Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 15 A 3507/93
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Im Jahre 1986 ließ der Beklagte die Fahrbahndecke eines Teils der Straße "Am I. " in X. in der Weise ausbauen, daß auf die seit den 60iger Jahren vorhandene Schwarzdecke eine Asphaltfeinbetondecke aufgebracht wurde. Von dem Aufwand in Höhe von 38.994,90 DM legte er 50 % auf die an dem ausgebauten Straßenabschnitt gelegenen Grundstücke um. Dabei stufte der Beklagte die Straße als Anliegerstraße ein; im übrigen ging er von einer durch die bauliche Nutzung sowie durch eine Tiefenbegrenzung von 50 m modifizierten erschlossenen Grundstücksfläche von insgesamt 20.075,50 qm aus.
3Der Kläger ist Eigentümer des an den ausgebauten Straßenabschnitt grenzenden mit einem eingeschossigen Wohnhaus bebauten 4.746 qm großen Grundstücks "Am I. 18". Mit Bescheid vom 21. Dezember 1990 zog ihn der Beklagte unter Berücksichtigung der Tiefenbegrenzung für eine Teilfläche von 2.280 qm, die er wegen der eingeschossigen Bebauung um den Faktor 1,25 vervielfachte, zu einem Straßenbaubeitrag in Höhe von 2.764,50 DM heran.
4Nach erfolglosem Vorverfahren hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen: Der Ausbau stelle keine Verbesserung, sondern nur eine Maßnahme der laufenden Unterhaltung und Instandhaltung dar. Etwaige damit verbundene Vorteile würden durch Nachteile ausgeglichen, die sich aus einer ausbaubedingten Zunahme des Durchgangsverkehrs ergäben.
5Der Kläger hat sinngemäß beantragt,
6den Heranziehungsbescheid des Beklagten vom 21. Dezember 1990 und dessen Widerspruchs- bescheid vom 4. Juni 1992 aufzuheben.
7Der Beklagte hat beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch das angefochtene Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, als unbegründet abgewiesen.
10Mit der rechtzeitig eingelegten Berufung wiederholt und vertieft der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend führt er aus: Der Ausbau "dürfe" keine Verbesserung der Fahrbahn darstellen, weil die neue Asphaltdecke - wie Bauarbeiter erklärt hätten - nicht im Heißeinbauverfahren aufgebracht worden sei. Es fehle auch eine (entscheidende) positive Auswirkung auf die konkrete Verkehrssituation. Ein weiterer mit dem Ausbau der Fahrbahn verbundener Nachteil bestehe darin, daß die neben der Fahrbahn verlaufenden Rinnen nicht dem neuen Fahrbahnniveau angepaßt worden seien, sondern nunmehr so tief lägen, daß die Straße nicht mehr ordnungsgemäß gereinigt werden könne. Die Heranziehung sei außerdem deshalb rechtswidrig, weil über das ursprüngliche Bauprogramm hinaus eine zusätzliche Fahrbahnfläche von 160 qm ausgebaut und der darauf entfallende Aufwand umgelegt worden sei. Schließlich habe der Beklagte übersehen, daß auch die Eigentümer der Grundstücke "Am I. 7 und 11" beitragspflichtig seien.
11Der Kläger beantragt sinngemäß,
12das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.
13Der Beklagte beantragt,
14die Berufung zurückzuweisen.
15Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist darauf hin, daß die neue Fahrbahndecke im Heißeinbauverfahren aufgetragen worden sei. Die Grundstücke "Am I. 7 und 11" seien deshalb nicht in die Beitragserhebung einbezogen worden, weil sie nicht von dem ausgebauten Straßenabschnitt, sondern vielmehr von einer Parallelstraße über eine von dieser ausgehende Zufahrt erschlossen würden.
16Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe:
18Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO) durch den Berichterstatter (§§ 125 Abs. 1, 87 a Abs. 2 und 3 VwGO).
19Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klage hat keinen Erfolg, weil die angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind. Das hat das Verwaltungsgericht im Hinblick auf den im Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sach- und Streitstand bereits im einzelnen zutreffend in seinem Urteil ausgeführt. Der Senat sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (vgl. § 130 b VwGO).
20Das Berufungsvorbringen gibt lediglich Anlaß zu folgenden Bemerkungen:
21Der Hinweis des Klägers in seinem Schriftsatz vom 20. Juli 1995, Bauarbeiter hätten ihm gesagt, die Asphaltdecke aus dem Jahre 1986 sei nicht im sogenannten Heißeinbauverfahren aufgebracht worden, ist nicht geeignet, das Vorliegen einer beitragsfähigen Verbesserung in Frage zu stellen. Es ist bereits zweifelhaft, ob der Kläger diesen Einwand, mit dem offenbar die Anwendung des Heißeinbauverfahrens bestritten werden soll bzw. sollte, noch aufrechterhält. Der Beklagte hat nämlich in seinem Schriftsatz vom 20. August 1995 wie schon im erstinstanzlichen Klageverfahren - im Ortstermin am 18. Mai 1993 sowie in seinen Schriftsätzen vom 9. und 27. Juli 1993 - betont, daß die neue Fahrbahndecke im Heißeinbauverfahren hergestellt worden sei. Dieser Behauptung ist der Kläger in der Folgezeit nicht mehr entgegengetreten. Den damit angesprochenen Zweifeln ist allerdings nicht weiter nachzugehen. Sollte der Kläger seinen Einwand fallengelassen haben, hätte dieser sich damit erledigt. Sollte der Kläger an seinem Einwand weiterhin festhalten, wäre dieser unsubstantiiert und damit unbeachtlich. Zwar kann eine Behauptung nicht schon dann als unsubstantiiert behandelt werden, wenn sie - wie die zuvor genannte Behauptung des Klägers - nicht auf dem Wissen des Behauptenden, sondern auf einer - hier durch Auskünfte Dritter gestützten - Vermutung beruht. Wenn die Gegenseite der Vermutung aber mit einer plausiblen Erklärung entgegentritt, darf diese nicht einfach ignoriert werden. Dem (anderen) Beteiligten ist zuzumuten, sich hiermit auseinanderzusetzen, etwa greifbare Anhaltspunkte zu benennen, die für seine Vermutung und gegen die Erklärung der Gegenseite sprechen. Wird die Vermutung aber ohne Auseinandersetzung mit den Gegenargumenten "ins Blaue hinein" aufrechterhalten, braucht ihr das Gericht nicht nachzugehen.
22Vgl. BGH, Urteil vom 19. September 1985 - IX ZR 138/84 -, NJW 1986, 246 (247); BVerwG, Beschluß vom 25. Januar 1988 - 7 CB 81.87 -; OVG NW, Urteil vom 9. November 1988 - 22 A 346/88 -, UA S. 27.
23So liegt der Fall hier. Nachdem ein Bediensteter des Beklagten in dem vom Verwaltungsgericht durchgeführten Termin zur Ortsbesichtigung am 18. Mai 1993 erklärt hatte, die frühere etwa 25 Jahre alte, im sogenannten Kalteinbauverfahren hergestellte Fahrbahndecke sei 1986 mit einer neuen 3 cm starken Asphaltdecke im sogenannten Heißeinbauverfahren überzogen worden, hat der Kläger in seinem Schriftsatz vom 15. Juni 1993 bezweifelt, daß "tatsächlich eine Asphaltfeinbetondecke aufgebracht wurde bzw. das Heißeinbauverfahren angewandt wurde" und darum gebeten, dies anhand der bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen Rechnungen der tätiggewordenen Baufirma zu überprüfen. Diesem Vortrag ist der Beklagte in seinen Schriftsätzen vom 9. und 27. Juli 1993 gestützt auf einen ausführlichen Vermerk seines Bauverwaltungsamts über die Eigenarten von Schwarzdecken und Asphaltfeinbetondecken im allgemeinen sowie über den hier erfolgten Ausbau im Besonderen mit dem Hinweis entgegengetreten, aus den Positionen 160 und 170 der Rechnung des hier tätiggewordenen Bauunternehmens ergebe sich, daß im Jahre 1986 eine Asphaltfeinbetondecke im Heißeinbauverfahren aufgebracht worden sei. Ohne auf dieses Gegenvorbringen im einzelnen sachlich einzugehen, hat der Kläger, nachdem er zwischenzeitlich - in seiner Berufungsbegründung vom 23. Dezember 1993 - selbst von einer "neu aufgebrachten" bzw. von einer "im Heißeinbauverfahren aufgebrachten Asphaltfeinbetondecke" ausgegangen war, in seinem Schriftsatz vom 20. Juli 1995 erneut die Vermutung geäußert, die neue Fahrbahndecke sei nicht im Heißeinbauverfahren hergestellt worden. Damit hat er, wenn auch mit anderen Worten, der Sache nach die bereits früher geäußerte Vermutung, der der Beklagte mit substantiiertem Vortrag entgegengetreten war, nur wiederholt.
24Das Aufbringen einer Asphaltfeinbetondecke auf eine (bloße) Schwarzdecke stellt eine typische Maßnahme der Verbesserung einer Fahrbahn dar, weil die neue Fahrbahndecke im Vergleich zu der alten Decke zahlreiche vom Beklagten und vom Verwaltungsgericht im einzelnen beschriebene Vorzüge verkehrstechnischer Art besitzt. Diese Vorzüge werden vom Kläger grundsätzlich auch nicht in Frage gestellt. Mit der Berufung trägt er insoweit unter "Auswertung" einer Entscheidung des 2. Senats des erkennenden Gerichts
25OVG NW, Urteil vom 15. März 1989 - 2 A 1268/85 -, Gemhlt. 1989, 284 = NVwZ-RR 1990, 161,
26letztlich nur vor, der bei abstrakter Betrachtungsweise durchaus als besser zu bewertende Ausbau der Fahrbahn wirke sich auf die hier gegebene konkrete Verkehrssituation nicht bzw. nicht entscheidend positiv aus. Bei dieser Argumentation verkennt der Kläger allerdings, daß sich der vorliegende Fall bereits in tatsächlicher Hinsicht grundsätzlich von dem oben genannten vom 2. Senat entschiedenen Fall unterscheidet: Dort ging es um die Frage, ob die vorzeitige, nicht infolge Abnutzung durch bestimmungsgemäße Benutzung notwendige Erneuerung einer Fahrbahn (durch Ersetzen des gesamten Fahrbahnaufbaus) eine beitragsfähige Verbesserung darstellt. Im vorliegenden Fall ist jedoch auf eine bereits etwa 25 Jahre alte Fahrbahndecke, die nach den vom Kläger nicht bestrittenen Feststellungen des Beklagten ausgemagert und frostgeschädigt war, zusätzlich eine quantitativ und qualitativ höherwertige Fahrbahndecke aufgebracht worden.
27Angesichts des Umstandes, daß sich hier eine typische Verbesserungsmaßnahme über ein zusammenhängendes Stück der Straße in erheblichem Ausmaß erstreckt, kann von einer bloßen Unterhaltungs- oder Instandsetzungsarbeit nicht mehr die Rede sein. Die Fahrbahndecke wurde nicht an einzelnen Stellen repariert, sondern auf einem Straßenteil von etwa 200 m Länge durchgehend aufgebracht.
28Der durch einen solchen Ausbau typischerweise vermittelte, für die Entstehung der Beitragspflicht erforderliche wirtschaftliche Vorteil ist hier nicht deshalb entfallen, weil die neben der Fahrbahn verlaufenden, der Straßenentwässerung dienenden Rinnen nicht dem neuen, höheren Fahrbahnniveau angepaßt worden sind, sondern nunmehr so tief liegen, daß - so die Behauptung des Klägers - die Reinigung der Straße erschwert wird.
29Grundsätzlich können Vorteile, die durch eine Ausbaumaßnahme bewirkt werden, infolge mit ihr einhergehender Verschlechterungen nur dann aufgehoben (kompensiert) werden, wenn die Vorteile und die Verschlechterungen dieselbe Teileinrichtung betreffen. Eine teileinrichtungsübergreifende Kompensation ist nur möglich, wenn ein räumlicher und funktionaler Zusammenhang zwischen Verbesserung und Verschlechterung besteht, was insbesondere bei der Schaffung einer neuen Teileinrichtung unter Wegfall einer anderen Teileinrichtung der Fall sein kann.
30Vgl. Urteil des Senats vom 8. Dezember 1995 - 15 A 2402/93 -, UA S. 10 f. m.w.N.
31Ein solcher räumlicher und funktionaler Zusammenhang mag auch als Folge einer Ausbaumaßnahme an der Teileinrichtung "Fahrbahn" denkbar sein, wenn dadurch notwendigerweise eine Funktionsbeeinträchtigung der Teileinrichtung "Entwässerungsanlage" eintritt. Um eine solche Funktionsbeeinträchtigung der neben der Fahrbahn verlaufenden Rinnen geht es hier jedoch nicht. Der Kläger behauptet nicht, daß die Rinnen nicht (mehr) in der Lage seien, ihre Funktion als Entwässerungsanlage für die Straße zu erfüllen.
32Die angefochtene Beitragserhebung ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Das hat das Verwaltungsgericht bereits unter anderem im Hinblick auf die Einbeziehung des auf eine zusätzliche Fahrbahnfläche von 160 qm entfallenden Aufwandes zutreffend ausgeführt.
33Der Beklagte war auch nicht verpflichtet, die Grundstücke "Am I. 7 und 11" in die Beitragserhebung einzubeziehen, weil diese Grundstücke nicht von dem ausgebauten Straßenabschnitt, sondern vielmehr von einer parallel dazu verlaufenden Straße über eine von dieser ausgehende Zufahrt erschlossen werden.
34Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.
35Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
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