Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 15 B 2916/93
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 727,-- DM festgesetzt.
1
Gründe:
2Die zulässige Beschwerde des Antragstellers mit dem sinngemäß gestellten Antrag, den angefochtenen Beschluß zu ändern und die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 27. Juni 1993 gegen den Bescheid über die Anforderung von Säumniszuschlägen des Antragsgegners vom 23. Juni 1993 anzuordnen, hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Aussetzungsantrag zu Recht abgelehnt, weil ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Heranziehungsbescheides nicht bestehen und auch nicht ersichtlich ist, daß die Vollziehung des Bescheides für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 80 Abs. 5 i.V.m. Abs. 4 Satz 3 der Verwaltungsgerichtsordnung VWGO -).
3Säumniszuschläge auf rückständige Beiträge nach § 8 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen - KAG - sind Abgaben, deren Anforderung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sofort vollziehbar ist; Widerspruch oder Klage gegen einen Bescheid, mit dem Säumniszuschläge angefordert werden, haben somit keine aufschiebende Wirkung.
4Vgl. OVG NW, Beschlüsse vom 31. August 1983 - 3 B 538/83 -, KStZ 1984, 17 sowie vom 27. Oktober 1989 - 3 B 2656/89 -, OVG RSE § 12 KAG Säumniszuschläge; OVG Bremen, Beschluß vom 6. April 1993 - 1 B 6/93 -, KStZ 1993, 236.
5Der Senat folgt der in Rechtsprechung und Literatur verbreitet vertretenen Auffassung, daß bei der Geltendmachung von öffentlichen Abgaben im Sinne des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs bzw. des Rechtsmittels nur in Betracht kommt, wenn aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ein Erfolg des Rechtsbehelfs/Rechtsmittels im Hauptsacheverfahren wahrscheinlicher als ein Mißerfolg ist.
6Vgl. die Rechtsprechung der mit Abgaben schon bislang befaßt gewesenen Senate des erkennenden Gerichts: Beschlüsse vom 17. Juni 1992- 2 B 808/92 - und vom 28. Juli 1992 - 2 B 2322/92 -; vom 25. August 1988 - 3 B 2564/85 -, OVGE 40, 160 = NWVBl. 1990, 16 sowie vom 29. Juli 1992 - 3 B 1428/90 -, OVG RSE § 80 VwGO Aussetzungsverfahren; vom 17. November 1989 - 9 B 2594/89 -, KStZ 1990, 138 = DVBl. 1990, 720 sowie vom 13. März 1990 - 9 B 277/90 -, ZKF 1990, 279; vom 3. September 1992 - 14 B 684/92 -, NVwZ-RR 1993, 269; vom 22. Februar 1989 - 16 B 3000/88 -, NVwZ 1989, 588 = Gemhlt. 1989, 209; ferner: VGH Baden-Württemberg, Beschluß vom 27. Januar 1984 - 14 S 2429/83 -, DVBl. 1984, 345; OVG Rheinland-Pfalz, Beschlüsse vom 2. Februar 1984 - 6 D 2/83 -, DVB1. 1984, 1134 sowie vom 21. Mai 1992 - 7 B 10444/92 -, NVwZ-RR 1992, 1426; OVG Hamburg, Beschluß vom 23. April 1991 - Bs II 16/91 -, DVB1. 1991, 1325; OVG Saarland, Beschluß vom 30. Juni 1986 - 2 W 803/86 -, DEM 1987, 1115; Finkelnburg-Jank, Vorläufiger Rechtsschutz in Verwaltungsstreit-verfahren, 3. Auflage, Rdnrn. 699 f.; anderer Ansicht: Redeker/von Oertzen, VwGO, 11. Auflage, § 80 Rdnr. 36; Kopp, VwGO, 9. Auflage, § 80 Rdnr. 70, jeweils mit weiteren Nachweisen.
7Bei Anlegung dieses Maßstabes ist die Rechtmäßigkeit der Heranziehung des Antragstellers zu den umstrittenen Säumniszuschlägen nicht ernstlich zweifelhaft. Das Leistungsgebot des Antragsgegners vom 23. Juni 1993, das wegen des Nichtvorliegens der Voraussetzungen des § 254 Abs. 2 der Abgabenordnung - AO - erforderlich war, hat seine Rechtsgrundlage in § 12 Abs. 1 Nr. 5 b KAG i.V.m. § 240 AO. Danach ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag in Höhe von 1 v.H. des rückständigen Beitrages zu entrichten, wenn der Beitrag nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet worden ist. Das Verwaltungsgericht hat mit Recht ausgeführt, daß der Antragsteller die durch den Bescheid des Antragsgegners vom 23. Juni 1993 angeforderten Säumniszuschläge verwirkt hat. Der Senat nimmt auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluß, die durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräftet werden, Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Die Beschwerdebegründung bietet nur Anlaß zu folgenden ergänzenden Anmerkungen:
8Der Säumniszuschlag ist mit der Verwirklichung des Säumnistatbestandes kraft Gesetzes verwirkt; ob den Pflichtigen ein Verschulden an der Säumnis trifft, ist unerheblich.
9Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 1973 - VII C 25.72 -, BVerwGE 44, 135 (139) = KStZ 1974, 71; Tipke-Kruse, Abgabenordnung § 240 Rdnr. 13.
10Die Gemeinde ist zur Geltendmachung eines verwirkten Säumniszuschlages verpflichtet; seine Einziehung steht nicht in ihrem Ermessen.
11Vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 3. Auflage, Rdnr. 873.
12Vor seiner Geltendmachung sind deshalb weder eine Anhörung oder Mahnung des Beitragsschuldners noch seine Androhung geboten.
13Die Säumnis des Beitragsschuldners beginnt mit dem Ablauf des Fälligkeitstages. Das Verwaltungsgericht hat mit Recht angenommen, daß die vom Antragsteller aufgrund der beiden Bescheide des Antragsgegners vom 24. Mai 1991 geschuldeten Kanalanschlußbeiträge seit dem 1. Juli 1991 fällig waren. Die Fälligkeit der Beiträge ist weder durch Stundung (§ 222 A0), Zahlungsaufschub (§ 223 AO) noch durch Aussetzung der Vollziehung aufgehoben oder anderweitig festgesetzt worden. Stundung oder Zahlungsaufschub sind dem Antragsteller unstreitig nicht gewährt worden; auch eine Aussetzung der Vollziehung ist entgegen seiner Rechtsauffassung nicht erfolgt. Die Formulierung in den beiden Widerspruchsbescheiden des Antragsgegners vom 29. Juli 1992, die Vollziehung der Heranziehungsbescheide vom 24. Mai 1991 werde "weiterhin nicht ausgesetzt", ist sprachlich eine unmißverständliche Ablehnung des Aussetzungsantrages des Antragstellers vom 28. Juni 1991 sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft. Vor diesem Hintergrund ist kein Raum für die Annahme des Antragstellers, der Antragsgegner habe die Vollziehung bis zu der - allerdings recht spät - erfolgten Entscheidung über seinen Aussetzungsantrag stillschweigend ausgesetzt. Da der Beitragsschuldner das Risiko dafür trägt, daß der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt wird, bestand auch kein Anlaß für den Antragsgegner, dem Antragsteller nach der Ablehnung seines Antrages eine neue Zahlungsfrist zu bewilligen.
14Da der Antragsgegner die Säumniszuschläge auf der Grundlage der geminderten Beiträge berechnet hat, gibt die durch die Widerspruchsbescheide vom 29. Juli 1992 erfolgte Reduzierung der Hauptforderung schon keine Grundlage für einen etwaigen Verzicht auf die Säumniszuschläge im Wege des Billigkeitserlasses.
15Schließlich ist auch nicht ersichtlich, daß die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Eine derartige unbillige Härte ist anzunehmen, wenn die Zahlung dem Betroffenen nicht wiedergutzumachenden Schaden zufügt, weil er auch durch eine etwaige spätere Rückzahlung nicht ausgeglichen werden kann, etwa wenn die Zahlung den Konkurs herbeiführt oder sonst zur Existenzvernichtung führen kann.
16Vgl. Redeker/von Oertzen, a.a.O., § 80Rdnr. 40; Kopp, a.a.O., § 80 Rdnr. 70.
17Der Antragsteller hat indessen nichts dafür dargetan, daß er durch eine sofortige Entrichtung der Säumniszuschläge in eine wirtschaftliche Notsituation geraten würde.
18Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
19Den Streitwert setzt der Senat gemäß §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes - GKG - im Hinblick auf den nur vorläufig regelnden Charakter des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens in Höhe eines Viertels der umstrittenen Säumniszuschläge fest.
20Dieser Beschluß ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
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