Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 9 A 7237/95
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks ... 1-7 in ..., das an die städtische Kanalisation angeschlossen ist.
3Mit Bescheid vom 8. Januar 1993 zog der Beklagte sie für das Jahr 1993 auf der Grundlage der Satzung vom 9. Dezember 1992 über die Erhebung von Entwässerungsabgaben (Entwässerungsabgabensatzung) der Stadt ... u.a. zu Schmutz- und Niederschlagswassergebühren in Höhe von insgesamt 9.565,17 DM heran. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf den Inhalt des Bescheides Bezug genommen. Mit Bescheid vom 24. März 1993 berichtigte der Beklagte auf der Grundlage eines geringeren Frischwasserverbrauchs die Schmutzwassergebühren, so daß insgesamt 5.038,80 DM an Schmutz- und Niederschlagswassergebühren zu zahlen waren.
4Nach erfolglosem Vorverfahren hat die Klägerin fristgerecht Klage gegen die Erhebung der Schmutz- und Niederschlagswassergebühren erhoben.
5Im Hinblick auf das Urteil des erkennenden Senats vom 5. August 1994 - 9 A 1248/92 -, setzte der Rat der Stadt ... auf der Grundlage der Betriebsabrechnung für das Jahr 1993 mit Änderungssatzung vom 26. Juni 1995 u.a. rückwirkend für das Jahr 1993 die Gebührensätze für die Schmutz- und Niederschlagswassergebühren herab. Daraufhin ermäßigte der Beklagte am 29. Juni 1995 die strittigen Gebühren auf insgesamt 4.387,34 DM. In Höhe des Ermäßigungsbetrages haben die Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt.
6Im übrigen hat die Klägerin ihre Klage aufrecht erhalten und zur Begründung im wesentlichen folgendes geltend gemacht: Sowohl die kalkulatorischen Abschreibungen als auch die kalkulatorischen Zinsen hätte nur nach den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten, nicht aber nach dem Neuwert berechnet werden dürfen. Auch sei die Berücksichtigung von Herstellungskosten fehlerhaft, da hierfür Kanalanschlußbeiträge erhoben worden seien. Darüber hinaus sei der allgemeine Gleichheitssatz sowie das Äquivalenzprinzip verletzt. Bei den innerhalb der letzten vier Jahre bei der Stadt ... festzustellenden Kostenexplosionen könne es sich nicht um übliche Kostensteigerungen handeln.
7Die Klägerin hat beantragt,
8den Grundbesitzabgabenbescheid vom 8. Januar 1993 - berichtigt durch Bescheid vom 24. März 1993 - und den Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 1993 hinsichtlich der festgesetzten Schmutzwassergebühr und Niederschlagswassergebühr für das Jahr 1993 aufzuheben, soweit nicht das Verfahren in der Hauptsache erledigt ist.
9Der Beklagte hat beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Er ist der Auffassung gewesen, daß jedenfalls auf der Grundlage der Betriebsabrechnung 1993 die ermäßigten Gebührensätze gerechtfertigt seien.
12Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im wesentlichen folgendes ausgeführt: Für die umstrittene Schmutzwassergebühr bestehe schon kein ordnungsgemäßer Maßstab, da die in der Entwässerungsabgabensatzung enthaltene Grenzwertregelung von 60 cbm mit dem Gleichheitssatz unvereinbar sei. Darüber hinaus seien auch die Gebührensätze für die Schmutz- und Niederschlagswassergebühren nichtig, weil sie gegen das Kostenüberschreitungsverbot verstießen. Der Beklagte habe jedenfalls die Basis für die Ermittlung der kalkulatorischen Zinsen falsch errechnet. Er habe nämlich Beiträge und Zuschüsse Dritter lediglich in der Weise berücksichtigt, daß er einen bestimmten Prozentsatz von dem Anschaffungsrestwert abgezogen habe. Diese Prozentmethode" führe dazu, daß das Abzugskapital nicht in seiner ursprünglichen Höhe, sondern abgeschrieben" nur mit einem entsprechenden Restwert in Ansatz gelange. Dies widerspreche § 6 Abs. 2 Satz 2 KAG NW. Reduziere man den Restbuchwert um das gesamte Abzugskapital, ergebe sich eine Kostenüberschreitung von über 17 %, die auch nach der Rechtsprechung des Berufungsgerichts zur Unwirksamkeit der Gebührensätze führe.
13Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten. Zur Begründung legt er u.a. eine Neuberechnung der kalkulatorischen Abschreibungen und kalkulatorischen Zinsen vor. Er ist der Auffassung, daß hiernach den Bedenken des Verwaltungsgerichts hinsichtlich der Berücksichtigung des Abzugskapitals Rechnung getragen und angesichts der sich nunmehr ergebenden Gesamtkosten von über 105 Mio. DM die in der Änderungssatzung auf der Grundlage eines Kostenvolumens von lediglich rd. 102 Mio. DM ermittelten ermäßigten Gebührensätze jedenfalls gerechtfertigt seien.
14Der Beklagte beantragt,
15das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
16Die Klägerin beantragt,
17die Berufung zurückzuweisen.
18Zur Begründung macht sie im wesentlichen geltend, daß die Ermittlung des Abzugskapitals zum Teil lediglich auf Vermutungen und nicht bestätigten Annahmen beruhe. Auch müsse das aus Beiträgen und Zuschüssen Dritter aufgebrachte Eigenkapital außer Betracht bleiben.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, Bezug genommen.
20Entscheidungsgründe:
21Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet.
22Der Grundbesitzabgabenbescheid des Beklagten vom 8. Januar 1993 in der Gestalt des Berichtigungsbescheides vom 24. März 1993 und des Widerspruchsbescheides vom 14. Juli 1993 sowie der Ermäßigung vom 29. Juni 1995 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
23Rechtsgrundlage der angefochtenen Gebührenerhebung sind die §§ 2 Abs. 1 a, 4-6 der Satzung vom 9. Dezember 1992 über die Erhebung von Entwässerungsabgaben (Entwässerungsabgaben- satzung) der Stadt ... i.d.F. der Änderungssatzung vom 26. Juni 1995 und der Änderungssatzung vom 9. Oktober 1995 (EAS).
24Die genannten Bestimmungen sind formell gültiges Satzungsrecht; sie sind auch in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.
25Dies gilt zunächst für den Gebührenmaßstab in § 4 EAS zur Bemessung der Schmutzwassergebühren (Frischwassermaßstab) und den in § 5 EAS geregelten Maßstab der bebauten, überbauten oder sonst befestigten, angeschlossenen Grundstücksfläche für die zu bemessenden Niederschlagswassergebühren.
26Zur Zulässigkeit des Frischwassermaßstabs vgl.: OVG NW, Urteil vom 18. März 1996 - 9 A 384/93 -. Zur Zulässigkeit des Flächenmaßstabs vgl.: BVerwG, Urteil vom 24. September 1987 - 8 C 28/86 -, NVwZ 1988, 159; OVG NW, Urteil vom 8. August 1984 - 2 A 2501/78 -, GemHH 1985, 44 (46); Urteil vom 1. Februar 1988 - 2 A 1883/80 -; Urteil vom 25. August 1995 - 9 A 3907/93 -; Beschluß vom 19. Dezember 1991 - 9 A 302/90.
27Soweit in der ursprünglichen Entwässerungsabgabensatzung vom 9. Dezember 1992 zur Bemessung der Schmutzwassergebühr nach § 4 Abs. 5 der Satzung von dem grundsätzlich möglichen Abzug von Wassermengen, die nachweislich nicht in die öffentliche Abwasseranlage gelangen, Wassermengen bis 60 cbm ausgeschlossen waren, ist dieser unzulässig hohe Grenzwert,
28vgl. BVerwG, Beschluß vom 28. März 1995 - 8 N 3.93 -, DÖV 1995, 826 -; OVG NW, Urteil vom 18. März 1996 a.a.O.; OVG NW, Urteil vom 2. September 1996 - 9 A 5000/94 -; OVG NW, Urteile vom 16. September 1996 - 9 A 1721-1724/96 -,
29durch die Änderungssatzung vom 9. Oktober 1995 rückwirkend auch für den hier maßgebenden Veranlagungszeitraum 1993 auf einen (Grenz-)Wert von 15 cbm abgesenkt und damit den Bedenken der Rechtsprechung Rechnung getragen worden. Eine darüber hinausgehende Reduzierung des Grenzwertes auf einen Wert unter 15 cbm oder ein völliges Absehen von einem Grenzwert ist für den hier maßgebenden Veranlagungszeitraum nicht zwingend geboten; vielmehr sind im Rahmen des dem Ortsgesetzgeber bei der Festlegung des Gebührenmaßstabes zustehenden weiten Organisationsermessens,
30vgl. BVerwG, Beschluß vom 28. März 1995 a.a.O.; Beschluß vom 12. Februar 1974 - VII B 89.73 -, Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 21,
31etwaige Ungleichbehandlungen innerhalb der Gruppen der Gebührenpflichtigen durch den Grundsatz der Verwaltungs- praktikabilität gerechtfertigt, zumal die sich ergebenden Jahresbeträge sich mit 15,00 DM (Verbandsmitglieder) bzw. 22,50 DM (Nichtverbandsmitglieder) im Bagatellbereich bewegen.
32Auch die hier streitigen Gebührensätze von 1,50 DM/cbm für die Bemessung der Schmutzwassergebühr und 0,83 DM/qm für die Bemessung der Niederschlagswassergebühr begegnen keinen materiell-rechtlichen Bedenken.
33Allerdings war die ursprüngliche Entwässerungsabgabensatzung vom 9. Dezember 1992 insoweit fehlerhaft, weil in der ihr zugrunde liegenden Gebührenbedarfsberechnung die kalkulatorischen Zinsen nach dem Wiederbeschaffungszeitwert berechnet worden waren. Dies widersprach der neueren Rechtsprechung des erkennenden Senats, wonach lediglich eine Berechnung der kalkulatorischen Zinsen nach dem Anschaffungs-/Herstellungswert zulässig ist,
34vgl. OVG NW, Urteil vom 5. August 1994 - 9 A 1248/92 -, GemHH 1994, 233,
35und führte zu einer Überdeckung. Die durch die Änderungssatzung vom 26. Juni 1995 ermäßigten Gebührensätze sind jedoch im Ergebnis nicht mehr zu beanstanden. Rechtlich ist davon auszugehen, daß der Gebührensatz lediglich im Ergebnis den Anforderungen der einschlägigen Gebührenvorschriften entsprechen und demzufolge nicht auf einer vom Rat beschlossenen stimmigen Gebührenkalkulation beruhen muß.
36Vgl. OVG NW, Urteil vom 5. August 1994 a.a.O.
37Das bedeutet, daß überhöhte Kostenansätze gegebenenfalls keine Auswirkungen auf die Gültigkeit des Gebührensatzes und damit der Satzung insgesamt haben, wenn sich im Rahmen einer umfassenden Prüfung herausstellt, daß zulässige Kostenansätze unterblieben oder zu niedrig bemessen worden sind. Hiernach ist es insbesondere zulässig, den Gebührensatz mit einer nach Abschluß der Gebührenperiode aufgestellten Betriebsabrechnung zu rechtfertigen.
38Dies ist hier durch die bereits im erstinstanzlichen Verfahren erfolgte Vorlage der Betriebsabrechnung 1993 und der im Berufungsverfahren vorgelegten Nachberechnung der Personalkosten und der kalkulatorischen Kosten erfolgt.
39Daß in diesen - zulässigerweise - nachgeschobenen Berechnungen Kosten enthalten sind, die ihrer Art nach gemäß §§ 6 Abs. 2, 7 Abs. 1 KAG NW nicht hätten angesetzt werden dürfen, ist nicht ersichtlich und auch von der Klägerin nicht vorgetragen.
40Die einzelnen Kostenpositionen sind auch der Höhe nach nicht zu beanstanden.
41Die in der Betriebsabrechnung 1993 aufgeführten und unverändert gebliebenen Sachkosten, Umlagen der kalkulatorischen Abschreibungen und Zinsen sind - wie auch das Verwaltungsgericht auf S. 10 des Urteilsabdrucks ausgeführt hat - der Höhe nach bereits im erstinstanzlichen Verfahren von dem Beklagten plausibel gemacht worden, ohne daß die Klägerin die diesbezüglichen Angaben in Frage gestellt hat. Auch die kalkulatorische Abschreibung des beweglichen Vermögens ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten.
42Entsprechendes gilt für die ebenfalls plausibel dargelegte Erhöhung der Personalkosten. Allerdings waren bis 1995 in den Personalkosten die sogenannten Eigenleistungen des Beklagten enthalten. Derartige anlagenbezogene Eigenleistungen sind jedoch - anders als die im Zusammenhang mit der Unterhaltung der Anlagen oder die durch Leistungen der Querschnittämter entstehenden Personalaufwendungen - nicht als normale Betriebskosten, d.h. in voller Höhe anzusetzen. Sie sind vielmehr in gleicher Weise wie die durch die Herstellung von Kanälen und Sonderbauwerken verursachten sonstigen Kosten zu aktivieren und über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Anlagegutes abzuschreiben.
43Vgl. Endurteil vom 24. Juli 1995 - 9 A 2251/93 -, StGR 1995, 486.
44Die in der Betriebsabrechnung 1993 mit 11.248.571,-- DM ausgewiesenen Personalkosten sind entsprechend dem von dem Beklagten - unbedenklich - ermittelten Anteil der Eigen- leistungen von 7 % und unter Berücksichtigung des Investitionsvolumens 1993 von rd. 16.950.000,-- DM um 1.186.524,-- DM auf 10.062.047,-- DM zu reduzieren.
45Die Art und Weise der Ermittlung der kalkulatorischen Abschreibungen ist ebenfalls zulässig. Die kalkulatorischen Abschreibungen sind nach dem Wiederbeschaffungszeitwert berechnet worden; dabei ist die Bewertung des Anlagevermögens nach dem sogenannten Mengenverfahren vorgenommen worden. Beides ist grundsätzlich nicht zu beanstanden.
46Vgl. zur Zulässigkeit der Berechnung der kalkulatorischen Abschreibungen nach dem Wiederbeschaffungszeitwert: OVG NW, Urteil vom 5. August 1994 a.a.O.; zur Anwendung des Mengenverfahrens: OVG NW, Endurteil vom 24. Juli 1995 a.a.O.
47Soweit die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren geltend gemacht hat, die Stadt ... sei nicht vom Wiederbeschaffungswert, sondern vom Neuwert ausgegangen, liegt dem offensichtlich ein unzutreffendes Verständnis des Begriffs des Wiederbeschaffungszeitwertes zugrunde. Unter dem Begriff des Wiederbeschaffungszeitwertes, der in zulässiger Weise als Basis bei der Ermittlung der kalkulatorischen Abschreibungen verwendet werden kann, ist derjenige Preis zu verstehen, der zum Bewertungszeitpunkt (z.B. zum 31. Dezember der jeweiligen Gebührenperiode) für die Erneuerung eines vorhandenen Vermögensgegenstandes durch einen solchen gleicher Art und Güte gezahlt werden müßte (= derzeitiger Wiederbeschaffungswert = Tageswert).
48Vgl.OVG NW, Urteil vom 5. August 1994 a.a.O.
49Dies entspricht im Ergebnis dem Erneuerungswert oder Neuwert der Anlage, so daß die hierauf beruhende Ermittlung der kalkulatorischen Abschreibungen der Stadt ... in methodischer Hinsicht im Einklang mit der Rechtsprechung erfolgt ist.
50Die in der Nachberechnung vorgenommene Erhöhung der kalkulatorischen Abschreibungen ist im wesentlichen auf die nunmehr erfolgte Berücksichtigung der in der Vergangenheit erbrachten Eigenleistungen bei der Berechnung des Wiederbeschaffungszeitwertes zurückzuführen. Dies entspricht, wie oben dargelegt, der neueren Rechtsprechung des erkennenden Senats.
51Der Einbeziehung der Eigenleistungen durch einen Zuschlag auf den ermittelten Wiederbeschaffungszeitwert steht nicht entgegen, daß der Beklagte den Wiederbeschaffungszeitwert nach dem Programm Wert" berechnet hat. Das Programm sieht zwar die Möglichkeit vor, durch prozentuale Zuschläge die Eigenleistungen bereits bei der Berechnung des Wiederbeschaffungszeitwertes zu berücksichtigen; in diesem Fall wäre ein nochmaliger Ansatz dieser Eigenleistungen durch einen Zuschlag zu dem auf diese Weise ermittelten Wiederbeschaffungszeitwert unzulässig. Der Beklagte hat jedoch in der mündlichen Verhandlung erklärt, bei der Berechnung des Wiederbeschaffungszeitwertes lediglich einen Zuschlag von 5 % für Fremdleistungen (z.B. Baugrunduntersuchungen, Vermessungen und Statikprüfungen durch Fremdingenieure) vorgenommen zu haben. Der Senat hat keinen begründeten Anlaß, daran zu zweifeln, daß mit dem Zuschlag von 5 % nur Fremdleistungen erfaßt worden sind, zumal aus anderen Verfahren bekannt ist, daß die Berücksichtigung von Fremd- und Eigenleistungen zusammen nach dem Programm Wert" durchaus einen Zuschlag von 10 % rechtfertigen kann. Angesichts dessen bewegt sich der Ansatz von 5 % in einem für die ausschließliche Berücksichtigung von Fremdleistungen noch vertretbaren Rahmen.
52Im Hinblick auf den nunmehr vorgenommenen Zuschlag auf den Wiederbeschaffungszeitwert für die bislang nicht einbezogenen Eigenleistungen brauchte auch kein Ausgleich für die in der Vergangenheit über die Personalkosten schon mitberücksichtigten und von den Gebührenzahlern aufgebrachten Eigenleistungen vorgenommen zu werden. Denn angesichts der Periodenbezogenheit der durchzuführenden Kalkulation bedarf es bei Fehlern in der Vergangenheit keines Ausgleichs für die Zukunft. Vielmehr sind sämtliche Kalkulationen so durchzuführen, wie wenn von Anfang an korrekt vorgegangen worden wäre.
53Vgl. OVG NW, Endurteil vom 24. Juli 1995 a.a.O.
54Entgegen der Auffassung der Klägerin mußte der Anlagewert nicht um einen Betrag in Höhe der erbrachten Kanalanschlußbeiträge reduziert werden. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 27. Oktober 1992 - 9 A 835/91 -, StGR 1993, 313, ausgeführt hat, wird der Kanalanschlußbeitrag gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 KAG NW vom Eigentümer als Gegenleistung dafür erhoben, daß ihm durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Abwässerbeseitigungseinrichtung und ihrer Anlagen wirtschaftliche Vorteile geboten werden. Diese Leistung ist mit derjenigen, für die Benutzungsgebühren nach § 6 KAG NW erhoben werden, nicht identisch; nach dieser Bestimmung geht es nicht um die Abgeltung eines durch die Anschlußmöglichkeit bewirkten wirtschaftlichen Vorteils, der sich in der Regel in einer Wertsteigerung des betreffenden Grundstücks äußert, sondern um ein Entgelt für die Inanspruchnahme der Abwasserbeseitigungseinrichtung und die dadurch bedingte Abnutzung.
55Vgl. OVG NW, Urteil vom 5. August 1994 a.a.O.
56Schließlich entspricht nunmehr auch die Berechnung der kalkulatorischen Zinsen auf der Basis des Herstellungswertes der neueren Rechtsprechung des erkennenden Senats.
57Vgl. OVG NW, Urteil vom 5. August 1994 a.a.O.
58Die Ermittlung des Herstellungswertes selbst begegnet keinen Bedenken. Bei der Ermittlung des Anschaffungs- bzw. Herstellungswertes ist es regelmäßig allein sachgerecht, die tatsächlich aufgewendeten Kosten zugrunde zu legen. Eine Rückrechnung vom Wiederbeschaffungszeitwert nach dem Mengenverfahren über Indizes kann in der Vielzahl der Fälle nicht den gleichen Grad an Genauigkeit beanspruchen. Das Mengenverfahren kann nur ausnahmsweise als eine zur Bestimmung des Anschaffungswertes geeignete Methode anerkannt werden, und zwar, wenn ein Rückgriff auf die tatsächlichen Anschaffungswerte nicht oder nur in eingeschränktem Maße möglich ist und daher infolge des Ausmaßes der erforderlichen Schätzungen mit noch größeren Unsicherheiten als bei dem Mengenverfahren zu rechnen ist.
59Vgl. OVG NW, Endurteil vom 24. Juli 1995 a.a.O.
60Hiernach ist es nicht zu beanstanden, daß der Beklagte für den Zeitraum bis einschließlich 1990 sich der Rückrechnung aus dem nach dem Mengenverfahren ermittelten Wert bedient hat. Denn der Beklagte hat - von der Klägerin nicht bestritten - plausibel dargelegt, daß in der Vergangenheit keine Kanalkartei geführt worden ist und in dem seinerzeit 1970 geführten Kanalkataster lediglich geometrische Daten, nicht aber die aufgewendeten Kosten enthalten sind. Dies wird insbesondere dadurch nachvollziehbar, daß der Beklagte in der Vergangenheit die Kosten nach dem Mengenverfahren berechnet hat. Denn für dieses Verfahren ist die Kenntnis der tatsächlich aufgewendeten Kosten ohne Belang, da hiernach die Vermögensgegenstände zu einem bestimmten Stichtag lediglich nach der Art und Menge ermittelt und mit den zu dem genannten Zeitpunkt geltenden Einheitspreisen multipliziert werden.
61Vgl. OVG NW, Endurteil vom 24. Juli 1995 a.a.O.
62Fehlen aber für den genannten Zeitraum Angaben über die tatsächlich aufgewendeten Kosten, bleibt im Ergebnis nichts anderes übrig, als von dem nach dem Mengenverfahren ermittelten Wiederbeschaffungszeitwert über die angewendeten Indizes auf den Anschaffungswert zurückzurechnen. Dies hat der Beklagte hier vorgenommen.
63Eine derartige Rückrechnung weist allerdings generelle Schwächen auf, weil der als Ausgangswert verwendete Wiederbeschaffungszeitwert unter anderem Kosten enthält, die bei der Wiederherstellung von Kanalanlagen regelmäßig, bei der erstmaligen Herstellung aber nur teilweise anfallen, z.B. Aufbruch und Wiederherstellung von Straßenbefestigung, Verlegen von Versorgungsleitungen, Verkehrslenkungsmaßnahmen, Überpumpen von Abwasser), so daß der Wiederbeschaffungszeitwert zum Zwecke der Ermittlung des Anschaffungswertes angem... reduziert werden muß.
64Vgl. OVG NW, Endurteil vom 24. Juli 1995 a.a.O.
65Dem hat der Beklagte für den Zeitraum bis 1973 durch - auf der Grundlage der Auswertung von über 1.000 Kanalbauakten ermittelte - Abschläge von 27,39 % und für den Zeitraum von 1974 bis 1990 durch einen Abschlag von 8,9 % nachvollziehbar Rechnung getragen. Die Reduzierung des Abschlages für den Zeitraum von 1974 bis 1990 auf 8,9 % ist plausibel damit begründet worden, daß das Material in diesem Zeitraum nicht mehr von der Stadt gestellt, die Baugrubenbreite erhöht, der Anteil der Sanierungs-/Erneuerungsmaßnahmen größer geworden und die Erweiterungsmaßnahmen in diesem Zeitraum ihr Ende gefunden haben. Substantiierte Einwände gegen die ermittelten Abschläge und die rückgerechneten Herstellungswerte hat die Klägerin nicht vorgebracht.
66Für den Zeitraum ab 1991 hat der Beklagte zudem - entsprechend dem Endurteil des erkennenden Senats vom 24. Juli 1995 a.a.O. - die tatsächlich aufgewendeten Kosten zur Ermittlung des Herstellungswertes berücksichtigt, und damit zu Recht einen Herstellungswert von insgesamt 716.171.610,-- DM zugrundegelegt.
67Die Ermittlung des zu verzinsenden Restbuchwertes auf der Grundlage des nach dem oben Dargelegten nicht zu beanstandenden Herstellungswertes begegnet ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken.
68Zwar differieren die Summe der bisher aufgelaufenen - nicht indexierten - Abschreibungen und die für das Jahr 1993 ausgewiesene Abschreibung gegenüber den in der Betriebsabrechnung ausgewiesenen Werten beträchtlich. Der Beklagte hat jedoch in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar erläutert, daß unter Inanspruchnahme des Programms Wert" für die Anlagen jahresbezogen die jeweiligen Restbuchwerte errechnet und sodann die Abschläge für die Oberflächenwiederherstellung sowie der Zuschlag für die Eigenleistungen zur Ermittlung des Restbuchwertes von 512.817.844,-- DM berücksichtigt worden seien. Ist der für die Verzinsung allein maßgebende Restbuchwert insoweit - wie hier - zutreffend ermittelt worden, kommt es auf ohne weiteres zu berichtigende Rechenfehler bei der Rückrechnung der Abschreibungen, die sich auf den Restbuchwert nicht auswirken, nicht an.
69Im übrigen kann offenbleiben, ob, wie das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil ausgeführt hat, die Beiträge und Zuschüsse Dritter (Abzugskapital) in voller Höhe von dem Herstellungswert abzuziehen sind. Denn der Beklagte hat von dem Herstellungswert (716.171.610,-- DM) - neben den nicht indexierten Abschreibungen (203.353.766,-- DM) - auch die Beiträge und Zuschüsse Dritter (280.450.000,-- DM) nunmehr in voller Höhe abgezogen und damit den Bedenken des Verwaltungsgerichts bereits Rechnung getragen. Der Senat ist, da auch nach dieser Berechnung die Kosten das Gebührenaufkommen nicht im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 3 KAG NW NW überschreiten, der Entscheidung enthoben, ob das Abzugskapital nicht auch lediglich in abgeschriebener Form abgezogen werden kann.
70Die Höhe des Abzugskapitals von 280.450.000,-- DM ist bis einschließlich 1993 in einer Weise ermittelt worden, die nicht zu beanstanden ist. Die einzelnen Posten sind im Berufungsverfahren schriftsätzlich nachvollziehbar erläutert worden. Soweit bei einzelnen Positionen - etwa bei dem ... (Zeitraum bis 1973) oder den Strukturverbesserungen (Zeitraum 1974 bis 1990) - Schätzungen erfolgt sind, sind diese im wesentlichen darin begründet, daß konkrete Unterlagen bei dem Beklagten hierüber nicht aufzufinden und daher zur Bestimmung des Abzugskapitals Schätzungen unumgänglich sind.
71Der Senat ist nicht gehalten, in eine nähere Überprüfung dieser Schätzungen einzutreten. Zwar sind die Verwaltungsgerichte im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes verpflichtet, jede mögliche Aufklärung des Sachverhalts bis an die Grenze der Zumutbarkeit zu versuchen, sofern die Aufklärung nach seiner Auffassung für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich ist. Aufkärungsmaßnahmen brauchen jedoch nur zu erfolgen, soweit sie sich dem Gericht aus dem Sachvortrag oder den beigezogenen Unterlagen aufdrängen. Läßt es der Beteiligte an substantiiertem Sachvortrag fehlen, so hat es dabei sein Bewenden. Die Untersuchungsmaxime ist keine prozessuale Hoffnung, das Gericht werde mit ihrer Hilfe schon die klagebegründenden Tatsachen finden.
72Vgl. OVG NW, Beschluß vom 11. Juni 1996 - 9 A 1864/94 -.
73Gem... hieran ist der Beklagte der erforderlichen Darlegung der Ermittlung der Einsatzwerte zur Errechnung des Abzugskapitals hinreichend nachgekommen. Denn die Klägerin hat diese Werte in Kenntnis der von dem Beklagten vorgelegten umfangreichen Berechnungen nicht in der erforderlichen substantiierten Art und Weise angegriffen, sondern sich darauf beschränkt, pauschal geltend zu machen, daß die Ermittlungen des Abzugskapitals zum Teil auf Vermutungen und nicht bestätigten Annahmen" beruhten.
74Der nach Abzug des - nicht zu beanstandenden - Abzugskapitals verbleibende Restbuchwert von 232.367.844,-- DM ist auch zu Recht mit einem Zinssatz von 8 % verzinst worden.
75Vgl. zum Zinssatz: OVG NW, Urteil vom 5. August 1994 a.a.O.
76Die hiernach auf der Grundlage der Betriebsabrechnung 1993 und der Nachberechnung der Personalkosten und der kalkula- torischen Kosten des Beklagten im Berufungsverfahren zugrundezulegenden Gesamtkosten in Höhe von 105.301.196,-- DM werden durch die auf der Basis von lediglich 102.619.209,-- DM seinerzeit beschlossenen Gebührensätze nicht einmal abgedeckt, so daß von einer Kostenüberschreitung im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 3 KAG NW NW nicht die Rede sein kann.
77Sind danach die hier in Rede stehenden Gebührensätze sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach rechtmäßig, ist die von der Klägerin gerügte Kostensteigerung als solche ohne Belang.
78Auf der Grundlage der hiernach wirksamen Satzungsbestimmungen ist die Klägerin auch der Höhe nach zu Recht zu Entwässerungsgebühren herangezogen worden. Bei einem von der Klägerin nicht bestrittenen Frischwasserverbrauch von 1.432 cbm und einem Gebührensatz von 1,50 DM/cbm errechnet sich eine Schmutzwassergebühr von 2.148,-- DM. Ausgehend von einer angeschlossenen befestigten Grundstücksfläche von 2.698 qm und einem Gebührensatz von 0,83 DM/qm errechnet sich eine Niederschlagswassergebühr von 2.239,34 DM, insgesamt also ein Entwässerungsgebührenbetrag von 4.387,34 DM. Diesen Betrag hat der Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden und der Er- mäßigung am 29. Juni 1995 auch festgesetzt.
79Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
80Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.
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