
186
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