Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 9 A 160/94
Tenor
Das angefochtene Urteil wird teilweise geändert. Der endgültige Gebührenbescheid des Beklagten vom 14. August 1992 wird aufgehoben, soweit in ihm Gebühren von mehr als 136.829,79 DM festgesetzt worden sind.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt 7/8, der Beklagte 1/8 der Kosten beider Instanzen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin betreibt in H. einen Schlachthof. Der Beklagte ist verantwortlich für die unschädliche Beseitigung der in seinem Verbandsgebiet anfallenden Tierkörper, Tierkörperteile und tierischen Erzeugnisse. Zur Erfüllung dieser Aufgabe bedient er sich der F.- und G. GmbH und Co. KG, die eine entsprechende Tierkörperbeseitigungsanstalt in C. - J. unterhält. In § 9 des Unternehmervertrages vom 2. Mai 1980 verpflichtete sich der Zweckverband, die von ihm für die Beseitigung vereinnahmten Gebühren nach Abzug der entstandenen Verwaltungskosten an den Unternehmer abzuführen. Nach einem erheblichen Preisverfall bei den Produkten der Tierkörperbeseitigung teilte die F. - und G. GmbH & Co. KG dem Beklagten mit, zu einer kostendeckenden Tierkörperbeseitigung nicht mehr in der Lage zu sein. Sie bat um eine entsprechende kostengerechte Änderung der Gebührensatzung des Zweckverbandes. Daraufhin lud der Beklagte die Verbandsmitglieder mit einfachem Schreiben vom 4. März 1991 zu einer Verbandsversammlung am 19. März 1991. Dort beschlossen die Verbandsmitglieder einstimmig eine neue Gebührensatzung über die Erhebung von Gebühren zur Deckung der Kosten für die unschädliche Beseitigung von Tierkörpern, Tierkörperteilen und tierischen Erzeugnissen.
3Aufgrund dieser Gebührensatzung erließ der Beklagte unter dem 11. September 1991 einen vorläufigen Gebührenbescheid an die Klägerin über 148.117,73 DM für den Zeitraum vom 1. April bis zum 31. Dezember 1991.
4Die Klägerin legte gegen den Bescheid Widerspruch ein mit folgender Begründung: Die Gebührensatzung sei formell rechtsfehlerhaft. Die vorgeschriebene 14-tägige Ladungsfrist zur Zweckverbandsversammlung am 19. März 1991 sei nicht eingehalten. Die Einladung an die Mitglieder datiere vom 4. März 1991 und könne daher frühestens an diesem Tag zur Post gegeben worden sein. Bei den üblichen Postlaufzeiten könne nicht davon ausgegangen werden, daß die Einladungen rechtzeitig eingegangen seien. Ferner werde ein Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz gerügt. Die Sitzung sei in der amtlichen Bekanntmachung als öffentlich angekündigt worden. Die Sitzungsniederschrift enthalte jedoch keinen Hinweis darauf, ob die Sitzung am 19. März 1991 tatsächlich öffentlich oder nicht öffentlich gewesen sei. Der als Zuhörer anwesende Prokurist der F.- und G. GmbH und Co.KG, Herr L. , habe auf die Bitte des Vorsitzenden der Versammlung hin vorübergehend den Sitzungssaal verlassen. Darin liege eine Ausschließung der Öffentlichkeit, für die ein ausdrücklicher Beschluß erforderlich gewesen wäre. Ein solcher sei jedoch nicht ergangen. Die Gebührensatzung sei auch materiell rechtswidrig. Die gewählte Bemessung der Gebühr nach Schlachteinheiten mit degressiver Abstufung sei als Wahrscheinlichkeitsmaßstab nicht zulässig. Vielmehr hätte das Gewicht der zu entsorgenden Schlachtabfälle als Wirklichkeitsmaßstab zugrunde gelegt werden müssen. Das Gewicht der Schlachtabfälle stelle nämlich die wirkliche Inanspruchnahme der Tierkörperbeseitigungsanstalt dar. Die Bemessung nach der abgefahrenen Tonnage sei weder besonders schwierig noch wirtschaftlich unvertretbar und trage den Besonderheiten der jeweiligen Betriebe besser und gerechter Rechnung, insbesondere wenn diese -wie sie selbst- die Tierkörper weitgehend verwerteten, so daß der Tierkörperbeseitigung weniger Material zugeführt werden müsse. Durch die neue Gebührensatzung würden außerdem betriebswirtschaftlich nicht ansatzfähige Kosten an die Benutzer weitergegeben. Die vom Beklagten an die F. - und G. GmbH & Co. KG gezahlten Entgelte könnten nicht in vollem Umfang als Kosten im Sinne von § 6 Abs. 2 KAG NW in Ansatz gebracht werden, weil die beauftragte Gesellschaft ihren Betrieb nicht nach wirtschaftlichen Grundsätzen führe. Sie hätte dem Preisverfall bei Tiermehl mit geeigneten Maßnahmen entgegenwirken müssen. Außerdem habe die F. - und G. GmbH & Co. KG im Jahre 1990 trotz Verlusten in den Bereichen der Verarbeitung von Schlachtabfällen, gefallenen Tierkörpern und toten Haustieren bzw. von Tierblut wegen hoher Gewinne im Bereich der Knochenverwertung einen Jahresüberschuß von 2 Millionen DM erwirtschaftet. Weil die in den verschiedenen Bereichen entstehenden Kosten nicht sauber auseinandergerechnet werden könnten, sei der Gewinn zu berücksichtigen.
5Der Beklagte wies den Widerspruch durch Bescheid vom 5. August 1992 zurück und führte zur Begründung aus: Die Gebührensatzung sei formell und materiell rechtmäßig. Die Ladungsfrist sei eingehalten worden. An der Versammlung vom 19. März 1991 hätten alle Mitglieder teilgenommen und von keinem sei eine zu kurze Ladungsfrist gerügt worden. Darin liege jedenfalls ein konkludenter Verzicht auf die Einhaltung der Ladungsfrist. Auch der Öffentlichkeitsgrundsatz sei beachtet worden. Es sei kein ausdrücklicher Beschluß erforderlich gewesen. Herr L. habe als einziger Vertreter der Öffentlichkeit freiwillig den Sitzungssaal vorübergehend verlassen. Die Bemessung der Gebühren nach der tatsächlichen Inanspruchnahme sei in der Praxis nur mit sehr großem zusätzlichen Aufwand durchzuführen. Die F. - und G. GmbH & Co. KG entsorge ca. 350 Schlachtbetriebe. Davon würden nur drei über eine Fahrzeugwaage verfügen, die zur Ermittlung des Gewichts für Schlachtabfälle bei der Abholung erforderlich sei. Bei allen anderen Schlachtbetrieben müßte jeweils einmal vor Abholung und einmal nach Abholung der Schlachtabfälle eine öffentliche Fahrzeugwaage von den Fahrzeugen angefahren werden. Bei den an die F. - und G. GmbH & Co. KG gezahlten Entgelten handele es sich in vollem Umfang um betriebswirtschaftlich ansatzfähige Kosten. Die in den verschiedenen Bereichen der beauftragten Gesellschaft entstehenden Kosten könnten betriebswirtschaftlich sauber auseinandergerechnet werden. Die mit der Überprüfung der von der F. - und G. GmbH & Co. KG vorgelegten Gebührenbedarfsberechnung beauftragten Prüfer hätten deren Richtigkeit bestätigt.
6Der Beklagte setzte durch Bescheid vom 14. August 1992 die Gebühren für den hier maßgeblichen Zeitraum endgültig auf 155.594,32 DM fest. Über den fristgerecht eingelegten Widerspruch der Klägerin hat der Beklagte noch nicht entschieden.
7Die Klägerin hat am 8. September 1992 Klage erhoben und ergänzend vorgetragen: Die Gebührenbemessung könne so gestaltet werden, daß die Betriebe mit Fahrzeugwaagen nach dem Gewicht der Abfälle und die übrigen Betriebe nach der Zahl der Schlachteinheiten veranlagt würden. Die an die F. - und G. GmbH & Co. KG gezahlten Entgelte seien nicht voll ansatzfähig, weil dieser nach dem Unternehmervertrag keine automatische Vergütung zustehe. Ihre Vergütung bestehe vielmehr in der Verwertbarkeit der überlassenen Stoffe. Das unternehmerische Risiko bezüglich der gewinnbringenden Vermarktung der Schlachtabfälle sei bei der F. - und G. GmbH & Co. KG verblieben, so daß es nicht über die Gebührenerhebung an die Benutzer weitergegeben werden dürfe. Die Satzung verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz. Für gefallene Tierkörper aus der Landwirtschaft werde keine Gebühr erhoben. Die Klägerin hat beantragt,
8den Gebührenbescheid des Beklagten vom 11. September 1991 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. August 1992 aufzuheben.
9Der Beklagte hat beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Er hat ergänzend erwidert, für die Beseitigung von Tierkörpern im Sinne des Viehseuchengesetzes, ausgenommen Hunde und Katzen, dürften nach § 8 Abs. 4 LTierKBG Gebühren nicht erhoben werden.
12Durch das angefochtene Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.
13Mit der rechtzeitig eingelegten Berufung trägt die Klägerin unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ergänzend vor, auf die Anwendung eines Wirklichkeitmaßstabes könne nicht verzichtet werden; die Gebührenbemessung nach einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab komme rechtlich nicht in Betracht, denn - wie einem vom Bundesgerichtshof im Jahre 1992 entschiedenen Fall zu entnehmen sei - sei eine getrennte Erfassung des genauen Maßes der tatsächlichen Inanspruchnahme der Tierkörperbeseitigungsanstalt möglich. Der Zweckverband habe bei den Überlegungen zum Satzungserlaß auch die Möglichkeit einer Selbstveranlagung in Betracht ziehen müssen. Es bestehe keine Pflicht des Zweckverbandes, die in Anspruch genommenen Fremdleistungen der F. - und G. GmbH & Co. KG zu vergüten. Wenn eine solche Pflicht aber nicht bestehe, könnten dennoch erfolgte Zahlungen nicht auf die Gebührenschuldner umgelegt werden. Deshalb komme es nicht darauf an, ob die vom Zweckverband beauftragte Gesellschaft die Beseitigung der gebührenfähigen Tierkörper, Tierkörperteile und tierischen Erzeugnisse kostendeckend durchführen könne. Eine verursachungsgerechte Zuordnung der Kosten zu den einzelnen Kostenstellen sei durch ein Vorstandsmitglied der Kreissparkasse X. nicht vorgenommen worden. Die angesprochene Prüfung durch das Rechnungsprüfungsamt des Kreises T. im Februar 1991 sei nicht bekannt. Im übrigen habe der Zweckverband die Prüfung der X. gerade im Hinblick darauf beanstandet, daß es bei dieser Prüfung aus dem Jahre 1990 an näheren Angaben dazu fehle.
14Die Klägerin beantragt,
15das angefochtene Urteil zu ändern und den endgültigen Bescheid des Beklagten vom 14. August 1992 aufzuheben.
16Der Beklagte beantragt,
17die Berufung zurückzuweisen.
18Er stimmt der in dem Antrag liegenden Klageänderung zu. Das angefochtene Urteil hält er in der Sache selbst für zutreffend. Nach § 12 Abs. 1 der Verordnung über Tierkörperbeseitigungsanstalten und Sammelstellen sei die beauftragte Gesellschaft lediglich bei abholpflichtigen Tierkörpern verpflichtet, über die Menge, die Herkunft und die Tiergattung Aufzeichnungen zu machen. Bei den Tierkörperteilen (z. B. Schlachtabfällen) bestehe diese Verpflichtung nur bezüglich der Menge. Aufgrund dieser Aufzeichnungen sei es möglich, die Kosten für die nicht gebührenfähige Tierkörperbeseitigung und die übrige gebührenfähige Beseitigung getrennt zu ermitteln.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Gerichtsakte des Verfahrens 4 K 3933/91 VG Minden Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
20Entscheidungsgründe
21Die zulässige Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im übrigen ist sie unbegründet.
22Das in der Berufungsinstanz geänderte Begehren der Klägerin, statt des vorläufigen Gebührenbescheides nunmehr den endgültigen Gebührenbescheid des Beklagten vom 14. August 1992 anzufechten, ist nach § 91 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig, denn der Änderung der Klage hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 16. September 1996 ausdrücklich zugestimmt.
23Die Klage mit dem geänderten Inhalt ist auch teilweise begründet. Der endgültige Gebührenbescheid des Beklagten vom 14. August 1992 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit in ihm Gebühren von mehr als 136.829,79 DM festgesetzt worden sind.
24Rechtsgrundlage für die angefochtene Erhebung der endgültigen Gebühr für den Zeitraum April bis Dezember 1991 dem Grunde nach sind die §§ 1, 3 bis 5 der Satzung des Zweckverbandes Tierkörperbeseitigung H. /X. über die Erhebung von Gebühren zur Deckung der Kosten für die unschädliche Beseitigung von Tierkörpern, Tierkörperteilen und tierischen Erzeugnissen vom 19. März 1991 (TKBGS) i.V.m. § 8 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes über die Beseitigung von Tierkörpern, Tierkörperteilen und tierischen Erzeugnissen (LTKBG).
25Die Satzung ist formell gültiges Satzungsrecht.
26Die Rüge der Klägerin, die Ladungsfrist zu der Verbandsversammlung vom 19. März 1991 sei nicht eingehalten worden, kann den Bestand der Satzung nicht in Frage stellen. Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg auf einen etwaigen Verstoß gegen § 7 Abs. 2 der Zweckverbandssatzung berufen, wonach der Vorsitzende im Benehmen mit dem Verbandsvorsteher Zeit, Ort und Tagesordnung festsetzt und die Mitglieder mit mindestens 14-tägiger Frist unter Angabe der Tagesordnung durch eingeschriebenen Brief einlädt. Denn aus einer Verletzung dieser lediglich der Geschäftsordnung dienenden Satzungsregelung, die von den unmittelbar betroffenen Mitgliedern der Verbandsversammlung nicht gerügt worden ist, kann die Klägerin als eine außerhalb des Vertretungsorgans stehende Dritte keine Rechte für sich herleiten.
27Vgl. zum vergleichbaren Verstoß gegen die Geschäftsverordnung eines Rates OVG NW, Urteil vom 27. August 1996 - 15 A 32/93 - mit zahlreichen weiteren Nachweisen.
28Die hier zur Überprüfung gestellte Gebührensatzung ist auch nicht unter Verletzung des Öffentlichkeitsprinzips zustande gekommen; insoweit verweist der Senat auf die diesbezüglichen zutreffenden Gründe des Verwaltungsgerichts auf den Seiten 11 bis 13 des Urteilsabdrucks (§ 130 b VwGO).
29Die Gebührensatzung ist materiell ebenfalls wirksam. Insbesondere steht § 3 TKBGS mit höherrangigem Recht in Einklang.
30Die Satzungregelung des § 3 Abs. 1 enthält einen gemäß § 6 Abs. 3 Sätze 1 und 2 KAG zulässigen Maßstab. Grundsätzlich ist die Benutzungsgebühr nach der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung zu bemessen. Wenn das (aus technischen, praktischen oder sonstigen Gründen) besonders schwierig oder wirtschaftlich nicht vertretbar ist, kann ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab gewählt werden, der nicht in einem offensichtlichen Mißverhältnis zu der Inanspruchnahme stehen darf. Hiervon ausgehend ist die Bemessung der Gebühr für die Beseitigung von Tierkörperteilen aus Schlachtungen in gewerblichen Schlachtbetrieben (ausgenommen die Beseitigung von Tierkörperteilen aus Geflügelschlachtungen sowie Blut, Borsten und Federn) nach dem Wahrscheinlichkeitsmaßstab der Schlachteinheiten pro Kalenderjahr und Schlachtstätte nicht zu beanstanden.
31Die Bemessung der Gebühren nach einem die Inanspruchnahme der Einrichtung wiederspiegelnden Wirklichkeitsmaßstab kommt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht in Betracht. Der Wirklichkeitsmaßstab findet nur dann Anwendung, wenn Art und Umfang der Inanspruchnahme genau ermittelt werden können. Das ist hier nicht der Fall. Die Leistung, um deren Inanspruchnahme es geht, besteht in der unschädlichen Beseitigung von Tierkörpern, die nicht Vieh im Sinne des Tierseuchengesetzes sind, Tierkörperteilen und tierischen Erzeugnissen in einer Tierkörperbeseitigungsanstalt. Die unschädliche Beseitigung umfaßt nicht nur den Abtransport des tierischen Rohmaterials, sondern stellt sich als ein Bündel von Leistungen dar. Denn nach § 2 Nr. 6 TKBGS gehört zum Beseitigen das Abliefern, Abholen, Sammeln, Befördern, Lagern, Verbrennen, Behandeln und Verwerten von Tierkörpern, Tierkörperteilen und Erzeugnissen, die in unterschiedlichen Mengen und Zusammensetzungen bei einer Vielzahl von Betrieben anfallen. Die genaue Bemessung der Inanspruchnahme mag theoretisch möglich sein, sie ist jedoch wegen der Vielzahl der Abläufe und der Verschiedenheit des zu beseitigenden Materials jedenfalls wirtschaftlich nicht vertretbar.
32Auch der von der Klägerin geforderte Gebührenmaßstab nach dem Gewicht der tatsächlich abgeholten Tierkörperteile stellt keinen Wirklichkeitsmaßstab i.S.v. § 6 Abs. 3 Satz 1 KAG dar, sondern geht im Vergleich zu den hier angehaltenen Schlachteinheiten nur von einem anderen Parameter mit anderen Wahrscheinlichkeiten bezüglich des Maßes der Inanspruchnahme aus. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, ist das Gericht nicht der allein maßgebliche Gesichtspunkt für die Inanspruchnahme. Das Gericht ist allenfalls für einen Teil der zu erbringenden Leistung (wie Abholen und Befördern) von Bedeutung. Demgegenüber ist es für andere Teile der Leistungserbringung wie insbesondere die Behandlung und die Verwertung wenig aussagekräftig, weil dabei die Zusammensetzung des Materials das maßgebliche Kriterium sein dürfte.
33Für die Anwendung eines Wirklichkeitsmaßstabes spricht auch nicht das von der Klägerin angeführte Urteil des Bundesgerichtshofes vom 15. Dezember 1992 - X ZR 29/91-, RdL 1993, 166. Vielmehr geht das Gericht in seiner Entscheidung ebenfalls davon aus, daß bei einer Tierkörperbeseitigung auf privatrechtlicher Grundlage (vgl. §§ 8 Abs. 1 Satz 3, 4 Abs. 2 LTKBG) die Entgeltregelung nach der Zahl der geschlachteten Tiere wegen der Übereinstimmung mit dem Äquivalenzprinzip und der Anwendung eines zulässigen Wahrscheinlichkeitsmaßstabes keinen Bedenken begegnet.
34Ist damit die Wahl eines Wahrscheinlichkeitsmaßstabs für die Tierkörperbeseitigungsgebühren zulässig, ist der Satzungsgeber bei der Auswahl der in Betracht kommenden Maßstäbe mit der Einschränkung frei, daß der Maßstab nicht in einem offensichtlichen Mißverhältnis zur Inanspruchnahme stehen darf. Insoweit ist hier lediglich zu prüfen, ob der von der Maßstabsregelung vorausgesetzte Zusammenhang zwischen Gebührenbemessung und Art und Umfang der Inanspruchnahme denkbar und nicht offensichtlich unmöglich ist.
35Vgl. Urteil des Senats vom 30. Januar 1991 - 9 A 765/88 -, Urteilsabdruck S.17/18 m.w.N.
36Dementsprechend findet die dem Satzungsgeber eingeräumte Gestaltungsfreiheit unter Berücksichtigung von Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) erst dort ihre Grenze, wo die gleiche oder ungleiche Behandlung der von ihm geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise zu vereinbaren ist, weil ein einleuchtender, sachlich vertretbarer Grund für die Gleich- oder Ungleichbehandlung fehlt. Denn insoweit kommt es nicht darauf an, daß der Satzungsgeber den im einzelnen zweckmäßigsten, vernünftigsten, gerechtesten oder wahrscheinlichsten Maßstab gefunden hat.
37Vgl. Urteil des Senats vom 30. Januar 1991, a.a.O.
38Nach diesen Grundsätzen ist der in § 3 Abs. 1 TKBGS geregelte Gebührenmaßstab nach der Anzahl der Schlachteinheiten gemäß § 2 Nr. 4 TKBGS pro Kalenderjahr und Schlachtstätte zulässig. Er hält sich im Rahmen des dem Satzungsgeber bei der Festlegung eines Gebührenmaßstabs eingeräumten Ermessens. Denn er berücksichtigt das Maß der jeweiligen Inanspruchnahme weitgehend, da zwischen der Zahl der Schlachtungen, differenziert nach Schlachteinheiten - ein Großtier entspricht vier Schlachteinheiten und ein Kleintier einer Schlachteinheit - und der Menge der abzuholenden Tierkörperteile und der weiteren Beseitigung derselben ein hinreichend plausibler Zusammenhang besteht. Denn von der Zahl der Schlachtungen und der Größe der Tiere hängt typischerweise die Menge der zu beseitigenden Tierkörperteile ab.
39Die stufenweise Gebührendegression nach § 3 Abs. 1 TKBGS ist zulässig. Mit der Staffelung der Gebühren hat der Satzungsgeber des Zweckverbandes die Grenzen seines Organisationsermessens nicht überschritten. Diese werden unter Beachtung des Willkürverbots erst dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache einleuchtender Grund für eine Differenzierung nicht finden läßt. Die degressive Reduzierung der Gebührensätze basiert auf der Überlegung der Leistungsproportionalität. Denn mit der stufenweisen Degression berücksichtigt der Satzungsgeber in zulässiger Weise, daß die Grundkosten bei einer gelegentlichen bzw. geringen Inanspruchnahme der Tierkörperbeseitigungsanstalt höher sind als bei einer häufigen bzw. ständigen Inanspruchnahme. Diese Überlegungen erscheinen einleuchtend und widersprechen jedenfalls nicht dem Willkürverbot, denn bei einer guten Auslastung der Transportfahrzeuge durch einen hohen Anfall von Tierkörperteilen je Schlachtstätte werden die Transportkosten bezogen auf das zu beseitigende Rohmaterial reduziert. Die vom Satzunggeber dabei vorgenommene Staffelung nach der Menge der Schlachteinheiten ist im Rahmen der Pauschalierung gestattet. Bedenken sind insoweit weder von der Klägerin vorgetragen noch sonst ersichtlich.
40Die Höhe der Gebührensätze nach § 3 Abs. 1 TKBGS sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie stehen mit dem Kostendeckungsprinzip im Einklang.
41Nach § 6 Abs. 1 Satz 3 KAG soll das veranschlagte Gebührenaufkommen die voraussichtlichen Kosten der Einrichtung oder Anlage in der Regel decken, aber nicht übersteigen. Dabei sind Kosten gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten. Die der Ermittlung der Gebührensätze zugrundeliegende Gebührenbedarfsberechung vom 12. März 1991 erweist sich insoweit als fehlerfrei.
42Zunächst zählt der veranschlagte Verwaltungkostenanteil des Zweckverbandes Tierkörperbeseitigung H. /X. von 83.800,-- DM zu den ansatzfähigen Kosten. Sie werden auch von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen. Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Gebührensatzes ergeben sich auch nicht daraus, daß die Forderung eines Dritten - der F. - und G. GmbH & Co. KG - als voraussichtliche Kosten in der Gebührenbedarfsberechnung berücksichtigt worden sind. Denn gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 KAG gehören zu den nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung auch Entgelte für in Anspruch genommene Fremdleistungen. Die Forderung der Gesellschaft ist bei der Gebührenbedarfsberechnung ansatzfähig. Der Beklagte hat die F. - und G. GmbH & Co. KG durch Vertrag vom 2. Mai 1980 in zulässiger Weise mit der Wahrnehmung ihm obliegender Aufgaben betraut, denn er kann sich nach § 4 Abs. 1 Satz 2 TKBG zur Erfüllung seiner Beseitigungspflicht Dritter bedienen. Das Unternehmen hat auch einen Anspruch auf ein Entgelt zur Deckung seiner Kosten. Nach § 9 Abs. 1 des Vertrages ist der Zweckverband verpflichtet, jeweils im Benehmen mit der Gesellschaft eine Gebührensatzung zu erlassen und die vereinnahmten Beträge nach Abzug der entstandenen Verwaltungskosten an die Gesellschaft abzuführen. Diese Vereinbarung ist entgegen der Auffassung der Klägerin eine hinreichende vertragliche Grundlage für die Forderung der Gesellschaft. Denn nach Auffassung des Senats ist die Vertragsklausel dahingehend zu verstehen, daß die Vertragspartner unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Schwankungen bei der Verwertung des tierischen Rohmaterials die Gewährung eines Entgelts, soweit erforderlich, vereinbart haben. Sie entspricht Sinn und Zweck des Vertrages, da die unschädliche Beseitigung der Tierkörper etc. als gesetzliche Aufgabe sichergestellt werden sollte. Hierauf hat im übrigen auch die vom Zweckverband beauftragte Gesellschaft im Vorfeld des Vertragsabschlusses ausdrücklich durch Schreiben vom 4. März 1980 hingewiesen und klargestellt, daß bei den Vertragsverhandlungen Einigkeit darüber bestanden habe, daß auf die Übernahme einer Betriebskostenunterdeckung nicht in jedem Fall verzichtet werden könne. Hierfür spricht auch, daß schon die früher gültige Satzung des Beklagten vom 2. Mai 1980 eine Gebührenerhebung für die zur Schlachtung kommenden Tiere vorgesehen hat. Die Klägerin hat früher nur deshalb keine Gebühren entrichten müssen, weil sie wegen der großen Menge des von ihr zu entsorgenden Materials immer in den Genuß eines 100%igen Gebührennachlasses gekommen ist.
43Aus diesem Grund kann dahinstehen, ob die F. - und G. GmbH & Co. KG, falls eine vertragliche Entgeltregelung zu verneinen gewesen wäre, einen Anspruch auf Entgelt daraus hätte herleiten können, daß der Vertrag wegen wesentlich veränderter Verhältnisse nach § 60 VwVfG NW entsprechend anzupassen gewesen wäre.
44Vgl. BVerwG, Ureil vom 26. Januar 1995 -3 C 21.93-, RdL 1996, 191.
45Erweist sich die Beauftragung der F. - und G. GmbH & Co. KG und die Entgeltregelung als wirksam, hat dies zur Folge, daß die Entgelte ansatzfähige Kosten i.S.d. § 6 Abs. 2 KAG sind, soweit es sich um betriebsnotwendige Kosten handelt und deren Bemessung nicht dem Äquivalenzprinzip widerspricht.
46OVG NW, Teilurteil vom 15. Dezember 1994 -9 A 2251/93-, NVwZ 1995, 1238.
47Der von der F. - und G. GmbH & Co. KG errechnete voraussichtliche Fehlbetrag von 1.455.459,64 DM für das gesamte Jahr 1991 bezogen auf den Zweckverband des Beklagten ist nicht zu beanstanden. Nach Auffassung des Senats sind die ihm zugrundeliegenden Kosten betriebsnotwendig. Die Berechtigung ihres Ansatzes wird nicht nur durch den Überprüfungsbericht der X. AG vom 1. Oktober 1990, sondern auch durch die Ausführungen des Rechnungsprüfungsamtes des Kreises T. vom 18. Februar 1991 und den Inhalt des Prüfungsvermerks des Vorstandsmitglieds L. vom 14. März 1991 belegt. Für Zweifel daran, daß die Gesellschaft die relevanten Kostenträger Tierkörper, Tierkörperteile und Blut nicht verursachungsgerecht zugeordnet hat, besteht kein Anlaß. Ob die Gesellschaft insoweit in anderen Bereichen ihrer Tätigkeiten Gewinne erzielt hat, ist hier nicht relevant.
48Letztlich verstößt die Satzung auch nicht gegen Art. 3 GG, weil Gebühren für die Beseitigung von Tierkörpern im Sinne des Tierseuchengesetzes, ausgenommen Hunde und Katzen, nicht erhoben werden. Denn insoweit hat sich der Gesetzgeber in § 8 Abs. 4 LTierKBG aus Gründen der Zweckmäßigkeit der Tierseuchenbekämpfung für ein absolutes Gebührenerhebungsverbot entschieden.
49Gleichwohl ist der nunmehr angefochtene endgültige Gebührenbescheid des Beklagten vom 14. August 1992 rechtswidrig, soweit in ihm Gebühren von mehr als 136.829,79 DM festgesetzt worden sind, denn die Berechnung der Höhe der Gebühren ist auf der Grundlage der hier gültigen Satzungen fehlerhaft. Der Beklagte hat bei der Gebührenermittlung nicht berücksichtigt, daß die Gebührensatzung vom 19. März 1991, deren Gebühren und Gebührenkalkulation auf den gesamten Jahreszeitraum ausgerichtet waren, nach § 7 Abs. 1 TKBGS erst am 1. April 1991 in Kraft getreten ist. Bis zu diesem Zeitpunkt galt die frühere Gebührensatzung des Beklagten vom 2. Mai 1980. Hieraus folgt für die Gebührenberechnung, daß die im ersten Quartal des Jahres 1991 angefallenen Schlachteinheiten noch nach der früher gültigen Gebührenregelung zu bewerten und erst die weiteren Schlachteinheiten nach der neuen Satzung zu berechnen waren. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind Tierkörperbeseitigungsgebühren für das Jahr 1991 in Höhe von lediglich insgesamt 136.829,79 DM gerechtfertigt: 1991 sind in der Schlachtstätte der Klägerin insgesamt Schlachteinheiten angefallen von 483.487. Davon entfallen auf das 1.Quartal 120.151 und auf das 2. bis 4. Quartal 363.336. Für die 120.151 Schlachteinheiten des 1. Quartals sind keine Gebühren zu erheben, da wegen der mehr als 60.000 Schlachtungen im Jahr 1991 nach § 3 Abs. 1 TKBGS der bis zum 31. März 1991 gültigen Satzung eine 100%ige Gebührenermäßigung zu berücksichtigen ist. Bei der weiteren Berechnung der Benutzungsgebühr nach dem ab dem 1. April 1991 gültigen Satzungs- recht sind die Gebührensätze anzuhalten, die für mehr als 120.151 Schlachteinheiten gelten. Nach dem stufenweisen Gebührentarif ergibt sich dabei folgende Berechnung: Für 79.849 Schlachteinheiten (= 200.000 ./. 120.151) in der Staffel 100.001 bis 200.000 Schlachteinheiten multipliziert mit einer Gebühr von 0,40 DM je Schlachteinheit errechnet sich ein Betrag von 31.939,60 DM. Die restlichen Schlachteinheiten von 283.487 (= 363.336 ./.79.849) sind mit dem insoweit geltenden niedrigeren Gebührensatz von 0,37 DM je Schlachteinheit zu multiplizieren. Der daraus folgende Betrag von 104.890,19 DM addiert mit dem zuvor ermittelten Teilbetrag von 31.939,60 DM führt zu einer Gebühr von insgesamt 136.829,79 DM. Der in dem angefochtenen Gebührenbescheid über diesen Betrag hinaus festgesetzten Gebühr mangelt es demgemäß an einer satzungsrechtlichen Grundlage.
50Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 167 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
51Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
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