Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 8 B 1542/96
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Beschwerdeverfahrens fallen den Antragstellern je zur Hälfte zur Last.
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G r ü n d e :
2Die zulässige Beschwerde mit dem sinngemäßen Antrag,
3den angefochtenen Beschluß zu ändern und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern eine Beihilfe zur Anschaffung eines Personenkraftwagens in Höhe von 2.500,-- DM zu bewilligen und den Antragsgegner zu verpflichten, Unterhaltungskosten für das Fahrzeug zu tragen,
4ist unbegründet.
5Der Erlaß einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO setzt voraus, daß der geltend gemachte Hilfeanspruch (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) von den Antragstellern glaubhaft gemacht werden (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).
6Soweit die Antragsteller ihr Begehren im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt geltend machen, haben sie das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen eines Anordnungsgrundes und eines Anordnungsanspruches nicht glaubhaft gemacht.
7Soweit die Antragsteller die Gewährung laufender Leistungen für die Zeit von der Antragstellung bei dem Antragsgegner bis zum Eingang ihres Antrages bei dem Verwaltungsgericht am 15. Mai 1996 begehren, fehlt es bereits an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes, denn das Anordnungsverfahren dient nach seinem Sinn und Zweck lediglich dazu, gegenwärtig drohende wesentliche Nachteile abzuwenden, und bietet deshalb Regelungsmöglichkeiten nur für unaufschiebbare gegenwärtige Notlagen. Dementsprechend ist nach der ständigen Rechtsprechung des beschließenden Gerichts das Bestehen streitiger Sozialhilfeansprüche, die sich auf einen Zeitraum vor der Stellung des Antrages auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung bei Gericht beziehen, regelmäßig erst in einem Klageverfahren, das hier ohnehin schon anhängig ist, zu überprüfen.
8Vgl. statt aller den Beschluß vom 11. Dezember 1995 - 8 B 3293/95 -.
9Die Antragsteller haben keine Umstände dargelegt und glaubhaft gemacht, die ausnahmsweise Anlaß sein könnten, im Rahmen des Verfahrens auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung auch Zeiträume vor Antragstellung bei Gericht in die Sachprüfung einzubeziehen.
10Soweit sich das Begehren der Antragsteller bezüglich laufender Leistungen auf den Zeitraum nach dem Ende des Monats der gerichtlichen Entscheidung im Beschwerdeverfahren bezieht, hier auf den Zeitraum nach dem 31. Juli 1996, ist zu berücksichtigen, daß Sozialhilfe keine rentengleiche Dauerleistung ist. Sie dient lediglich dazu, eine gegenwärtige Notlage zu beheben und wird daher von der zuständigen Behörde jeweils nur für einen bestimmten Zeitraum, in der Regel für einen Monat, bewilligt, weil sich die Anspruchsvoraussetzungen, z.B. hinsichtlich der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Hilfesuchenden, ändern können. Dabei ist die Sozialhilfebehörde verpflichtet, den jeweiligen Sozialhilfefall von Amts wegen unter Kontrolle zu halten. Deshalb kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, daß der Träger der Sozialhilfe nach dem Ergehen einer einstweiligen Anordnung, die sich nicht über den Monat der gerichtlichen Entscheidung hinaus in die Zukunft erstreckt, zum Anlaß nimmt, den Hilfefall für die weitere Zeit unter Zugrundelegung dieser gerichtlichen Entscheidung zu regeln, so daß keine Notwendigkeit für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung durch das Gericht für die Zeit nach dem Ende des Monats seiner Entscheidung besteht.
11Ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats; vgl. statt aller den Beschluß vom 11. Dezember 1995 - 8 B 3293/95 -.
12Was den Zeitraum vom 15. Mai 1996 bis zum Ende des Monats der gerichtlichen Entscheidung im Beschwerdeverfahren betrifft, haben die Antragsteller das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen eines Anordnungsanspruches für die von ihnen geltend gemachte Beihilfe für den Erwerb eines Kraftfahrzeuges und für die Übernahme der laufenden Unterhaltungskosten nicht dargelegt und glaubhaft gemacht.
13Hilfe zum Lebensunterhalt ist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 BSHG dem zu gewähren, der seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem aus seinem Einkommen und Vermögen, beschaffen kann. Im Rahmen dieser gesetzlichen Vorschrift umfaßt der notwendige Lebensunterhalt den hier von den Antragstellern geltend gemachten Aufwand für das Halten eines Kraftfahrzeuges nicht. Es ist jedermann freigestellt, ein Kraftfahrzeug zu halten. Der Hilfesuchende kann daher auf das Halten eines Kraftfahrzeuges verzichten. Ein solcher Verzicht wird ihm vom Gesetz auch zugemutet, wenn er aus dem von seinen Mitbürgern erarbeiteten Bruttosozialprodukt, ohne das Leistung von Sozialhilfe nicht möglich ist, die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt erwartet, die - wie eingangs erwähnt - in § 11 BSHG auf den notwendigen Lebensunterhalt begrenzt ist. In dem Verzicht auf ein Kraftfahrzeug liegt dann Selbsthilfe, zu der § 2 Abs. 1 BSHG verpflichtet, in dem Sinne, daß der Hilfesuchende Ausgaben vermeidet, die die ihm zur Verfügung stehenden und in erster Linie für die Bestreitung des notwendigen Lebensunterhaltes einzusetzenden Mittel mindern könnten.
14Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 4. Juni 1981 - 5 C 12.80 -, Fürsorgerechtliche Entscheidungen der Verwaltungs- und Sozialgerichte (FEVS) 29, 372, 376.
15Die Auslegung des § 11 Abs. 1 Satz 1 BSHG, wonach der mit dem Halten eines Kraftfahrzeuges verbundene Aufwand jedenfalls grundsätzlich nicht zum notwendigen Lebensunterhalt gehört, steht mit der Zielsetzung des Sozialhilferechts in Einklang, die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht (§ 1 Abs. 2 Satz 1 BSHG). Diesen Zusammenhang haben offenbar auch die Antragsteller erkannt, denn sie führen in ihrer Widerspruchsbegründung vom 2. November 1995 aus, daß in dem Gebrauch eines Kraftfahrzeuges kein Statussymbol zu sehen sei. Dieser Argumentation, die am Ende darauf hinausläuft, daß ein menschenwürdiges Leben nur mit einem Kraftfahrzeug geführt werden könne, so daß für die Anschaffung und die Unterhaltung eines Kraftfahrzeuges Sozialhilfe als Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewähren sei, kann nicht gefolgt werden. Steht nur Hilfe zum Lebensunterhalt in Frage, so ist die Führung eines menschenwürdigen Lebens vom Halten und Benutzen eines Kraftfahrzeuges in der Regel nicht abhängig. Daß ein Auto ein übliches Mittel zur Fortbewegung ist, besagt noch nicht, daß es eine von der Menschenwürde her gebotene Notwendigkeit ist. Es ist eine Annehmlichkeit, auf die zu verzichten auch aus Gründen der Ökologie und der Energieeinsparung zunehmend aufgefordert wird.
16BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1981 - 5 C 12.80 -, a.a.O.
17Hieran anknüpfend kann der von den Antragstellern geltend gemachte Bedarf, ein Kraftfahrzeug zu erwerben und die laufenden Unterhaltskosten aufzubringen, nicht als Teil des notwendigen Lebensunterhaltes anerkannt werden. Die Antragsteller haben keine besonderen Umstände vorgetragen, die es ausnahmsweise gebieten könnten, den geltend gemachten Bedarf im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt zu decken. Die angeführten gesundheitlichen Gründe können nur im Rahmen der Hilfe in besonderen Lebenslagen berücksichtigt werden.
18Soweit die Antragsteller die Übernahme der Kosten für das Anschaffen eines Autos und seine Unterhaltung als Maßnahme der Eingliederungshilfe geltend machen, haben sie ebenfalls das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen eines Anordnungsanspruches nicht dargelegt und glaubhaft gemacht. Insoweit folgt der Senat den Gründen des angefochtenen Beschlusses, daß der Antragsgegner sachlich für die Bewilligung von Eingliederungshilfe für den Erwerb und den Betrieb eines Kraftfahrzeuges gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 2 BSHG sachlich nicht zuständig ist.
19Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 188 Satz 2, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO.
20Dieser Beschluß ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
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